I. Einleitung
Im Jahr 2015 lancierten rund 70 Nichtregierungsorganisationen eine
eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle
Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt» (kurz:
Konzernverantwortungsinitiative)[1]. Im Jahr 2016 wurde diese mit rund 120'000 gültigen Unterschriften
eingereicht[2]. In Nachachtung internationaler Leitlinien verfolgt die Initiative das
doppelte Ziel, den internationalen Menschenrechts- und Umweltschutz bei
wirtschaftlichen Aktivitäten mit Auslandsbezug zu stärken und
dabei für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Der rechtliche Grundrahmen
besteht darin, den Schweizer Unternehmen für ihre
Auslandstätigkeiten eine Sorgfaltsprüfungspflicht aufzuerlegen
und sie bei einer Pflichtverletzung in beschränktem Umfang auch
haftbar zu machen.[3]
Im Juni 2018 stimmte der Nationalrat einem indirekten Gegenentwurf (in der
Folge: Gegenentwurf) seiner Rechtskommission mit 121 zu 73 Stimmen bei 2
Enthaltungen zu[4]. Zurzeit (Herbst/Winter 2018) berät diesen die Rechtskommission des Ständerates.
Der Gegenentwurf stützt sich auf dasselbe Grundkonzept wie die
Initiative, enthält aber bedeutende Einschränkungen. So sind
grundsätzlich nur Unternehmen ab einer bestimmten Grösse erfasst,
und auch die Haftungsregelung ist enger gefasst als jene der Initiative
(dazu im Anschluss).[5]
Beide Vorlagen stützen ihre Haftungsregelung auf die
Geschäftsherrenhaftung. Art. 55 Abs. 1bis E-OR des
Gegenentwurfs sieht im Einzelnen vor, dass nach den Grundsätzen der
Geschäftsherrenhaftung ebenso Unternehmen haften, die nach Gesetz zur
Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt
auch im Ausland verpflichtet sind. In Anlehnung an den bestehendenArt. 55 Abs. 1 OR[6]
haften sie «für den Schaden, den durch sie tatsächlich
kontrollierte Unternehmen in Ausübung ihrer dienstlichen oder
geschäftlichen Verrichtungen durch Verletzung der Bestimmungen zum
Schutz der Menschenrechte und der Umwelt an Leib und Leben oder Eigentum im
Ausland verursacht haben.» Die Unternehmen haften nicht, «wenn
sie nachweisen, dass sie die durch das Gesetz von ihnen geforderten
Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt getroffen
haben, um einen Schaden dieser Art zu verhüten[.]» Sie haften
auch dann nicht, wenn sie nachweisen, dass sie «nicht auf das
Verhalten des kontrollierten Unternehmens, in dessen Zusammenhang die
geltend gemachten Rechtsverletzungen stehen, Einfluss nehmen konnten.»[7]
Soweit ersichtlich haben sich bislang nur vereinzelt Autoren mit
haftpflichtrechtlicher Spezialisierung mit der vorstehenden
Haftungsregelung auseinandergesetzt.[8]
Das überrascht: Denn die Haftung ist ein zentraler und gleichzeitig
der politisch umstrittenste Teil der Vorlage. Angesichts der
grenzüberschreitenden Ausstrahlung dieser Regelung und vor dem
Erfahrungshintergrund als Inhaber eines Lehrstuhls für Privatrecht mit
betont rechtsvergleichender Ausrichtung gehe ich hier den Grundfragen nach,
ob die Haftungsregelung im internationalen Vergleich weit geht
oder eingeschränkt ist und ob die Regelung den in der Schweiz
bestehenden Haftungsrahmen dabei erweitert oder präzisiert.[9]
Meine Beurteilung beinhaltet fünf Grundthesen.
II. Beurteilung in fünf Grundthesen
Die Betrachtung folgt einem schrittweisen Vorgehen: Sie beginnt mit der
internationalen Verbreitung der Geschäftsherrenhaftung, führt
über die Ausgestaltung von Art. 55 OR im Rechtsvergleich und
behandelt schliesslich die Übertragbarkeit dieses Haftungskonzepts auf
Konzernverhältnisse. Gestützt darauf folgt eine Beurteilung der
Haftungsregelung im menschenrechtlichen Zusammenhang - zunächst im
Allgemeinen und dann mit einem Ausblick auf den konkreten Gesetzesentwurf.
1. Geschäftsherrenhaftung als im internationalen Vergleich
allgegenwärtiges Haftungskonzept
Sämtliche der mir geläufigen Rechtsordnungen kennen eine
Geschäftsherrenhaftung oder funktional vergleichbare Institute.[10]
Diesen Haftungsnormen liegen primär die folgenden Rechtfertigungen
einer Schadensabwälzung zugrunde: Wer eine andere Person kontrolliert,
soll die Kontrolle über diese Personen auch zur Verhinderung von
Schädigungen Dritter nutzen (sog. respondeat superior). Wer
aus der Tätigkeit eines Anderen wirtschaftlichen Nutzen zieht, soll
auch die damit verbundenen Risiken von Schädigungen Dritter tragen.[11]
Allen Haftungsnormen ist dabei gemein, dass sie (1) eine spezifische
Beziehung, typischerweise ein Subordinations- bzw. Kontrollverhältnis,
zwischen der unmittelbar schädigenden Person und der
haftpflichtrechtlich mitverantwortlichen Person, (2) eine auf
Sorgfaltsverletzung beruhende Schädigung durch die kontrollierte
Person und (3) einen funktionalen Zusammenhang zwischen der Schädigung
und der geschäftlichen Verrichtung für die kontrollierende Person
voraussetzen.[12]
Auch der schweizerische Art. 55 OR
folgt dieser Grundstruktur. Nicht zuletzt wegen ihrer bestechenden ratio legis und den klaren Haftungsvoraussetzungen ist diese Norm,
wie auch in anderen Staaten, immer wieder Modell gestanden für
richterliche Fortbildungen, bis hin zu neuen gesetzlichen Regelungen im
Zusammenhang mit Unternehmensrisiken. Prominentestes Beispiel einer solchen
Rechtsentwicklung ist das Produktehaftpflichtgesetz.[13]
In die Reihe solcher Entwicklungen wäre auch die hier interessierende
Vorlage einzuordnen, sollte sie dereinst in Kraft treten.
