«Art. 75 Anspruch
Art. 76 Verfahren
2. Definitionen
a) Kundendossier (Dossier)
Der Gegenstand der Herausgabepflicht knüpft an den Begriff des
Kundendossiers an, ohne dass dieser Begriff im Gesetzesentwurf definiert
wäre. In der Botschaft wird klärend festgehalten, dass von der
Herausgabepflicht «sowohl Dokumente oder Unterlagen in Papierform als
auch entsprechende elektronische oder elektronisch geführte Dokumente,
Dateien oder Aufzeichnungen aller Art [erfasst werden],
soweit es sich dabei um die massgebenden Informationen und
Dokumentationen handelt, zu deren Führung der Finanzdienstleister
nach Massgabe von Artikel 17 verpflichtet ist»[8].
Weiter heisst es, «dass lediglich rein interne Dokumente wie
vorbereitende Studien, Notizen oder (Vertrags-)Entwürfe,
bezüglich welcher gerade keine Informations- oder
Dokumentationspflicht besteht und die daher für die
Überprüfung des vertrags- und gesetzeskonformen Verhaltens des
Finanzdienstleisters nicht relevant sind»[9], von der Herausgabepflicht ausgenommen sind. Dies bedeutet, dass sich der
Herausgabeanspruch gemäss dem Willen des Gesetzgebers auf die nach Art. 17 E‑FIDLEG zu
dokumentierenden Informationen beschränkt[10], da lediglich diese Angaben relevant seien für die
Überprüfung des vertrags- und gesetzeskonformen Verhaltens des
Finanzdienstleisters, was dem Zweck des Herausgabeanspruchs entspricht.
Eine weitergehende Definition des Begriffs «Kundendossier»
erübrigt sich vor diesem Hintergrund. Es ist allerdings nicht
nachvollziehbar, wieso der Bezug zwischenArt. 17 und Art. 75 E‑FIDLEG nur in der
Botschaft und nicht auch im Gesetz hergestellt wurde.
b) Den Kunden betreffende
Dokumente
Die Definition der weiteren, den Kunden betreffenden Dokumente, die der
Finanzdienstleister im Rahmen seiner Geschäftsbeziehung erstellt hat
und die gemäss Art. 75 E‑FIDLEG ebenfalls
der Herausgabepflicht unterliegen, ist obsolet. Auch hier gilt, dass sich
der Gegenstand der Herausgabepflicht mit jenem der Dokumentationspflicht
nach Art. 17 E‑FIDLEG deckt[11]. Die Dokumente, die den Kunden betreffen, können also nicht über
die im Rahmen der Dokumentationspflicht zu erstellenden Dokumente
hinausgehen.
c) Verhältnis von Art. 75 zu den Art. 17 und 18 E-FIDLEG
Obwohl die der Herausgabepflicht unterliegenden Dokumente mit der
Dokumentation gemäss Art. 17 E‑FIDLEG
gleichzusetzen sind, sieht die Botschaft in Art. 75 E‑FIDLEG eine
Ergänzung zu Art. 17 und 18[12]. Art. 18 Abs. 1 verpflichtet den
Finanzdienstleister, dem Kunden eine Kopie der Dokumentation nach Art. 17 zuzustellen. Im Entwurf
des Bundesrats war noch vorgesehen, dass die Zustellung dieser
Dokumentation spontan zu erfolgen hat[13]. Das Parlament hat Art. 18 Abs. 1
aber dahingehend angepasst, dass der Finanzdienstleister seinen Kunden
bloss auf deren Wunsch hin eine Kopie der Dokumentation nach Art. 17 zuzustellen hat[14]. Aus gesetzessystematischer Sicht hat das Parlament damit meines Erachtens
einen Fehler begangen. In seiner ursprünglichen Fassung hätte Art. 18 Abs. 1 wohl bezweckt, dass
der Finanzdienstleister seinem Kunden die Dokumentation gemäss Art. 17 sofort nach deren
Erstellung hätte zukommen lassen oder zumindest zugänglich machen
müssen, um diesem die unmittelbare Kontrolle darüber zu
ermöglichen. Fehler hätten so früher erkannt und korrigiert
werden können. In der jetzigen Ausgestaltung unterscheidet sich Art. 18 Abs. 1 aus Kundensicht
meines Erachtens nicht mehr wesentlich von Art. 75.
Der einzige Unterschied zwischen Art. 18 Abs. 1 und Art. 75 E‑FIDLEG liegt
nunmehr in deren Rechtsnatur. Art. 75 gewährt dem Kunden
einen privatrechtlichen Anspruch auf eine Kopie der Dokumentation[15], währenddem Art. 17 und 18 öffentlich-rechtlicher
Natur sind. Die Einhaltung von Art. 17 und 18 wird entsprechend durch die
Aufsichtsbehörde geprüft[16]. Ein Kunde, der ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegen den
Finanzdienstleister anstrebt, weil dieser seinen Pflichten gemässArt. 17 und 18 nicht nachgekommen ist, erlangt
in diesem Verfahren jedoch keine Parteistellung[17]. Er kann die Erfüllung dieser aufsichtsrechtlichen Pflichten des
Finanzdienstleisters somit nicht direkt geltend machen[18]. Den privatrechtlichen Anspruch nach Art. 75 hingegen kann der Kunde
selbst vor Gericht durchsetzen (Art. 76 Abs. 3)[19]. Dies führt meines Erachtens dazu, dass Art. 18 Abs. 1 nur noch dann zur
Anwendung gelangt, wenn der Finanzdienstleister seinen Herausgabepflichten
nach Art. 75 nicht nachgekommen
ist und der Kunde zusätzlichen Druck ausüben möchte, indem
er die Aufsichtsbehörde entsprechend informiert. Betreffend die
herauszugebenden Dokumente unterscheiden sich Art. 75 und Art. 18 Abs. 1 nach der hier
vertretenen Ansicht nämlich nicht.
3. Abgrenzung zu Art. 8 DSG und Art. 400 OR
Der Herausgabeanspruch gemäss Art. 75 E‑FIDLEG «tritt
kumulativ zu den bestehenden vertraglichen und gesetzlichen
Informationsansprüchen und zivilprozessualen Editionspflichten
hinzu»[20]. Die auskunftsersuchende Person bedient sich jener rechtlichen Grundlage,
die in der entsprechenden Situation am passendsten für sie ist[21].
III. Gegenstand der Herausgabepflicht
1. Beschränkung auf die
Dokumentationspflicht gemäss Art. 17 E‑FIDLEG
Wie bereits ausgeführt, ist der Gegenstand der Herausgabepflicht
gemäss Art. 75 E‑FIDLEG
nach dem Willen des Gesetzgebers jenem der Dokumentationspflicht von Art. 17 gleichzusetzen. Art. 75 gewährt dem Kunden
eines Finanzdienstleisters somit einen jederzeitigen, privatrechtlichen
Anspruch auf die gemäss Art. 17 zu erstellenden Dokumente.
