I. Einleitung
Gegenwärtig bestellen Bund und Kantone bei 120 Transportunternehmen (TU) rund 1400 Linien[1] des regionalen Personenverkehrs (RPV)[2]. Die allermeisten dieser Linien können nicht kostendeckend betrieben werden, weshalb sie von Bund und Kantonen mit rund zwei Milliarden Franken jährlich subventioniert werden.[3] Die PostAuto Schweiz AG, eine Tochtergesellschaft der PostAuto AG, welche wiederum eine Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post AG ist, betreibt eine grosse Zahl abgeltungsberechtigter Linien des RPV.[4] Innerhalb dieser Konzerngesellschaften hat die PostAuto Schweiz AG nicht gerechtfertigte Umbuchungen zwischen abgeltungsberechtigten Sparten und den übrigen Sparten vorgenommen, um Gewinne aus den abgeltungsberichtigen Sparten zu verschieben.[5] Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat diese konzerninternen Verrechnungen zwischen der PostAuto Schweiz AG und anderen Tochtergesellschaften der PostAuto AG kritisch untersucht und kam nicht nur zum Schluss, dass die konkreten Umbuchungen unrechtmässig seien, sondern dass bei konzerninternen Verrechnungen generell keine Zwischengewinne anfallen dürfen.[6] Es sei daher unzulässig, die Kosten des abgeltungsberechtigten RPV aufgrund von Marktpreisen oder nach der «cost-plus-Methode» (Vollkosten plus Gewinnaufschlag) zu bestimmen und weiterzuverrechnen.[7]
Die Feststellung des BAV betrifft nicht nur die PostAuto AG, sondern die ganze Branche. Der vorliegende Beitrag prüft deshalb unabhängig vom konkreten Fall der PostAuto AG diese Haltung sowie die zugrundeliegenden Rechtsfragen kritisch und kommt zu anderen Schlüssen. Hierzu werden zunächst die Grundzüge des Bestellverfahrens im RPV dargelegt (Ziff. II), der Begriff der «ungedeckten Kosten» nach Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung (PBG) erörtert (Ziff. III)[8] und geklärt, wie anhand dieses Kostenbegriffs konzerninterne Leistungen der rechtlich selbständigen Gesellschaften zu beurteilen sind (Ziff. IV). Anschliessend bewertet der Beitrag kurz die aktuellen Reformvorschläge im Bereich des RPV (Ziff. V) und schliesst mit einem Rechtsvergleich zur Vergabe von Dienstleistungsaufträgen öffentlicher Personenverkehrsdienste in der EU (Ziff. VI).
II. Grundzüge des Bestellverfahrens im regionalen Personenverkehr
1. Direktvergabeverfahren und Ausschreibungsverfahren
Im RPV gilt seit 1996 das sogenannte Bestellprinzip[9], wonach Bund und Kantone bei den TU das Verkehrsangebot nach Art. 31b PBG jeweils alle zwei Jahre bestellen.[10] Dabei sieht das PBG zwei Verfahrensmöglichkeiten vor. Im Direktvergabeverfahren handeln Besteller und TU Angebot und Abgeltung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aus, während das Verkehrsangebot im Ausschreibungsverfahren an den TU «mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot» vergeben wird.[11] Dabei ist aber nicht nur der Preis ausschlaggebend, sondern die Behörden berücksichtigen nach Art. 32g Abs. 2 PBG etwa auch die Umweltverträglichkeit eines Angebots.[12] Obwohl Art. 32 Abs. 1 PBG das Ausschreibungsverfahren für den RPV auf der Strasse zum Regelfall erklärt,[13] bestehen im Gesetz viele Ausnahmen.[14] In der Praxis ist das Direktvergabeverfahren nach wie vor auch bei den Buslinien das häufigste Vergabeverfahren geblieben.[15] Laut Angaben des Bundesrates fanden von 1996 bis 2018 lediglich 35 Ausschreibungen im gemeinsam von Bund und Kantonen bestellten RPV statt.[16]