2. Artikel 55 OR als im internationalen
Vergleich unternehmensfreundliche Regelung
Bei einem Vergleich der Geschäftsherrenhaftung mit analogen
Haftungsnormen sind international drei Modelle vorherrschend: (a) das
französische Modell, das sich an der Internalisierung von
Geschäftsrisiken ohne individualisierbarem Fehlverhalten des
Geschäftsherrn orientiert und sich entsprechend als
«responsabilité sans faute» versteht, (b), das Modell des
anglo-amerikanischen Rechtskreises, das unter dem breiten Dach einer
«vicarious liability» ebenfalls als eine «strict
liability» konzipiert ist, sowie (c) das von der Schweiz
übernommene deutsche Modell, das sich als einfache
Kausalhaftung nach wie vor am Grundsatz der mangelnden Sorgfalt des
Geschäftsherrn orientiert.[14]
Im Kern dieser Unterscheidung geht es um die Frage, ob der ins Recht
gefassten Person (hier dem inländischen Unternehmen) eine
Haftungsbefreiung durch Sorgfaltsbeweis offen steht oder nicht. Bei der schweizerischen Lösung ist ein solcher
Befreiungsbeweis vorgesehen. Bei den schärferen Haftungen, die neben
dem anglo-amerikanischen Rechtskreis gerade auch in vielen
kontinentaleuropäischen Ländern wie z.B. Frankreich, Belgien,
Luxembourg oder Italien vorkommen, fällt ein solcher hingegen weg.
Sind die vorstehenden drei Haftungsvoraussetzungen erfüllt, haftet die
beklagte Person ohne weiteres; eine Sorgfaltsverletzung durch den
Geschäftsherrn ist im Grundsatz nicht vorausgesetzt.[15]
In dieser Einordnung befindet sich die Schweiz betreffend Schärfegrad
somit überspitzt gesagt im letzten Drittel der Staatengemeinschaft.
Angesichts der von einer Sorgfaltsverletzung zunehmend unabhängiger
verstandenen Geschäftsherrenhaftung in Deutschland bewegt sich die
Schweiz europäisch gar in Richtung Schlusslicht.[16]
So hat sich auch hierzulande die Meinung durchgesetzt, dass der
Sorgfaltsbeweis ein Relikt einer stark am persönlichen Verhalten der
Geschäftsherrin bzw. des Geschäftsherrn angelehnten Konzeption
ist. Diese passt schlecht zur heutigen Gliederung der Unternehmungen, die
sich durch eine starke Konzentration der Entscheidungsbefugnisse und eine
spezialisierte Arbeitsteilung - ohne klar individualisierbarem
Fehlverhalten - auszeichnen.[17]
Zumindest Ansätze einer etwas sorgfaltsunabhängigeren
Organisationshaftung tragen das Projekt «OR 2020»[18]
und der Vorentwurf eines Bundesgesetzes zur Revision und Vereinheitlichung
des Haftpflichtrechts («Widmer/Wessner»)[19]. Zweimal hat der Bundesrat diese Verschärfung allerdings nicht
weiterverfolgt.[20]
Indem die Konzernverantwortungsinitiative wie der Gegenentwurf dem
beklagten Unternehmen nach wie vor einen Sorgfaltsbeweis belassen, bauen
beide Vorlagen folglich auf einer herkömmlichen und
wirtschaftsfreundlichen Ausgestaltung der Geschäftsherrenhaftung auf.
Sie stützen sich zudem auf eine Regelung, die im internationalen
Vergleich äusserst milde und bescheiden ausfällt.
3. Übertragbarkeit der Geschäftsherrenhaftung
auf Konzernverhältnisse als in- und ausländischer Trend
Zur punktuellen Relativierung von Haftungsschranken im Konzern
gegenüber geschädigten Dritten - sei es allgemein oder gerade
auch im vorliegenden Zusammenhang - richtet die neuere Lehre ihren Blick
zusehends auf die Geschäftsherrenhaftung oder vergleichbare Institute.[21]
In der internationalen Literatur gewinnt diese Diskussion v.a. unter den
Titeln «vicarious liability» bzw. «liability for the acts of
others» an Schärfe. So befürwortet etwa die Doktrin in
England, Frankreich oder den Niederlanden aber auch in anderen Staaten mit
zunehmender Deutlichkeit eine Übertragbarkeit der
Geschäftsherrenhaftung oder vergleichbarer Institute auf
Konzernverhältnisse. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass
Klagen zur Anwendung dieser Ansätze bislang noch die Ausnahme bleiben.[22]
In der Schweiz steht die Diskussion an einem ähnlichen Punkt. Nachbreit abgestützter und ganz vorherrschender Lehrmeinung soll Art. 55 OR auch dann anwendbar
sein, wenn nicht natürliche Personen, sondern Unternehmen als juristische Personen Geschäftsherr und Hilfsperson sind (vgl.
