I. Sachverhalt
Es geht um einen Fall, der vor allem in der Schweizer Boulevardpresse
für grosses Aufsehen sorgte:
«Gefängniswärterin Angela Magdici verliebt sich in den
verurteilten Vergewaltiger Hassan Kiko und verhilft ihm zur Flucht.
Wochenlang sucht ganz Europa nach den beiden und fasst sie schliesslich in
Italien. Für die ehemalige Aufseherin hat die Tat ein gerichtliches
Nachspiel. 15 Monate bedingt, so das Urteil.»[1]
Auch für Hassan Kiko hatte die Flucht juristische Konsequenzen. Am 7.
Juli 2016 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Dietikon Anklage
gegen ihn wegen Anstiftung zum Entweichenlassen von Gefangenen im Sinne von Art. 319 i.V.m. Art. 24 StGB. Der (unbestrittene)
Sachverhalt wurde vom Obergericht wie folgt zusammengefasst: Der
Beschuldigte hat am 3. Dezember 2015 Gefängnisaufseherin
«B.»[2], zu welcher er in zahlreichen Gesprächen ein enges persönliches
Verhältnis aufgebaut hatte, gebeten, ihm bei der Flucht aus dem
Gefängnis behilflich zu sein. Er hatte diese Bitte in den folgenden
Monaten mehrfach wiederholt, bis er B. schliesslich überzeugen konnte.
Am 7. Februar 2016 fasste B. dann den Entschluss, der Bitte des
Beschuldigten nachzukommen, und setzte diesen am 8. Februar 2016 in die Tat
um. Der Beschuldigte hat in B. den Entschluss geweckt, ihn aus dem
Gefängnis entweichen zu lassen, indem er sie dazu überredet hat,
obwohl er um ihre Stellung als Gefängnisaufseherin und der damit
verbundenen Aufgaben wusste.[3]
II. Verfahren
Das Bezirksgericht stellte das Verfahren gestützt auf Art. 329 Abs. 4 StPO zunächst
mit der Begründung ein, dass eine Bestrafung nach Art. 319 StGB die Straflosigkeit
der Selbstbegünstigung unterlaufen würde und das in der Anklage
umschriebene Verhalten damit keinen Straftatbestand erfülle.[4]
Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin hob das Obergericht des Kantons
Zürich die erstinstanzliche Einstellungsverfügung auf und wies
das Verfahren an das Bezirksgericht zurück mit der Aufforderung, die
Strafbarkeit des Beschuldigten materiell zu beurteilen.[5]
In neuer Besetzung sprach das Bezirksgericht Dietikon den Beschuldigten mit
Urteil vom 23. Mai 2017 der Anstiftung zum Entweichenlassen von Gefangenen
im Sinne von Art. 319 i.V.m. Art. 24 StGB schuldig und
bestrafte ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Am 24. Mai 2017 liess B. Berufung anmelden. Mit Urteil vom 13. Oktober 2017
bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich den
erstinstanzlichen Schuldspruch und fällte ebenfalls eine sechsmonatige
unbedingte Freiheitsstrafe aus.
Das Urteil wurde nicht an das Bundesgericht weitergezogen. Es ist am 15.
Januar 2018 in Rechtskraft erwachsen.[6]
III. Erwägungen
2.1.2. Nach Art. 319 StGB macht
sich (u.a.) derjenige Beamte strafbar, der einem Gefangenen zur Flucht
behilflich ist oder ihn entweichen lässt. Der Anstiftung zu einem
Entweichenlassen eines Gefangenen macht sich demgegenüber gemäss Art. 24 StGB diejenige Person
schuldig, die einen Gefängnisbeamten zu einer solchen von diesem
verübten Tat vorsätzlich bestimmt hat. Derweil die Tat
gemäss Art. 319 StGB
ausschliesslich von Beamten begangen werden kann, kann die Anstiftung zu
diesem Sonderdelikt grundsätzlich durch jedermann vorgenommen werden.
Zwischen dem motivierenden Verhalten des Anstifters und dem Tatentschluss
des Angestifteten muss ein Kausal- bzw. Motivationszusammenhang bestehen.
Nicht erforderlich ist, dass beim Anzustiftenden Widerstände zu
überwinden wären. Selbst eine zur Tat bereits geneigte Person
kann angestiftet werden. Als Anstiftungsmittel kommt jedes motivierende Tun
in Frage, alles, was im andern den Handlungsentschluss hervorrufen kann. So
ist auch eine blosse Bitte, eine Anregung oder konkludente Aufforderung
taugliches Anstiftungsmittel. In subjektiver Hinsicht erfordert die
Strafbarkeit wegen Anstiftung Vorsatz, welcher sich zum einen auf die
Herbeiführung des Tatentschlusses und zum andern auf die
Ausführung der Tat durch den Angestifteten beziehen muss. Der
Anstifter muss also zumindest in Kauf nehmen, dass der Angestiftete infolge
seines Verhaltens eine Handlung begehen wird, welche die objektiven und
subjektiven Merkmale eines bestimmten Straftatbestandes erfüllt. Die
Tat, zu welcher angestiftet wird, muss ihrerseits eine Vorsatztat sein.
[…]
2.2.2. Wer jemanden der Strafverfolgung bzw. dem Straf- oder
Massnahmenvollzug entzieht, macht sich der Begünstigung nach Art. 305 Abs. 1 StGB strafbar.
Straflos bleibt allerdings die blosse Selbstbegünstigung. Nicht
strafbar ist deshalb, wer sich selber der Strafverfolgung oder dem Vollzug
einer Sanktion entzieht (BGE 115 IV 230
E. 1; 124 IV 127 E. 3.b/aa). Gleiches gilt, wenn der Verfolgte/Verurteilte
einen Dritten dazu anstiftet oder diesem dabei Hilfe leistet (BGE 115 IV 230
E. 2). Straffrei ist aber lediglich die reine Selbstbegünstigung. Dass
derjenige, der sich der Strafverfolgung oder dem Vollzug einer Strafe
entzieht, nicht nach Art. 305 StGB
bestraft wird, bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht,
dass er in jedem Fall in den Genuss der Straffreiheit kommt. Denn seine
Handlung kann zusätzlich einen anderen Straftatbestand erfüllen.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Flucht - vom
Flüchtigen beabsichtigt - bewirkt, dass ein Beamter an der
Vornahme einer ihm obliegenden Amtshandlung gehindert wird. So macht sich
gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts etwa der Verurteilte nach Art. 286 StGB strafbar, welcher,
um dem mit seiner Überführung ins Gefängnis betrauten
Polizeibeamten zu entkommen, die Flucht ergreift und jenen derart an der
Erfüllung seines Auftrages hindert. Die Gründe, die in einem
solchen Fall der Anwendung von Art. 305 StGB entgegenstehen,
gelten im Hinblick auf Art. 286 StGB nicht (BGE 124 IV 127
E. 3.b/bb). Dies deshalb, da zu berücksichtigen ist, dass nach der
Systematik des Strafgesetzbuches die beiden Tatbestände der Hinderung
einer Amtshandlung und der Begünstigung verschiedene Rechtsgüter
schützen, nämlich Art. 286 StGB den Schutz der
öffentlichen Gewalt und Art. 305 StGB den Schutz der
Strafrechtspflege. [...]
