I. Einleitung
Diskussionen rund um den sachgemässen Umgang mit dem Erinnern und
Vergessen, Andenken und Hinterfragen, Erhalten und Verändern sind aktueller
denn je.[1]
Wie sollen wir uns woran erinnern? Warum wollen wir, dass etwas vergessen
wird? Und wer entscheidet darüber? Die Betroffenen? Neben Fragen nach dem
«Warum» des Bewahrens der Vergangenheit und dem «Wer» oder «Was», stellen
sich im Zeitalter neuer Technologien Fragen nach dem «Wie» bzw. «Wo».[2]
Angesprochen wird damit die Frage nach dem passenden Format sowie der
Einbettung in spezifische Kontexte und Institutionen. Im Rahmen dieses
Prozesses von der Auswahl, über die inhaltliche Beschreibung und
institutionelle Zuteilung bis hin zur tatsächlichen Aufbewahrung stellen
sich zahlreiche Fragen, welche sowohl soziale und ethische als auch
vielfältige rechtliche Bereiche betreffen.
Aktuell lassen sich einige dieser Fragestellungen anhand eines Urteils des
EGMR[3] aufzeigen, das am 4.
Juli 2023 publiziert wurde.[4]
Der Gerichtshof behandelt darin u.a. Fragen betreffend die Anonymisierung
eines online einsehbaren Zeitungsartikels über einen Unfall mit Todesfolge
aus den 90er-Jahren sowie Möglichkeiten der Wiedereingliederung in die
Gesellschaft, Ausprägungen der Pressefreiheit und den Faktor Zeit.[5]
Überwiegt das öffentliche Interesse am Zugang zu korrekten Informationen?
Kann eine betroffene Person auf Vergessen hoffen, etwa durch Rehabilitation
und Zeitablauf? Wer partizipiert an diesem Prozess? Und warum?
Bei der Auseinandersetzung mit diesen Fragen spielt vor allem das sog.
«Recht auf Vergessenwerden» eine zentrale Rolle. Dessen Ausprägungen führen
immer wieder zu Diskussionen.[6]
Dem Grunde nach handelt es sich um den persönlichkeitsrechtlich geprägten
Anspruch eines Individuums, online einsehbare Informationen löschen,
berichtigen oder anonymisieren zu lassen. Das Recht soll also dazu dienen,
bestimmte Spuren zu löschen, um sie der Auffindbarkeit durch Dritte zu
entziehen.[7] Diesem
Interesse bzw. Anspruch stehen dabei oftmals die Freiheit auf
Meinungsäusserung bzw. die Pressefreiheit gegenüber.
II. Bestehende Rechtsprechung zum «Recht
auf Vergessenwerden»
Die Konzeption des Rechts auf Vergessenwerden («right to be forgotten»)[8]
geht auf die Jahre um 2010 zurück.[9]
In diesem Zeitraum wurde die Idee in Frankreich aufgebracht[10]
und im Anschluss daran sowohl in den Institutionen der Europäischen Union[11] als auch in der
Schweiz diskutiert.[12]
Seitdem wird das Recht bisweilen missverständlich als «Recht auf Vergessen»
oder plakativ als «Internet-Grundrecht im europäischen Recht»[13]
bezeichnet. Dem Grunde nach handelt es sich jedoch um eine Ausprägung des
Art. 8 EMRK,[14] dem Recht auf
Achtung des Privat- und Familienlebens, und nicht um ein eigenständiges
Recht als solches. Der Schutzumfang bestimmt sich entsprechend aus einer
Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit sowie dem Recht auf Achtung des
Privatlebens und der Informationsfreiheit.[15]
Das Recht auf Vergessenwerden dient vor allem dazu, das Auffinden von
personenbezogenen Daten zu erschweren oder gar zu verhindern.[16]
1. In der Schweiz
Während es im Jahr 2004 noch hiess, dass es im «Zeitalter des Computers»
kein Vergessen gäbe,[17]
lässt sich das Recht auf Vergessenwerden in der Schweiz heutzutage vor allem[18] auf der Grundlage des
zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes geltend machen[19]
- kumulativ zu anderen Ansprüchen.[20]
Eingebettet ist es in den Anwendungsbereich von
Art. 28 ZGB[21], wobei die betroffene
Person gegen jede Person vorgehen kann, die an der Verletzung ihr
Persönlichkeitsrechte mitwirkt.[22] Gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB
liegt eine Widerrechtlichkeit jedoch nur dann vor, sofern die Verletzung
nicht durch die Einwilligung der Verletzten, durch ein überwiegendes
privates oder öffentliches Interesse oder aber durch Gesetz gerechtfertigt
ist.[23]
Vor allem aus der Meinungs- und Informationsfreiheit ergibt sich jedoch
regelmässig ein überwiegendes Interesse am Festhalten der Informationen.
Ist dies der Fall, so ist die Persönlichkeitsverletzung gerechtfertigt.
Mögliche Ansprüche auf Löschung, Anonymisierung oder Anpassung entfallen
dann.[24]
Die Judikative anerkennt das Bestehen des Rechts auf Vergessenwerden[25]
und begründet dies u.a. mit den Gefahren einer «Pranger-Wirkung», die dem
Ziel der Resozialisierung entgegenstünde.[26]
Bei Jugendlichen wird zudem auf
Art. 7
und Art. 10 Abs. 2 BV[27]
verwiesen, denen zufolge der eigene Lebensentwurf so gestaltet werden soll,
wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht.[28]
Gleichzeitig weisen Richter:innen darauf hin, dass das Recht auf
Vergessenwerden nicht allgemein oder absolut besteht.[29]
Die Interessen der betroffenen Person sind vielmehr im Einzelfall etwa mit
der Meinungs- und Informationsfreiheit abzuwiegen.