Das Ausschreibungsverfahren wird mit dem Verfahren zur Erteilung oder Erneuerung der Konzession koordiniert.[17] So kommt das Ausschreibungsverfahren zwar grundsätzlich bei Neuerteilungen sowie bei der Erneuerung von Konzessionen zur Anwendung, letzteres zumindest falls die Ausschreibungsplanung dies vorsieht.[18] Während der Dauer bestehender Konzessionen findet eine Ausschreibung jedoch nur im Sinne einer Sanktion durch die Besteller statt, etwa falls Zielvereinbarungen nicht erfüllt werden und die Zielvereinbarung diese Sanktion vorsieht.[19] Wie die Ausschreibung selber scheint jedoch auch die Sanktion aus faktischen Gründen, insbesondere der kleinen Zahl an Interessenten, regelmässig schwer zu verwirklichen.[20] Demgegenüber ist eine Linie nicht auszuschreiben, falls mit einem Unternehmen eine Zielvereinbarung besteht und das Unternehmen diese Ziele erfüllt.[21] Im Ausschreibungsverfahren machen die Besteller Vorgaben zum gewünschten Angebot (Fahrplan) sowie zu den zur Verfügung stehenden Mitteln und fordern die TU zur Offertstellung auf.[22] Die interessierten TU reichen daraufhin für jede Linie eine Offerte ein, welche unter anderem eine verbindliche Planrechnung enthalten muss.[23] In dieser weist das Unternehmen das verbleibende Defizit, die sogenannten «geplanten ungedeckten Kosten» gemäss Art. 28 Abs. 1 PBG aus. Diese ungedeckten Kosten werden von den Bestellern abgegolten.[24]
2. Vergabevereinbarung
Die Besteller vergeben das ausgeschriebene Angebot gestützt auf die Kriterien von Art. 32g PBG, worauf das BAV den Vergabeentscheid verfügt.[25] Besteller und TU schliessen daraufhin eine Vergabevereinbarung,[26] in welcher gestützt auf die Offerte des TU u.a. Geltungsdauer, Verkehrsangebot, Qualität und Kosten und damit auch die zu leistenden Abgeltungen der Besteller festgelegt werden.[27] Vergabevereinbarungen werden in der Regel für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen.[28] Geltungsdauer und Abgeltungen stehen dabei in einem gewissen Spannungsverhältnis, da sowohl das unternehmerische Risiko als auch der mögliche Gewinn bei längerer Laufzeit grösser sind.[29] Um diese Unsicherheiten zu beschränken, sieht Art. 27m Abs. 3 ARPV[30] vor, die Abgeltungsbeiträge für die ersten beiden Fahrplanperioden und damit für vier Jahre zu fixieren und anschliessend anhand eines vordefinierten Mechanismus anzupassen.[31] Die Lehre spricht sich mitunter dafür aus, solche Anpassungen nur in engen Grenzen zuzulassen, um das wirtschaftliche Risiko tatsächlich den TU aufzuerlegen.[32] Sie kritisiert gleichzeitig, dass dieses Mischmodel aber besser zum Verfahren der Direktvergabe passt, da der Besteller hier auf die Kostenstruktur des TU Einfluss nehmen kann. Im Ausschreibungsverfahren führe dies hingegen zu Beeinträchtigungen, da es die Ausschreibungen wirtschaftlich weniger attraktiv erscheinen lässt. Ausserdem werden dadurch Unternehmen mit bereits bestehender Spezialreserve aus angehäuften Gewinnen i.S.v. Art. 36 Abs. 2 PBG bevorzugt, da neu eintretenden Unternehmen diese Reserve anfänglich fehlt.[33]
3. Gewinnverwendung
