I. Einleitung
Im Abschnitt über die Kooperation zwischen Ermittlern und Übersetzern kommt eine Polizeibeamtin zu Wort: «Es gibt Sprachmittler, die haben uns gesagt, ‹Ihr müsst die Tür eintreten, ich glaube, die haben was da›. Verstehen Sie? Und wir, ehrlich gesagt, wenn man uns fragt, sagen wir ‹Ja, immerhin ist es der Sprachmittler, der uns dabei geholfen hat›, denn es ist ja er, der den Typen schon seit sechs Monaten zuhört. Er hat gespürt, dass was seltsam ist… Ja, der Sprachmittler ist oft wie der Frosch im Glas [lacht], der uns das Wetter vorhersagt.»
Die Rechtswissenschaftlerin Nadja Capus (Universität Neuchâtel), die Übersetzungswissenschaftlerin Cornelia Griebel (Universität Mainz) und die Dolmetschwissenschaftlerin Ivana Havelka (Universität Wien) haben in einem interdisziplinären Forschungsprojekt das Wirken von Sprachmittlerinnen bei geheimen Kommunikationsüberwachungen empirisch untersucht: «In der Kommunikationsüberwachung (KÜ) werden von der Polizei im Rahmen eines strafprozessual angeordneten Zwangsmittels schriftliche und mündliche Kommunikationsinhalte von Personen, die schwerwiegende[r] Straftaten verdächtigt werden, abgefangen. Ziel ist die Informationssammlung für die Ermittlung der Straftaten und die Beweiserhebung.» Die Sprachmittlung bei solchen Überwachungsmassnahmen bezeichnen die Autorinnen als «eine Sonderform der hybriden Translation… In der Kommunikationsüberwachung sind aufgezeichnete oder in Echtzeit abgehörte Audioaufnahmen von Gesprächen die Hauptinformationsquelle. Es kann sich aber auch um Texte aus Nachrichten handeln.» Diese Tätigkeit der Sprachmittlerinnen an der Schnittstelle zwischen Kriminal- und Sprachwissenschaften haben Nadja Capus, Cornelia Griebel und Ivana Havelka einer umfassenden Untersuchung unterzogen, deren Ergebnisse sie nunmehr in einer Monografie zusammengetragen haben.
II. Fragestellung
In ihren eigenen Worten haben sich die Autorinnen zum Ziel gesetzt, «eine klaffende Lücke in Forschung und Praxis zu schließen und den Schleier über dem Tätigkeitsfeld der KÜ-Sprachmittlung zu lüften». Insgesamt möchten sie die Frage beantworten, wie die Sprachmittlung in der geheimen Kommunikationsüberwachung rechtssicher, zuverlässig und verständlich gestaltet werden kann. Im Detail geht es ihnen aus rechtlicher Sicht um die Frage, unter welchen Bedingungen Translate aus Kommunikationsüberwachungen als zuverlässige und faire Beweismittel in Strafverfahren eingeführt werden können. Aus translationswissenschaftlicher Perspektive beschreiben die Wissenschaftlerinnen die Translationsprozesse und Methoden der Sprachmittlung bei der Kommunikationsüberwachung und schlagen Strategien vor, um die Qualität der Sprachmittlungsprodukte zu sichern. Dabei spielt auch die linguistische Fragestellung eine wichtige Rolle, wie sprachliche, parasprachliche und kulturelle Besonderheiten die Verarbeitung und Kontextualisierung der abgehörten Kommunikation beeinflussen.