Die Wissenschaft fragt angesichts der rapiden Fortentwicklung neuer
Technologien im Allgemeinen und Speichertechnologien im Besonderen zudem,
ob Suchmaschinenanbieter in Zukunft öfters dazu verpflichtet werden Links
zu entfernen oder Suchergebnisse anzupassen.[30]
Dafür spricht, dass mehr und mehr Informationen aufbewahrt werden und sich
Personen dessen auch zunehmend bewusst sind. Das Interesse dieser Personen,
gewisse Inhalte löschen zu lassen, kollidiert jedoch regelmässig mit dem
öffentlichen Anliegen an der «allgemeinen Geschichtsschreibung».[31]
2. In Deutschland
Die Konzeption des Rechts auf Vergessenwerden wurde in Deutschland vor
allem durch zwei Entscheidungen des BVerfG[32]
geprägt. In beiden Fällen spielten Ansprüche auf Löschung von Inhalten oder
Verlinkungen auf der Grundlage von
§§ 823
und 1004 BGB[33]
analog eine zentrale Rolle.[34]
Dem ersten Beschluss vom 6. November 2019[35]
liegt ein Mordfall aus dem Jahr 1981 zugrunde,[36]
über den ein Nachrichtenmagazin berichtet hatte.[37] Die entsprechenden
Artikel wurden später in einem Online-Archiv bereitgestellt und waren ohne
Zugangsbarrieren auffindbar. Der Beschwerdeführer versuchte dies nach
seiner Entlassung aus der Haft zu unterbinden. Er störte sich u.a. daran,
dass sein Familienname in der Berichterstattung genannt wurde. Während das
Landgericht Hamburg den Unterlassungsanspruch aufgrund der Verletzung
seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bejahte[38]
und auch die Berufung vor dem OLG[39]
ohne Erfolg blieb,[40]
wandte sich die Beklagte mit der Revision an den
BGH[41]. Am 13. November
2012 entschieden die Richter:innen das Urteil des OLG aufzuheben, das
Urteil des LG abzuändern und die Klage abzuweisen.[42]
Das Öffentlichkeitsinteresse wurde somit im Ergebnis dem Interesse des
Täters, in Ruhe gelassen zu werden, vorgezogen.[43]
Der Beschwerdeführer wandte sich daraufhin an das BVerfG und machte eine
Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1
i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG[44])
geltend.[45]
Im anschliessenden Beschluss betonte das Gericht, dass Straftätern eine
gewisse «Prägekraft für das Selbstverständnis des Gemeinwesens» zukäme.[46]
So sei das Persönlichkeitsrecht «kein Rechtstitel gegen ein Erinnern in
historischer Verantwortung.»[47]
Presseunternehmen käme demgegenüber die wichtige Aufgabe zu, diesen Einblick
zu ermöglichen.[48] Zu
berücksichtigen sei jedoch, dass der Beschwerdeführer die Öffentlichkeit
nicht gesucht habe und dass der Artikel ohne Bezahlschranke öffentlich
einsehbar gewesen sei.[49]
Das Gericht betonte zudem, dass indem die Artikel dauerhaft verfügbar
seien, sich die Bedeutung im Verlauf der Zeit verändern könne. Der
Rechtsordnung käme somit eine schützende Aufgabe zu, um zu verhindern,
«dass sich eine Person frühere Positionen, Äußerungen und Handlungen
unbegrenzt vor der Öffentlichkeit vorhalten lassen» müsse.[50]
Anders sei die «Chance zum Neubeginn in Freiheit» kaum umzusetzen.[51]
Die Richter:innen betonten in diesem Zusammenhang, dass «[d]ie Möglichkeit
des Vergessens […] zur Zeitlichkeit der Freiheit» gehöre.[52]
Doch obschon das Gericht die Bedeutung der Selbstbestimmung und deren
Schutzbedürftigkeit betonte,[53]
kam es zum Schluss, dass daraus nicht das Recht folge, «alle früheren
personenbezogenen Informationen, die im Rahmen von Kommunikationsprozessen
ausgetauscht wurden, aus dem Internet löschen zu lassen».[54]
Diese Aspekte seien vom BGH umfassender zu berücksichtigen.
Der am selben Tag publizierte Beschluss «Recht auf Vergessen II»[55]
ist vor allem im Hinblick auf die Verantwortung von
Suchmaschinenbetreiber:innen zentral.[56]
Hintergrund war ein Fernsehbeitrag, in dem einer Geschäftsführerin
vorgeworfen wurde, einen Mitarbeiter unfair behandelt zu haben. Gegenüber
der Betreiberin der Suchmaschine wollte sie erreichen, dass bei der Eingabe
ihres vollständigen Namens im Suchfeld nicht auf den Beitrag verwiesen wird
(«De-Listing»). Nachdem das Landgericht die Betreiberin der Suchmaschine
verpflichtet hatte, den Link auf der Ergebnisseite dauerhaft zu entfernen,[57] wies das OLG die
Berufung ab.[58] Daraufhin
wandte sich die Beschwerdeführerin an das BVerfG und machte eine Verletzung
ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie ihres Grundrechts auf
informationelle Selbstbestimmung geltend.[59]
Im Gegensatz zum vorstehenden Beschluss des BVerfG führten die
Richter:innen aus, dass das OLG die Grundrechtspositionen der Parteien
umfassend berücksichtigt habe.[60] Eine zentrale Rolle spiele zudem der Umstand, dass die
Geschäftsführerin von sich aus die Öffentlichkeit gesucht hatte.[61]
Zwar sei sie nicht nur in ihrer Sozialsphäre betroffen - deren Grenzen
zunehmend verschwimmen würden - jedoch ziele der Beitrag «auf ein in die
Gesellschaft hineinwirkendes Verhalten» und sei «durch ein hier noch
fortdauerndes, wenn auch mit der Zeit abnehmendes öffentliches
Informationsinteresse gerechtfertigt».[62]
Die Verfassungsbeschwerde sei in diesem Sinne zwar zulässig, jedoch
unbegründet.
Darüber hinaus erlangte der Beschluss insoweit Bedeutung, als die
Richter:innen festhielten, dass im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde auf
der Grundlage des
Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, Deutsche sich auch auf Grundrechte der EU-GRC[63] berufen können.[64]
3. Auf europäischer Ebene
Innerhalb der Europäischen Union stellt vor allem das Urteil des EuGH zu
Google Spain[65] den
«Beginn einer neuen Traditionslinie»[66]
dar, auf die weitere Schritte folgten.[67]
a) EuGH
Dem Urteil des EuGH liegt das Anliegen eines spanischen Zahnarztes
zugrunde, den Verweis auf eine beinahe 20 Jahre alte amtliche
Veröffentlichung bezüglich einer Zwangsvollstreckung löschen zu lassen.[68]
Seine Klage richtete sich einerseits gegen die Zeitung, in der die
Zwangsvollstreckung publiziert wurde, andererseits gegen die Niederlassung
von Google in Spanien und Google Inc. Während die spanische
Datenschutzbehörde AEPD[69]
die Klage gegen die Zeitung aufgrund des öffentlichen Interesses ablehnte,
hiess es die Klage gegen Google gut. Die Rechtsmittelinstanz legte dem EuGH
sodann einige Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vor.
Nachdem der EuGH die Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts
bejaht hatte,[70] setzten
sich die Richter:innen mit der Frage auseinander, ob das Medienprivileg für
Suchmaschinenbetreiber:innen einschlägig sei - und verneinte dies.[71]
Demgegenüber bejahte das Gericht ein Recht auf Vergessenwerden v.a. aus
datenschutzrechtlichen Erwägungen heraus.[72]
Gleichzeitig arbeiteten die Richter:innen die überragende Bedeutung von
Suchmaschinen für die Allgemeinheit heraus und wägten das
Öffentlichkeitsinteresse der Allgemeinheit gegen das Bedürfnis der
Einzelnen, in Ruhe gelassen zu werden, ab. Der Gerichtshof stellte dabei
die Einzelfallbedeutung in den Mittelpunkt und machte deutlich, dass sich
die Interessenlage jeweils stark unterscheiden könne.[73]
Darüber hinaus konkretisierte das Gericht das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung.[74]
b) EGMR
Neben dem EuGH setzte sich der EGMR mit dem entsprechenden Recht und seiner
konkreten Ausgestaltung auseinander. Zentral ist dafür der Fall des M.L.
und des W.W. gegen Deutschland[75],
in dem es um einen Löschungs- bzw. Anonymisierungsanspruch gegenüber
Medienarchiven ging. Dabei ging es um die Ermordung eines Schauspielers,
wofür die beiden Beschuldigten im Jahr 1993 rechtskräftig verurteilt
wurden. Nach Ihrer Entlassung auf Bewährung versuchten sie die
Medienberichtserstattung unter voller Namensnennung zu unterbinden. Nachdem
sie ihr Anliegen auf nationaler gerichtlicher Ebene nicht durchsetzen
konnten,[76] legten sie
Beschwerde beim EGMR ein.