Als Ausgleich für das vom TU eingegangene wirtschaftliche Risiko sollte diesem aus der wirtschaftlichen Tätigkeit ein möglicher Gewinn in Aussicht stehen.[34] Denn decken die Transporterlöse und die Abgeltungen der Besteller die Aufwendungen des TU nicht, hat dieses den Verlust nach Art. 36 Abs. 1 PBG selber zu tragen. Einen allfälligen Gewinn hat das Unternehmen zu mindestens zwei Dritteln einer steuerfreien Spezialreserve zur Deckung künftiger Verluste abgeltungsberechtigter Linien zuzuweisen. Einen Drittel kann das Unternehmen hingegen frei verwenden. Wenn diese Spezialreserve 25% des Jahresumsatzes der abgeltungsberechtigten Linien oder 12 Mio. Franken beträgt, steht auch der übrige Gewinn dem TU zur freien Verfügung.[35] Die Möglichkeit, nicht den gesamten Gewinn der Spezialreserve zuweisen zu müssen, sollte bei den Unternehmen Gewinnanreize und damit Motivation zu kosteneffektivem Wirtschaften hervorrufen. Unter solcher Effizienz verstand der Bundesrat bisher allerdings lediglich die Verbesserung der «Ist-Rechnung gegenüber der Planrechnung».[36] In früheren Botschaften betonte der Bundesrat im Hinblick auf das Direktvergabeverfahren aber auch, dass die TU sich in Bezug auf ihre Leistung an der Effizienz von anderen Unternehmen in ähnlichen Verhältnissen messen lassen müssen.[37]
Es ist allerdings nicht so, dass Subventionsnehmer in keinem Fall Gewinne erwirtschaften dürfen. Gerade im RPV sieht dies Art. 36 Abs. 4 PBG in nicht abgeltungsberechtigten Sparten vor, weshalb die TU auch eine nach Sparten gegliederte Rechnung zu führen haben.[38] In der Praxis beschränken die Besteller die Gewinnmöglichkeiten der TU im System der Direktvergabe jedoch in genereller Weise, indem sie darauf drängen, die Abgeltungen in der Folgeperiode zu reduzieren, falls das TU signifikante Gewinne erwirtschaften konnte.[39] Auf der anderen Seite kann das TU aber auch sein wirtschaftliches Risiko senken, indem kurze Abgeltungsperioden mit der Möglichkeit der Neuverhandlung dieser Abgeltungen verankert werden. Beide Entwicklungen stellen das Ausschreibungsmodell insgesamt jedoch in Frage.[40]
III. Begriff der «ungedeckten Kosten» nach PBG
Sowohl im Ausschreibungsverfahren als auch im Verfahren der Direktvergabe haben die TU den Bestellern eine Planrechnung einzureichen, aus welcher die geplanten «ungedeckten Kosten» des Verkehrsangebots hervorgehen (Art. 28 Abs. 1 PBG). Die TU haben neben ihrer Finanzrechnung eine Betriebskosten- und Leistungsrechnung zu führen, welche nach Sparten zu gliedern ist.[41] Diese Betriebskosten- und Leistungsrechnungen sind gemäss Art. 13 Abs. 1 RKV[42] nach dem Prinzip der Vollkostenrechnung zu führen. Weder das PBG noch die den RPV regelnden Verordnungen erläutern den Begriff der «Vollkosten» resp. «ungedeckten Kosten» näher.[43]
Im allgemeinen bzw. betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch, auf den sich auch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht abstützen, stellen Kosten den betriebszweckbezogenen Verzehr von Wirtschaftsgütern in einer Rechnungsperiode dar.[44] Im internen Rechnungswesen stehen die Kosten den Erlösen gegenüber, womit Kosten ungedeckt sind, soweit sie nicht durch Erlöse gedeckt werden und damit ein Defizit darstellen.[45] Diese betriebswirtschaftliche Sicht des Vollkosten- sowie das Periodizitätsprinzips[46] schliesst es laut Bundesgericht[47] etwa aus, die Rückzahlung eines Darlehens, welches in der fraglichen Periode nicht aufwandrelevant ist, auf den RPV abzuwälzen.[48] Der Gewinn ist dagegen unmittelbar mit der unternehmerischen Tätigkeit der jeweiligen Periode verbunden: Gewinn bezeichnet in der Finanzbuchhaltung die Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen eines wirtschaftlichen Unternehmens. Er dient dazu, das zur Verfügung gestellte Eigenkapital im Verhältnis zur Inflation zu erhalten und zu entschädigen, Risiken abzugelten sowie Kapital für zukünftige Unternehmen bereitzustellen.[49]