dazu den eindrücklichen Fussnotenkatalog).[23]
Eine Übertragung folgt der Art. 55 OR zugrundeliegenden
Rechtfertigung, dass soweit herrschende Gesellschaften ihren
Handlungsspielraum durch den Einsatz von abhängigen Gesellschaften
ausweiten, sie auch für die Handlungen in diesem erweiterten
Handlungsbereich haftpflichtrechtlich mitverantwortlich sind (respondeat superior).[24]
Als Haftpflichtrechtler lasse ich mich in diesem
rechtsgebietsübergreifenden Thema von der zitierten Konzernrechtslehre
mit Nachdruck davon überzeugen, dass die von Art. 55 OR verlangte
«ökonomisch-organisatorische»[25]
Subordination und die damit verbundene faktische Weisungsmacht zwischen
Geschäftsherr und Hilfsperson in der Realität zunehmend straff
geführter Konzerne zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft
typischerweise gegeben ist.[26]
In dieser Wirklichkeit kann es etwa zu den Konzernleitungsaufgaben
gehören, den abhängigen Tochtergesellschaften operationelle
Vorgaben zu Umsatz- und Ertragszielen oder zur Produktion zu machen.[27]
Mit der Formulierung «tatsächlich kontrollierte Unternehmen»
in Art. 55 Abs. 1bis E-OR entscheidet sich der indirekte
Gegenentwurf - in Anlehnung an das im Konzernrecht an sich überkommene Leitungsprinzip - für ein enges Verständnis
einer haftungsrelevanten Kontrolle.[28]
Ein solches vertritt etwa Roland von Büren: Nur wenn der herrschenden
Gesellschaft eine mit der Stellung einer Geschäftsherrin vergleichbare
Möglichkeit zukommt, durch Beeinflussung der abhängigen
Gesellschaft eine Schädigung Dritter zu vermeiden, ist die für
eine Haftung nach Art. 55 OR
erforderliche faktische Weisungsmacht gegeben. Das herrschende Unternehmen
ist demnach dort, wo es eine einheitliche Leitung durchsetzt (oder eben
«tatsächliche Kontrolle» ausübt), als
Geschäftsherr zu qualifizieren. In Bereichen hingegen, welche nicht
von der einheitlichen Leitung betroffen sind und wo das abhängige
Unternehmen autonom handelt, kann diese Haftung nur ausnahmsweise und unter
strengen Voraussetzungen, z.B. bei einer konkreten Weisungsvereinbarung, in
Frage kommen. So in etwa dürfte das enge Verständnis des
Gesetzesentwurfs auszulegen sein. Denkbar wäre es mit Lukas Handschin
aber auch gewesen, auf das im Gesellschaftsrecht mittlerweile etablierte Kontrollprinzip abzustellen, wonach zwar die Leitungsmechanismen
eingerichtet sein müssen, die Leitung aber nicht unbedingt effektiv
wahrgenommen worden sein muss.[29]
Der Gegenentwurf enthält an dieser Stelle denn auch eine deutliche
Einschränkung zur Initiative, welche eine Kontrolle «faktisch
auch durch wirtschaftliche Machtausübung» genügen
lässt.[30]
Soweit meine Ausführungen zur Kontrollvoraussetzung. Damit komme ich
zum Sorgfaltsbeweis.
Zur Weiterentwicklung der Geschäftsherrenhaftung unter dem Titel
«sachgerechte[r] Haftungsregeln für multinationale Konzerne»
ist die Stimme von Karl Hofstetter am einschlägigsten. In seiner
gleichnamigen Habilitation hat er die haftungsrelevanten Sorgfaltskriterien bei Konzernverhältnissen wie folgt
umrissen: «Der Sorgfaltsbeweis der Konzernmutter sollte sich auch im
Zusammenhang mit der Geschäftsherrenhaftung am Begriff der
ordnungsgemässen Konzerngeschäftsführung orientieren. Diesen
gilt es spezifisch auf die […] Schutzinteressen ausservertraglicher
Tochtergläubiger auszurichten. Dabei ist der konkreten
Ausgestaltung der Mutterkontrolle über die Tochtertätigkeiten und
der Voraussehbarkeit eingetretener Risiken Rechnung zu tragen. Der Nachweis
der drei klassischen curae […] vermag aber
grundsätzlich nicht zu genügen.
Gefordert ist vielmehr Beweis dafür, dass alle
konzernorganisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden,
um eine optimale Sicherheit der Tochtertätigkeiten zu
gewährleisten (Konzernorganisationshaftung).»[31]
Bereits dem geltenden Recht von Art. 55 OR liegen demnach Konturen
einer Konzernorganisationshaftung zugrunde. Eine Verantwortlichkeit des
Mutterunternehmens für die schädigenden Handlungen ihrer
Töchter nimmt dabei Abstand vom klassischen Verständnis einer
natürlichen Person als Hilfsperson und den darauf zugeschnittenen drei curae der Sorgfalt in deren Auswahl, Instruktion und
Überwachung. Die Verantwortlichkeit bezieht sich dagegen vornehmlich
auf die vierte vom Bundesgericht entwickelte curae, nämlich
jene einer zweckmässigen Organisation. Eine dahingehende
Organisationshaftung hat sich etwa in der Produktehaftpflicht verfestigt.[32]
Dementsprechend rege ich dazu an, die vorliegende Haftungsregelung in einer
eigenen Bestimmung unterzubringen und nicht, wie im Gegenentwurf, im
bestehenden Art. 55 OR zu
integrieren. Eine neue und separate Bestimmung soll zwar weiterhin den
Geist der Geschäftsherrenhaftung atmen, in funktionaler Umsetzung aber
ihre konzernspezifische Ausgestaltung erhalten.
Als Zwischenfazit stelle ich fest, dass die Übertragung der
Geschäftsherrenhaftung auf Konzernverhältnisse in adäquater
Umsetzung sowohl in der Schweiz als auch im Ausland einem bereits im
geltenden Recht angelegten, mehrheitsfähigen Trend entspricht. Die zu
beurteilende Vorlage baut somit auf einer sachgerechten und bestehenden
Rechtsgrundlage auf.
4. Anwendung dieses Haftungskonzepts im menschenrechtlichen
Zusammenhang - bescheiden bleibt bescheiden
Die Konzernverantwortungsinitiative wie der Gegenentwurf stützen sich
nach den Gesagten auf eine adäquate Haftungsnorm. In der Ausgestaltung
bleibt Art. 55 OR dabei wegen dem
Entlastungsbeweis als herkömmlich-zurückhaltend zu bezeichnen. Im
menschenrechtlichen Zusammenhang kann der Aufbau auf eine
Geschäftsherrenhaftung, die dem beklagten Unternehmen nach wie vor
solchen Entlastungsbeweis belässt, gleichwohl seine Berechtigung
haben. So steht der entworfene Gesetzesrahmen inspiriert von den
international anerkannten
UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (2011)
auf zwei Beinen:[33]
Die Verbindung dieser Sorgfaltsprüfungspflicht und Haftung erfolgt
durch den erwähnten Entlastungsbeweis. Um sich von Haftungsrisiken
freizuhalten, hat das Unternehmen die gesetzlich geforderte Sorgfalt walten
zu lassen. Hat es diese Sorgfalt angewendet, kann es sich von der Haftung
entlasten. Diese haftpflichtrechtliche Wirkung schafft für Unternehmen
den Anreiz, der gesellschaftsrechtlich verankerten
Sorgfaltsprüfungspflicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu
begegnen. Das geschickte Zusammenspiel von Gesellschafts- und Haftpflichtrecht kann
insoweit betont präventiv wirken.[36]
Diese Korrelation bringt das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte
im aktuellen Bericht «The relevance of human rights due diligence to
determinations of corporate liability» wie folgt auf den Punkt:
«Permitting a defense to liability based upon human rights due
diligence activities could incentivize companies to meaningfully engage in
such activities and have important preventative effect […].»[37]
Gleichwohl vermag eine Bestimmung wie die vorgeschlagene, die dem
Entlastungsbeweis verhaftet bleibt, das vorstehend skizzierte Gewand einer
althergebrachten und vergleichsweise harmlosen Regelung nicht abzustreifen.[38]
Bescheiden bleibt eben bescheiden. Ob die Schweiz dieser sehr
unternehmensfreundlichen Zurückhaltung auch im vorliegenden
Zusammenhang treu bleiben will, ist letztlich eine politische Frage.