2.2.3.1. In analoger Anwendung der vorstehend skizzierten Rechtsprechung
ist zu prüfen, ob Art. 319 StGB, zu dessen Begehung
der Beschuldigte B. als Haupttäterin angestiftet hat, in seinem
Unrechtsgehalt über Art. 305 StGB hinausgeht
beziehungsweise, ob das Entweichenlassen von Gefangenen gegenüber der
Begünstigung den Schutz von anderen Rechtsgütern beinhaltet.
2.2.3.2. Art. 305 StGB fällt
unter den siebzehnten Titel des Strafgesetzbuches «Verbrechen und
Vergehen gegen die Rechtspflege». Geschütztes Rechtsgut von Art. 305 StGB ist das Funktionieren der Strafrechtspflege. [...] Demgegenüber
findet sich Art. 319 StGB unter
dem achtzehnten Titel «Strafbare Handlungen gegen die Amts- und
Berufspflicht». Diese Strafnorm schützt das Interesse der
Allgemeinheit am korrekten Funktionieren des Justizwesens, was im
engeren Sinne auch, aber nicht nur, das korrekte Funktionieren der
Strafverfolgung und des Strafvollzuges beinhaltet [...]. Die unter dem 18.
Titel des StGB eingereihten Strafnormen wollen nämlich insbesondere
auch das eminente öffentliche Interesse an der
rechtsgetreuen Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse
durch deren Träger
schützen. Mit Strafe bedroht werden unter diesem Titel deshalb
verschiedene Arten von ungetreuer und missbräuchlicher Führung
öffentlicher Ämter [...]. Wie die Vorinstanz zutreffend
ausgeführt hat, zeigt demnach die Systematik des Strafgesetzbuches
deutlich, dass mit Art. 319 StGB
auch - bzw. gar in erster Linie - das Interesse an der getreuen und von
Missbrauch freien Führung öffentlicher Ämter geschützt
wird. Damit einher geht der Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in
die Integrität der mit einer öffentlichen Aufgabe betrauten
Personen. Der Schutz dieser Interessen geht über den Schutzzweck der
Strafrechtspflege im Sinne von Art. 305 StGB hinaus. Während
mit Art. 305 StGB die
Strafrechtspflege von äusseren rechtswidrigen Einwirkungen
geschützt werden soll, will Art. 319 StGB das Justizwesen vor
innerem Machtmissbrauch schützen. [...]
Die durch Art. 305 und Art. 319 StGB geschützten
Rechtsgüter erweisen sich [...] als nicht deckungsgleich. Das Unrecht,
das mit Art. 319 StGB begangen
wird, erschöpft sich nicht in der Begünstigung des Gefangenen,
dem zur Flucht verholfen wurde, sondern besteht darüber hinaus in
einem Amtsmissbrauch (im weiteren Sinne) der mit der Bewachung von
Gefangenen betrauten Personen und der damit einhergehenden
Erschütterung des besonderen Vertrauens des Staates und der
Bevölkerung in die Integrität solcher Beamten. [...]
Der Strafgrund der Anstiftung liegt in der Mitwirkung an dem vom
Haupttäter begangenen Unrecht (vgl.
BGE 115 IV 230
E. 2). Nach dem vorstehend Gesagten hat der Beschuldigte, indem er B. dazu
anstiftete, ihn entweichen zu lassen, nicht nur sich selbst
begünstigt. Vielmehr hat er über diese
Selbstbegünstigungsabsicht hinaus B. bewusst und gewollt zu einem
Missbrauch ihrer amtlichen Befugnisse verleitet und damit (vergleichbar zur
vorgenannten Rechtsprechung betreffend Art. 286 StGB) in deren konkrete
Amtstätigkeit eingegriffen. Der vom Beschuldigten mitgeschaffene
Unrechtsgehalt übersteigt denjenigen einer Begünstigung nach Art. 305 StGB und geht damit auch
über den Umfang einer straflosen reinen Selbstbegünstigung
hinaus. Dass seinem Handeln das Motiv der Selbstbegünstigung zu Grunde
lag und eine strafbare Begünstigung objektiv nicht eintrat, stellt
unter diesen Umständen keinen Rechtfertigungsgrund für die von
ihm begangene Straftat dar (sondern lediglich einen Strafminderungsgrund).
Der Entscheid gibt Anlass zu Bemerkungen in Bezug auf die Anstiftung (IV.),
aber auch hinsichtlich der Frage, ob nicht doch eine straflose
Selbstbegünstigung vorliegt (V.).
IV. Anmerkungen zur Anstiftung
Der gegen Hassan Kiko erhobene Vorwurf lautet auf Anstiftung zum
Entweichenlassen eines Gefangenen (Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 319 StGB), wobei vorliegend
die Besonderheit besteht, dass der Gefangene der der Anstiftung
Beschuldigte selbst ist. In materieller Hinsicht ist zunächst der
Frage nachzugehen, ob Hassan Kiko Angela Magdici zu Art. 319 angestiftet hat.
1. Bestimmen
Das Gesetz umschreibt die Anstiftungshandlung in Art. 24 StGB (lediglich) mit einem
«Zur-Tat-Bestimmen». Unbestritten ist dabei zunächst der Effekt der Einflussnahme: Durch die Anstiftung muss in einem
andern der Entschluss zu einer bestimmten Tat hervorgerufen werden. Es
bedarf eines Kausal- bzw. Motivationszusammenhangs zwischen der
Beeinflussung des Anstifters und dem Hervorrufen des Tatentschlusses beim
Täter. Wer also bereits zur Tat entschlossen ist, kann nicht mehr
angestiftet werden.[7]
Damit ist aber noch nicht gesagt, mit welchen Mitteln der
Anstifter vorzugehen hat. Das Bundesgericht lässt grundsätzlich
jede psychische, geistige Beeinflussung bzw. eine unmittelbare
Einflussnahme auf die Willensbildung eines andern genügen. Es sei
nicht erforderlich, dass beim Anzustiftenden Widerstände
überwindet werden müssten. Als Anstiftungsmittel komme daher
jedes motivierende Tun in Frage, alles, was im andern den
Handlungsentschluss hervorrufen könne. Auch eine blosse Bitte,
Anregung oder konkludente Aufforderung sei ein taugliches
Anstiftungsmittel.[8]
Das Obergericht folgt im Wesentlichen dieser Rechtsprechung. Es hält
fest, als Anstiftungsmittel komme «jedes motivierende Tun in Frage,
alles, was im andern den Handlungsentschluss hervorrufen kann».[9]
Das bedarf zumindest der Präzisierung. Zwar vertritt das Bundesgericht
im Ansatz durchaus ein extensives Anstiftungsverständnis.
Entgegen dem, was die obergerichtlichen Erwägungen vermuten lassen,
wertet das Bundesgericht jedoch nicht jegliche tatentschlussauslösende
Einflussnahme als Anstiftung, sondern nur psychische bzw. geistige. Wer
demgegenüber - so das Bundesgericht - lediglich eine Situation schaffe, in der sich ein anderer voraussichtlich zur
Verübung einer Straftat entschliesse, sei nicht Anstifter (sog.