Diese Auslegung wird auch von der Systematik des E‑FIDLEG gestützt. Art. 75 erfüllt vor allem
dort seinen Zweck, wo Art. 400 OR
nicht anwendbar ist[22]. In diesen Fällen gewährt das E‑FIDLEG dem Kunden einen
privatrechtlichen Informationsanspruch, den er bis anhin nicht hatte.
Der jederzeitige Anspruch auf eine Kopie der Dokumentation gemäss Art. 17 E‑FIDLEG, der dem
Kunden in Art. 75 eingeräumt
wird, ermöglicht ihm einen besseren Einblick in die vom
Finanzdienstleister vorgenommene Dienstleistungserbringung. Das führt
zu einer Stärkung der Position des Kunden in einem Rechtsstreit mit
dem Finanzdienstleister[23]. Es werden die Voraussetzungen für eine effektive Rechtsdurchsetzung
geschaffen[24]. Ein Anspruch, der über die im Rahmen der Dokumentationspflicht zu
erstellenden Dokumente hinausgeht, ist nicht erforderlich. Der Kunde ist
bei Vertragsverhältnissen mit dem Finanzdienstleister, die keine
Auftragskomponente aufweisen, nämlich weniger schutzbedürftig[25]. Dem wurde bei der Ausgestaltung der vertraglichen Informationsrechte
Rechnung getragen, indem für die Gewährung von
Informationsrechten nach Vertragstyp unterschieden wurde. Bei einem Kauf-
oder Werkvertrag besteht bspw. nicht das gleiche legitime Bedürfnis
nach Information wie bei einem Auftrag, der die Wahrung fremder Interessen
bezweckt[26]. Dem Käufer bzw. dem Besteller werden deshalb nicht dieselben
Informationsansprüche eingeräumt wie dem Auftraggeber. Diese
Wertungen werden mit der Einführung von Art. 75 E‑FIDLEG nicht
komplett aufgegeben.
Der Informationsanspruch von Art. 400 OR geht weiter als der in Art. 75 E‑FIDLEG vorgesehene
Anspruch[27]. Dennoch ist der Herausgabeanspruch nach Art. 75 genügend umfangreich,
um dem Kunden, der keinen auftragsrechtlichen Informationsanspruch hat, die
Überprüfung des vertrags- und gesetzeskonformen Verhaltens des
Finanzdienstleisters[28]
─ und damit eine effektive Rechtsdurchsetzung ─ zu
ermöglichen[29]. Zusätzlich erhöht wird der Informationsfluss zwischen Kunde und
Finanzdienstleister durch die Informations- und die Rechenschaftspflicht (Art. 9 f. bzw. Art. 18), die das E‑FIDLEG dem
Finanzdienstleister auferlegt. Die Systematik des Gesetzes stützt
damit die Beschränkung der Herausgabepflicht nach Art. 75 auf die Dokumente, die
gemäss Art. 17 erstellt
werden müssen.
Das Gleiche gilt für die gesetzesübergreifende Systematik. Die
Beschränkung des Herausgabeanspruchs auf die gemäss Art. 17 E‑FIDLEG zu
dokumentierenden Angaben bedeutet, dass der Kunde gestützt auf Art. 75 keinen Anspruch auf die im
Rahmen der Rechenschaftsablegung gemäss Art. 18 Abs. 2 Bst. b und c
erstellten Dokumente hat[30]. Bei diesen Dokumenten handelt es sich bspw. um Konto- und
Depotauszüge oder Performanceanalysen[31]. Art. 75 gewährt dem Kunden,
entgegen dem Wortlaut der Bestimmung, auch dann keinen Anspruch auf diese
Dokumente, wenn sie im Kundendossier enthalten sind. Von der
gesetzesübergreifenden Systematik her ist dies deshalb
begrüssenswert, weil Art. 75
einen kostenlosen und jederzeitigen Anspruch auf diese Dokumente
gewähren würde.
Mit Art. 400 OR existiert aber
bereits eine privatrechtliche Grundlage, die dem Kunden einen jederzeitigen
Anspruch auf dieselben Dokumente einräumt. Der Beauftragte darf dort
allerdings eine Entschädigung für die Ausfertigung und Zustellung
der Kopien verlangen[32], was meines Erachtens sachgerecht ist. Das jederzeitige Recht, die
Dokumente, über die bereits gemäss
Art. 18 Abs. 2 Bst. b und c E‑FIDLEG
Rechenschaft abzulegen ist, gestützt auf Art. 75 erneut und kostenlos
verlangen zu können, wäre nach der hier vertretenen Ansicht ein
Eingriff in die vertragliche Regelung, der nur dazu führen würde,
dass der Finanzdienstleister die entsprechenden Dokumente für den
Kunden aufzubewahren hätte. Der Kunde wäre nicht mehr daran
interessiert, bspw. die Konto- und Depotauszüge selbst aufzubewahren,
wenn er diese jederzeit, kostenlos und wiederholt vom Finanzdienstleister
verlangen könnte. Dies wäre aber nicht im Sinne des Gesetzgebers,
der mit der Einführung von Art. 75 die Geltendmachung
zivilrechtlicher Ansprüche erleichtern und nicht den
Aufbewahrungsaufwand des Kunden reduzieren möchte.
In den Fällen, in denen Art. 400 OR auf das
Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Finanzdienstleister nicht
anwendbar ist und mit Art. 75 E‑FIDLEG eine
Lücke im Kundenschutz geschlossen wird, findet keine periodische
Rechenschaftsablegung gemäss Art. 18 Abs. 2 E‑FIDLEG
statt, da es sich um Rechtsverhältnisse handelt, die mit einmaliger
Ausführung erledigt sind[33]. Der Schutz dieser Kunden wird bei einer Beschränkung des
Herausgabeanspruchs auf die gemäss Art. 17 zu erstellenden Dokumente
somit nicht tangiert.
Schliesslich ist festzustellen, dass das Parlament eine Änderung von Art. 18 Abs. 2 E‑FIDLEG
beschlossen hat und damit ein wenig in die oben beschriebene Systematik
eingegriffen hat. Die Bestimmung sieht nun vor, dass der
Finanzdienstleister auf Anfrage der Kundinnen und Kunden und nicht
mehr spontan Rechenschaft abzulegen hat. Damit räumt sie dem Kunden
einen meines Erachtens jederzeitigen und kostenlosen Anspruch auf
Rechenschaftsablegung ein. Im Unterschied zu Art. 400 OR ist der Anspruch
jedoch öffentlich-rechtlicher Natur, weshalb sich die Durchsetzung
für den Kunden schwieriger gestaltet[34]. Zudem kann die Änderung von Art. 18 Abs. 2 E‑FIDLEG im
Gegensatz zur beschlossenen Anpassung von Abs. 1 damit begründet
werden, dass das E‑FIDLEG
dem Kunden denselben Anspruch nicht bereits in Art. 75 einräumt.