Meine weiteren Überlegungen gehen sodann der Frage nach,wie der Sorgfaltsmassstab ausgestaltet sein soll: Art. 716abis E-OR (in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1bis E-OR)
leitet die Unternehmen zunächst zum Dreischritt an, (1) Auswirkungen
der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln
und einzuschätzen, (2) die nötigen Massnahmen umzusetzen und zu
überwachen sowie (3) darüber zu berichten. Diese Trilogie
stützt sich auf die international anerkannten, sehr gut strukturierten
und praxisnahen
UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.[39]
Konzernspezifisch haben gewichtige Stimmen in der Lehre gestützt auf
einschlägiges Rechtsmaterial (darunter die OECD-Leitsätze
für multinationale Unternehmen)[40]
dabei die folgende Sorgfalts-Formel entworfen: Die unter den gegebenen
Umständen gebotene Sorgfalt im Konzern ergibt sich letztlich aus einer
zweckmässigen, dem Verhältnis von Kontrolle, Risiken und Mitteln
entsprechende Kompetenzaufteilung innerhalb der Unternehmensgruppe, die
organisatorisch darauf abzielt, menschenrechtliche
Beaufsichtigungslücken zu vermeiden.[41]
In dezentralen Konzernbereichen geht es demnach seitens der Konzernleitung
um ein sorgfältiges Monitoring der konzernweiten Gesamtstruktur
verbunden mit einer hinreichenden finanziellen, personellen und technischen
Ausstattung der kontrollierten Gesellschaft und weniger um die
Überwachung jedes Einzelrisikos. Anders liegen die Dinge in
zentralistisch organisierten Bereichen des Konzerns, in welchen die Mutter
die Tochter im Detail kontrolliert und daher auch in der Lage ist, die
weisungsmässige Abwicklung der Geschäfte zu überprüfen.[42]
Diese Ausführungen sind vielversprechend und lohnen einer näheren
Betrachtung. Im vorliegenden Beitrag bleibt kein Raum für eine solche
Vertiefung. Für meine Grundthese genügt die Feststellung, dass
eine Konkretisierung der gebotenen Sorgfalt in die vorskizzierte Richtung
gehen kann und muss, um der in Art. 55 OR angelegten
Konzernorganisationshaftung weitere Konturen zu verleihen. So gesehen
bildet die diskutierte Vorlage einen gesetzlichen Grundrahmen, der die
spezifisch menschenrechtlichen Aufgaben der Leitungsorgane im Konzern
weiter klärt, aber auch deren Grenzen aufzeigt. Eine solche
Gesetzgebung wäre somit der Rechtssicherheit dienlich.[43]
Nach diesen Erkenntnissen muss ich als Haftpflichtrechtslehrer den mitunter
schrillen und politisch anmutenden Stimmen entschieden widersprechen, die
ins Feld führen, die Konzernverantwortungsinitiative wie der indirekte
Gegenentwurf schafften eine vollkommen neue Haftungsgrundlage, was zu
Rechtsunsicherheit und einem massiv höheren Haftungsrisiko führe.[44]
Die vorgesehene Haftungsregelung erweitert nach dem Gesagten den
Haftungsrahmen nicht, sondern präzisiert ihn lediglich. Und wer die Haftungsregelung mit Blick auf die angesprochenen
Menschenrechts- und Umweltgüter als ausufernd erachtet, überliest
in Art. 55 Abs. 1bis E-OR das gesetzliche Erfordernis eines
Schadens an «Leib und Leben oder Eigentum». Mit diesem
rechtstechnisch wohl besser zu bezeichnenden Personen- und Sachschaden
bleibt die eng verstandene Thematik haftpflichtrechtlich gefasst. Nur
soweit die Verletzung der menschen- und umweltrechtlichen
Sorgfaltsprüfungspflicht zu derart handfesten Schädigungen an
privatrechtlich geschützten Gütern führt, ist sie
haftungsrelevant. Die Regelung führt dementsprechend auch nicht etwa
zu einem neuen internationalen Umwelthaftungsrecht.
Ausfransende Tendenzen dieser Haftungsregelung sind entgegen gegenteiliger
Bedenken[45]
auch insoweit keine auszumachen, als die Bestimmung nicht über den
Konzern hinausgeht und als solche keine Haftungswirkung in die Zulieferkette hat. In Art. 55 Abs. 1ter E-OR ist dazu
ausdrücklich vermerkt, dass «ein Unternehmen […] ein
anderes Unternehmen nicht allein deswegen [kontrolliert], weil dieses von
jenem wirtschaftlich abhängt». Eine haftungsrelevante Kontrolle
ist damit ausserhalb rechtlicher und im Konzern auch tatsächlich
ausgeübter Kontrolle ausgeschlossen. Überschiessende Tendenzen
einer Haftung hin zu Schädigungen durch Lieferanten, wie sie etwa in
der französischen «Loi relative au devoir de vigilance des
sociétés mères» im menschenrechtlichen Zusammenhang
im Begriff der «relation commerciale établie» angelegt sind,[46]
beinhaltet der Gegenentwurf nicht.[47]
5. Gedanken zur konkreten Regelung - Zurückhaltung nicht
übertreiben
Die Rechtskommission des Ständerates ist im Herbst 2018 auf den
indirekten Gegenentwurf mit 9 gegen 2 Stimmen bei einer Enthaltung
eingetreten. Gleichzeitig hat sie in ihrer Medienmitteilung vom 17. Oktober
2018 verlauten lassen, die Arbeiten am vom Nationalrat verabschiedeten Text
weiterzuführen[48]. Dieses Vorgehen ist aus rechtlicher Sicht insoweit zu begrüssen, als
mit der Fortführung der Arbeiten legistische Präzisierungen gemeint sind. Die eingangs
wiedergegebene Bestimmung von Art. 55 Abs. 1bis E-OR ist lang,
als solche schwer lesbar und mitunter redundant.[49]
Kaum nachvollziehbar ist dabei, dass das gerade im vorliegenden
Zusammenhang eminent wichtige Wort «Sorgfalt» in der deutsch- und
französischsprachigen Textfassung fehlt. Auch empfehle ich aus den
erwähnten Gründen (vgl. Kap. II.3), die Haftungsregelung
strukturell vom bestehenden Art. 55 OR abzukoppeln und die
gehaltvollen Aussagen von Art. 55 Abs. 1bis E-OR stattdessen in
eine eigenständige rechtsformneutrale Norm zu giessen. Im vorliegenden
Grundsatzbeitrag gehe ich legistischen Fragen nicht weiter nach und
gehe davon aus, dass die zuständige Rechtskommission diese erfolgreich
bereinigt.