Das BAV ist der Meinung, dass die «ungedeckten Kosten» nach PBG keinen Gewinnzuschlag beinhalten dürfen. Damit würden die «ungedeckten Kosten» nach dem Aufwand bemessen und vom Gewinn getrennt. Eine Trennung von Aufwand und Gewinn widerspricht aber einer betriebswirtschaftlichen Sicht insofern, als infolgedessen nur Zinsaufwendungen für Fremdkapital als Aufwand erfasst werden, während Eigenkapital, das keinen Wertverzehr nach sich zieht, «gratis» zur Verfügung steht. Letzteres mag dann argumentiert werden, wenn das Eigenkapital vom Staat zur Verfügung gestellt wird,[50] wie es etwa im Bereich der Bahninfrastruktur und dem Grossteil des dort eingesetzten Aktienkapitals der Fall ist.[51] Die Bahninfrastruktur unterliegt jedoch einem anderen Marktregime als der RPV auf der Strasse.[52] Einem unternehmerischen Ansatz im RPV steht eine solche Sichtweise denn auch diametral entgegen.[53] In dieser Sicht wäre die Höhe der Kosten abhängig von der Kapitalstruktur: Eigenkapitalfinanzierte Unternehmen hätten tiefere Kosten als stärker fremdfinanzierte Betriebe, was zu ungleichen Abgeltungen durch Subventionen je nach Kapitalstruktur führen würde. Nicht berücksichtigt würde, dass das zur Verfügung gestellte Eigenkapital andernorts Gewinn erzielen kann (Opportunitätskosten), weshalb in der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital angesetzt werden. Mit einer solchen betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung wird jener Gewinn ausgewiesen, der über eine am Geld- und Kapitalmarkt alternativ erzielbare Verzinsung hinaus erwirtschaftet wird. Zinsen für Eigenkapital stellen somit betriebswirtschaftlich kalkulatorische Kosten dar.[54]
Dieser betriebswirtschaftlichen Sicht entspricht, dass Bund und Kantone als Besteller den TU nach Art. 15 ARPV eine Verzinsung des Eigenkapitals gewähren können, womit diese als Aufwand und damit als Teil der abgeltungsberechtigten Kosten aufgefasst werden.[55] Indem allerdings Art. 15 ARPV die Eigenkapitalverzinsung gemäss Wortlaut von einer expliziten Erlaubnis von Bund und Kantonen abhängig macht, weicht die Verordnung insofern vom Grundsatz des Gesetzes (Art. 28 PBG) ab, als dem TU die gesamten «ungedeckten Kosten» abgegolten werden sollen - richtigerweise zu verstehen im betriebswirtschaftlichen Sinn als Vollkosten samt (oben erwähnter) kalkulatorischer Eigenkapitalverzinsung. Entsprechend wurde auch der PostAuto AG regelmässig eine Eigenkapitalverzinsung gewährt.[56] Eine andere Sicht führte dagegen ohne sachlichen Grund zur erwähnten Schlechterstellung von stärker eigenkapitalfinanzierten Betrieben und widerspräche somit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkurrenten (Art. 27 BV)[57] und dem Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV). [58] Allerdings kann - im Umkehrschluss dazu - schon heute die Ungleichbehandlung vermieden werden, indem die Besteller ihre Zustimmung zu einer Eigenkapitalverzinsung geben. Der Verordnungsgeber hat insofern die Mechanik erkannt, wonach Eigenkapital unter markt- oder marktähnlichen Bedingungen grundsätzlich nur dann investiert wird, wenn dieses auch verzinst wird.