Gleichzeitig stützt die Anpassung des Parlaments die vorliegend
vertretene Ansicht, wonach sich der Gegenstand von Art. 75 E‑FIDLEG auf die
Dokumentation gemäss Art. 17
beschränkt, da der Kunde mit Art. 18 Abs. 2 E‑FIDLEG und Art. 400 OR bereits einen
jederzeitigen öffentlich- und privatrechtlichen Anspruch auf
Rechenschaftsablegung hat.
2. Gegenstand der Dokumentationspflicht gemäss Art. 17 E-FIDLEG
Im Folgenden wird der mögliche Gegenstand der Dokumentationspflicht
umschrieben. Da Art. 17
diesbezüglich etwas vage ist, werden nach Inkrafttreten des E‑FIDLEG wohl noch
konkretisierende Bestimmungen erlassen, seien es Verordnungen oder
Selbstregulierung, um hier Rechtssicherheit zu schaffen[35]. Mit der in diesem Kapitel dargestellten Dokumentation wird der Pflicht
gemäss Art. 17 nach der hier
vertretenen Ansicht aber Genüge getan.
a) Mit dem Kunden vereinbarte Finanzdienstleistungen
Gemäss
Art. 17 Abs. 1 Bst. a E‑FIDLEG
sind die vereinbarten Finanzdienstleistungen zu dokumentieren. Die
möglichen Finanzdienstleistungen, die vereinbart werden können,
werden in Art. 3 Bst. d definiert.
Die Dokumentation der vereinbarten Finanzdienstleistung wird in Form eines
schriftlichen Vertrags erfolgen. Dies ist bereits jetzt Standard und bspw.
hinsichtlich des Vermögensverwaltungsvertrags im FINMA-Rundschreiben
betreffend die Eckwerte zur Vermögensverwaltung sowie den Richtlinien
für Vermögensverwaltungsaufträge so vorgesehen[36].
b) Über den Kunden erhobene
Informationen
Der Finanzdienstleister hat die über den Kunden erhobenen
Informationen in geeigneter Weise zu dokumentieren (
Art. 17 Abs. 1 Bst. a E‑FIDLEG). Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich dabei um die im Rahmen
der Angemessenheits- oder Eignungsprüfung erhobenen Angaben und um das
Ergebnis dieser Prüfung (Art. 12 bzw. 13)[37]. Ansonsten findet sich im E‑FIDLEG keine weitere
Bestimmung, die den Finanzdienstleister zur Erhebung von Informationen
über ihre Kunden verpflichtet. Eine Pflicht, Informationen zu
dokumentieren, die nicht aufgrund des E‑FIDLEG zu erheben sind,
vermag Art. 17 meines Erachtens
nicht zu statuieren. Aus diesem Grunde bilden bspw. Informationen, die
gemäss der VSB 16[38]
zur Identifizierung des Kunden zu erheben sind, nicht Gegenstand der
Dokumentationspflicht nach E‑FIDLEG und sind somit auch
nicht Gegenstand der Herausgabepflicht gemäss Art. 75. Dies schmälert den
Kundenschutz indes nicht. Über diese Informationen kann der Kunde
gestützt auf
Art. 8 DSG
Auskunft verlangen[39].
c) Hinweise gemäss Art. 17 Abs. 1 Bst. b E-FIDLEG
Gewisse Finanzdienstleister haben gemäss Art. 14 Abs. 1 E‑FIDLEG
für die Erbringung ihrer Dienstleistungen weder eine Angemessenheits-
noch eine Eignungsprüfung durchzuführen. Über diesen Umstand
haben sie den Kunden vor der Dienstleistungserbringung zu informieren und
dies gemäss Art. 17 Abs. 1 Bst. b zu
dokumentieren. Falls der Finanzdienstleister eine Angemessenheits- oder
Eignungsprüfung durchführen muss, die Informationen, die er dazu
erhält, für deren Durchführung aber nicht ausreichen, hat er
den Kunden vor der Erbringung der Dienstleistung darauf hinzuweisen (Art. 16). Dass dieser Hinweis
stattgefunden hat, ist gemäss Art. 17 Abs. 1 Bst. b zu
dokumentieren. Gemäss demselben Buchstaben ist auch zu dokumentieren,
dass dem Kunden von der Erbringung einer Dienstleistung abgeraten wurde,
wenn der Finanzdienstleister zur Auffassung gelangt, dass ein bestimmtes
Finanzinstrument für diesen nicht geeignet ist.
d) Für den Kunden erbrachte
Finanzdienstleistungen
Was Finanzdienstleistungen sind, die gemäss
Art. 17 Abs. 1 Bst. c E‑FIDLEG
zu dokumentieren sind, wird in Art. 3 Bst. d geregelt. Meines
Erachtens genügt es aber nicht, bspw. bloss zu dokumentieren, dass
für den Kunden ein bestimmtes Finanzinstrument erworben wurde (Art. 3 Bst. d Ziff. 1). Vielmehr
müssen analog zu Art. 38 FinfraG[40]
die getätigten Geschäfte mit allen Angaben dokumentiert werden,
die für deren Nachvollziehbarkeit erforderlich sind.
e) Dokumentation gemäss Art. 17 Abs. 2 E-FIDLEG
Art. 17 Abs. 2 E‑FIDLEG
wurde vom Parlament angepasst. Die Finanzdienstleister wurden bei der
Vermögensverwaltung von der Pflicht zur Dokumentation der
Bedürfnisse der Kunden sowie der Gründe für jede Empfehlung,
die zum Erwerb, zum Halten oder zur Veräusserung eines
Finanzinstruments führt, befreit. Diese Dokumentationspflicht ist nur
noch bei der Anlageberatung vorgesehen[41]. Dies ist insofern zu begrüssen, da im reinen
Vermögensverwaltungsverhältnis keine Empfehlungen gemacht werden.
Der Finanzdienstleister entscheidet selbst, ob er für den Kunden ein
Finanzinstrument erwirbt, hält oder veräussert. Es wäre aus
Kundensicht jedoch wünschenswert gewesen, die Finanzdienstleister bei
der Vermögensverwaltung dazu zu verpflichten, die Gründe, die zum
Erwerb, zum Halten oder zur Veräusserung eines Finanzinstruments
geführt haben, zu dokumentieren[42].
f) Aufbewahrungsfrist der
Dokumentation
Die Dokumente, die im Rahmen der Dokumentationspflicht gemäss Art. 17 E‑FIDLEG zu
erstellen sind, sind «unter Berücksichtigung der
obligationenrechtlichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten»[43]
während mindestens zehn Jahren aufzubewahren[44]. Der Herausgabeanspruch, der dem Kunden in Art. 75 eingeräumt wird,
kennt jedoch keine zeitliche Beschränkung[45]. Wenn der Finanzdienstleister die Dokumente über die gesetzliche
Aufbewahrungsfrist hinaus aufbewahrt, hat er bei einem Herausgabebegehren
des Kunden Kopien davon herauszugeben.