III. Methode
Die Monografie ist aus einer vom Schweizerischen Nationalfonds im Jahr 2018 mit knapp CHF 800'000 geförderten interdisziplinären Studie der Rechts-, Dolmetsch- und Übersetzungswissenschaften sowie der Linguistik und Soziolinguistik hervorgegangen (SNF-Projekt Nr. 100011_184896[1]). Die Autorinnen haben Daten aus Strafakten, einer Umfrage, Interviews mit Polizeikräften und sprachmittelnden Personen sowie Beobachtungsdaten und Audiodateien qualitativ und quantitativ ausgewertet. Ziel war es u.a. zu ermitteln, in welcher Form Sprachmittlerinnen beteiligt waren. Ferner sollte eruiert werden, ob, und falls ja, wie diese von der Polizei instruiert und wie die Translate in die Strafverfahren eingeflossen sind. Die Forscherinnen haben auch beobachtende Studien «im Feld» durchgeführt, indem sie die Sprachmittlung in laufenden Kommunikationsüberwachungen bei der Polizei verfolgt haben. Dabei haben sie Notizen und Aufzeichnungen gesammelt und ausgewertet. 46 Sprachmittler konnten sie zu ihrer Tätigkeit online befragen. Zwei Drittel der Befragten waren weiblich, weshalb es sich rechtfertigt, nachfolgend nur die weibliche Form zu verwenden und die männlichen Berufskollegen mitzumeinen. Mit 14 Sprachmittlerinnen und 10 Polizisten haben sie persönliche Interviews geführt. Dabei ging es stets darum, die Arbeitsbedingungen sowie die Interaktionen der Sprachmittlerinnen untereinander und mit den Ermittlungsbehörden zu erfassen. Im Rahmen der Studie wurden auch authentisches Audiomaterial sowie Transkriptionen ausgewertet. Die englischsprachige Version des Buches ist 2024 unter dem Titel «Multilingual Communications Surveillance in Criminal Law»[2] bei Edward Elgar Publishing Open Access erschienen. Für eine Open-Access-Publikation der deutschen Version haben die Autorinnen - nach eigenen Angaben - kein Funding erhältlich machen können. Abklärungen beim Verlag haben ferner ergeben, dass Frank und Timme keine Embargo-Frist für Green-Open-Access gewährt. Die deutsche Version wird somit - wohl auf immer - hinter Bezahlschranken bleiben.
IV. Aufbau
Die Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. In der Einführung (I.) wird das Forschungsprojekt vorgestellt, die unsichtbare Tätigkeit der Sprachmittlerinnen erläutert und deren Ausbildungs- und Berufshintergrund analysiert. Das zweite Kapitel behandelt den rechtlichen Kontext (II.). Hier werden Ermittlungs- und Beweiszwecke der Überwachung unterschieden. Sodann werden spezifische Verfahrensrechte (Fairness, Unvoreingenommenheit, Verteidigung und Waffengleichheit) thematisiert. Das zentrale dritte Kapitel behandelt den Translationsprozess (III.). Hier werden die Verfahren zunächst nach der Art der Ausgangsinformation (auditiv oder schriftlich) unterschieden (A.). Sodann geht es um die Kontextualisierung der Gesprächsinhalte (B.) über parasprachliche (Zögern, bebende Stimme etc.), personenbezogene (Identifikation der Sprecherin) oder aussersprachliche Referenzinformationen (z.B. Hintergrundgeräusche, die Hinweise auf den Aufenthaltsort geben). Die weiteren Unterkapitel behandeln die Triage der Information (C.), bei der es um das Filtern und Priorisieren der Inhalte geht, und die Kooperation (D.) der Sprachmittlerinnen mit den Ermittlern. Im vierten Kapitel werden die mündlichen und schriftlichen Produkte der Sprachmittlung (IV.) behandelt. Hierbei gehen die Autorinnen auf die von Sprachmittlerinnen verfassten Vermerke und Zusammenfassungen ein und heben die Spezifika von Textnachrichten (z.B. Schneeflocken-Emojis als Zeichen für Kokain) hervor. Das fünfte Kapitel handelt von der Reliabilität der Übersetzungen (V.). Als Faktoren, welche die Zuverlässigkeit beeinträchtigen können, nennen die Autorinnen die Unvoreingenommenheit (A.), die etwa gefährdet sein kann, wenn die Sprachmittlerinnen wirtschaftlich von ihren polizeilichen Auftraggebern abhängig sind. Verlässlich und für die Gerichtspraxis verwertbar sind Translate nur, wenn sie überprüfbar sind (B.), was insbesondere eine vollständige Dokumentation voraussetzt. Zur Behebung von Reliabilitätsmängeln (C.) fordern die Forscherinnen eine genaue Instruktion der Sprachmittlerinnen, die Standardisierung der Arbeitsschritte sowie ein strukturiertes Feedback. Das sechste Kapitel zu den Kompetenzen (VI.) analysiert die Fähigkeiten und Anforderungen, die sprachmittelnde Personen in der geheimen Kommunikationsüberwachung erfüllen müssen. Neben sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie der nötigen Belastbarkeit (inter- und intrapersonelle Fähigkeiten) geht es vor allem um deren translatorische und forensisch-kriminalistische Expertise (sic). Im letzten Kapitel werden die Rollenbilder (VII.) der Sprachmittlerinnen thematisiert. Sind sie bloss sprachliche Brückenbauer oder eigentliche Hilfspolizistinnen? Oder suchen sie als «Master of Balance» nach einer ausgewogenen Position zwischen Hilfspolizistin und distanzierter Sprachdienstleisterin?