Tatsachenarrangement).[10]
Im vorliegenden Fall geht es indes nicht um ein Tatsachenarrangement. Das
Obergericht erwog, Hassan Kiko habe «durch das mehrmalige und
konstante Nachfragen» bei Angela Magdici den Tatentschluss
hervorgerufen.[11]
Es gilt daher zu klären, ob eine Nachfrage - selbst wenn wiederholt
geäussert - eine Anstiftung darstellt.
2. Anfrage
In
BGE 127 IV 122
hatte das Bundesgericht folgenden Fall zu beurteilen: Der Blick-Journalist
Viktor Dammann rief bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich an
und bat um Auskunft darüber, «ob bestimmte Personen insbesondere
wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraft seien»[12].
Weil kein Staatsanwalt abkömmlich war, gelangte Viktor Dammann an eine
Verwaltungsassistentin, die ihm die gewünschten Informationen zukommen
liess. Die Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft wurde von den kantonalen
Gerichten wegen Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) schuldig
gesprochen. Vor Bundesgericht ging es nur noch um Viktor Dammann: Stellte
seine Anfrage an die Verwaltungsassistentin eine Anstiftung zu der von
dieser begangenen Amtsgeheimnisverletzung dar? Das Bundesgericht bejahte
dies. Durch die Frage sei nicht bloss eine tatprovozierende Situation
geschaffen, sondern «die Bitte nach einer Antwort geäussert»[13]
worden. Und «ohne Frage hätte es keine Antwort gegeben»[14].
Prima vista liesse sich daher argumentieren, wenn eine Anfrage ein
taugliches Anstiftungsmittel sei, so müsse dies für eine
(wiederholt geäusserte) Nachfrage auch - und umso mehr -
gelten.
Gegen eine solche Sichtweise könnte intuitiv eingewendet werden, dass
man ja wohl noch werde fragen dürfen. Jedenfalls akzeptierte Viktor
Dammann den Entscheid des Bundesgerichts nicht und erhob gegen ihn
Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) in Strassburg. Mit Erfolg: Der EGMR sah in seiner Verurteilung eine
Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK).[15]
Oder anders ausgedrückt: Ja, man wird noch fragen dürfen![16]
3. Nachfragen
Kann das Recht auf freie Meinungsäusserung auch Hassan Kiko in
Anspruch nehmen? Eine Gemeinsamkeit mit
BGE 127 IV 122
liegt darin, dass hier wie dort eine Anstiftung zu Sonderdelikten
zur Debatte steht: Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) im einen,
Entweichenlassen von Gefangenen (Art. 319) im anderen Fall. Im
Unterschied zu
BGE 127 IV 122
handelt es sich bei Hassan Kiko nicht um einen Journalisten,
sondern um einen Häftling. Gelten für ihn andere Regeln? Oder ist
auch die (wiederholt geäusserte) Nachfrage von Hassan Kiko mit Blick
auf Art. 10 EMRK vor einer
strafrechtlichen Reaktion geschützt?
BGE 127 IV 122
hat in der (Strafrechts-)Lehre zahlreiche kritische Reaktionen hervorgerufen.[17]
So ist etwa vorgeschlagen worden, den Anwendungsbereich der Anstiftung
dahingehend einzuschränken, als die Beeinflussung des Anstifters stets
eine Aufforderung zur Tat enthalten müsse.[18]
Bei einer Aufforderung handelt es sich um eine auf Überzeugung
gerichtete (persuasive) Beeinflussung. Die Aufforderung hat somit nicht
(bloss) informativen, sondern (auch) appellativen
Charakter. Blosse Ratschläge, Hinweise auf günstige
Tatgelegenheiten und dergleichen würden damit aus dem
Anwendungsbereich der Anstiftung ausgeschieden.[19]
Dieser Lösungsansatz zielt zwar in die richtige Richtung, geht aber
letztlich zu wenig weit, wie denn gerade auch
BGE 127 IV 122
zeigt. So lässt sich nämlich die Anfrage von Viktor Dammann
durchaus als Aufforderung verstehen,[20]
hatte dieser doch ein Interesse, im Rahmen seiner beruflichen
Recherchearbeiten an die gewünschten Informationen zu gelangen. Bei
objektiver Betrachtungsweise war für die Verwaltungsassistentin
deshalb erkennbar, dass in der Anfrage der Wunsch enthalten war, die
entsprechenden Informationen zu erhalten. Die Anfrage von Viktor Dammann
wäre somit auch nach dieser Auffassung als Anstiftung zu werten und
der Widerspruch zur EMRK bliebe bestehen.
4. Verbindlichkeit
Man wird deshalb als anstiftungsrelevante Motivierung mehr als eine blosse
Aufforderung verlangen müssen. So legt zum einen bereits eine
unbefangene Lesart des Gesetzestextes nahe, dass mit der Umschreibung
«Zur-Tat-Bestimmen» eine gewisse Intensität der
Einflussnahme zum Ausdruck gebracht wird. Zum andern gilt zu beachten, dass
auf den Anstifter die volle Täterstrafe Anwendung findet.[21]
Insofern können nur solche Beeinflussungen als Anstiftung in Frage
kommen, die wesentlichen Einfluss auf den Entschluss des
Täters haben.[22]
Voraussetzung für eine anstiftungsgeeignete Aufforderung muss sein,
dass sie ein Mindestmass an Verbindlichkeit in sich trägt. An
BGE 127 IV 122
verdeutlicht: Viktor Dammann hat der Verwaltungsassistentin weder Vorteile
bei kooperativem Verhalten noch Nachteile bei unkooperativem Verhalten
explizit in Aussicht gestellt. Es liesse sich zwar argumentieren, jede
Aufforderung sei von der Erwartung getragen, dass ihr Folge geleistet
werde. Komme der Adressat der Aufforderung nicht nach, so sei er
(zumindest) mit der enttäuschten Erwartungshaltung des Auffordernden
konfrontiert.[23]
Er befinde sich insofern in einer dilemmatischen Situation, als er sich
zwischen der Begehung der Straftat und der Erwartungsenttäuschung
entscheiden müsse. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die
Verwaltungsassistentin Viktor Dammann nicht kannte und ihr daher vernünftigerweise gleichgültig sein musste, falls die
Verweigerung der Informationsherausgabe bei ihm eine
Erwartungsenttäuschung ausgelöst hätte. Angesichts dessen
lässt sich nicht sagen, der Aufforderung von Viktor Dammann komme
verbindlicher Charakter zu.[24]
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Anfrage nicht bereits
deshalb anders zu behandeln ist, weil sie von einem Journalisten
stammte.[25]
5. Dilemma
Was den vom Obergericht beurteilten Fall anbelangt, ist zunächst
festzuhalten, dass die wiederholte Nachfrage von Hassan Kiko als
Aufforderung anzusehen ist, zumal angesichts seiner Situation und der
wiederholten Äusserung der «Nachfrage» der Wunsch nach
Freilassung klar erkennbar war und Hassan Kiko Angela Magdici für sein
Vorhaben hat gewinnen wollen. So geht denn auch das Obergericht von einer
«Bitte»[26]
und damit von einer persuasiven Einflussnahme aus. Im Unterschied etwa zur
Ausgangslage in
BGE 127 IV 122
bestand zwischen Anstifter und Täterin, so das Obergericht, ein
«enges persönlichen Verhältnis»[27]. In diesem Kontext erfährt die als Aufforderung zu wertende,
wiederholte Nachfrage bzw. Bitte ein deutlich anderes Gewicht. Angela
Magdici wollte einerseits - aus menschlich nachvollziehbaren Gründen -
die enge persönliche Beziehung zu Hassan Kiko nicht aufs Spiel setzen,
indem sie seinem Wunsch nicht nachgekommen wäre. Zudem war ihr
ebenfalls daran gelegen, mit ihm in Freiheit ein gemeinsames Leben
führen zu können.[28]
Andererseits war ihr bewusst, dass das Verhelfen zur Flucht disziplinar-
und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Angela Magdici befand sich mithin in einem ernsthaften Dilemma,
was die Nachfrage bzw. Bitte von Hassan Kiko in einem anderen Licht
erscheinen lässt als die Anfrage von Viktor Dammann an die
Verwaltungsassistentin. Die Wirkung der Einflussnahme von Hassan Kiko auf
Angela Magdici wurde dadurch noch verstärkt, dass er sie über
Monate hinweg immer wieder darum bat, ihm zur Flucht zu verhelfen (das
Obergericht spricht von «konstanten Bitten» bzw. von «mehrmalige[n] und konstante[n] Nachfragen»). Vor
diesem Hintergrund fällt es denn auch nicht schwer, Hassan Kiko als
treibende Kraft anzusehen und ihm - gerade auch deshalb -
grundsätzlich die volle Täterstrafe zukommen zu lassen. Sein
Beitrag zur Entschlussfassung von Angela Magdici war so gesehen ein
wesentlicher.[29]
Dem Obergericht ist deshalb im Ergebnis darin beizupflichten, dass Hassan
Kiko Angela Magdici zur Tat nach Art. 319 StGB «bestimmt»
hat.