Dieses Auslegungsergebnis steht auch in Übereinstimmung mit der historischen Auslegung von Art. 28 Abs. 1 PBG, eine Bestimmung, welche ihrerseits auf aArt. 49 Abs. 1 EBG[59] zurückgeht.[60] Die Botschaft zur Bahnreform 2 erläutert den Begriff der ungedeckten Kosten zwar nicht näher, doch nimmt bereits die Botschaft über die Revision des Eisenbahngesetzes von 1993 an verschiedenen Stellen Bezug auf ein betriebswirtschaftliches Kostenrechnungssystem, welches insbesondere als Führungsmittel der TU dienen solle.[61] In der Debatte im Nationalrat fasste Berichterstatter Hanspeter Seiler den Zweck der Revision denn auch damit zusammen, dass diese den TU Anreize zu unternehmerischem Handeln bieten und das System dadurch auf eine marktwirtschaftliche Prägung «umgepolt» werden sollte.[62] Eine Stossrichtung, welche sich auch bereits aus der entsprechenden Botschaft des Bundesrates ergibt.[63] In den Beratungen zur Bahnreform 2 im Jahre 2009 war denn auch unbestritten, dass TU auch in abgeltungsberechtigten Sparten Gewinn sollten erwirtschaften dürfen. Bundesrat Leuenberger stellte in den Beratungen im Ständerat fest: «Der Grundsatz ist, glaube ich, nicht mehr bestritten, wonach auch bei subventionierten Unternehmen ein Gewinn gemacht werden darf und vielleicht gemacht werden soll.»[64]
IV. Verrechnungen in Konzernstrukturen
Wenn ein TU über eine Konzernstruktur verfügt,[65] was heute nicht mehr nur bei grossen, sondern meist auch bei mittleren und oft selbst bei kleinen Unternehmen der Fall ist,[66] kann sich die Frage stellen, wie interne Leistungen der rechtlich selbständigen Gesellschaften innerhalb des Konzerns zu verrechnen sind.
Im Konzernrecht gilt grundsätzlich das Trennungsprinzip, wonach die rechtlich selbständigen Gesellschaften als juristisch eigenständige Einheiten betrachtet werden. Im Sinne einer Ausnahme können die wirtschaftlich eine Einheit bildenden Gesellschaften jedoch als eine Gesamteinheit aufgefasst werden, wobei es hierfür sowohl einer besonderen Situation als auch einer besonderen Rechtsgrundlage bedarf (modifizierte Einheitstheorie).[67] Der umfassendste Tatbestand, in welchem der Konzern als Einheit betrachtet wird, ist der Durchgriff wegen Rechtsmissbrauchs gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB.[68] Verwendet ein TU oder die Konzernmutter die Konzernstruktur, um absichtlich Gewinn bei einer Tochtergesellschaft anfallen zu lassen, welchen das Unternehmen eigentlich in der Betriebsrechnung einer abgeltungsberechtigten Linie des RPV hätte ausweisen müssen, so ist je nach Konstellation - neben allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen - ein Durchgriff nach Art. 2 Abs. 2 ZGB gerechtfertigt, denn der TU verwendet die von ihm beherrschten juristischen Personen in diesem Fall zur Umgehung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Berechnung der ungedeckten Kosten nach Art. 28 Abs. 1 PBG.[69]
Fraglich erscheinen nun aber Fälle, in welchen die subventionsempfangende Gesellschaft Leistungen bei anderen Gesellschaften in einem Konzern zu Preisen bezieht, zu welchen sie die Leistungen auch von Dritten erwerben würde und somit kein Rechtsmissbrauch ersichtlich ist. Nach dem zentralen Grundsatz des «Dealing at arm's length» (Prinzip eines Drittvergleichs) sind Konzerngesellschaften, welche Verträge untereinander schliessen, verpflichtet, diese zu Konditionen zu schliessen, wie sie solche unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Faktoren auch mit konzernexternen Dritten schliessen würden.[70] Dieser aus dem Steuerrecht stammende Grundsatz wird im Konzernrecht u.a. herangezogen, um Gewinnverschiebungen im Konzern zu verhindern, da diese meist gleichzeitig verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen.[71] So könnte eine Konzerngesellschaft etwa willkürlich tiefe Transferpreise ansetzen, um ihren eigenen Reingewinn zu senken und damit sowohl Gläubiger als auch Aktionäre benachteiligen.[72] Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Sicht müssen die Gesellschaften des Konzerns somit Leistungen untereinander grundsätzlich mit dem üblichen Gewinnaufschlag verrechnen.[73] Welche Gegenleistungen bei einem Drittvergleich berücksichtigt werden sollen und wie diese berechnet werden, darüber gehen die Meinungen in der Lehre auseinander.[74] Gleichwohl kann eine Konzerngesellschaft nicht dauernd auf einen angemessenen Gewinn für ihre Leistungen an eine andere Konzerngesellschaft verzichten, was das BAV mit seinem Standpunkt aber verlangt.[75]