Im Sommer 2018 wies der EGMR die Beschwerde zurück, da keine Verletzung des
Art. 8 EMRK vorliege. Dem EGMR
zufolge umfasse das Persönlichkeitsrecht zwar jenes auf Resozialisierung,
jedoch stünde diesem vorliegend die Pressefreiheit gegenüber - wobei die
Richter:innen zwischen klassischen Medien und Suchmaschinenbetreiber:innen
unterschieden.[77] Sie
differenzierten somit zwischen der ursprünglichen, durch die
Meinungsfreiheit geschützten Herausgabe von Informationen sowie dem
Interesse der Suchmaschinenbetreiber:innen, die Auffindbarkeit dieser
Informationen zu erleichtern.[78]
Das Gericht betonte weiter, dass es auch durch die Strafverbüssung zu
keiner zeitlichen Zäsur komme, sodass das Öffentlichkeitsinteresse nicht
unbedingt zurücktreten müsse.[79]
Jedoch seien zeitliche Aspekte etwa bzgl. der Bedeutung in der öffentlichen
Auseinandersetzung zu berücksichtigen.[80]
Sodann führte das Gericht aus, dass im konkreten Fall die Berichterstattung
objektiv-sachlich gehalten wurde,[81]
mithin kein reisserischer Ton o.ä. dominierte. Der EGMR machte zudem
deutlich, dass die Betroffenen von sich aus Kontakt mit den Medien gesucht
hätten.[82]
III. Das aktuelle Urteil: Hurbain gegen Belgien
Der EGMR schaffte somit grundlegende Kriterien, die sich auch auf den nun
entschiedenen Fall «Hurbain» auswirken. Gleichzeitig gilt es zwei
Unterschiede zu berücksichtigen: Während die Betroffenen im vorstehenden
Fall mehrfach selbst an die Medien herangetreten waren, wollte der
betroffene «G.» im folgenden Fall in Ruhe gelassen werden. Darüber hinaus
unterscheidet sich der Fall insoweit, als der G. keinen Mord beging, sondern
einen Unfall im Strassenverkehr mit Todesfolge verursachte.
1. Der Sachverhalt und der bisherige Verfahrensverlauf
G. verursachte im Jahr 1994 unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall mit
Todesfolge und wurde verurteilt. Die Zeitung «Le Soir» berichtete am 10.
November 1994 in einem etwa zwanzig Zeilen langen Artikel über diesen und
andere Unfälle. In dem Beitrag wurde der vollständige Name des G. genannt.
Einige Jahre später forderte G., ein Arzt, die S.A. Rossel et Compagnie als
Eigentümerin der Zeitung zur Löschung des Artikels auf und strebte ein
Verfahren vor der Selbstregulierungsinstitution der belgischen Medien[83]
an. Beides blieb erfolglos. Im Frühjahr 2012 verklagte G. am Instanzgericht
in Neufchâteau den Herausgeber der Zeitung, Patrick Hurbain. Auf der
Grundlage von Art. 1382 des belgischen Zivilgesetzbuchs[84]
sollte dieser dazu verpflichtet werden den Artikel zu anonymisieren. Das
Gericht gab diesem Anliegen weitestgehend statt. Hurbain legte dagegen vor
dem Berufungsgericht in Liège erfolglos Berufung ein.[85]
Nach einem weiteren von G. angestrengten Verfahren über die zunächst nicht
erfolgte Umsetzung des Urteils im Herbst 2014, legte Patrick Hurbain
Revision ein. Diese wurde am 29. April 2016 abgewiesen.[86]
Hurbain gelangte deshalb im September 2016 mit einer Individualbeschwerde
nach Art. 34 EMRK an den EGMR, wo
eine Kammer am 22. Juni 2021 in einer 6:1-Entscheidung urteilte, dass die
Beschwerde zwar zulässig sei, eine Verletzung von
Art. 10 EMRK, der Freiheit der Meinungsäusserung, indes nicht vorliege.[87]
Begründet wurde dies vor allem damit, dass die nationalen Gerichte eine
ausreichend umfassende Abwägung der beeinträchtigen Rechte vorgenommen
hätten und eine Anonymisierung des Artikels das Archiv als solches nicht
betreffen würde[88] - da
die Änderungen nur am online publizierten Artikel vorgenommen würden.
Am 16. September 2021 beantragte Hurbain unter Verweis auf
Art. 43 EMRK
die Verweisung der Rechtssache an die grosse Kammer. Diesem Antrag wurde am
11. Oktober 2021 stattgegeben.[89]
2. Die beteiligten Akteure
Die Grosse Kammer legt im aktuell publizierten Urteil diesen
Verfahrensablauf dar und setzt sich über 257 Randziffern respektive 85
Seiten hinweg sodann mit den rechtlichen Grundlagen sowie den jeweiligen
Argumenten der Parteien auseinander.