6. Sonderdelikt
Der vorliegend zu besprechende Fall zeigt schliesslich, dass die
Ausgestaltung der Straftat als Sonderdelikt keinen Einfluss auf die Frage
haben kann, ob ein «Zur-Tat-Bestimmen» anzunehmen ist.[30]
Ob der Aufforderung die entscheidende Verbindlichkeit zukommt oder nicht,
hängt nicht von der Struktur des Delikts, sondern von der
Intensität der Einflussnahme ab. Dabei ist - wie gezeigt - namentlich
auch der Kontext mitzuberücksichtigen, in dem sich die Kommunikation
zwischen Anstifter und Täter abspielt. Aufgrund der engen
persönlichen Beziehung zwischen Hassan Kiko und Angela Magdici war
letztere hin- und hergerissen, wie sie sich entscheiden sollte. Gemäss
dem Urteil des Obergerichts lehnte sie die Bitte von Hassan Kiko
anfänglich ab, kam ihr dann aber doch nach, nachdem sie offenbar
über Monate hinweg wiederholt geäussert wurde.[31]
Das Dilemma bestand für Angela Magdici unabhängig davon, ob von
ihr die Begehung eines Allgemein- oder eines Sonderdelikts gefordert wurde.[32]
Insofern stellt die Anstiftung zu einem Sonderdelikt auch kein
Sonderproblem dar; die Einflussnahme muss so oder anders das Mass einer
verbindlichen Tataufforderung erreichen.
Im Übrigen wird der Umstand, dass Extraneus und Intraneus einen
unterschiedlichen Bezug zum tangierten Rechtsgut haben, bereits durch die
Regelung in Art. 26 StGB
abgegolten: Wem die dem Sonderdelikt zugrunde liegende Pflicht nicht
zukommt, wird milder bestraft. Diesen für Hassan Kiko entlastenden
Umstand hat das Obergericht bei der Strafzumessung denn auch
berücksichtigt.[33]
Nur bedingt nachsichtig war das Obergericht dagegen, was das Motiv
von Hassan Kiko zur Anstiftung betraf: Nämlich die Wiedererlangung der
Freiheit als Ausprägung der Selbstbegünstigung. Darauf ist im
Folgenden einzugehen.
V. Anmerkungen zur
Selbstbegünstigung
Nebst der Frage, ob die Einwirkung Hassan Kikos auf Angela Magdici als
tatbestandsmässige Anstiftung einzustufen ist, lässt sich im
vorliegenden Fall vor allem auch darüber streiten, ob sein Verhalten
entgegen der Ansicht des Obergerichts nicht doch als (straflose)
Selbstbegünstigung zu werten ist.[34]
Müsste man das Urteil des Obergerichts für Laien zusammenfassen,
könnte man das etwa wie folgt tun:
Der erste Punkt betrifft die Frage, weshalb die Selbstbegünstigung
straflos zu bleiben hat (1.). Im zweiten und dritten Punkt geht es um
die Frage, ob nur die sog. reine Selbstbegünstigung straflos sein soll
(2.). Der letzte Punkt betrifft die zentrale Frage, wer strafrechtlich die
Verantwortung dafür trägt, Ausbrüche zu verhindern (3.).
1. Straflose Flucht?
Nicht wenige Laien würden bei der geschilderten Zusammenfassung wohl
den Kopf schütteln. Das gilt zunächst für die Straflosigkeit
der Flucht. Dass ein Gefängnisausbruch keine Straftat darstellt,[35]
sorgt unter Nichtjuristen regelmässig für Erstaunen.[36]
Solchem Volksempfinden gehorchend, reichte SVP-Nationalrat Lukas
Reimann am 19. Juni 2015, also bereits ein halbes Jahr vor den hier
interessierenden Ereignissen, eine Motion ein, die verlangte, den
«Gefängnisausbruch unter Strafe» zu stellen. Der Bundesrat
verwies in seiner ablehnenden Antwort unter anderem auf den
Nemo-tenetur-Grundsatz von Art. 113 StPO, wonach sich niemand
selbst belasten müsse. Der Nationalrat verwarf die Motion am 1. Juni
2017 zwar,[37]
dennoch soll diesem intuitiven Missbehagen hier auf den Grund gegangen
werden. Weshalb ist die Selbstbegünstigung straflos?[38]
Nach Art. 305 Abs. 1 StGB wird
wegen Begünstigung bestraft, wer jemanden der Strafverfolgung oder dem
Strafvollzug entzieht. Die Selbstbegünstigung bleibt nach
ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre jedoch straflos.[39]
Das vom Bundesrat angeführte Nemo-tenetur-Prinzip, also das Recht,
sich in einem Strafprozess nicht selber belasten zu müssen,
vermag nur zu erklären, weshalb es keine Straftat sein soll, sich
einem Strafverfahren zu entziehen, nicht jedoch, weshalb man sich
auch ohne Konsequenzen dem Strafvollzug soll entziehen
dürfen.