3. Abgrenzungen
a) Zu Art. 8 DSG
Die Auskunftspflicht nach
Art. 8 DSG
geht teilweise weiter als die Herausgabepflicht gemäss Art. 75 E‑FIDLEG und
umgekehrt. Der Autor des vorliegenden Artikels vertritt die Ansicht, dass
bloss Personendaten Gegenstand der Auskunftspflicht gemäss
Art. 8 DSG
sind und nicht Kopien von Originaldokumenten, die an gewissen Stellen auch
Personendaten enthalten[46]. Da Art. 75 E‑FIDLEG einen
Anspruch auf Kopien der Dokumentation gemäss Art. 17 gewährt und diese
nicht zwangsläufig ausschliesslich Personendaten des Kunden
enthält, ist der Informationsanspruch nach Art. 75 in dieser Hinsicht
umfassender als jener von Art. 8 DSG. Finanzdienstleister
bearbeiten aber auch Personendaten, die nicht Gegenstand der
Dokumentationspflicht von Art. 17 E‑FIDLEG sind[47], über die sie gemäss Art. 8 DSG aber Auskunft zu
erteilen haben. Zudem hat der Kunde gemäss Art. 8 Abs. 2 DSG Anspruch auf
Auskunft über die Herkunft der Daten, den Zweck und gegebenenfalls die
Rechtsgrundlagen des Bearbeitens, die Kategorien der bearbeiteten
Personendaten, die an der Sammlung Beteiligten und die Datenempfänger.
Diese Informationen erhält der Kunde gestützt auf Art. 75 E‑FIDLEG nicht.
b) Zu Art. 400 OR
Den beauftragten Finanzdienstleister trifft bereits gestützt auf Art. 400 OR eine
Dokumentationspflicht[48]. Der Inhalt dieser Dokumentation wird vom Gegenstand der
Rechenschaftspflicht bestimmt[49]
und umfasst alles, was von Relevanz ist, um den Kunden über die
Auftragsausführung aufzuklären[50]. Die Dokumentationspflicht nach Art. 400 OR ist damit umfassender
als jene nach Art. 17 E‑FIDLEG[51]. Entsprechend ist auch der Rechenschaftsanspruch des Kunden gemäss Art. 400 OR umfassender als sein
Herausgabeanspruch nach Art. 75 E‑FIDLEG[52]. Ihm unterliegen bspw. auch die Korrespondenz[53]
oder die Aufzeichnungen von Kundenkontakten[54]. Zudem hat der Beauftragte im Rahmen der Rechenschaftsablegung einen
Bericht abzufassen, der «über alle wesentlichen Vorgänge des
konkreten Auftrags und die Erläuterung ihrer Bedeutung»[55]
Aufschluss gibt. Auf solche Erklärungen haben Kunden von
Finanzdienstleistern gemäss Art. 75 E‑FIDLEG keinen
Anspruch. Es müssen ihnen einzig Kopien von Dokumenten herausgegeben
werden[56].
Sofern das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Finanzdienstleister
den auftragsrechtlichen Regeln untersteht, hat die Einführung vonArt. 75 i.V.m. Art. 17 E‑FIDLEG
hinsichtlich des Gegenstands somit lediglich eine Doppelung der schon
bestehenden Dokumentations- und Informationspflichten des
Finanzdienstleisters zur Folge, wobei die Pflicht zur Rechenschaftsablegung
gemäss Art. 400 OR über
den Herausgabenspruch gemäss Art. 75 E‑FIDLEG hinausgeht.
IV. Schranken der Herausgabepflicht
1. Einschränkungsarten
Als Einschränkungsart kommt für die Herausgabepflicht gemäss Art. 75 E‑FIDLEG einzig die
Verweigerung in Betracht. Dies ergibt sich, wie sich zeigen wird, aus den
limitierten Gründen, die eine Einschränkung der Herausgabepflicht
erlauben. Aus den möglichen Gründen der Einschränkung ergibt
sich zudem, dass die Herausgabepflicht nicht eingeschränkt werden
muss, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, sondern kann.
Den Entscheid, die Herausgabe zu verweigern, hat der Finanzdienstleister
meines Erachtens zu begründen, da der Kunde ansonsten das Gericht
anrufen (Art. 76 Abs. 3) und das
Gericht in einem späteren Rechtsstreit die Verweigerung der Herausgabe
beim Entscheid über die Prozesskosten berücksichtigen kann (Art. 76 Abs. 4).
2. Einschränkungsgründe
a) Geheimhaltungsinteressen
Dadurch, dass der Gegenstand der Herausgabepflicht nach Art. 75 E‑FIDLEG der
Dokumentation gemäss Art. 17
entspricht[57], ist eine Einschränkung der Herausgabepflicht nur sehr
beschränkt möglich. Geheimhaltungsinteressen des
Finanzdienstleisters, die eine Einschränkung rechtfertigen
würden, sind nicht ersichtlich.
Auch allfällige Geheimhaltungsinteressen Dritter, insbesondere das
Bankkundengeheimnis, erlauben keine Einschränkung der
Herausgabepflicht. Informationen Dritter, die der Herausgabepflicht
gemäss Art. 75 E‑FIDLEG
unterliegen, werden höchstens im Rahmen der Dokumentation der
erbrachten Finanzdienstleistungen - und auch hier nur beim Erwerb oder der
Veräusserung von Finanzinstrumenten sowie bei der Annahme und
Übermittlung von Aufträgen, die Finanzinstrumente zum Gegenstand
haben - erfasst. In diesem Zusammenhang wird meines Erachtens die
Bezeichnung der Gegenpartei festzuhalten sein. In Analogie zu Art. 1 Abs. 3 FinfraV-FINMA[58]
genügt nach der hier vertretenen Ansicht aber die Dokumentation der
«Stammnummer mit dem dazugehörenden Namen bzw. eine
Identifikation der Abrechnung des Gegenauftrages»[59]. Das Bankkundengeheimnis greift in diesem Fall nicht, da die Bezeichnung
der Gegenpartei ohne Angabe darüber auskommt, bei welcher Bank sie
Kunde ist. Sollte dennoch dokumentiert werden, bei welcher Bank die
Gegenpartei Kunde ist, darf meines Erachtens von einer stillschweigenden
Einwilligung in die Bekanntgabe der Bankverbindung ausgegangen werden[60].