a) Der Antragssteller Hurbain
Das Gericht stellt zunächst die vom Antragssteller Hurbain vorgebrachten
Argumente vor, die ihm zufolge den Fall charakterisieren.[90]
Demnach zielt er in erster Linie darauf ab, die Bedeutung der Integrität
(digitaler) Archive herauszuarbeiten.[91]
Er hinterfragt zudem, inwiefern dem G. tatsächlich ein schwerwiegender
Schaden entstanden sei[92]
und stellt zur Diskussion, ob das öffentliche Interesse tatsächlich mit der
Zeit abnehmen würde. Ihm zufolge sei eine solche Annahme fragwürdig, zumal
auch Historiker:innen und Soziolog:innen ein Interesse an solchen
Ereignissen hätten[93] und
dem G. als Arzt auf lokaler Ebene eine wichtige Position zukomme.[94]
Darüber hinaus argumentiert er, dass die Gefahr bestehe, dass sich
Medienunternehmen dazu entschied, keine Informationen aufzubewahren, sofern
irgendein individueller Bezug bestehe. Es sei somit eine abschreckende
Wirkung für die Arbeit der Presse zu befürchten.[95]
b) Die belgische Regierung
Das Gericht gibt sodann die Auffassung der Regierungsvertreter Belgiens
wieder, denen zufolge es sich bei der Archivierung durch die Presse um eine
bedeutende, jedoch sekundäre Aufgabe handle.[96]
Auch die Wahl zwischen analoger oder digitaler Aufbewahrung sei zweitrangig.[97] Wichtiger sei es
hervorzuheben, dass die Anonymisierung weniger eingreifend sei als die
Löschung[98] und die
Einzelfallabwägung zentral bleibe.[99]
Entsprechend erwarten sie auch keine abschreckende Wirkung für die Arbeit
von Medienhäusern. Zudem unterscheide sich der vorliegende Fall durch zwei
Punkte: Erstens habe der G. den Medienkontakt gerade nicht gesucht[100]
und zweitens bliebe vorliegend der originale Artikel unberührt.[101]
c) Die Drittbeteiligten G. und Article 19
Daran schliessen die Argumente des G. sowie der sechzehn Drittbeteiligten
als Streithelfer; letztere vertreten durch
Article 19. Während G. betont, dass Le Soir erst verspätet Massnahmen ergriffen habe,[102] unterstreichen die
Vertreter:innen von Article 19, dass ein Löschen in jedem Fall vermieden
werden müsse, um die Arbeit der Medien nicht einzuschränken.[103]
Der Betroffene G. sieht diese Beeinträchtigung der Archive, hebt jedoch
hervor, dass es sich bei der Anonymisierung um eine minimale Veränderung
handle.[104] Zudem
verwiesen Suchmaschinen einheitlich auf die anonyme Version - anders
beispielsweise als bei der Verwendung von «noindex tags»,[105]
die für jede Suchmaschine einzeln erstellt werden müssten. Mit Bezug auf
die Rolle der Medien betonen die Vertreter:innen von Article 19, dass bei
Art. 16 DSGVO vor allem die
Ausnahmen u.a. für Journalist:innen zu beachten seien.[106]
Vor diesem Hintergrund sei stets im Einzelfall zu prüfen, ob es sich
tatsächlich um einen über das «übliche» Mass hinausgehenden Schaden handle.[107] Je nachdem seien
andere Massnahmen angezeigt. Diesbezüglich vertritt G. die Auffassung, dass
Online-Artikel im Archiv grundsätzlich nicht zur Information der
Öffentlichkeit dienten, sondern in erster Linie zur Erzeugung von «traffic»
auf der Website eingesetzt würden.[108]
3. Die Erwägungen des Gerichts
Ausgehend von diesen Darlegungen untersuchen die Richter:innen, ob bzw.
inwieweit diese Eingriffe in einer demokratischen Gesellschaft notwendig
sind.[109] Von vornherein
betont das Gericht, dass drei Versionen des Artikels vorhanden seien: Neben
der originalen Druckversion sei dies die öffentlich einsehbare
Onlineversion sowie eine sich im geschlossenen Hauptarchiv befindliche
Version.[110] Diese
Differenzierung sei relevant, da es vorliegend um die Verfügbarkeit der
seit dem Jahr 2008 existierenden Online-Publikation gehe.[111]
Die anderen Versionen seien hingegen nicht betroffen.
a) Der Umfang des Art. 10 EMRK
Davon ausgehend stellen die Richter:innen in den Rz. 176 ff. die Grundzüge
des Art. 10 EMRK dar. Sie führen
aus, dass die Freiheit der Meinungsäusserung explizit nicht nur
Informationen oder Ideen umfasse, sondern eben auch Schockierendes
beinhalte.[112]
Gleichzeitig sei zu berücksichtigen, dass der Presse eben nicht nur Rechte,
sondern auch Pflichten zuteilwürden.[113]
Zur Pressearbeit gehörten auch Archivtätigkeiten, sodass die Integrität der
Pressearchive ein Leitprinzip sei. Dies sei bei jeder Prüfung eines Antrags
auf Entfernung oder Änderung eines archivierten Artikels zu berücksichtigen
und gelte insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die
Rechtmässigkeit des Artikels nicht in Frage stehe.[114]
b) Der Umfang des Art. 8 EMRK
An diese Darstellung schliesst eine Übersicht über den Umfang des
Art. 8 EMRK
an.[115] In diesem
Zusammenhang sei zunächst relevant, dass es sich beim «Privatleben» um
einen nur schwerlich eingrenzbaren Begriff handle, der bis in den
beruflichen Alltag hineinreichen könne.[116]
Dies werde beispielsweise in Fällen deutlich, in denen die persönliche
Reputation einer einzelnen Person durch einen weitgehenden Angriff auf dem
Spiel stehe und dies auf die persönliche Identität oder Integrität
zurückspiegele.[117]
Darüber hinaus befinde sich das Recht auf Vergessenwerden weiterhin in einer
Entwicklungsphase.[118]
Gleichzeitig stehe bereits fest, dass der Faktor Zeit eine zentrale Rolle
spiele.[119] Und obschon
das Gericht sodann die weitere Entwicklung vorzeichnet, betont es auch,
dass das Recht nicht eigenständig durch die Konvention geschützt sei: Soweit
es von Art. 8 EMRK erfasst sei,
könne es nur bestimmte Situationen und Informationen betreffen.[120]
c) Die relevanten Kriterien
Mit Bezugnahme auf den konkreten Fall prüfen die Richter:innen sodann, ob
ausreichend Gründe für eine Anonymisierung vorliegen. Den Ausgangspunkt
dieser Prüfung stellten die in Couderc und Hachette Filipacchi Associés
gegen Frankreich[121]
entwickelten Grundsätze dar. Da es sich vorliegend um die elektronisch
archivierte und nicht die originale Version handle, müssten diese jedoch
angepasst werden.[122] Zu
berücksichtigen sei demnach:
Im Rahmen der Anwendung auf den Sachverhalt unterstreicht das Gericht, dass
diese im Rahmen des gegebenen Ermessensspielraums erfolge: Das Gericht
könne nur prüfen, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung mit
derjenigen übereinstimme, die sich aus den dargelegten Kriterien ergäbe.[124]
aa) Die Art der archivierten Informationen
Das Gericht führt bezüglich der Art der archivierten Informationen aus,
dass es sich bei dem Unfall um einen aus einer Unfallserie handle, zu denen
es im bestimmten Zeitraum gekommen war - und über die anschliessend
berichtet wurde.[125]
Dabei wurde über G. jedoch nicht nur mit vollem Namen, sondern auch über die
spezifischen Umstände berichtet. Zwar liege somit eine Berichterstattung
vor, die anschliessend jedoch keine weitere Bedeutung erlangt habe.[126]
bb) Die zeitliche Komponente
Sodann sei seit der Erstpublikation im Jahr 1994 bereits einige Zeit
vergangen. Da die Relevanz von Informationen oftmals in einem engen
Zusammenhang zur Aktualität stehe,[127]
habe G. nach Zeitablauf ein berechtigtes Interesse daran gehabt sich wieder
in die Gesellschaft einzugliedern - ohne permanent an seine Vergangenheit
erinnert zu werden.[128]
cc) Das aktuelle Interesse
Die zeitliche Komponente sei bei der Frage nach dem aktuellen Interesse
ebenfalls von besonderer Relevanz. Der zentrale Bewertungszeitpunkt sei
hierbei der Zeitpunkt der Anfrage durch G. - nicht jener der
Erstpublikation.[129]
Sodann sei der Spielraum für mögliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit
nach Art. 10 Abs. 2 EMRK zwar
klein, jedoch könne das öffentliche Interesse auch nicht dazu dienen, den
Hunger nach Informationen über das Privatleben anderer Personen zu stillen.[130] Vor dem Hintergrund
des Zeitablaufs komme dem Unfall somit eine marginale und keine historische
Bedeutung zu.[131]
dd) Der Bekanntheitsgrad und das Vorverhalten
Zur Frage des Bekanntheitsgrads sowie dem Vorverhalten des betroffenen G.