Einem Ansinnen nach Präzisierung kann ich aus haftpflichtrechtlicher
Sicht aber dann nicht folgen, wenn damit weitere materielle Einschränkungen (so. z.B. eine Umkehr des
Sorgfaltsbeweises zulasten des Geschädigten; dazu sogleich) gemeint
sind. Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Haftungsnorm in ihrer
Konzeption (enger Kontrollbegriff, Festhalten am Sorgfaltsbeweis) bereits
jetzt bescheiden ausfällt und im Vergleich zur Initiative deutliche
Abstriche aufweist. Eine weitere Ausdünnung könnte somit einen
Rückschritt hinter das geltende Recht bedeuten. Diese These beleuchte
ich beispielhaft anhand des im Zuge dieser Abhandlung dargelegten
Sorgfaltsbeweises:
Der Sorgfaltsbeweis ist wie erwähnt ein im Prinzip überkommenes
Tatbestandselement (vgl. Kap. II.2.). Ich plädiere deshalb an sich
dafür, darauf zu verzichten. Hält der Ständerat dennoch am
Sorgfaltsbeweis fest, muss dieser zumindest vorbehaltlos beim Beklagten
bleiben. Jenen Stimmen, welche die Beweislast im Rahmen von Art. 55 Abs. 1bis E-OR statt dem Unternehmen nun der geschädigten Person
auferlegen wollen,[50]
bleibt bei dieser Ausgangslage umso entschiedener zu entgegnen: Die
Geschäftsherrenhaftung basiert auf dem Verständnis, dass sich der
Geschäftsherr von einem schädigenden Fehlverhalten seiner
Hilfsperson durch einen Sorgfaltsbeweis haftpflichtrechtlich distanzieren kann.[51]
Diesen Sorgfaltsbeweis - oder eben Entlastungsbeweis - hat
systembedingt das Unternehmen zu erbringen. Vorliegend ist diese
Beweislastverteilung umso vordringlicher, als der Möglichkeit eines
unternehmerischen Sorgfaltsbeweises im Gesamtkonzept betont präventive
Funktion zukommt (vgl. Kap. II.4. vorstehend).
Wer nun behauptet, der Entlastungsbeweis sei eine systemfremde
unternehmerische Last, die der Unschuldsvermutung widerspreche,[52]
irrt nicht nur zwischen Straf- und Haftpflichtrecht und verkennt das
erwähnte Konzept der Geschäftsherrenhaftung. Er verschliesst die
Augen vor massgeblichen Rechtstatsachen. So dürfte es dem
Geschädigten kaum je möglich sein zu beweisen, dass das
Unternehmen die gebotene Sorgfalt hat walten lassen, liegen doch die
Beweise beim Unternehmen und sind diese wegen der fehlenden prozessualen
Herausgabepflicht gegenüber dem Beklagten für Aussenstehende kaum
je zugänglich.[53]
Der Geschädigte hätte gegebenenfalls nicht nur den Beweis des
Schadens, des widerrechtlichen Fehlverhaltens der Tochtergesellschaft, den
mitunter heiklen Beweis der «tatsächlich ausgeübten
Kontrolle» sowie den notorisch schwierigen Beweis des
Kausalzusammenhangs zu erbringen.[54]
Er hätte darüber hinaus auch die kaum zu erbringende Verletzung
der gebotenen Sorgfalt der Muttergesellschaft zu beweisen. Eine
erfolgreiche Klage bliebe so faktisch unmöglich.
Die in dieser Deutlichkeit erkannte Notwendigkeit der konzeptuell
vorgesehenen Beweislast muss, so meine ich, ihre Kraft auch gegenüber
den im Kommissionsbericht zum Gegenentwurf erwähnten Zertifizierungen behalten.[55]
Soweit Unternehmen dereinst etwa Teile einer menschenrechtlichen
Sorgfaltsprüfung Revisionsstellen zur Prüfung vorlegen, darf nach
meiner Auffassung ein Prüfbericht allenfalls die Basis für eine tatsächliche Vermutung der haftpflichtrechtlich gebotenen
Sorgfalt bilden, nicht aber jene für eine gesetzliche Vermutung.[56]
Eine erfolgreiche Zertifizierung sollte also nicht zu einer Umkehr des
Sorgfaltsbeweises zulasten des Geschädigten führen und ihm den
Hauptbeweis auferlegen. Entschiede der Gesetzgeber anders, wäre das
erwähnte Konzept der Geschäftsherrenhaftung auf den Kopf
gestellt. Denn einer derart pauschalen, externalisierten
«Checklisten-Prüfung» kann schlechterdings nicht die
Fähigkeit zukommen, die haftpflichtrechtlich nach den «konkreten
Umständen»[57]
gebotene Sorgfalt eines Unternehmens zu bestimmen. Das UNO-Hochkommissariat
für Menschenrechte spricht im vorliegenden Zusammenhang denn auch
treffend von einer systemimmanenten «inappropriateness and unfairness
of business enterprises seeking to raise due diligence defenses in cases
where superficial ‹check box› approaches to human rights due
diligence might be used as a reference point.»[58]
III. Zusammenfassung
Die vorstehenden Thesen lassen sich demnach wie folgt zusammenfassen:
Ein Zusammenzug dieser Grundthesen führt zum Schluss, dass der
indirekte Gegenentwurf den bestehenden Haftungsrahmen nicht erweitert. Die Schweiz wählt
mithin eine Lösung, die im Einklang steht mit ihrer Rechtstradition.