Das Datenschutzgesetz verbietet die Bekanntgabe der Bezeichnung der
Gegenpartei an den Kunden ebenfalls nicht. Die Bekanntgabe wird mit dem
Herausgabeanspruch des Kunden gemäss Art. 75 E‑FIDLEG durch
Gesetz gerechtfertigt (Art. 13 Abs. 1 DSG).
b) Rechtsmissbrauchsverbot
Erlaubt ist die Verweigerung der Herausgabe, wenn der Anspruch
rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wird[61]. Dies kann nach der hier vertretenen Ansicht bei einer schikanösen
Rechtsausübung der Fall sein, die bspw. dann vorliegt, wenn die
Herausgabe unangemessen häufig verlangt wird, ohne dass dafür ein
berechtigtes Interesse besteht[62]. Analog zu Art. 2 Abs. 1 Bst. a VDSG[63]
liegt meines Erachtens eine unangemessen häufige Geltendmachung des
Herausgabeanspruchs vor, wenn der Kunde Kopien der Dokumente bereits in den
letzten zwölf Monaten vor dem Gesuch einmal erhalten hat und kein
schutzwürdiges Interesse an einer erneuten Herausgabe nachweisen kann.
Ebenfalls als schikanös kann die Rechtsausübung qualifiziert
werden, wenn von einer Organisation zur Geltendmachung des Anspruchs auf
Herausgabe aufgerufen wird, um dem zur Herausgabe verpflichteten
Finanzdienstleister offensichtlich zu schaden, und darüber hinaus kein
schutzwürdiges Individualinteresse an den verlangten Kopien besteht.
c) Verjährung
Der Herausgabeanspruch gemäss
Art. 75 E‑FIDLEG
ist privatrechtlicher Natur[64]. Er unterliegt deshalb, mangels abweichender Regelung im Gesetzesentwurf,
der zehnjährigen Verjährungsfrist nach Art. 127 OR. Diese beginnt mit
Beendigung des Vertragsverhältnisses zu laufen. Wie auch beim
Rechenschaftsanspruch gemäss Art. 400 OR bedeutet dies, dass
der Anspruch nach Vertragsbeendigung bis zum Ablauf der
Verjährungsfrist bestehen bleibt[65].
3. Verzicht auf Herausgabe von
Dokumenten
Aus Art. 75 Abs. 2 E‑FIDLEG,
der regelt, dass auf die physische Herausgabe von Kopien lediglich
zugunsten einer Herausgabe in elektronischer Form verzichtet werden kann,
lässt sich ableiten, dass es sich bei Art. 75 um eine zwingende
Bestimmung handelt. Ein vollumfänglicher Verzicht auf die
Rechenschaftsablegung ist nicht vorgesehen[66].
4. Abgrenzungen
a) Zu Art. 8 DSG
Im Gegensatz zur Einschränkung der Herausgabe nach Art. 75 E‑FIDLEG, die
vorgenommen werden kann, aber nicht muss, besteht für die Auskunft
gemäss
Art. 8 DSG
eine Pflicht zur Einschränkung, wenn die Voraussetzungen dafür
erfüllt sind[67]. Auch hinsichtlich der Einschränkungsarten und -gründe
unterscheiden sich die beiden Auskunftspflichten. Art. 9 DSG regelt abschliessend
und differenziert, wie und weshalb das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht
eingeschränkt werden muss. Im E‑FIDLEG fehlt eine
entsprechende Bestimmung. Nach der hier vertretenen Ansicht kann die
Herausgabe gemäss Art. 75 E‑FIDLEG bloss
verweigert und nicht eingeschränkt oder aufgeschoben werden. Als
Einschränkungsgründe kommen nur das Rechtsmissbrauchsverbot und
die Verjährung in Frage.
b) Zu Art. 400 OR
Die Rechenschaftsablegung nach Art. 400 OR darf, neben dem
Rechtsmissbrauchsverbot und der Verjährung, auch gestützt auf
Geheimhaltungsinteressen oder Interessen an der
Verhältnismässigkeit des Aufwandes eingeschränkt oder
verweigert werden[68]. Im Vergleich zur Einschränkung des Herausgabeanspruchs gemäss Art. 75 E‑FIDLEG stehen dem
Finanzdienstleister im Rahmen von Art. 400 OR somit mehr
Möglichkeiten zur Verfügung, um die Auskunft einzuschränken.
V. Modalitäten des
Herausgabebegehrens
Der Anspruch auf Herausgabe von Dokumenten kann gemäss dem Wortlaut
von Art. 75 Abs. 1 E‑FIDLEG
jederzeit geltend gemacht werden und besteht unabhängig von weiteren
vertraglichen oder gesetzlichen Auskunftsansprüchen sowie von
prozessualen Editionspflichten des Finanzdienstleisters[69]. Aus dem Wortlaut von Art. 75 Abs. 1 E‑FIDLEG, der
dem Kunden einen jederzeitigen Herausgabeanspruch einräumt, lässt
sich meines Erachtens ableiten, dass der Anspruch auch wiederholt geltend
gemacht werden kann.
Das Herausgabebegehren ist gemäss Art. 76 Abs. 1 E‑FIDLEG
«schriftlich oder in anderer durch Text nachweisbarer Form» zu
stellen. Die Regelung des E‑FIDLEG ist technikneutral
ausgestaltet. Eine elektronische Geltendmachung des Anspruchs auf
Herausgabe von Dokumenten ist genauso gültig wie eine Geltendmachung
per Brief oder per Fax. Mündlich gestellte Auskunftsbegehren hingegen
sind nicht vorgesehen. Dies trägt aus Beweisgründen sowohl zum
Schutz des Kunden als auch der Bank bei. Die Möglichkeit eines
mündlichen Auskunftsbegehrens entspräche deshalb auch nicht dem
in Art. 1 Abs. 1 E‑FIDLEG
festgelegten Zweck des Finanzdienstleistungsgesetzes.
Ein Nachweis der Identität durch den Gesuchsteller wird im Unterschied
zum Auskunftsbegehren nach
Art. 8 DSG
(Art. 1 Abs. 2 Bst. a VDSG) nicht
verlangt. Dies ist in der Regel aber auch nicht notwendig, da die Kopien
der Dokumente dem Kunden herauszugeben sind, und dieser von der Bank
bereits bei der Aufnahme der Vertragsbeziehung identifiziert wurde. Sollten
die Kopien der Dokumente allerdings an eine Adresse geliefert werden, die
nicht mit jener übereinstimmt, welche die Bank in ihren Systemen
erfasst hat, ist ein Identitätsnachweis zu verlangen, um einer
Verletzung des Bankkundengeheimnisses vorzubeugen. Dieses greift nur
gegenüber dem Kunden selbst oder gegenüber Personen nicht, die
von diesem bevollmächtigt wurde[70].