äussert sich das Gericht differenziert: Durch Zeitablauf könne das Profil
einer Person durchaus in Vergessenheit geraten, zu einem späteren Zeitpunkt
jedoch auch wieder an Bedeutung gewinnen.[132]
Mit Bezugnahme auf das Argument des Antragsstellers - G. komme als Arzt auf
lokaler Ebene eine gewisse Bedeutung zu - führen die Richter:innen aus, dass
diese Berufswahl nicht zu einer öffentlichen Bedeutung führe, zumal er nicht
von sich aus den Kontakt zu den Medien gesucht habe.[133]
ee) Potenzielle negative Auswirkungen
Sodann geht das Gericht auf die negativen Auswirkungen für G. ein, die
durch das Fortbestehen der Informationen auf der Website eingetreten sind.
Diesbezüglich seien hinreichend begründete Darlegungen hinsichtlich einer
schwerwiegenden Beeinträchtigung seines Privatlebens erforderlich.[134]
Dabei reiche es nicht aus, dass die Person in der Zwischenzeit
«rehabilitiert», d.h. wieder in die Gesellschaft aufgenommen, sei.[135]
Vorliegend sei jedoch deutlich geworden, dass durch die leichte
Auffindbarkeit des Artikels psychologische Schäden und Stigmatisierungen zu
befürchten seien.[136]
ff) Der Grad der Zugänglichkeit
Was die Verfügbarkeit und den Grad des Zugangs zu den Informationen
betrifft, führt das Gericht aus, dass die Einsicht in Archive eine aktive
Handlung, etwa die aktive Eingabe von Schlüsselwörtern auf einer Website,
erforderlich mache.[137]
Ohne eine solche spezifisch ausgerichtete Suche sei das Auffinden erschwert.
Vorliegend sei jedoch zu beachten, dass die Informationen frei verfügbar
seien, während sie in vergleichbaren Fällen hinter einer Paywall stünden.[138]
gg) Die Auswirkungen
Zu guter Letzt seien diese Elemente unter Berücksichtigung der Auswirkungen
auf die Meinungsäusserungsfreiheit sowie die Pressefreiheit abzuwägen. Das
Gericht betont, dass vor allem dank des technologischen Fortschritts
zahlreiche verschiedene Möglichkeiten bekannt seien, um den Zugang zu
diesen Informationen zu erschweren. Beispielhaft seien etwa die
Umsortierung der Suchergebnisse oder das Entfernen eines Artikels aus dem
Index zu nennen. Angesichts dieser Möglichkeiten sei stets diejenige
Methode zu wählen, welche zur geringsten Einschränkung der Pressefreiheit
führe.[139] Während in
vorherigen Urteilen stets geschaut wurde, welche Alternativen zuvor
ausgetestet worden seien, hatte G. von vornherein erklärt, dass es mehrere
verschiedene noindex tags gebraucht hätte, was wenig effizient gewesen wäre.[140] Dasselbe gelte für
das Hinzufügen eines schriftlichen Hinweises[141]
oder die Kontaktaufnahme mit einzelnen Suchmaschinenanbieter:innen.[142]
In Anbetracht dessen schliesst das Gericht, dass die Anonymisierung weniger
einschneidend sei als das Löschen der Informationen.[143]
Das Gericht schliesst mit der Feststellung, dass die nationalen Gerichte in
kohärenter und nachvollziehbarer Weise sowohl die Art als auch die Schwere,
der dargelegten juristischen Tatsachen berücksichtigt hätten. Eine
Verletzung von Art. 10 EMRK liege
mithin nicht vor.
Auf diese 12:5-Entscheidung des Gerichts folgt eine zustimmende Meinung des
Richters Krenc sowie eine abweichende Meinung des Richters Ranzoni, welche
von den Richtern Küris, Grozev, Eicke und Schembri Orland unterstützt wird.
In der abweichenden Meinung äussert Richter Ranzoni die Befürchtung, der
von der Mehrheit des Gerichts gewählte Ansatz berge die Gefahr einer
erheblichen Schwächung der Pressefreiheit.[144]
Dabei verweist er auf das aktuelle geopolitische und soziale Klima[145]
und bezieht sich dabei augenscheinlich auf Einschränkungen der
Pressefreiheit in autoritären Systemen oder auf Herausforderungen durch
digitale Disruptionen. Da Zeitungen verschwänden, sei es wichtig, diese
Freiheiten zu stärken und die entsprechenden Aktivitäten zu schützen.[146]
Im Hinblick auf die Frage, ob der zeitliche Ablauf eine Rolle spielt, sei
zudem zu berücksichtigen, dass sich dies jederzeit ändern könne. Was einmal
an Bedeutung verloren habe, könne jederzeit wieder an Bedeutung gewinnen.[147]
4. Kritik
Obschon die grosse Kammer somit nachvollziehbare Kriterien für den Umgang
mit dem Recht auf Vergessenwerden entwickelt hat, äusserte sich die
Nichtregierungsorganisation Media Defence im Anschluss an das Urteil
besonders kritisch.[148]
Sie kritisierte vor allem, dass durch diese weitere Etablierung des Rechts
auf Vergessenwerden, die Meinungsäusserungsfreiheit im Allgemeinen sowie
die Pressefreiheit im Konkreten eingeschränkt bzw. insgesamt bedroht werde.