Um entgegen dieser gesellschaftsrechtlichen Pflicht die rechtlich selbständigen Gesellschaften des Konzerns als wirtschaftliche Einheit behandeln zu können, bedürfte es somit einer besonderen Situation und einer Rechtsgrundlage, die die Einheitssicht auf den Konzern rechtfertigen würden. Die Vorgaben zur Abgeltung der ungedeckten Kosten im RPV nach Art. 28 Abs. 1 PBG erfüllen diese Voraussetzungen nicht, denn weder das PBG noch das Subventionsgesetz (SuG)[76] kennen eine konkrete Norm, welche das Trennungsprinzip ausdrücklich aufhebt, womit dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage nicht Genüge getan wird.[77] Art. 13 Abs. 2 RKV erlaubt es mehreren Unternehmen, welche unter einer gemeinsamen Leitung stehen, ausdrücklich, die Betriebskosten- und Leistungsrechnung über mehr als eine juristische Person zu führen. Nach den Erläuterungen des BAV wollte der Verordnungsgeber Betriebsgemeinschaften oder TU in Konzernen mit dieser Bestimmung ermöglichen, eine einzige Betriebskosten- und Leistungsrechnung über alle wirtschaftlich verbundenen Gesellschaften zu führen.[78] Im Umkehrschluss muss es für die Gesellschaften eines Konzerns demnach, unter Vorbehalt der Pflicht zu einer Konzernrechnung nach Art. 963 ff. OR, zulässig sein, eine je eigene Betriebskosten- und Leistungsrechnung zu führen. Diese Betriebskosten- und Leistungsrechnung hat nach den Erläuterungen des BAV zu Art. 13 Abs. 1 RKV gestützt auf die Buchführungsprinzipien von Art. 4 RKV zu erfolgen, was Quersubventionierungen zwischen Kostenträgern oder Kostenstellen verhindern soll.[79] Art. 4 Abs. 1 RKV zur Rechnungslegung konzessionierter Unternehmen sieht vor, dass die Jahresrechnung ein «den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln» muss. Während diese Bestimmungen Quersubventionierungen zwischen abgeltungsberechtigten Linien und den übrigen Aktivitäten der TU verhindern soll, würde die Aufhebung des Trennungsprinzips unter Missachtung des Grundsatzes, wonach im Konzern nach dem Prinzip «Dealing at arm's length» verrechnet wird, die tatsächlichen Verhältnisse geradezu verunklären.
Ebenfalls gegen die Aufhebung des Trennungsprinzips spricht der Umstand, dass Gesellschaften im RPV öffentliche Aufgaben ausüben und in diesem Rahmen dem Beschaffungsrecht unterstellt sein könnten, oder dieses zumindest als Orientierungshilfe dient.[80] Nach den Regeln des Beschaffungsrechts dürfen Leistungen nur dann ohne Ausschreibung bei anderen Konzerngesellschaften bezogen werden, wenn die Schwellenwerte nicht erreicht werden oder Ausnahmen von der Beschaffungspflicht vorliegen. Sogenannte Quasi-in-House-Beschaffungen ohne Ausschreibung sind nur dann möglich, wenn der Leistungserbringer unter Kontrolle des Auftraggebers steht und nur für diesen, jedoch nicht in wesentlichem Umfang für Dritte (d.h. auf dem Markt), tätig ist.[81] Nimmt man diese Regelung mindestens als Orientierungsrahmen, so will das Beschaffungsrecht gerade sicherstellen, dass ein Konzessionär des RPV bei anderen rechtlich selbständigen Gesellschaften auch innerhalb eines Konzerns wirtschaftlich günstige Leistungen bezieht, was durch die grundsätzliche Ausschreibungspflicht sichergestellt werden soll. In Abkehr von diesem grundlegenden Ziel des Beschaffungsrechts sodann das Trennungsprinzip aufzuheben, wäre geradezu systemwidrig und würde dementsprechend auch dem bereits erwähnten Grundsatz des «Dealing at arm's length» widersprechen.