Dabei wählt die Schweiz eine im internationalen Vergleich
zurückhaltende Lösung. Wenn unser Land in Nachachtung der
UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
mit dem Gesetzesentwurf allenfalls eine international aktive Rolle
übernimmt, dann besteht diese lediglich in der Konkretisierung der bestehenden Haftungsgrundlagen und nicht in
der Erweiterung dieser.
In diesem Sinne sollte es der Schweiz als Rechtsstaat
kontinentaleuropäischer Prägung zumindest ein Anliegen
sein, der bereits im geltenden Recht angelegten Konzernorganisationhaftung
im beschränkt menschenrechtlichen Zusammenhang einen gesetzlichen
Grundrahmen zu geben. Damit blieben wichtige und de lege lata
weitgehend ungeklärte Fragen nicht alleine dem weiten Ermessen
richterlicher Rechtsfindung überlassen. Die entworfene Gesetzgebung
kann in beschränktem Umfang nicht nur den Menschenrechtsschutz
stärken, sondern dient vor allem der Rechtssicherheit. Dieser Befund
schweizerischer Zurückhaltung bezieht sich auf materielles
Haftpflichtrecht. Das Prozessrecht war nicht Gegenstand dieser
Untersuchung. Unter Berücksichtigung des international notorisch
beklagtenfreundlichen Zivilprozessrechts der Schweiz dürfte die
Vorlage in einer Gesamtbilanz noch um Einiges bescheidener ausfallen. Von
der mitunter befürchteten Klageflut ist bei nüchterner
rechtlicher Betrachtung demnach nicht auszugehen.
[1]
Vorprüfung der Eidgenössischen Volksinitiative
«Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von
Mensch und Umwelt» (BBl 2015 3245).
[2]
Zustandekommen der Eidgenössischen Volksinitiative
«Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von
Mensch und Umwelt» (BBl 2016 8107).
[5]
Für die einzelnen Bestimmungen des Gegenentwurfs vgl. zur
Übersicht die
Anträge der Kommission für Rechtsfragen des
Nationalrates [RK-N]
vom 4. Mai 2018 zur eidgenössischen Volksinitiative
«Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von
Mensch und Umwelt»: indirekter Gegenentwurf, die so
unverändert vom Nationalrat verabschiedet wurden; zudem
Zusatzbericht der Kommission für Rechtsfragen [RK-N]
vom 18. Mai 2018 zu den Anträgen der Kommission für einen
indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Für
verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und
Umwelt» im Rahmen der Revision des Aktienrechts (in der Folge:
Kommissionsbericht).
[6]
Dieser lauter wie folgt: «Der Geschäftsherr haftet
für den Schaden, den sein Arbeitnehmer oder andere
Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder
geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht
nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt
angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder
dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten
wäre.»
[7]
Art. 55 Abs. 1bis E-OR des Gesetzesentwurfs (Fn. 5).
[8]
Vgl. für eine Einführung die Literaturhinweise bei Gregor
Geisser, Die Konzernverantwortungsinitiative - Darstellung,
rechtliche Würdigung und mögliche Umsetzung, AJP 8/2017,
S. 943 ff. (953); vgl. auch Lukas Handschin,
Konzernverantwortungsinitiative - Gesellschaftsrechtliche Aspekte,
AJP 8/2017, S. 998 ff. (der trotz Titel auch haftpflichtrechtliche
Aspekte aufgreift, die sich allerdings auf die Initiative
beschränken und den damals noch nicht bestehenden
Gesetzesentwurf nicht beinhalten). Auch nach jenen Publikationen
ist die haftpflichtrechtliche Auseinandersetzung mit dieser
Thematik kaum reicher geworden.
[9]
Für eine Einordnung aus Sicht des Internationalen Privatrechts und Zivilprozessrechts vgl. u.a. die
Quellen bei Geisser (Fn. 8), S. 946 ff. und 963 ff.
[10]
Für einen Überblick Paula Giliker,
Vicarious Liability or Liability for the Acts of Others in Tort
- A comparative perspective, Journal of European Tort Law 2011, S. 31 ff.; Gerhard Wagner, Vicarious Liability, in: Arthur
Hartkamp u.a. (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 4. Aufl., The
Hague u.a. 2011, S. 903 ff.; weiter auch Franz Werro/Vernon Palmer/Anne-Catherine Hahn,
in: Franz Werro/Vernon Palmer (Hrsg.), The Boundaries of Strict
Liability in European Tort Law, The Common Core of European Private
Law, Bern u.a. 2004, S. 156 ff.; Franz Werro/Erdem Büyüksagis, The Bounds between Negligence and
Strict Liability, in: Mauro Bussani/Anthony J. Sebok (Hrsg.), Comparative Tort Law: Global
Perspectives, Cheltenham 2015, S. 218.
[11]
Für die Schweiz vgl. bereits BGE 50 II 469 E. 2 S. 470;
weitere Hinweise bei Franz Werro, La responsabilité civile, 3.
Aufl., Bern 2017, Rz. 497; Walter Fellmann/Andrea Kottmann,
Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil sowie
Haftung aus Verschulden und Persönlichkeitsverletzung,
gewöhnliche Haftungen des OR, ZGB und PrHG, Bern 2012, Rz. 730
ff.; Christoph Müller, La responsabilité civile
extracontractuelle, Bâle 2013, Rz. 266; vertiefend vgl. Martin
Petrin, Fortentwicklung der Geschäftsherrenhaftung in der
Schweiz, Zürich 2004, S. 21 ff.; rechtsvergleichend statt
vieler Phillip Morgan,
Vicarious liability for Group Companies: the Final Frontier of
Vicarious liability?, Journal of Professional Negligence 4/2015, S. 289 f., m.w.H.;
Siel Demeyere, Liability of a Mother Company for Its Subsidiary in
French, Belgian, and English Law, European Review of Private Law
3/2015, S. 394 und 397, m.w.H.
[12]
So u.a. besonders prägnant Giliker (Fn. 10), S. 33.
[13]
Vgl.