Das Argument zielt dabei vor allem auf die ihres Erachtens nicht
unerhebliche Einwirkung auf Medienarchive.[149]
Angesichts aktueller Diskussionen um öffentliche Medien ist diese
Perspektive umso ernster zu nehmen.[150]
Und doch führt diese konkrete Kritik von Media Defence zu weit: Erstens
führt das Urteil nicht dazu, dass Presseunternehmen ihre Archive nun
fortlaufend überprüfen und Namen aus historischen Artikeln herausstreichen
müssen. Vielmehr bleibt es bei einer einzelfallbezogenen Prüfung[151]
und dem Ziel der möglichst geringfügigen Einschränkung der Pressefreiheit.[152] Im vorliegenden
Fall ist zudem zu beachten, dass die originale, gedruckte Version in den
Printarchiven unverändert bestehen bleibt.[153]
Zweitens sind die Hürden eines auf das Recht auf Vergessenwerden gestützten
Antrags erheblich, zumal im Zweifelsfall eine Anonymisierung gegenüber der
vollständigen Löschung bevorzugt wird. Und drittens bleibt es auch dabei,
dass die das Recht geltend machende Person einen erheblichen Schaden
geltend machen muss, der über das «blosse» Interesse an der Rehabilitation
hinausgeht.[154]
Der weitere Kritikpunkt von Media Defence knüpft an diesen letztgenannten
Punkt an, indem hinterfragt wird, ob dem G. tatsächlich ein solch
erheblicher Schaden entstanden sei. Unter Berücksichtigung der nun
entwickelten Kriterien ist zu beachten, dass inzwischen knapp drei
Jahrzehnte seit der erstmaligen Publikation vergangen sind,[155]
es sich weder um einen statistisch noch historisch signifikanten Fall
handelt und der Betroffene G. der allgemeinen Öffentlichkeit kaum bekannt
sein dürfte. In einer gegenteiligen Situation hätte das Gericht den
entsprechenden Anspruch nur schwerlich bejaht.[156]
Darüber hinaus trifft es zwar zu, dass die gesellschaftliche Rehabilitierung
für sich allein genommen keinen entsprechenden Anspruch begründen kann
(siehe dazu das Gericht auf Rz. 233), jedoch hatte das Berufungsgericht in
Liège ausführlich dargelegt, dass bei der Eingabe des vollen Namens des G.,
der Artikel als einer der ersten erschien. Dies hat ohne Frage erhebliche
psychologische Auswirkungen auf den Betroffenen. Die Wirkung von online
verfügbaren Inhalten auf die Einzelne wird umso deutlicher, wenn man
berücksichtigt, dass «das Internet» de facto wohl kaum
vergisst.[157]
Gleichzeitig stellt sich dann die Frage, warum die Freiheiten und Rechte
der Medien eingeschränkt werden, wenn die Informationen sowieso verfügbar
bleiben. Bekannt ist in diesem Zusammenhang vor allem der sog.
Streisand-Effekt,[158]
wonach durch den Versuch, eine Online-Verbreitung von Inhalten zu
verhindern, eher das Gegenteil erreicht wird. Das Recht kann diesem
Phänomen nur bedingt Einhalt gebieten, zumal die dahinterstehenden Akteure
nur selten identifiziert bzw. rechtlich belangt werden können. Andererseits
erfordert genau dieser Umstand ein Recht, das sich umso mehr schützend vor
die oder den Einzelnen stellt - selbst wenn die Löschung digitaler Inhalte
ein Kampf gegen Windmühlen zu sein scheint.
IV. Schluss
Angesichts dieser vielfältigen Ebenen bleibt die Frage bestehen, was zu tun
bleibt. Zum einen wäre zu diskutieren, ob nicht Einzelpersonen eigene
Löschrechte zustehen sollten. Zwar bieten Unternehmen bereits sich selbst
löschende Nachrichten an[159]
und auch Gesuchen bei grossen Suchmaschinenbetreiber:innen[160]
wird zunehmend stattgegeben. Doch ist die Löschung oftmals nur durch die
Drittpartei möglich. Sollte dies so sein? Wie ist der Umgang zu handhaben,
wenn Bewerber:innen aufgrund von Informationen im Internet eine
Arbeitsstelle nicht erhalten?[161]
Oder wenn eine Sterbeurkunde verlangt wird, um als Angehörige das Profil
einer verstorbenen Person zu löschen?[162]
Eine Stärkung der Rolle der Nutzer:innen scheint angezeigt, zumal ansonsten
die Gefahr besteht, dass ausschnitthafte und damit teilweise verfälschende
oder fehlleitende Persönlichkeitsprofile in der Onlinewelt zunehmen.[163]
Gleichzeitig darf eine solche Bestärkung nicht dazu führen, dass sich
Betroffene die eigene öffentliche Darstellung gewissermassen «kuratieren»,
indem Vergangenes oder potenziell Negatives ausgeblendet wird. Dies zeigt
die besondere Bedeutsamkeit der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht
und der Meinungsäusserungsfreiheit - oder aber mit der Kunstfreiheit[164]
- auf.
Zum anderen sind deutliche Zuweisungen erforderlich, partizipieren doch
immer mehr Akteure mit unterschiedlichen Interessen an dem gesamten
Prozess.[165] Neben
Privatpersonen, staatlichen Institutionen und Medienunternehmen sticht
dabei vor allem die herausragende Bedeutung von Suchmaschinen heraus, welche
die Auffindbarkeit von Inhalten sowohl erleichtern (bzw. de facto überhaupt
erst möglichen), als auch erschweren (bzw. de facto unterbinden)
können.[166]
Neben diese Akteure treten Archive, denen für die Kultur des Menschen eine
zentrale Bedeutung zukommt.[167]
Angesichts der schieren Menge an Inhalten stehen diese jedoch vor der
Herausforderung, zunehmend selektionieren und neue Wege zur Bewahrung sich
in Bewegung befindlicher Inhalte finden zu müssen - ohne die kollektive
Erhaltung des Wissens und der Kultur zu sehr zu beschränken.[168]
Das Urteil schafft trotz der berechtigten Kritik Rechtssicherheit für die
Ausprägungen des «right to be let
alone»[169].[170]
Sowohl die Befürchtungen eines «nicht-mehr-vergessen-Könnens»,[171]
als auch jene vor einer umfassenden Löschung werden ernstgenommen und
berücksichtigt. Und doch bleibt es am Ende wohl bei der Erkenntnis, dass die
Struktur und die Permanenz des Internets[172]
Segen und Fluch zugleich sind.
[1] Siehe
beispielhaft Rachel Huber / Barbara Lüthi / Katharina Morawek,
Auslegeordnung «Erinnerungskultur Stadt Zürich»: Studie im Auftrag
des Präsidialdepartements der Stadt Zürich zur
erinnerungskulturellen Situation, Luzern 2023; umfassend zum
Begriff, Vorgang und der Funktion des Vergessens Carina Becker,
Das Recht auf Vergessenwerden, Diss. Tübingen 2019, S. 13 ff. Beim
Umgang mit der Vergangenheit spielt stets auch die Frage nach der
«Wahrheit» eine Rolle. Siehe dazu aktuell Björnstjern Baade,
Wahrheit und Recht: Störung und Schutz regulatorischer,
asylrechtlicher und medialer Wahrheitsfindung, Habil. Berlin 2022, Tübingen 2023.
[2] Siehe zu einigen
Aspekten Antoinette Maget Dominicé / Dario Henri Haux / Fabienne
Sarah Graf, Saving Content in Digital Surroundings: A Safe
Solution?, Pólemos 2020, S. 17 ff.
[3] Europäischer
Gerichtshof für Menschenrechte.
[4] Urteil des EGMR
[GK] 57292/16 vom 4. Juli
2023 (Hurbain gegen Belgien); siehe dazu Sebastian Zeitzmann,
Belgien: Verurteilung zur Anonymisierung der archivierten
Onlineversion eines Zeitungsartikels, AfP 2023, S. 307 f.
[6] Umfassend dazu
Felix Stumpf, Das Recht auf Vergessenwerden, Diss. Baden-Baden
2017.
[7] Siehe dazu Rolf H.