1. Folgen des mangelhaften
Begehrens
Ein Gesuch um Herausgabe von Kopien von Dokumenten, das nicht
«schriftlich oder in anderer durch Text nachweisbarer Form» (Art. 76 Abs. 1 E‑FIDLEG)
gestellt wird, erfüllt die Formerfordernisse nicht. Der Kunde ist in
diesem Fall auf die schriftliche Eingabe zu verweisen.
Fehlt lediglich ein Identitätsnachweis, obwohl dieser aufgrund der
unbekannten Zustelladresse notwendig wäre, ist das Gesuch aber in
durch Text nachweisbarer Form gestellt worden, so erfüllt es die
Anforderungen von Art. 76 Abs. 1 E‑FIDLEG und
kann nicht per se ungültig sein. Die Bank hat in diesem Falle auf das
Gesuch einzugehen und bei der gesuchstellenden Person den fehlenden
Identitätsnachweis einzufordern.
2. Abgrenzung zu Art. 8 DSG und Art. 400 OR
Die Anforderungen an das Auskunftsbegehren sind für die Geltendmachung
des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts etwas höher als für
jene des Anspruchs auf Herausgabe von Kopien gemäss Art. 75 E‑FIDLEG und des
Anspruchs auf Rechenschaftsablage nach Art. 400 OR. Ein elektronisch
eingereichtes Gesuch ist gemäss Art. 1 Abs. 2 VDSG nur dann
gültig, wenn der Inhaber der Datensammlung dies ausdrücklich
vorsieht und angemessene Massnahmen trifft, um die Identifizierung der
betroffenen Person sicherzustellen und die Auskunftserteilung vor dem
Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen. Entsprechende
Voraussetzungen für ein elektronisches Gesuch sind weder dem E‑FIDLEG noch dem
Auftragsrecht zu entnehmen. Zudem ist zur gültigen Geltendmachung des
datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts, im Gegensatz zum Herausgabeanspruch
gemäss Art. 75 E‑FIDLEG
und dem Anspruch auf Rechenschaftsablage nach Art. 400 OR, immer ein
Identitätsnachweis zu erbringen.
VI. Modalitäten der Herausgabe
1. Form der Herausgabe
Die Herausgabe der geschuldeten Dokumente hat grundsätzlich physisch
in Form einer Kopie zu erfolgen (Art. 75 Abs. 1 E‑FIDLEG).
Mit dem Einverständnis des Kunden dürfen die Dokumente aber auch
in elektronischer Form ausgehändigt werden (Art. 75 Abs. 2).
2. Frist zur Herausgabe
Gemäss Art. 76 Abs. 2 E‑FIDLEG sind
dem Kunden die Kopien der Dokumente innert 30 Tagen nach Erhalt des Gesuchs
zukommen zu lassen. Eine Regelung, die dem Finanzdienstleister die
Erstreckung der Frist erlaubt, ist nicht vorgesehen. Da der
Finanzdienstleister aber dazu verpflichtet ist, seine Dokumentation, und
damit den Gegenstand der Herausgabepflicht, so zu gestalten, dass er
«seiner Rechenschaftspflicht gemäss Art. 18 nachkommen kann und
jederzeit fähig ist, der Aufsichtsbehörde oder ihren Beauftragten
Auskunft über die erbrachten Dienstleistungen zu erteilen»[71], ist dies auch nicht notwendig. Die Herausgabe sollte dem
Finanzdienstleister wenig Aufwand bereiten. Es kann ihm deshalb zugemutet
werden, den Anspruch innert 30 Tagen zu erfüllen.
Die Begründung einer allfälligen Verweigerung der Herausgabe ist
dem Kunden in Analogie zu Art. 1 Abs. 4 VDSG meines
Erachtens ebenfalls innert 30 Tagen nach Erhalt des Gesuchs zuzustellen.
3. Kosten der Herausgabe
Die Herausgabe der Dokumente hat unentgeltlich zu erfolgen (Art. 76 Abs. 2 E‑FIDLEG).
Die Bank hat weder Anspruch auf Entschädigung noch auf
Aufwendungsersatz[72]. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass der Herausgabeanspruch des
Kunden mit Kostenrisiken und -folgen belastet wird. Dies vor dem
Hintergrund, dass der Herausgabeanspruch eine Massnahme darstellt, welche
die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche erleichtern und gerade
auch die (Prozess-)Kostenrisiken vermindern soll[73].
4. Prozessuale Durchsetzung des Herausgabeanspruchs
Kommt der Finanzdienstleister seiner Herausgabepflicht nicht nach, so kann
der Kunde das Gericht anrufen (Art. 76 Abs. 3 E‑FIDLEG).
Die ZPO[74]
soll diesbezüglich um Art. 251a ergänzt werden[75]. Dieser Artikel sieht vor, dass für die Durchsetzung des
Herausgabeanspruchs das summarische Verfahren zur Anwendung gelangt[76]. Damit will der Gesetzgeber eine möglichst speditive Durchsetzung
gewährleisten[77].
5. Abgrenzungen
a) Zu Art. 8 DSG
Im Gegensatz zu Art. 75 E‑FIDLEG
gewährt
Art. 8 DSG
der auskunftsersuchenden Person nach Ansicht des Autors keinen Anspruch auf
Kopien von Originaldokumenten, sondern lediglich einen Anspruch auf
Personendaten[78], die bspw. in einer Liste zusammengefasst werden können. Von dieser
Liste ist dem Kunden eine Kopie zuzustellen.
Der Inhaber der Datensammlung ist befugt, die 30-tägige Frist, in der
die Auskunft gemäss
Art. 8 DSG
zu erteilen ist, zu erstrecken (Art. 1 Abs. 4 VDSG). Unter
Umständen darf er von der auskunftsersuchenden Person auch eine
Kostenbeteiligung verlangen (Art. 2 VDSG). Diese
Möglichkeiten sieht das E‑FIDLEG nicht vor. Eine
solche wäre aber auch nicht im Sinne des Gesetzes, das eine effektive
Rechtsdurchsetzung mit geringen Kostenrisiken ermöglichen will[79].