V. Gegenwärtige Reformvorschläge im Bereich des RPV
Bund und Kantone verfolgen gegenwärtig ein Reformprojekt im Bereich des RPV, welches in zwei Varianten das System der Abgeltung ungedeckter Kosten der TU durch Bund und Kantone reformieren will:[82] In der Variante «Optimierung» würden die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen nicht grundsätzlich verändert, die Beteiligung der Besteller aber stärker nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet. In der Variante «Teilentflechtung» sollen hingegen die Kantone alleine das Angebot im Busverkehr bestellen, während der Bund sich lediglich mit einer zu indexierenden Pauschale an den Kosten beteiligen würde.[83]
Gemäss den Reformvorschlägen sollen die Zielvereinbarungen im RPV gestärkt werden, verbunden mit einem Bonus/Malus System,[84] während dem Ausschreibungsverfahren eher nicht zugetraut wird, das System wettbewerbsnaher zu gestalten. Die Projektgruppe erachtet das Ausschreibungsverfahren für politisch «chancenlos» und rechtlich schwer umsetzbar im schweizerischen System, das auf Zusammenarbeit ausgelegt ist.[85]
Bei den weiterverfolgten Varianten ist nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die TU Gewinn erzielen können, es sei denn, das Ergebnis weiche von der Planrechnung ab.[86] Eine im Auftrag des BAV durchgeführte Evaluation des Bestellverfahrens im RPV hat denn auch ergeben, dass die weit überwiegende Zahl der Fachspezialisten des BAV und der TU der Ansicht sind, dass die TU keinen angemessenen Gewinn erzielen können, der es ihnen ermöglichen würde, ihre Investitionen zu refinanzieren.[87] Die konzessionierten TU forderten in dieser Studie deshalb auch, es seien ihnen angemessene Gewinnmöglichkeiten zuzugestehen,[88] was nicht zuletzt auch die Eigenfinanzierung der TU stärken sollte.[89]
VI. Exkurs: Staatliche Beihilfen im Personenlandverkehr der Europäischen Union (EU)
In der EU regelt die Verordnung (EG)Nr. 1370/2007[90] die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Bereich der öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schiene und Strasse.[91] Diese Verordnung sieht im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs grundsätzlich ein Wettbewerbsverfahren für die Vergabe ausschliesslicher Rechte oder die Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen durch das Gemeinwesen in der Form eines Dienstleistungsauftrags vor.[92] Die Verordnung lässt aber auch weiterhin Direktvergaben[93] an Unternehmen unter kommunaler Kontrolle zu,[94] wobei diese Vergaben durch mehrere Restriktionen - etwa geografischer Art oder im Hinblick auf den Beizug von Subunternehmern[95] - faktisch auf den Kreis der traditionellen Verkehrsunternehmen der Gemeinwesen eingeschränkt werden.[96] Daneben sieht die Verordnung auch eine Reihe weiterer Ausnahmen vom wettbewerblichen Vergabeverfahren vor, welche an Minimalvorgaben wie Umsatz oder Verkehrsleistung anknüpfen.[97]
Auch das EU-Recht sieht vor, dass die Verkehrsunternehmen für die Übernahme sogenannter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Rahmen ihres Dienstleistungsauftrags eine Ausgleichsleistung des Gemeinwesens erhalten.[98] Obwohl das EU-Recht staatliche Beihilfen grundsätzlich restriktiv regelt,[99] hat das Gemeinwesen Unternehmen, welche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Bereich des Personenlandverkehrs erbringen, nicht nur die Nettokosten zu ersetzen, sondern bei den Ausgleichszahlungen auch einen angemessenen Gewinn aus der Übernahme der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu berücksichtigen.