BGE 110 II 456
(«Schachtrahmen»-Fall) mit der Entwicklung bis hin zum
Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht
(PrHG; SR 221.112.944);
dazu vgl. Heinz Rey/Isabelle Wildhaber, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 5. Aufl.,
Zürich u.a. 2018, Rz. 1117 ff.; Müller (Fn. 11), Rz. 426;
zur verbleibenden Bedeutung von Art. 55 OR als Grundnorm etwa auch
Werro (Fn. 11), Rz. 499 f.
[15]
Vgl. prägnant Vito Roberto, Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bern
2018, Rz. 08.59; eingehender u.a. Giliker (Fn. 10), S. 31
ff., 37 f.; Demeyere (Fn. 11), S. 407; Morgan (Fn. 11), S. 276; Spier (Fn. 14), S. 63 ff.
[16]
Vgl. zur zusehends strengeren Praxis in Deutschland z.B. Nachweise
bei Giliker (Fn. 10), S.
36 f.; Wagner (Fn. 10), S. 911.
[17]
So grundlegend schon Peter Jäggi ZSR 86/1967 II,
Diskussionsvotum am Schweizer Juristentag, S. 754 ff.
[18]
Als informativen Einstieg dazu vgl. www.or2020.ch; Walter
Fellman/Christoph Müller/Franz Werro, Kommentierung zu Art.
46-63, in: Claire Huguenin/Reto M. Hilty (Hrsg.), Schweizer
Obligationenrecht 2020 - Entwurf für einen neuen allgemeinen
Teil, Zürich 2013.
[19]
Im Vergleich mit den europäischen Entwicklungen vgl. Franz
Werro, The Swiss Tort Reform: a Possible Model for Europe?, in:
Mauro Bussani (Hrsg.), European Tort Law, Bern 2007, S. 81 ff.; zur
Kritik am Sorgfaltsbeweis mit etwas anderer Begründung Roberto
(Fn. 15), Rz. 08.60 ff.; vertiefend Oliver Waespi,
Organisationshaftung, Bern 2005, passim.
[20]
Dass die Zeit für einen solchen Schritt hierzulande offenbar
noch nicht reif ist, hat der Bundesrat unlängst
bekräftigt (vgl. Bericht des Bundesrates vom 31. Januar 2018 -
Modernisierung des Allgemeinen Teils des Schweizer
Obligationenrechts
in Erfüllung der Postulate [13.3217] Bischof und [13.3226]
Caroni). Bereits den erwähnten Vorentwurf
«Widmer/Wessner» hatte der Bundesrat nicht
weiterverfolgt.
[21]
Dies in Abgrenzung zur Durchgriffshaftung, die als zu radikale
Lösung zu Recht je länger je weniger von Bedeutung ist:
dazu treffend Geisser (Fn. 8), S. 953 f.; Rolf H. Weber/Rainer
Baisch,
Liability of Parent Companies for Human Rights Violations of
Subsidiaries, 2015, S. 688 ff.; und im anglo-amerikanischen Rechtskreis in
letzter Differenzierung zu Recht auch vermehrt mit Abstand vom sog.
«Duty-of-Care-Konzept» hin zur «vicarious
liability» u.a. Morgan (Fn. 11), S. 276
ff.
[22]
Zu dieser Diskussion vgl. aus der reichen Literatur allgemein statt
vieler Demeyere (Fn. 11), S. 385 ff.; Morgan (Fn. 11), S. 276
ff. und S. 289 ff. (v.a. in der Ausgestaltung als «enterprise
liability»); Karl Hofstetter, Sachgerechte Haftungsregeln
für multinationale Konzerne - Zur zivilrechtlichen
Verantwortlichkeit von Muttergesellschaften im Kontext
internationaler Märkte, Tübingen 1995, S. 119 ff. (S. 225
f.: Nachweise zu Deutschland mit Blick auf die
Geschäftsherrenhaftung); und mit zusätzlich
menschenrechtlichem Bezug: Weber/Baisch (Fn. 21), S.
685 ff.; Geisser (Fn. 8), S. 952 ff.; Liesbeth Enneking, Corporate
liability for violations of human rights and the environment
abroad: a comparative perspective, AJP 8/2017, S. 988 ff.;
André Nollkaemper, Public International Law in Transnational
Litigation Against Multinational Corporations: Prospects and
Problems in the Courts of Netherlands, in: Kamminga Menno
T./Zia-Zarifi Sman (Hrsg.), Liability of Multinational Corporations
under International Law, The Hague 2000, S. 265 ff.; Cees van Dam,
Tort Law and Human Rights: Brothers in Arms - On the Role of Tort
Law in the Area of Business and Human Rights, Journal of European
Tort Law 2011, S. 221 ff., 247 ff.
[23]
Vgl. Roland von Büren, Schweizerisches Privatrecht Bd. VIII/6,
Der Konzern, 2. Aufl., Basel u.a. 2005, S. 202 ff.; Hofstetter (Fn.
22), S. 239 ff.; Lukas Handschin, Der Konzern im geltenden
schweizerischen Privatrecht, Zürich 1994, S. 344 ff.; Karin
Beyeler, Konzernleitung im schweizerischen Privatrecht, Zürich
2004, S. 272 ff.; Nina Sauerwein, La responsabilité de la
société mère, Bern 2006, S. 89 ff.; Max
Albers-Schönberg, Haftungsverhältnisse im Konzern,
Zürich 1980, S. 174 ff.; Jean Nicolas Druey/Alexander Vogel,
Das Schweizer Konzernrecht in der Praxis der Gerichte, Zürich
1999, S. 101; Gregor Geisser, Ausservertragliche Haftung privat
tätiger Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen bei
internationalen Sachverhalten - Möglichkeiten und Grenzen der
schweizerischen Zivilgerichtsbarkeit im Verhältnis von
Völkerrecht und Internationalem Privatrecht, Zürich u.a.
2013, S. 494 ff. Im Grundsatz so auch von der Praxis bejaht: vgl.
Urteil des Bundesgerichts (R. Inc. c. S. SA) vom 11. Juni 1992, in:
SZW 1993, S. 308. Als soweit ersichtlich einzig kritische Stimmen
im vorliegenden Zusammenhang, allerdings ohne Bezug zur
vorstehenden Literatur, Peter Böckli/Christoph B. Bühler,
Zur «Konzernverantwortungsinitiative» - Rechtliche
Überlegungen zu den vier Forderungen der Eidgenössischen
Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen von
Mensch und Umwelt», Zürich u.a. 2018, S. 56 f.