Dass die Selbstbegünstigung straflos sein muss, ergibt sich
gemäss dem Bundesgericht bereits aus dem Wortlaut von Art. 305 Abs. 1 StGB. Mit der
Wendung, wonach bestraft wird, wer «jemanden» der
Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entzieht, steht fest, dass der
Täter einen andern als sich selbst begünstigen muss.[40]
Dahinter steckt, wie das Bundesgericht in einem älteren Entscheid
ausgeführt hat, die Überlegung, dass straffrei ausgehen soll, wer
aus «Selbstschutztrieb» handelt.[41]
Obwohl das Bundesgericht diese Straffreiheit nicht näher
erläutert, legt es ihr wohl Schuldüberlegungen zugrunde: Es soll
niemandem zumutbar sein, sich einem Strafverfahren freiwillig zu
unterwerfen, und es soll niemandem ein Vorwurf gemacht werden, der
versucht, sich einer Strafe zu entziehen. Das Waadtländer
Kassationsgericht spricht insoweit eingängig von einer «excusable
aspiration à la liberté»[42], also von einem entschuldbaren Streben nach Freiheit. Aufgrund
des Wortlauts von Art. 305 Abs. 1 StGB wäre es
jedoch deutlich plausibler, die Selbstbegünstigung als tatbestandslos
einzustufen.[43]
Wenn es dem Gefangenen aber jedenfalls nicht zum Vorwurf gereichen soll,
wenn er sich seiner Fesseln entwindet, dann stellt sich natürlich
unweigerlich die Frage, wie weit eine solche exceptio libertatis gehen
kann.
2. Reine Selbstbegünstigung
Wie eingangs angedeutet ist die Selbstbegünstigung nicht in allen
Fällen straflos. So darf man sich zwar von einem nicht im
Strafvollzug einsitzenden Komplizen helfen, sich nicht aber auf der Flucht
erwischen lassen. Auch diese Differenzierung dürfte einem Laien nur
schwer zu vermitteln sein. Es geht hier um die Frage, in welchem Umfang
Selbstbegünstigungen straflos sind.
Das Obergericht hält dazu zunächst fest, dass sich nicht nach Art. 305 Abs. 1 StGB der
Begünstigung strafbar macht, wer sich selber der Strafverfolgung oder
dem Vollzug einer Sanktion entzieht.[44]
Das Gleiche gilt gemäss Obergericht, wenn der Verfolgte/Verurteilte
eine Drittperson anstiftet, ihn zu begünstigen, oder die Drittperson
ihm bei der Selbstbegünstigung hilft. Letzteres ergibt sich aus
BGE 115 IV 230, wo das Bundesgericht eine Verurteilung wegen Anstiftung zur
Begünstigung (Art. 24 Abs. 1
i.V.m. Art. 305 Abs. 1 StGB)
aufhob.[45]
In casu hatte ein Strafgefangener eine Bekannte erfolgreich angestiftet,
ihm bei der Flucht aus der Strafanstalt zu helfen: Sie holte ihn mit dem
Taxi aus der Strafanstalt ab. Sie machte sich damit wohl - was sich dem
Entscheid allerdings nicht entnehmen lässt - der Begünstigung
strafbar. Er blieb aufgrund Selbstbegünstigung straflos.
Straffrei ist gemäss Obergericht - man fühlt sich an Hans Kelsen
erinnert - nur die «reine Selbstbegünstigung». Damit ist
gemeint, dass eine Selbstbegünstigung nie nach Art. 305 StGB strafbar ist.
Selbstbegünstigendes Handeln kann jedoch andere Straftatbestände
erfüllen. Das leuchtet etwa in folgendem Fall ein, der ebenfalls ein
Stück Zürcher Strafjustizgeschichte geworden ist: Am 17.
Dezember 1981 brachen insgesamt sechs Insassen aus der
Justizvollzugsanstalt Regensdorf aus. Einer der Flüchtenden, Pierluigi
Facchinetti, erschoss dabei einen Vollzugsbeamten (Fritz Jenni) und
verletzte einen weiteren (Rudolf Kottmann) schwer. Ebenfalls unter den
Flüchtenden war Marco Camenisch, der einem weiteren Aufseher «aus
einer Spraydose eine Flüssigkeit ins Gesicht» gesprayt hatte.[46]
Der Umstand, dass die Flüchtenden sich mit der Flucht selbst
begünstigten, erlaubte ihnen nicht, Individualrechtsgüter Dritter
zu beeinträchtigen. Werden bei einer Flucht Türen aufgebrochen,
Justizvollzugsbeamte genötigt, bedroht, verletzt oder gar
getötet, hat sich der Flüchtende wegen Sachbeschädigung (Art. 144 StGB), Gewalt und Drohung
gegen Behörden und Beamte (Art. 285) sowie
Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten (Art. 111 ff.) zu verantworten,
allenfalls wegen Meuterei (Art. 311) oder sogar Diebstahls (Art. 139) der Anstaltskleidung[47]. Facchinetti wurde wegen Mords an Jenni und Mordversuchs an Kottmann vom
Geschworenengericht in Winterthur[48]
zu 17 Jahren Zuchthaus verurteilt,[49]
Camenisch vom Vorwurf der Mittäterschaft zum (versuchten) Mord
hingegen freigesprochen.[50]
Reine Selbstbegünstigung ist somit nie strafbar. Die Frage ist, ob es
ausserhalb von Art. 305 StGB und
der Anstiftung dazu keine weiteren Fälle reiner, mithin nicht
strafwürdiger Selbstbegünstigung gibt. Das Obergericht verneint
dies. Es verweist hierzu auf die Rechtsprechung zur Hinderung von
Amtshandlungen: Wer die Flucht vor der Polizei ergreife und diese so an der
Erfüllung ihres Auftrags hindere, mache sich nach Art. 286 StGB strafbar.[51]
Das Obergericht stützt sich dabei auf
BGE 124 IV 127, wo das Bundesgericht entschied, dass sich der Hinderung einer
Amtshandlung schuldig mache, «[w]er sich durch Flucht einer
Ausweiskontrolle durch einen Polizeibeamten entzieht, um einer
Strafverfolgung zu entgehen» (Regeste). Das
Selbstbegünstigungsprivileg von Art. 305 Abs. 1 StGB gelte hier
nicht.[52]
Zur Begründung führt das Bundesgericht aus, dass verschiedene
Rechtsgüter auf dem Spiel stünden. Art. 286 StGB diene dem Schutz der
öffentlichen Gewalt und Art. 305 dem Schutz der
Strafrechtspflege. Die Hinderung einer Amtshandlung stelle daher ein
anderes Delikt dar. Solche weiteren Straftaten seien nicht durch
Selbstbegünstigung zu rechtfertigen. Die Selbstbegünstigung
dürfe nicht als «Freibrief verstanden werden, jegliche Art von
Amtshandlungen, insbesondere solche von Strafuntersuchungsbehörden, zu
erschweren oder gar zu verunmöglichen»[53].
Die Rechtsprechung argumentiert somit konsequent, man könnte auch
sagen: stur, mit den Rechtsgütern. Einzig und allein das von Art. 305 StGB geschützte
Rechtsgut (Schutz der Strafrechtspflege) soll dem
Selbstbegünstigungsprivileg unterliegen. Das überzeugt wie
erwähnt in Bezug auf Individualrechtsgüter. Niemand soll sich
ungestraft den Weg aus der Haftanstalt freischiessen dürfen. Ebenso
überzeugend ist umgekehrt, dass der Schutz der Strafrechtspflege nicht
Sache der Beschuldigten und Verurteilten sein kann. Weder der Beschuldigte,
der sich mit den Zwängen eines Strafverfahrens konfrontiert
sieht, noch eine Verurteilte, die gegen ihren Willen im Strafvollzug sitzt,
können unter Strafe verpflichtet werden, für das reibungslose
Funktionieren der Strafrechtspflege einzustehen.