Aus ihren Erkenntnissen leiten die Autorinnen die Empfehlung ab, «einerseits in die umfassende Professionalisierung der Arbeit der KÜ-Sprachmittlung zu investieren und ihren Status als Sachverständige zu klären. Andererseits sind aber auch die Kompetenzen der Polizeikräfte und Justizbehörden zugunsten einer besseren und strukturierten Zusammenarbeit mit den sprachmittelnden Personen auszubauen».
V. Stellungnahme
Nadja Capus, Cornelia Griebel und Ivana Havelka ist es auf knapp 250 Seiten gelungen, einen ebenso umfassenden wie faszinierenden Einblick in die Tätigkeit von Sprachmittlerinnen zu gewähren. Das ist zunächst nur schon deshalb verdienstvoll, weil Sprachmittlerinnen in der Kommunikationsüberwachung - wie im Buchtitel bereits hervorgehoben - im Geheimen agieren. Sie sind unsichtbare Akteurinnen und als solche oft sogar «bestrebt, ihre Anonymität zu wahren und ihre Tätigkeit auch im Privatleben geheim zu halten.» Ihre Arbeit ist gleichermassen anspruchsvoll und belastend: «Wird im Rahmen der Ermittlungen die Wohnung einer Zielperson verwanzt, so hört die sprachmittelnde Person praktisch tags und nachts auch die intimsten Momente der Person mit. Allein die Tatsache, sich wie ein ‹Gespenst› in der Wohnung der abgehörten Personen zu fühlen und ‹Privatgesprächen anderer Personen zuzuhören, auch wenn sie mich nichts angehen›, kann als belastend empfunden werden.» Die Autorinnen haben diese verborgene Tätigkeit ans Licht geholt, gewürdigt und geordnet. Aus strafprozessualer Sicht ist die Untersuchung bedeutsam, weil die Sprachmittlerinnen eine zentrale Aufgabe in der Verfolgung von schweren Straftaten wahrnehmen, die bisher weder reflektiert noch reguliert wurde. Entstanden ist so eine Abhandlung, welche die Reflexion und Regulierung der Sprachmittlung nicht nur fordert, sondern auch fördert. Sie wird absehbar ein Standardwerk werden in der Ausbildung von Sprachmittlerinnen und (hoffentlich auch) Strafbehörden, die geheime Abhörungen durchführen und deren Inhalte für Ermittlungs- und Beweiszwecke nutzen.
Sprachlich überzeugt die Abhandlung. Die Ausführungen sind in klare Formulierungen und eine flüssige Sprache gefasst, die auch für Laien der Übersetzungswissenschaft gut verständlich ist. Einzig der Titel der Monografie (Sprachmittlung in der geheimen Kommunikationsüberwachung) setzt sprach- und rechtswissenschaftliches Vorwissen voraus. Wer das Buch erstmals in den Händen hält, dem ist nicht sofort klar, dass es um die Übersetzung abgehörter Gespräche geht. Dem Lesefluss kommt zugute, dass die Autorinnen auf Referenzierungen im Text verzichten und stattdessen jedem Kapitel ein umfassendes Literaturverzeichnis vorangestellt haben. Die Anschaulichkeit der Darstellung wird sogleich auch noch inhaltlich gewürdigt. An dieser Stelle sei lediglich der Hinweis erlaubt, dass die Autorinnen - wie das Eingangszitat oben zeigt - dort, wo sie interviewte Personen zu Wort kommen lassen, ihre Petita zum Programm erheben und die mündlichen Aussagen nicht zu druckreifer Prosa formen, sondern sie so wiedergeben, wie sie (mutmasslich) geäussert wurden.