Weber, The Right to be Forgotten - More than a Pandora's Box?,
JIPITEC 2011, S. 120 f.
[8] Rolf H. Weber,
Neue Grundrechtskonzeptionen zum Schutz der Privatheit, in:
Weber/Thouvenin (Hrsg.), Neuer Regulierungsschub im
Datenschutzrecht?, Zürich 2012, S. 7 ff.
[9] Im
deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zum
Recht auf Vergessenwerden
wird v.a. auf ein Werk von Viktor Mayer-Schönberger, Delete. Die
Tugend des Vergessens in digitalen Zeiten, Berlin 2010, als
Ausgangspunkt entsprechender Diskussionen verwiesen.
[10] So Rolf H.
Weber / Ulrike Heinrich,
Braucht die Schweiz ein Recht auf Vergessen im Internet?, in:
Epiney/Diezig (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht
2013/2014, Zürich 2014, S. 301; mit Verweis auf Le Monde vom 13.
Oktober 2010 («Droit à l'oubli» sur Internet: une charte signée
sans Google ni Facebook).
[11] Siehe
Europäische Kommission, Vorschlag für Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr
(Datenschutz-Grundverordnung),
2012/0011 (COD) vom 25. Januar 2012,
Erwägungsgründe 53 und 54.
[12] Rolf H. Weber,
Der Ruf nach einem Recht auf Vergessen: Ein neues
datenschutzbezogenes Verfassungsrecht im Spannungsfeld zwischen
Privatheit und Transparenz?, digma 2011, S. 102 ff.
[13] Volker
Boehme-Neßler, Das Recht auf Vergessenwerden - Ein neues
Internet-Grundrecht im Europäischen Recht, NVwZ 2014, S. 825 ff.
[14] Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950
(EMRK; SR 0.101).
[15] Urteil des EGMR
57292/16 vom 22. Juni 2021
(Hurbain gegen Belgien), Ziff. 94; zum Vorstehenden siehe Boris
Paal, in: Paal/Pauly (Hrsg.), Beck'sche Kompakt-Kommentare,
Datenschutz-Grundverordnung, Bundesdatenschutzgesetz, 3. Aufl.,
München 2021, Art. 17 DSGVO N 2 (zit. Komm. DSGVO
BDSG-Bearbeiter:in).
[16] Moritz
Hennemann, Das Recht auf Löschung gemäß Art. 17
Datenschutz-Grundverordnung, PinG 2016, S. 176 f.
[17] Bruno Glaus,
Das Recht auf Vergessen und das Recht auf korrekte Erinnerung,
Medialex 2004, S. 200.
[18] Zu beachten ist
Art. 32 DSG (Bundesgesetz
über den Datenschutz vom 25. September 2020 [DSG;
SR 235.1]). Demnach können Betroffene beispielsweise verlangen, dass
anschliessend an eine Auskunft nach
Art. 25 DSG
unrichtige Personendaten berichtigt werden. Von diesem
grundsätzlichen Recht gibt es einige Ausnahmen, etwa aufgrund von
Aufbewahrungsvorschriften.
[20] Rainer J.
Schweizer / Lea Striegel, in: Ehrenzeller/Egli/Hettich et al.
(Hrsg.), St. Galler Kommentar, Bundesverfassung, 4. Aufl., Zürich
2023, Art. 13 N 112 (zit. SGK BV-Bearbeiter:in).
[21] Schweizerisches
Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB;
SR 210).
[22] Siehe Urteil
des Bundesgerichts
5P.254/2002
vom 12. September 2002 E. 2.5; sowie Urteil des Bundesgerichts
5P.308/2003
vom 28. Oktober 2003 E. 2.4 f.
[23] Zum
Vorstehenden siehe Patrick Eggimann, Recht auf Vergessen: Und wer
da googelt, der findet nicht mehr, sic! 2014, S. 651.
[24] Botschaft zum
Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den
Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom
15. September 2017 (BBl 2017
6941), S. 7077 f.
[25] Siehe
BGE 109 II 353; BGE 111 II 209;
weitergehend Mirjam Teitler, Der rechtskräftig verurteilte
Straftäter und seine Persönlichkeitsrechte im Spannungsfeld
zwischen öffentlichem Informationsinteresse, Persönlichkeitsschutz
und Kommerz, Zürich 2008, S. 82 ff.
[26]
BGE 109 II 353
E. 3, u.a. mit Verweis auf das sog. Lebach-Urteil des deutschen
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 536/72
vom 5. Juni 1973 (BVerfGE 35, 202-Lebach).
[27]
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999 (BV; SR 101).
[28] SGK
BV-Schweizer/Striegel, Art. 13 N 112; siehe in diesem Kontext
Erwägung 65
der Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO): «Eine betroffene
Person sollte (…) ein Recht auf Vergessenwerden» haben, was
insbesondere «wichtig in Fällen (sei), in denen die betroffene
Person ihre Einwilligung noch im Kindesalter gegeben hat und
insofern die mit der Verarbeitung verbundenen Gefahren nicht in
vollem Umfang absehen konnte.», zitiert nach Sandra Husi-Stämpfli,
DSGVO: Schützt die kleinen Technik-Nerds, digma 2017, S. 29.
[30] Siehe dazu
Matthias Oesch / Tobias Naef, EU-Grundrechte, der EuGH und die
Schweiz, ZSR 2017, S. 142.
[31] SGK
BV-Schweizer/Striegel, Art. 13 N 112.
[32] Dt.
Bundesverfassungsgericht.
[33] Bürgerliches
Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002
(BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 4
des Gesetzes vom 25. Oktober 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 294) geändert
worden ist (BGB).
[34] Komm. DSGVO
BDSG-Paal, Art. 17 DSGVO N 2a.
[35] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I).
[36] Siehe zu den
Hintergründen das Urteil des Bundesgerichtshofs
VI ZR 330/11
vom 13. November 2012 (Apollonia).
[37] Siehe dazu
Katharina de la Durantaye / Céline M. Lalé, Hurbain v. Belgien:
Eine Entscheidung zum Vergessen?, ZEuP 2022, S. 684 f. m.w.H.
[38] Urteil des
Landgerichts Hamburg 324 O 113/10 vom 15. April 2011.
[40] Urteil des
Oberlandesgerichts Hamburg 7 U 49/11 vom 1. November 2011.
[41] Dt.
Bundesgerichtshof.
[43] Eine zentrale
Rolle spielte hierbei der Verweis auf das Urteil des EGMR [GK]
39954/08
vom 7. Februar 2012 (Axel Springer AG gegen Deutschland).
[44] Grundgesetz für
die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil
III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung,
das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2022
(BGBl. I S. 2478) geändert worden ist
(GG).
[45] Siehe dazu
Nadine Klass, Das Recht auf Vergessen(-werden) und die Zeitlichkeit
der Freiheit, ZUM 2020, S. 268.
[46] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
107.
[47] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
107.
[48] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
110 ff.
[49] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
150 f.
[50] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
105.
[51] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
105.
[52] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
105.
[53] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
108.
[54] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 16/13
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 152-Recht auf Vergessen I), Rz.