Bereits deutlich weniger einleuchtend ist, weshalb der letztgenannte
Gedanke nicht auch für die Hinderung einer Amtshandlung gelten soll.
Nach der Rechtsprechung darf niemand, um das eingangs genannte Beispiel
aufzugreifen, vor einer angedrohten Verhaftung fliehen. Hier hat man den
Eindruck, dass die Rechtsprechung die Geister, welche sie mit der
Anerkennung des Selbstbegünstigungsprivilegs bei Art. 305 StGB rief, wieder
loswerden wollte. Obwohl es auch bei der Flucht um den
«Selbstschutztrieb» geht, greife das
Selbstbegünstigungsprivileg nicht, weil ein anderes Rechtsgut
betroffen sei. In Art. 305 gehe es
um den Schutz der Rechtspflege, Art. 286 diene dem Schutz der
öffentlichen Gewalt.
Man kann sich bereits fragen, ob hier phänomenologisch wirklich
unterschiedliche Rechtsgüter betroffen sind und ob nicht die
öffentliche Gewalt auch die Rechtspflege umfasse, zumal es in
beiden Fällen darum geht, den Staat in seinem Wirken nicht zu
behindern.[54]
Jedenfalls aber ist die strikte
Rechtsgüter-Argumentation zu formalistisch. Bei Art. 305 StGB herrscht Einigkeit,
dass der Schutz der Strafrechtspflege nicht Sache des
Beschuldigten/Verurteilten sein kann. Bei Art. 286 soll er aber für die
öffentliche Gewalt einstehen müssen. Hier wird der
Betroffene plötzlich zum Garanten für das reibungslose
Funktionieren von Amtshandlungen. Es ist ihm bei Strafe
verboten, des Amtsschimmels ungestörten Ausritt zu stören. Wenn
man nicht die jeder Widersetzung gegen Amtshandlungen innewohnende laesio
maiestatis zum entscheidenden Kriterium erklären will,[55]
gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, die unbemerkte (Art. 305) und die bemerkte (Art. 286) Flucht unterschiedlich
zu behandeln. Anders zu entscheiden bedeutete, dass man zwar fliehen darf,
aber nur solange niemand «Halt!» ruft. Das kann man keinem
Nichtjuristen erklären.[56]
3. Verantwortung
Der obergerichtliche Entscheid würde unter Laien wohl auch deshalb
für Kopfschütteln sorgen, weil er in sich nicht kohärent
ist: Wenn es schon keine Straftat darstellen soll, auf eigene Faust oder
gar mit Hilfe von Komplizen aus dem Gefängnis zu türmen,
weshalb soll es dann strafbar sein, die zuständige Wärterin
höflich zu fragen, ob sie einen gehen lässt oder gar mitkommt?
Das Obergericht erklärt dies mit einer Analogie. Es wendet die
skizzierte Rechtsprechung zur reinen Selbstbegünstigung analog auf Art. 319 StGB, das
Entweichenlassen von Gefangenen, an. Die Begünstigung nach Art. 305 schütze das
Funktionieren der Rechtspflege. In Art. 319 gehe es nicht nur um das
Funktionieren der (Straf-)Justiz, sondern auch um das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Justiz. Als Amtsdelikt verbiete Art. 319 nicht nur die
Begünstigung des Gefangenen, sondern sanktioniere auch den
Amtsmissbrauch der mit der Bewachung von Gefangenen betrauten Personen. Zu
verhindern gelte es die «Erschütterung des besonderen Vertrauens
des Staates und der Bevölkerung in die Integrität solcher
Beamten». An der Schlüsselstelle führt das
Obergericht sodann aus: Während mit Art. 305 die Strafrechtspflege von äusseren rechtswidrigen Einwirkungen geschützt werden
soll, wolle Art. 319 das
Justizwesen vor innerem Machtmissbrauch schützen.[57]
Bereits im vorangegangenen Absatz
wurde aufgezeigt, dass die Rechtsgüter-Argumentation des Obergerichts
zu formalistisch ist. Das wird hier noch
augenscheinlicher, zumal das in Bezug auf die Selbstbegünstigung
entscheidende Rechtsgut der ungestörten Strafrechtspflege identisch
ist. Sogar das Obergericht räumt ein, dass die Begünstigung nach Art. 305 StGB und das
Entweichenlassen Gefangener nach Art. 319 beide das reibungslose
Funktionieren der Justiz und deren Freiheit vor «äusseren»
Einwirkungen schützen. Um eine reine und damit strafbefreiende
Selbstbegünstigung dennoch verneinen zu können, erklärt das
Obergericht kurzerhand das zweite Rechtsgut des Vertrauens in die
Strafrechtspflege für entscheidend. Das Justizwesen müsse vor
«innerem» Machtmissbrauch geschützt werden. Dass es
Amtsmissbrauch im Allgemeinen und die Freilassung von Strafgefangenen im
Besonderen unter allen Umständen zu verhindern gilt, wird niemand
ernsthaft bestreiten wollen. In der Tat würde das Vertrauen in die
Justiz massiv leiden, wenn gegen Polizeigewalt oder
Gefangenenbefreiung nicht konsequent vorgegangen würde.
Die entscheidende Frage ist aber: Wer ist für diesen
Vertrauenserhalt verantwortlich? Wer muss unter Strafandrohung
dafür einstehen, dass Beamte ihre Macht nicht missbrauchen? Die
Antwort des Obergerichts ist hier: Der von der amtlichen
Machtausübung direkt betroffene Gefangene. Das kann nicht richtig
sein. Genauso wenig wie Beschuldigte/Verurteilte für das
reibungslose Funktionieren der Strafrechtspflege einstehen müssen,
sind sie Garanten für das Vertrauen in die Strafjustiz.[58]
Der Staat selbst hat dafür zu sorgen, dass seine Beamten ihre
Befugnisse nicht missbrauchen. Tun sie es dennoch, dann muss der Staat
seine Beamten zur Verantwortung ziehen. Um es in den Worten des
Obergerichts auszudrücken: Das «Justizwesen vor innerem
Machtmissbrauch»[59]
zu schützen, liegt in der Verantwortungssphäre des Staates und
nicht des Bürgers.[60]
Dass nicht Private für das deliktsfreie Funktionieren des
Staatsapparates zur Verantwortung gezogen werden sollen, ist der
Zürcher Strafjustiz bereits einmal von höchster Stelle angemahnt
worden. Der Blick-Journalist Viktor Dammann wurde vom Zürcher
Obergericht wegen Anstiftung zur Amtsgeheimnisverletzung verurteilt, weil
er bei der Staatsanwaltschaft Informationen zu Vorstrafen der
mutmasslichen Täter des Fraumünster-Postraubs verlangt
hatte.[61]
Hierzu hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest:
[2]
So die angesichts der unterdessen erlangten Prominenz der
Beteiligten sinnbefreite Anonymisierung durch das Obergericht.
[6]
Mündliche, an dieser Stelle zu verdankende Auskunft vom 14.