[100] Um für den Fall einer Direktvergabe zu verhindern, dass diese Ausgleichsleistung zu hoch angesetzt wird, enthält die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 im Anhang spezifische Vorgaben zu deren Berechnung.[101] Diese Regelung steht in Übereinstimmung mit dem Entscheid des EuGH in der Sache «Altmark Trans» aus dem Jahre 2003, wonach es sich bei solchen Ausgleichsleistungen unter gewissen Voraussetzungen nicht um unzulässige Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV handelt.[102] Dies gilt laut EuGH nicht nur bei der Vergabe unter Bedingungen des Wettbewerbs, sondern auch bei Direktvergaben. Die konkreten Kosten des Unternehmens sind dabei durch Vergleich mit einem durchschnittlichen gut geführten Unternehmen zu ermitteln, «wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind».[103]
VII. Fazit
Dem Bundesgericht ist zuzustimmen, wenn es den Begriff der «ungedeckten Kosten» als Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne verstehen will. Unter diesen Vollkosten sind auch die kalkulatorischen Kosten wie die Eigenkapitalverzinsung zu verstehen, denn erstens führt dies zu einer Stärkung der Marktorientierung im RPV, wie es der Gesetzgeber wollte, und zweitens würden andernfalls stärker eigenkapitalfinanzierte Betriebe in unverhältnismässiger Weise schlechter gestellt und stärker fremdkapitalisierte Unternehmen bevorzugt.
Mit der vom BAV vertretenen Konzernsicht wird das Trennungsprinzip im Gesellschaftsrecht aufgehoben, was indes eine klare gesetzliche Grundlage bedingt. Weder das PBG noch das SuG enthalten eine solche. Zudem übernehmen die TU im Bereich der Abgeltung für Verkehrsdienstleistungen eine öffentliche Aufgabe, weshalb das öffentliche Beschaffungsrecht - je nach Lehrmeinung - direkt oder zumindest analog beizuziehen ist. Dieses fordert mit der Ausschreibungspflicht, eine Leistung wirtschaftlich möglichst günstig zu beziehen, was dem zentralen Grundsatz des «Dealing at Arm's Length» entspricht und der Aufhebung des Trennungsprinzips zuwiderläuft.
Wollten die Gerichte dennoch das Trennungsprinzip aufheben und eine Konzernsicht einnehmen, so müsste auch bei der Verrechnung von Leistungen zwischen Konzerntöchtern zumindest die Eigenkapitalverzinsung zugelassen werden. Entsprechend wurde auch der PostAuto Schweiz AG eine Eigenkapitalverzinsung gewährt.
Die Rechtslage bei Verrechnung von Leistungen zwischen den rechtlich selbständigen Gesellschaften eines Konzerns in Bezug auf Subventionsverhältnisse ist unklar. Soweit Konzernstrukturen nicht explizit dazu verwendet wurden, um Gewinne zu verschleiern, ist mindestens das Vertrauen der TU zu schützen, da die Rechtsverletzung für diese nicht leicht erkennbar war (Art. 30 Abs. 2 lit. b SuG). Richtigerweise ist aber die Verrechnung von Gewinnzuschlägen bei Leistungen, welche der Konzessionär bezieht, zulässig, wenn zugleich die Vorgaben des Beschaffungsrechts eingehalten wurden.
Im Hinblick auf die Reform des RPV sehen die TU zusätzliche Gewinnanreize als unentbehrlich an, insbesondere auch um ihre Investitionen zu refinanzieren und die Eigenkapitaldecke zu stärken. Nur mit solchen Gewinnanreizen ist das Ziel der Reformvorschläge zu verwirklichen, das System der Auftragsvergabe im RPV auf der Strasse stärker mit wirtschaftlichen Anreizen auszugestalten. Diese Forderung, welche auch auf der Einschätzung der Fachspezialisten im BAV beruht, findet überdies im EU-Recht eine weitere Stütze, wo im gemeinwirtschaftlichen Personenlandverkehr tätigen Unternehmen ebenfalls ein angemessener Gewinn aus der Übernahme der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen angerechnet wird.