Methodisch macht die Untersuchung einen sehr soliden Eindruck. Die Bewertung der qualitativ und quantitativ ausgewerteten Befragungen und Akten überlasse ich den methodisch versierteren sprachwissenschaftlichen Rezensenten. Der Untersuchungsgegenstand hätte sich für zusätzliche (vgl. zum Priming bereits Fraser et al.[3]) experimentelle Settings angeboten, so zum Beispiel ein randomisierter Vergleich von Übersetzungen mit und ohne vorgängigen Instruktionen zum Verfahrensgegenstand. Da ich jedoch aus eigenen Forschungsprojekten weiss, wie aufwendig strafprozessuale Tatsachenforschung mit Behörden ist, deren ganze Arbeitsabläufe auf Geheimhaltung ausgelegt sind, liegt es mir fern, den Autorinnen einen Vorwurf zu machen. In einer rein rechtswissenschaftlichen Untersuchung hätte neben der Behandlung der allgemeinen Prozessprinzipien (Fairness, Verteidigung, Waffengleichheit) de lege lata auch noch die Frage beantwortet werden müssen, welche Vorgaben die Strafprozessordnung und die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Sprachmittlung und der beweisrechtlichen Verwertung ihrer Elaborate machen. De lege ferenda wären Vorschläge zu unterbreiten gewesen, wie die Sprachmittlung bei geheimen Zwangsmassnahmen zu regulieren ist. Solche prozessdogmatischen Detailfragen zu beantworten, war jedoch weder der Anspruch der länderübergreifenden Abhandlung, noch wäre deren Behandlung adressatengerecht gewesen. Diese rechtlichen Fragen wurden im Rahmen des Projektes denn auch behandelt, vgl. nur Nadja Capus / Elodie Bally, Intercepter avec des interprètes[4], und Elodie Bally, Intercepter avec des interprètes[5].
Inhaltlich liegt der grosse und bleibende Verdienst der Autorinnen darin, die Sprachmittlung in all ihren praktischen Schattierungen und Untiefen geschildert und problematisiert zu haben. Bereits in der Einleitung zeigen sie auf, dass Sprachmittlerinnen - ganz im Sinne des italienischen Bonmots «traduttore traditore» - von ihren Landsleuten oft nicht als Übersetzer geachtet, sondern als Überläufer geächtet werden: «Weil, unsere Landsleute … verstehen das nicht, dass wir unsere Arbeit nur tun. Sie betrachten uns als Teil der Polizei.» Im Kapitel zum rechtlichen Kontext zeigen die Autorinnen auf, dass Sprachmittlerinnen, wenn sie über längere Zeit für die gleiche Behörde und/oder an einem sehr grossen Fall arbeiten, in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Polizei oder Staatsanwaltschaft geraten können, die ihre Unvoreingenommenheit eintrüben kann. Die Waffengleichheit und die Verteidigungsrechte sind bedroht, wenn es um die prozessuale Verwertung von 10'000 Stunden Telefonmitschnitten geht. Im dritten Kapitel zu den Translationsprozessen unterscheiden die Autorinnen die Ein- von der Zwei-Schritt-Methode. Während in ersterer die Audioinhalte direkt in die Zielsprache übersetzt werden, wird in der Zwei-Schritt-Methode zunächst ein Transkript in der Ausgangssprache erstellt, bevor dieses - oft durch eine andere Sprachmittlerin - in die Zielsprache übersetzt wird. Die Ein-Schritt-Methode ist zeitsparender und damit meist auch kostengünstiger. Jedoch ist hier die spätere Nachvollziehbarkeit und Kontrollierbarkeit stark eingeschränkt, was Fragen bei der Verwertbarkeit der Beweise aufwirft. In der Zwei-Schritt-Methode gehen bei der Übersetzung, sofern nicht entsprechende Vermerke im Transkript angebracht wurden, parasprachliche (Emotionen, Intonationen etc.) und aussersprachliche (Hintergrundgeräusche wie das Rascheln einer Folie) verloren. So kann etwa die Antwort «mir geht es gut», wenn sie mit zitternder Stimme geäussert wurde, indizieren, dass das Gegenteil zutrifft.