Mai 2018 von Bruno Bosshard, Weibel der II. Strafkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich.
[7]
Vgl. zum Ganzen etwa
BGE 127 IV 122
E. 2b/aa; Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht,
Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011, § 13 N
102.
[16]
Wobei sich diese Aussage naturgemäss nur auf den dem EGMR
unterbreiteten Sachverhalt beziehen kann.
[17]
Vgl. hierzu eingehend Micha Nydegger, Zurechnungsfragen der
Anstiftung im System strafbarer Beteiligung, Zürich 2012, S.
277 ff. Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (nach wie vor)
zustimmend: Andreas Donatsch/Brigitte Tag, Strafrecht I,
Verbrechenslehre, 9. Aufl., Zürich 2013, S. 155 ff.; Marc
Forster, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger
(Hrsg.), Strafrecht I, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013,
(fortan: BSK StGB I-Bearbeiter) N 16 zu Art. 24 StGB; Kurt
Seelmann/Christopher Geth, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl.,
Basel 2016, Rz. 435; Stefan Trechsel/Marc Jean-Richard, in: Stefan
Trechsel/Mark Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, N 4 zu Art.
24 StGB; Stefan Trechsel/Peter Noll/Mark Pieth, Schweizerisches
Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Allgemeine Voraussetzungen der
Strafbarkeit, 7. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017, S. 207.
[18]
Vgl. etwa Stratenwerth (Fn. 7), § 13 N 101; Günter
Stratenwerth/Wolfgang Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Handkommentar, 3. Aufl., Bern 2013, N 4 zu Art. 24 StGB; Bernhard
Sträuli, in: Robert Roth/Laurent Moreillon (Hrsg.), Code
pénal I, Art. 1-110, Commentaire romand, Basel 2009, N 24 zu
Art. 24 StGB.
[19]
Das legt bereits der allgemeine Sprachgebrauch nahe: Die Redensart,
wonach man jemandem durch sachdienliche Hinweise zu einer Tat verhilft, deutet bereits terminologisch die Nähe zur Gehilfenschaft an.
[20]
So im Grundsatz auch
BGE 127 IV 122
E. 2b/bb («[d]urch die Frage wird vielmehr der Wunsch, die
Bitte nach einer Antwort geäussert»); gl.M. Franz Riklin,
Anstiftung durch Fragen, GA 2006, S. 361 ff., 363. Entscheidend ist
im Übrigen nicht die Form der Äusserung, sondern
der Sinngehalt; vgl. Sträuli (Fn. 18), N 25 zu Art.
24 StGB.
[21]
Das Gesetz sieht in Art. 24 Abs. 1 StGB
lediglich eine prinzipielle Gleichstellung von Anstifter
und Täter vor. Da die Strafzumessung schuldbezogen und damit
individuell vorzunehmen ist (vgl. Art. 27 StGB), ist es im
konkreten Einzelfall möglich, dass der Anstifter eine
schwerere, dieselbe oder eine leichtere Strafe erhält. Der
Grundsatz der limitierten Akzessorietät (vgl. hierzu
Stratenwerth (Fn. 7), § 13 N 86) lässt eine strafbare
Anstiftung sogar dann zu, wenn sich der Täter mangels
schuldhaftem Handeln nicht strafbar gemacht hat.
[22]
Ähnlich Matthias Schwaibold, Das Auskunftsbegehren als
strafrechtliche Anstiftung nach Schweizer Recht. Anmerkung zu einem
Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts, AfP 2003, S. 300 ff.,
303, der eine «erhebliche Einwirkung auf die
Willensbildung» fordert.
[23]
Weiterführend dazu Knut Amelung, Die Anstiftung als
korrumpierende Aufforderung zu strafbedrohtem Verhalten, in:
Andreas Hoyer et al. (Hrsg.), Festschrift für
Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2006,
S. 147 ff., 164.
[24]
Näheres bei Nydegger (Fn. 17), S. 316 ff.
[25]
Im Grundsatz auch Felix Bommer, Anstiftung und Selbstverantwortung,
plädoyer 3/02, S. 34 ff., 39; a.M. wohl BSK StGB I-Forster
(Fn. 17), N 16 zu Art. 24 StGB.
[28]
Zur «excusable aspiration à la liberté» s.
unten Fn. 42.
[29]
Verlangt man als Anstiftung einen wesentlichen Beitrag zum
Entschluss des Täters (im Sinne einer verbindlichen
Tataufforderung), so handelt es sich bei ihm stets um eine qualifizierte Tatveranlassung. Minder intensive
Beeinflussungen sind demgegenüber unter die (obligatorisch
milder zu bestrafende) Gehilfenschaft nach Art. 25 StGB zu fassen
oder haben straflos zu bleiben. Bei dieser Sichtweise wird
deutlich, dass der Gedanke des erlaubten Risikos bei der Anstiftung
keine (unmittelbare) Bedeutung erlangen kann. Denn mit einer
restriktiveren Auslegung des Begriffs «Zur-Tat-Bestimmen»
werden von vornherein nur (erhöht) strafwürdige
Tatveranlassungen vom Tatbestand der Anstiftung erfasst; eine
Aussonderung «neutraler» Alltagshandlungen erübrigt
sich. Den Gesichtspunkt des unerlaubten Risikos bei der Anstiftung
berücksichtigend Bommer (Fn. 25), S. 35; Guido Jenny, Die
strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2001,
ZBJV 140 (2004), S. 1 ff., 5; Andreas Noll, Ist die an
BGE 127 IV 122
geübte Kritik berechtigt?, AJP 12 (2003), S. 892 ff., 899 ff.;
Riklin (Fn. 20), S. 364; Stratenwerth (Fn. 7), § 13 N 101;
Sträuli (Fn. 18), N 21 zu Art. 24 StGB.
[30]
A.M. Bommer (Fn. 25), S. 38; Noll (Fn. 29), S. 893 und 897; Riklin
(Fn. 20), S. 363 f.
[31]
Nach den Sachverhaltsfeststellungen des Obergerichts hatte der
Beschuldigte «penetrant» bei der Gefängnisaufseherin
nachgefragt (E. II.2.1.3).
[32]
Wer das anders sieht, schreibt Angela Magdici als
Gefängnisaufseherin letztlich die Rolle eines
«emotionslosen Vollzugsorgans» zu. Gerade der Fall des
Obergerichts zeigt, dass dies an der Realität vorbeigeht.
[33]
Vgl. E. III.1.3.2.1.
[34]
Z.R. bejahend Andreas Eicker, Ist es strafbar, wenn ein
Inhaftierter die Aufseherin anstiftet, ihn zu befreien?,
plädoyer 5/17, S. 17; ferner für die h.L. zu § 120
StGB/D, welcher sowohl die Gefangenenbefreiung durch Private (Art. 310 Ziff. 1 StGB/CH)
als auch durch Amtsträger (Art. 319 StGB/CH) umfasst,
Heribert Ostendorf, in: Urs Kindhäuser/Ulfrid
Neumann/Hans-Ullrich Paeffgen (Hrsg.), Nomos Kommentar
Strafgesetzbuch, 5. Aufl. 2017, N 19 zu § 120; gl.M. für
die Teilnahme des Gefangenen an seiner Befreiung durch Private
Delnon/Rüdy, in: Marcel Alexander Niggli/Hans
Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht II, Basler Kommentar, 3.