Sollte der Inhaber der Datensammlung seiner Auskunftspflicht gar nicht
nachkommen, kann der Kunde diesen Anspruch gemäss Art. 243 Abs. 2 Bst.
d ZPO im vereinfachten Verfahren durchsetzen. Für die Durchsetzung des
Herausgabeanspruchs nach Art. 75 E‑FIDLEG ist
hingegen das summarische Verfahren vorgesehen (Art. 251a E-ZPO[80]).
b) Zu Art. 400 OR
Auch im Rahmen der Rechenschaftsablegung gemäss Art. 400 OR ist der Auftraggeber
befugt, Kopien von Originaldokumenten zu verlangen, allerdings hat er
dafür die Kosten zu tragen (Art. 402 Abs. 1 OR)[81]. Die erneute Rechenschaftsablegung ist, im Unterschied zur Herausgabe nach Art. 75 E‑FIDLEG, ebenfalls
kostenpflichtig[82]. Soweit die Ansprüche gemäss Art. 400 OR und Art. 75 E‑FIDLEG
deckungsgleich sind, können mit der Geltendmachung des
Herausgabeanspruchs gemäss Art. 75 E‑FIDLEG anstelle
der Rechenschaftsablegung nach Art. 400 OR also Kosten vermieden
werden, die unter geltendem Recht noch anfallen. Der Kunde hat zum Beispiel
die Möglichkeit, gestützt auf Art. 400 OR einen
Rechenschaftsbericht zu verlangen, der über alle wesentlichen
Vorgänge Aufschluss gibt und deren Bedeutung erläutert[83]. Statt gestützt auf diesen Bericht Kopien von Dokumenten zu
verlangen, wofür er die Kosten zu tragen hätte, kann er seinen
Herausgabeanspruch gemäss Art. 75 E‑FIDLEG geltend
machen. Überdies gestaltet sich die prozessuale Durchsetzung des
Herausgabeanspruchs gemäss Art. 75 E‑FIDLEG einfacher,
da das summarische Verfahren zur Anwendung gelangt (Art. 251a E-ZPO). Der
Rechenschaftsanspruch nach Art. 400 OR muss im ordentlichen
bzw. vereinfachten Verfahren durchgesetzt werden[84].
Hinsichtlich der Frist zur Beantwortung des Auskunftsbegehrens
unterscheiden sichArt. 75 E‑FIDLEG und Art. 400 OR ebenfalls. Der
Finanzdienstleister als Beauftragter hat rechtzeitig Rechenschaft
abzulegen. Ob eine Rechenschaftsablegung, die erst 30 Tage nach Erhalt des
Gesuchs erfolgt, wie das in Art. 76 Abs. 2 E‑FIDLEG
vorgesehen ist, noch rechtzeitig ist, ist im Einzelfall zu entscheiden[85].
VII. Fazit
Das Ziel des Gesetzgebers, mit Art. 75 E‑FIDLEG den
Informationsfluss zwischen Finanzdienstleister und Kunde sicherzustellen
und dadurch eine Lücke im Kundenschutz zu schliessen, wurde meines
Erachtens nur teilweise erreicht. Dies liegt vor allem daran, dass es kaum
eine Lücke zu schliessen galt. Immer dann, wenn das Verhältnis
zwischen Finanzdienstleister und Kunde den auftragsrechtlichen Bestimmungen
unterliegt, und entsprechend Art. 400 OR zur Anwendung gelangt,
ist nämlich für einen ausreichenden Informationsfluss gesorgt.
Die Ausführungen haben gezeigt, dass der Auskunftsanspruch gemäss Art. 400 OR sogar umfassender ist
als jener von Art. 75 E‑FIDLEG, der sich
auf die gemäss Art. 17 E‑FIDLEG zu
dokumentierenden Angaben beschränkt. Die einzigen erkennbaren Vorteile
des Herausgabeanspruchs von Art. 75 E‑FIDLEG
gegenüber dem Rechenschaftsanspruch nach Art. 400 OR liegen für den
Kunden in dessen Kostenlosigkeit sowie der erleichterten prozessualen
Durchsetzung, was zu einer gewissen Stärkung seiner Position
führt.
Die wesentliche Leistung von Art. 75 E‑FIDLEG
beschränkt sich allerdings auf den marginalen Bereich, in dem die
auftragsrechtlichen Bestimmungen auf das Verhältnis zwischen
Finanzdienstleister und Kunde keine Anwendung finden. In diesem Fall vermag
der Herausgabeanspruch eine Lücke im Kundenschutz zu schliessen.
[1]
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die
gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher
Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen
gelten gleichermassen für beiderlei Geschlecht.
[2]
Entwurf vom Dezember 2015 für ein Bundesgesetz über die
Finanzdienstleistungen.
[3]
Botschaft vom 4. November 2015 zum Finanzdienstleistungsgesetz
(FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) (BBl 2015 8901), S. 8940.
[5]
Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1).
[6]
Bundesgesetz vom 30. März 2011 betreffend die Ergänzung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil:
Obligationenrecht; SR 220).
[7]
Beschluss des Ständerats vom 14. Dezember 2016 und Beschluss
des Nationalrats vom 13. September 2017 (15.073).
[10]
Sethe Rolf/Seiler Moritz, Dokumentation und Rechenschaft im
geplanten FIDLEG, in: Waldburger/Sester/Peter/Baer (Hrsg.), Law
& Economics - Festschrift für Peter Nobel zum 70.
Geburtstag, Bern 2015, S. 431 ff., Fn. 28.
[13]
Dommer Nicolas, Die Auskunftspflichten der Bank gegenüber
Vermögensverwaltungskunden, Diss. Universität St. Gallen,
St. Gallen 2018, N 341.
[14]
Beschluss des Ständerats vom 14. Dezember 2016 und Beschluss
des Nationalrats vom 13. September 2017 (15.073).
[20]
Reichart Peter/Meyer Richard, Klagen gegen Finanzdienstleister im
FIDLEG-Entwurf - eine kritische Würdigung, in: SZW 2016, S.
390 ff., 396; Botschaft (Fn. 3), BBl 2015 8995.
[21]
Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 447.
[22]
Das ist bspw. beim reinen Verkauf von Finanzinstrumenten der Fall;
vgl. Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 443 f., mit einer Aufzählung
der Vertragsverhältnisse ohne Auftragskomponente, die dem E‑FIDLEG unterstellt
sind.
[23]
Schleiffer Patrick/Schärli Patrick, Ein Überblick
über das künftige Finanzdienstleistungsgesetz und
Finanzinstitutsgesetz, in: GesKR 2014, S. 334 ff., 338.
[25]
Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 444.
[26]
Reichart/Meyer (Fn. 20), S. 396 f.
[27]
Dommer (Fn. 13), N 355 ff.
[31]
A.M. wohl Wyss Lukas, Mehrparteienverfahren und kollektiver
Rechtsschutz vor Zivilgerichten in der Schweiz, in: Jusletter,
publiziert am 16. Februar 2015, N 100, gemäss dem auch
Kontoauszüge, Vermögensausweise und Aufzeichnungen der
Bank über Kundenkontakte, wie Telefon- und
Gesprächsnotizen, Gegenstand der Herausgabepflicht gemäss Art. 75 E‑FIDLEG
sind.
[32]
Jörg Florian S./Arter Oliver, Herausgabe- und
Rechenschaftspflicht des unabhängigen Vermögensverwalters
─ Übergabepflichten richten sich nach dem Auftragsrecht,
in: ST 2004, S. 297 ff., 300.