Im vierten Kapitel zu den Produkten der Sprachmittlung sind die Ausführungen zu den Textnachrichten und insbesondere diejenigen zu Emojis sehr erhellend: «Doch sogar innerhalb desselben Kulturraums sind vor allem bei anthropomorphen Emojis, also den am häufigsten verwendeten Gesichtern zum Ausdruck unterschiedlicher Emotionen, Missinterpretationen am häufigsten. Überdies werden in den verschiedenen Sprachräumen Emotionen unterschiedlich dargestellt. So überwiegt… in westlichen Sprachräumen die horizontale Darstellungsweise und die Emotionen werden eher über die Form des Mundes ausgedrückt. In ostasiatischen Sprachräumen wiederum ist verstärkt die vertikale Darstellungsweise anzutreffen und der Ausdruck der Emotion erfolgt über die Augen, die besonders groß dargestellt sein können...» Im Kapitel zur Verlässlichkeit der Translate schlagen die Autorinnen vor, bei Gesprächen, die nur in sehr schlechter Audioqualität vorliegen, und bei solchen von hoher Relevanz zunächst ein intralinguales Transkript in der Ausgangssprache zu erstellen und darin nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch para- und aussersprachliche Elemente abzubilden. Für die Erstellung dieser Transkripte fordern sie einheitliche Vorgaben. Im sechsten Kapitel zu den Kompetenzen der Sprachmittlerinnen gehen die Autorinnen (leider nur kurz) auf den Einsatz KI-gestützter Übersetzungstechnologien ein, was sie wie folgt erklären: «Die… mehrfach besprochene Fiktion unter Nicht-Translatorinnen…, die abgehörten Gespräche könnten ohne Sinn- und Informationsverlust wörtlich in die Verfahrenssprache übertragen werden, macht den Einsatz von Übersetzungstechnologien mittels Künstlicher Intelligenz (KI) attraktiv. Sie werden nicht nur als kostengünstige, sondern auch als zeitsparende Alternative zu sprachmittelnden Personen in Erwägung gezogen, beispielsweise wenn, häufig in sehr kurzer Zeit, riesige Mengen an Chatnachrichten ausgewertet werden müssen. Zum Zeitpunkt unserer Datenerhebung, also in den Jahren 2019 bis 2022, spielten Tools zur Spracherkennung oder Übersetzung von Textnachrichten aufgrund zu schlechter Ergebnisse noch keine Rolle.» Hier wurde die Studie wohl von der technischen Entwicklung zumindest eingeholt. Wer die Offenheit der Erstautorin bezüglich technischer Innovationen kennt, kann darauf vertrauen, dass sie diese Entwicklungen zum Anlass für Folgeprojekte nehmen wird.
Wer soll das Buch lesen? Zielpublikum sind - wie erwähnt - nicht Prozessualistinnen und Dogmatiker. Es eignet sich vielmehr als Einführung für angehende Sprachmittlerinnen sowie für die Ausbildung von Polizisten und Staatsanwälten, die geheime Überwachungen durchführen. Um abschliessend auf das Ausgangsbild zurückzukommen, ist es natürlich nicht gerade schmeichelhaft, wenn Polizeibeamte die Sprachmittlerinnen mit Wetterfröschen vergleichen. Dennoch legt das Bild ein Problem offen, das den ganzen Sprachmittlungsprozess im Herzen trifft: Wenn die ermittelnden und später auch die anklagenden Behörden nicht verstehen, weshalb der «Frosch» eine Sturmwarnung ausgibt, dann sind sie sprichwörtlich «lost in translation». Es ist deshalb folgerichtig, dass die Autorinnen in ihrem abschliessenden Kapitel das Rollenbild der Sprachmittlerin als Wegweiser in die Zukunft sehen. Sie sind mitnichten Frösche im dunklen Glas, die apokryphe Prophezeiungen verheissen, sondern zentrale Akteurinnen im Strafprozess, die sicherstellen, dass der Übergang vom Überwachen ins Überführen lege artis, also verlässlich und nachvollziehbar erfolgt. «Dabei geht es nicht nur darum, Sprachmittlungspraktiken zu verbessern, sondern auch darum, die Grundsätze von Gerechtigkeit und Fairness in einer mehrsprachigen Welt in jedem einzelnen Strafverfahren zu wahren.» Dem ist nichts beizufügen ausser ein deutliches 👍.