Aufl., Basel 2013, (fortan: BSK StGB II-Bearbeiter), N 28 zu Art.
310.
[35]
So schon die Botschaft vom 23. Juli 1918 zu einem Gesetzesentwurf
enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch (BBl 1918 IV 1); a.M. wohl
nur noch Fabio Vassalli, l'evasione nel diritto penale svizzero,
Diss. Bern 1967, Mendrisio 1967, S. 91 ff.
[36]
Der Kanton Neuchâtel hatte den Ausbruch (évasion) noch im
Jahr 1940 nach kantonalem Strafrecht für strafbar
erklärt. Er wähnte sich hierzu nach Art. 335 StGB
berechtigt, wurde dann aber von seinem eigenen Kassationsgericht
zurückgepfiffen; zum Ganzen François Clerc, de la
répression de l'évasion simple (Selbstbefreiung), ZStrR
81/1965, S. 76.
[38]
Nach François Clerc, de la répression de l'évasion
simple (Selbstbefreiung), ZStrR 81/1965, S. 77, soll hier der
französische Code pénal den liberalen Strafgesetzgebungen
als Vorbild gedient haben; die Straflosigkeit der Selbstbefreiung lässt sich mittelbar sogar aus Art. 180 der
Constitutio Criminalis Carolina
von 1532 herleiten : « Item so eyn hütter der peinlichen
gefengknuß eynem der peinlich straff verwirckt außhilfft,
der hat die selbig peinlich straff an statt des
übelthätters, den er also ausgelassen, verwirckt. Kem
aber der gefangen durch bemelts hütters vnfleiß auß
gefengknuß, solcher vnfleiß ist nach gestalt der sachen
vnnd radt so an den orten, als hernach gemelt wirdet, zu straffen.
»; dazu Hartmut Schneider, Grund und Grenzen des
strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips auf der Basis
eines generalpräventiv-funktionalen Schuldmodells. Diss.
Berlin 1990, Berlin 1991, S. 187.
[39]
BGE 124 IV 127
E. 3b/aa; statt vieler BSK StGB II-Delnon/Rüdy (Fn. 34), N 11
zu Art. 305.
[40]
BGE 124 IV 127
E. 3b/aa. Dass die Selbstbegünstigung straflos ist, hätte
der Gesetzgeber dadurch deutlicher zum Ausdruck bringen
können, dass er nicht von «jemanden», sondern von
einem «anderen» spricht; vgl. i.d.S. § 258 StGB/D.
[41]
BGE 73 IV 237; Selbsterhaltungstrieb und Selbstbegünstigung hat im Kontext
der Folter bereits der italienische Aufklärer Geatano
Filangieri,
la scienza della legislazione, Vol. II, Firenze 1782, S. 87, thematisiert: «La prima legge
della natura è quella che ci obbliga alla conservazione della
propria esistenza. Se richiesto dal magistrato sulla verità
dell'accusa, che si è controdi me intentata, io fossi nell'
obbligo di confessargli il mio delitto, e se questa confessione mi
portasse alla morte, io mi troverei in questo caso tra due doveri
opposti e non potrei soddisfare all'uno senza violare l'altro. Se
il patto sociale mi obbligasse a questa confessione, il patto
sociale mi obbligherebbe a violare una legge anteriore della
natura; il patto sociale sarebbe nullo».
[42]
Cour de cassation du Canton de Vaud vom 2. März 1970, JDT 1970
IV, 155.
[43]
So für die h.L. in D Heribert Ostendorf (Fn. 34), N 1 zu
§ 120.
[45]
Gemäss der Regeste von
BGE 115 IV 230
seien «Teilnahmehandlungen (Anstiftung und Gehilfenschaft) zur
Selbstbegünstigung … straflos»; richtigerweise geht
es in diesem Entscheid aber nur um die «Anstiftung zur
Begünstigung des Anstifters» (Stefan
Trechsel/Mark Pieth, in: dies. (Hrsg.), Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2017, N
14 zu Art. 305) und nicht um den auch denkbaren Fall, dass ein
Externer einen Insassen anstiftet, zu flüchten.
[46]
Dazu im Detail Kurt Brandenberger, Marco Camenisch -
Lebenslänglich im Widerstand, Basel 2015, S. 95 ff.
[47]
So offenbar die h.L. in D, vgl. Schneider (Fn. 38), S. 189.
[48]
In Winterthur wurden jene Sitzungen des Geschworenengerichts
abgehalten, welche ein besonderes Sicherheitsrisiko bargen.
«Das Winterthurer Gerichtshaus war nämlich das einzige im
Kanton, das mit dem örtlichen Gefängnis durch einen
unterirdischen Gang verbunden war», siehe
Winterthur Glossar, Bezirksgebäude I.
[49]
Brandenberger (Fn. 46), S. 104.
[50]
Brandenberger (Fn. 46), S. 165.
[52]
BGE 124 IV 127
E. 3b/bb; in diesem Sinn hatte das Bundesgericht bereits 1959 im
(wegen der dort ebenfalls behandelten Hehlerei-Frage)
legendären Coq-de-bruyères-Fall (BGE 85 IV 142) entschieden, wo es um Auerhahn-Wilderer im Chasseral ging, die
sich durch Flucht einem Gendarmen entzogen, der den Kofferraum
ihres Wagens kontrollieren wollte: «Il est exact que celui qui
se soustrait lui-même à une poursuite pénale ou
à l'exécution d'une peine ne tombe pas sous le coup de
l'art. 305 CP (RO 73 IV 239 c. 1). Cela ne signifie cependant pas
qu'il bénéfice nécessairement de l'impunité.
Son acte peut en effet constituer une autre infraction… et
tel est en particulier le cas lorsque la fuite a pour effet - voulu
par le fuyard - d'empêcher l'agent d'accomplir l'acte qui lui
incombe. Ainsi, le condamné qui prendrait la fuite pour
échapper au policier chargé de le mener au
pénitencier et l'empêcherait, ce faisant, de remplir sa
mission, encourrait la peine prévue par l'art. 286 CP.»
(E. 2).
[54]
Gerhard Fiolka, Das Rechtsgut, Band 2: Das Rechtsgut in Aktion,
Dissertation Fribourg 2006, Basel 2006, S. 744.
[55]
Ähnlich Schneider (Fn. 38), S. 188, wonach «der Pönalisierung der Selbstbefreiung ein
autoritär-etatistischer Zug eigen»
ist.
[56]
So z.R. Günter Stratenwerth/Felix Bommer, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen,
7. Auflage, Bern 2013, N 12 zu § 52.
[58]
Vgl. schon François Clerc, de la répression de
l'évasion simple (Selbstbefreiung), ZStrR 81/1965, S. 77.
[60]
Zur Frage, ob man den Bürger, der hier zwar in
Selbstbegünstigungsabsicht gehandelt hat, aber immerhin eine
Beamtin «bewusst und gewollt zu einem Missbrauch ihrer
amtlichen Befugnisse verleitet» hat, für diese Korruption
der Beamtin nach den Grundsätzen der Anstiftung strafrechtlich
zur Verantwortung ziehen kann, vgl. oben IV.