[24]
Vgl. treffend Handschin (Fn. 23), S. 347.
[25]
Vgl. u.a. Rey/Wildhaber (Fn. 13), Rz. 1066, m.w.H.;
Fellmann/Kottmann (Fn. 11), Rz. 739; Petrin (Fn. 11), S. 67 ff.
[26]
Beispielhaft für die vorstehende Literatur vgl. Handschin (Fn.
23), S. 349.
[27]
Vgl. etwa von Büren (Fn. 23), S. 57. Mischt sich die
Konzernmutter (mittels ihrer Organe) darüber hinaus in die
konkret schädigende Handlung ein, indem sie z.B. spezifische,
die absolut geschützten Rechtsgüter Dritter verletzende
Weisungen erteilt, wird sie gar zur Geschäftsführerin und
wäre unter Umständen direkt aus Art. 41 OR haftbar; vgl.
dazu Nachweise bei Geisser (Fn. 23), S. 493 f.
[29]
Handschin (Fn. 23), S. 349 und 353; im vorliegenden Verhältnis
Ders. (Fn. 8), S. 1000 ff. (mit dem Hinweis auf das Kontrollprinzip
bzw. die Konsolidierungspflicht nach Art. 963 OR als objektives
und rechtssicheres Kriterium).
[30]
Vgl. Art. 101a Abs. 2 Bst. a E-BV; zum Verständnis dieser
Formulierung vgl. auch Erläuterungen (Fn.
3), S. 43 f.
[31]
Hofstetter (Fn. 22), S. 243 f., m.w.H. (Hervorhebung
hinzugefügt).
[34]
Vgl. UNO-Leitprinzipien
(Fn. 33) 17 ff. mit Art. 716abis und Art. 961e E-OR des
Gesetzesentwurfs (Fn. 5).
[38]
Dessen ist sich bei rechtsvergleichender Betrachtung offenbar auch
das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte bewusst: vgl. OHCHR (Fn. 37),
Ziff. 26 und 29 (ganzer Absatz).
[41]
Vgl. die Verweise in der nachstehenden Fn.
[42]
Vgl. aus dem Kreis dieser gewichtigen Stimmen u.a. Handschin (Fn.
23), S. 111 und S. 352 f. (allgemein); OECD-Leitsätze (Fn.
40), Erläuterungen zu den allgemeinen Grundsätzen, Ziff.
9 (zum Gesamtmonitoring); Peter Forstmoser,
Schutz der Menschenrechte - eine Pflicht für
multinationale Unternehmen?, in: Angela Cavallo u.a. (Hrsg.), Liber amicorum für Andreas
Donatsch, Zürich u.a., 2012, S. 715 (zur Organisationspflicht)
und S. 720;
Ders., Corporate Social Responsibility, eine (neue) Rechtspflicht
für Publikumsgesellschaften?, in: Robert Waldburger u.a.
(Hrsg.), Festschrift für Peter Nobel zum 70. Geburtstag, Bern
2015, S. 157 ff. und S. 175; von Büren (Fn. 23), S. 203 (zur
haftungsrelevanten Aufsichtspflicht der Konzernmutter); Hofstetter
(Fn. 22), S. 243 (Sorgfalts-Formel); Rey/Wildhaber (Fn. 13), Rz. 1103 (zur Vermeidung von
Beaufsichtigungslücken); in gesamthaftem Zusammenzug vgl.
Geisser (Fn. 8), S. 957 f. (mit Anwendungsbeispielen).
[43]
Als Potenzial und Empfehlung in diese Richtung namentlich für
civil-law-Staaten [wie der Schweiz] vgl. auch OHCHR (Fn. 37),
Ziff. 24 und Annex I, Policy objective 14.2-3; aus der Lehre
Nicolas Bueno, La responsabilité des entreprises de respecter
les droits de l'homme - État de la pratique suisse, AJP
8/2017, S. 1023 f.; Enneking (Fn. 22), S. 996; Geisser (Fn. 8), S.
962; innerhalb der von SKMR/SIR (Hrsg.), mit Christine Kaufmann und
Lukas Heckendorn Urscheler, in ihrer
Wiedergutmachungs-Studie [Access to Remedy - Study commissioned
by the FDFA with view to fulfilling Postulate 14.3663], 2017, Executive Summary, S. 10 und Bericht, S. 131 ff.,
dargelegten Optionen, entspricht dieses Vorgehen dem vermittelnden
Szenario C: Klärung statt Erweiterung.
[49]
Stellvertretend für die Redundanz z.B. die zweimalige
Erwähnung des Passus «Bestimmungen zum Schutz der
Menschenrechte und der Umwelt». Eine Norm mit komplexen
Inhalten wie den vorliegenden über zwei Sätze und zehn
Zeilen zu erstrecken, sprengt zweifellos den Rahmen einer
übersichtlichen und verständlichen Bestimmung.
[51]
In diesem Sinne treffend auch SKMR/SIR (Fn. 43),
Executive Summary, Rz. 21.
[53]
Zu den konkreten Beweisschwierigkeiten wegen fehlender
Herausgabepflichten der Gegenpartei eingehend Geisser (Fn. 23), Rz.
423 ff. In anderen Staaten wie Frankreich, England oder den
Niederlanden bestehen hingegen grundsätzlich prozessuale
Editionspflichten.
[54]
Zu den möglichen Beweisherausforderungen im vorliegenden
Zusammenhang vgl. u.a. Hofstetter (Fn. 22), S. 240 ff.
[55]
Kommissionsbericht
(Fn. 5), S. 6 (dort auch mit dem Hinweis auf eine entsprechende
«Vermutung» der Anwendung der angewendeten Sorgfalt
gemäss Art. 55 Abs. 1bis E-OR).
[56]
Zur Abgrenzung von tatsächlichen und gesetzlichen Vermutungen
vgl. Peter Guyan, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017, N. 13 zu Art. 157 ZPO.
[57]
Vgl. statt vieler Rey/Wildhaber (Fn. 13), Rz. 1087;
Fellmann/Kottmann (Fn. 11), Rz. 753 zum dahin gehenden Wortlaut von
Art. 51 Abs. 1 OR (Fn. 6).