[33]
Vgl. Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 443 f. mit Ausführungen zu den
Vertragsverhältnissen zwischen Kunde und Finanzdienstleister
ohne Auftragskomponente; siehe auch Eggen Mirjam, Finanzprodukte -
Auftrag oder Kauf?, in: SZW 2011, S. 625 ff., 628 f., mit einer
Aufzählung der Execution-only-Geschäfte und deren
rechtlicher Qualifikation.
[35]
Gassmann Rochus, Dokumentationspflicht des Finanzdienstleisters -
und bei Unklarheiten fragen Sie Ihren Richter; in:
Böhme/Gähwiler/Simoni/Zuberbühler (Hrsg.), Ohne jegliche Haftung ─
Festschrift für Willi Fischer ─ Beiträge zum
schweizerischen Haftpflicht- und Schuldrecht,
Zürich/Basel/Genf 2016, S. 143 ff., 146.
[36]
FINMA, Rundschreiben 2009/1
betreffend Eckwerte zur Vermögensverwaltung vom 1. Januar
2009, N 8; Richtlinien für
Vermögensverwaltungsaufträge der Schweizerischen
Bankiervereinigung vom 1. März 2017 (VVRL), Art. 2.
[38]
Vereinbarung vom 1. Juni 2015 über die Standesregeln zur
Sorgfaltspflicht der Banken.
[39]
Dommer (Fn. 13), N 71 ff.
[40]
Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das
Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel vom 19. Juni 2015 (SR 958.1).
[41]
Beschluss des Ständerats vom 14. Dezember 2016 und Beschluss
des Nationalrats vom 13. September 2017 (15.073).
[42]
Vgl. Dommer (Fn. 13), N 363 f.
[45]
Ein Vorstoss von Ständerat Peter Föhn (SVP/SZ) zur
Beschränkung des Herausgabeanspruchs auf die gesetzlich
vorgesehene Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren wurde vom Parlament
abgelehnt (AB 2016 S 1170).
[46]
Vgl. Dommer (Fn. 13), N 185 ff.
[47]
Dommer (Fn. 13), m.w.H. zum Gegenstand der Auskunftspflicht nach
Art. 8 DSG, N 69 ff.
[48]
Sethe Rolf, in: Schäfer/Sethe/Lang (Hrsg.), Handbuch der
Vermögensverwaltung in Deutschland, Österreich, der
Schweiz und Liechtenstein, 2. Aufl., München/Wien/Basel 2016,
§ 31 N 12.
[49]
Hafner Stefan, Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten - Ein
Beitrag zum Informationsrecht im Auftragsvertrag, Diss.
Universität St. Gallen, Berlin 2007, S. 84.
[50]
Fellmann Walter, Der einfache Auftrag, in: Heinz Hausheer (Hrsg.),
Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 6. Band, 2.
Abteilung, 4. Teilband, Bern 1992, Art. 400 OR N 19.
[51]
Dommer (Fn. 13), N 355 ff.
[52]
Vgl. Fischer Philipp/Amiguet Antoine, LSFIN/
LEFIN - «Wind of Change» ou «Highway to Hell»?,
in: Anwaltsrevue 2015, S. 35 ff., 37, die davon ausgehen, dass Art. 75 E‑FIDLEG
keine weitergehenden Ansprüche gewährt als das geltende
Recht, insbesondere nicht als Art. 400 OR,
Art. 8 DSG
oder Art. 158 ZPO.
[53]
Dommer (Fn. 13), N 246 f. und 249.
[54]
Wobei der Inhalt von Kundenkontakten auch der Herausgabe von
Dokumenten gemäss Art. 75 E‑FIDLEG
unterliegen kann. Das ist insbesondere bei den gemäss Art. 17 Abs. 1 Bst. b zu
dokumentierenden Informationen der Fall.
[55]
Fellmann, Art. 400 OR N 27.
[56]
Vgl. Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 440.
[58]
Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht vom 3.
Dezember 2015 über die Finanzmarktinfrastrukturen und das
Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (SR 958.111).
[59]
FINMA, Rundschreiben 2008/4
betreffend Führung des Effektenjournals durch
Effektenhändler und Teilnehmer vom 1. Januar 2009, N 40.
[60]
Vgl. auch Emch Urs/Renz Hugo/Arpagaus Reto, Das Schweizerische
Bankgeschäft, 7. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011, N 481.
[61]
Gl.M. Sethe/Seiler (Fn. 10), S. 439 f.
[62]
Vgl. Fellmann, Art. 400 OR N 80, der diesen
Einschränkungsgrund auch für die Einschränkung der
Rechenschaftspflicht nach Art. 400 OR vorsieht.
[63]
Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz über den
Datenschutz (SR 235.11).
[65]
Fellmann, Art. 400 OR N 99.
[66]
Sethe/Seiler (Fn. 10), Fn. 63.
[67]
Rosenthal David, in: Rosenthal/Jöhri (Hrsg.), Handkommentar
zum Datenschutzgesetz sowie weiteren, ausgewählten
Bestimmungen, Zürich 2008, Art. 9 DSG N 3.
[68]
Dommer (Fn. 13), N 280 ff.
[70]
Kleiner Beat/Schwob Renate/Winzeler Christoph, Kommentar zum
Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen - Stand: 22.
Nachlieferung 2014, Zobl/Schwob/Geiger/Winzeler/Kaufmann/Weber/Kramer (Hrsg.), 22. Aufl., Zürich 2014, Art. 47
BankG N 14.
[71]
Botschaft (Fn. 3), BBl 2015 8959; so auch
Bühler Christoph B., «Suitability &
Appropriateness»: Was ist wirklich neu?, in: GesKR 2016, S. 1
ff., 10.
[74]
Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (SR 272).
[75]
Beschluss des Ständerats vom 14. Dezember 2016 und Beschluss
des Nationalrats vom 13. September 2017 (15.073).
[78]
Dommer (Fn. 13), N 185 ff.
[80]
Entwurf vom Dezember 2015 für die Änderung der
schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (SR 272).
[81]
Hofstetter Joseph, Der Auftrag und die Geschäftsführung
ohne Auftrag, in: Wiegand (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, 7.
Band, 6. Teilband, Obligationenrecht - Besondere
Vertragsverhältnisse, Basel 2000, S. 1 ff., 118.
[82]
Hofstetter (Fn. 81), S. 118.
[83]
Fellmann, Art. 400 OR N 27; für die Abfassung dieses Berichts
darf der Beauftragte, mangels anderer Abmachung, eine
Entschädigung verlangen.
[84]
Emmenegger Susan/Good Rahel, 2. Teil Handels‑, Wirtschafts-
und Immaterialgüterrecht/Aktuelle Fragen des Bankrechts, in:
Aktuelle Anwaltspraxis 2013, S. 943 ff., 954.
[85]
Hofstetter (Fn. 81), S. 118.