107.
[55] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 276/17
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 216-Recht auf Vergessen II).
[56] Klass (Fn.
45), S. 274.
[57] Urteil des
Landgerichts Lüneburg 3 O 149/15 vom 22. April 2016.
[58] Urteil des
Oberlandesgerichts Celle
13 U 85/16
vom 29. Dezember 2016.
[59] Klass (Fn.
45), S. 268.
[60] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 276/17
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 216-Recht auf Vergessen II), Rz.
123 ff.
[61] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 276/17
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 216-Recht auf Vergessen II), Rz.
134.
[62] Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
1 BvR 276/17
vom 6. November 2019 (BVerfGE 152, 216-Recht auf Vergessen II), Rz.
128.
[64] Siehe dazu
m.w.H. Komm. DSGVO BDSG-Paal, Art. 17 DSGVO N 2a.
[65] Urteil des EuGH
C-131/12 vom 13. Mai 2014
(Google Spain SL und Google Inc./Agencia Española de Protección de
Datos (AEPD) und Mario Costeja González); siehe dazu Eggimann (Fn.
23), S. 644 ff.; Oesch/Naef (Fn. 30), S. 141; Becker (Fn. 1), S.
124 ff.; Johannes Masing,
Vorläufige Einschätzung der «Google-Entscheidung» des EuGH, Verfassungsblog vom 14. August 2018; Hugh J. McCarthy, All the
World's a Stage: The European right to be forgotten revisited from
a US perspective, GRUR Int. 2016, S. 604 ff.
[66] Urs Saxer,
Konturen eines europäischen Persönlichkeitsschutzes: Das
Google-Urteil des EuGH und dessen Folgen, Medialex 2015, S. 35.
[67] Siehe etwa das
Urteil des EuGH C-136/17
vom 24. September 2019 (GC u. a. gegen Commission nationale de
l'informatique et des libertés (CNIL)), zitiert nach Durantaye/Lalé
(Fn. 37), S. 682, dort Fn. 3.
[68] Siehe zu
diesem Fall umfassend Jens Milker, Die Umsetzung des «Rechts auf
Vergessenwerden» im deutschen Recht: Der Datenschutz als Taktgeber
für das Äusserungsrechte, Diss. Wiesbaden 2019, S. 91 ff.
[69] Agencia
Española de Protección de Datos.
[74] SGK
BV-Schweizer/Striegel, Art. 13 N 112 mit Verweis auf Stumpf (Fn. 6),
S. 207 ff. m.w.H.
[75] Siehe dazu
Frank Meyer / Lukas Staffler, Die Rechtsprechung des EGMR in
Strafsachen im Jahr 2018, FP 2019, S. 318 f.
[76] Siehe Urteil
des Landgerichts Hamburg
324 O 459/07
und 324 O 469/07 vom 29.
Februar 2008; Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg 7 U 30/08 und
7 U 31/08 vom 29. Juli
2008; Beschluss des Bundesgerichtshofs
VI ZR 228/08
vom 4. August 2009; Beschluss des Landgerichts Krefeld
12 O 13/04
vom 24. November 2009; Beschluss des Bundesgerichtshofs
VI ZR 227/08
und VI ZR 228/08 vom 15.
Dezember 2009; Beschluss des Landgerichts Krefeld
12 O 13/04
vom 16. Dezember 2009; Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf
20 W 152/09 vom 1. Februar
2010 sowie Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
2 BvR 535/10
vom 11. Juni 2010 und
2 BvR a535/10
vom 28. Oktober 2010.
[79] Meyer/Staffler
(Fn. 75), S. 319.
[83] Conseil de
déontologie journalistique.
[84] Im Original:
«Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage,
oblige celui par la faute duquel il est arrivé, à le réparer.»
[85] Urteil des
Cour d'Appel Liège 2013/RG/393 vom 25. September 2014.
[90] Dies sind (1)
die unbestrittene Rechtmässigkeit der Informationen, (2) deren
Bedeutung als Archivgut, (3) potenzielle Folgen von Änderungen an
diesen Informationen, (4) der Zeitpunkt der Anfrage, (5) der Status
des G. sowie (6) der Umstand, dass er sich nicht direkt an die
Suchmaschinenbetreiber:innen gewandt hatte, siehe EGMR [GK],
Hurbain, Ziff. 138.
[101] Siehe im
Gegensatz dazu etwa Urteil des EGMR
33846/07
vom 16. Juli 2013 (Wegrzynowski und Smolczewski gegen Polen).
[105] Dabei
handelt es sich dem Grunde nach um ein Set an Regeln, welches dazu
dient, die Indizierung von Inhalten durch Suchmaschinen zu
verhindern.
[119] EGMR [GK],
Hurbain, Ziff. 194 mit
Verweis auf Urteil des EGMR
35841/02
vom 7. Dezember 2006 (Österreichischer Rundfunk gegen Österreich),
Ziff. 68 ff.
[121] Urteil des
EGMR 404 54/07 vom 10.
November 2015 (Couderc und Hachette Filipacchi Associés gegen
Frankreich).
[151] Siehe in
diesem Kontext auch den Verweis der Richter:innen auf die Studie in
den Mitgliedsstaaten mitsamt der Bedeutung von
Einzelfallbetrachtungen EGMR [GK],
Hurbain, Ziff. 89.
[155] Siehe zum
zeitlichen Aspekt auch EGMR,
M.L. u. W.W., Ziff. 109; Giovanni Sartor, The right to be forgotten: Publicity,
privacy and the passage of time, in: Schartum/Bygrave/Bekken
(Hrsg.), John Bing - A Tribute, Oslo 2014, S. 79 ff.
[157] Als einer
der Ersten bereits im Jahr 1998: Joseph D. Lasica,
The Net never forgets, Salon vom 25. November 1998, zitiert nach Becker (Fn. 1), S. 3;
siehe auch Beschluss des VGH Baden-Württemberg 9 S 1056/11 vom 12.
Mai 2011, zitiert nach Becker (Fn. 1), S. 3; kritisch zu diesem
Verständnis Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Erinnern und
Vergessen im digitalen Zeitalter, digma 2016, S. 82.
[158] Siehe dazu
Christine Möhrke-Sobolewski, Gehackte Fahrzeuge: Strafantragsrecht
bei Datendelikten in der Schweiz und in Deutschland, Diss. Zürich
2021, S. 214 m.w.N.
[161] Siehe zu
entsprechenden Fällen Stumpf (Fn. 6), S. 46 f.
[163] Saxer (Fn.
66), S. 39.
[165] So etwa
Durantaye/Lalé (Fn. 37), S. 681.
[168] Siehe dazu
Haux (Fn. 166), S. 180 ff.
[170] Siehe zu den
verschiedenen Facetten des Rechts auf Vergessenwerden EGMR [GK],
Hurbain, Ziff. 194 f.
[171]
Leutheusser-Schnarrenberger (Fn. 157), S. 82, auf Mayer-Schönberger
(Fn. 9) referenzierend.
[172] Becker (Fn.
1), S. 2.