Der Entzug des Bürgerrechts. Eine Einordnung der Schweizer Praxis

Barbara von Rütte *

Bundesgericht und Bundesverwaltungsgericht haben sich im vergangenen Jahr zum ersten Mal mit der Frage auseinandersetzen müssen, unter welchen Voraussetzungen der Entzug des Schweizer Bürgerrechts gemäss Art. 42 des Bürgerrechtsgesetzes rechtmässig ist. Dabei äussern sich die Gerichte auch zu den neu in Art. 30 der Bürgerrechtsverordnung geregelten Voraussetzungen für einen Entzug des Bürgerrechts. Die beiden Urteile bieten Anlass für eine kritische Diskussion der aktuellen Ausbürgerungspraxis der Schweiz, insbesondere mit Blick auf das Diskriminierungsverbot und das Verhältnismässigkeitsprinzip.

L'année dernière, le Tribunal fédéral et le Tribunal administratif fédéral ont examiné pour la première fois les conditions permettant un retrait de la nationalité selon l'art. 42 de la loi sur la nationalité suisse. A cette occasion, les tribunaux se sont également prononcés sur les conditions nouvellement réglées à l'art. 30 de l'ordonnance sur la nationalité suisse. Ces deux arrêts donnent lieu à une discussion critique à propos de la pratique actuelle en matière de déchéance de la nationalité suisse, notamment au regard des principes de l'interdiction de la discrimination et de proportionnalité.

Zitiervorschlag: Barbara von Rütte, Der Entzug des Bürgerrechts. Eine Einordnung der Schweizer Praxis, sui generis 2023, S. 95

DOI: https://doi.org/10.21257/sg.232

* Dr. iur. Barbara von Rütte, LL.M. (Leiden), Postdoc am Europainstitut der Universität Basel (barbara.vonruette@unibas.ch).



I. Einleitung

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Schweiz den Entzug des Bürgerrechts als verwaltungsrechtliche Massnahme zur Terrorismusbekämpfung wiederentdeckt. Nun haben sich erstmals das Bundesverwaltungsgericht (BVGer)[1] und das Bundesgericht (BGer)[2] mit der Frage befasst, ob einer Person gestützt auf Art. 42 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG)[3] resp. Art. 48 des alten Bürgerrechtsgesetzes (aBüG)[4] das Schweizer Bürgerrecht entzogen werden kann. Die Gerichte gehen in ihren Urteilen auf die Voraussetzungen für eine Ausbürgerung[5] ein und kommen zum Schluss, dass diese im fraglichen Fall rechtmässig erfolgte. Die beiden auf Italienisch verfassten Urteile, die bisher in der öffentlichen Debatte kaum Aufmerksamkeit erhalten haben, bieten Anlass zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Schweizer Praxis beim Entzug des Bürgerrechts.[6]

Der Beitrag diskutiert zunächst die Entwicklung des Instruments des Entzugs des Bürgerrechts im Schweizer Recht (Rz. 3 ff.), bevor er auf den Sachverhalt (Rz. 10 f.) und die Urteile des Bundesverwaltungs- und des Bundesgerichts (Rz. 19 ff.) eingeht und diese kritisch beleuchtet (Rz. 21 ff.).

II. Die Ausbürgerung im Schweizer Bürgerrecht

Die Idee, dass man jemandem das Bürgerrecht entziehen konnte, galt lange als unzivilisiert.[7] In der Schweiz hatte der Grundsatz der Unverlierbarkeit das Bürgerrecht geprägt.[8] Der Verlust des Bürgerrechts war rechtlich nicht vorgesehen.[9] Die Möglichkeit des Entzugs wurde erst im Zweiten Weltkrieg vom Bundesrat per Vollmachtenbeschluss überhaupt eingeführt.[10] Nach dem Krieg wurde mit Art. 48 aBüG eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen.[11] Diese kam jedoch über Jahrzehnte nie zur Anwendung.[12]

Trotz der fehlenden praktischen Relevanz wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit des Entzugs bei der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes im Jahr 2014 als ultima ratio beibehalten.[13] So wurde Art. 48 aBüG unverändert übernommen.[14] Art. 42 des neuen BüG besagt nun, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons einer Doppelbürgerin oder einem Doppelbürger das Schweizer, Kantons- und Gemeindebürgerrecht entziehen kann, wenn ihr oder sein Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist.

Erst nach Annahme des totalrevidierten BüG im Juni 2014 kam eine Diskussion auf, ob der Entzug des Bürgerrechts im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen möglich sein sollte.[15] Im Zentrum standen dabei mögliche terroristische Gefährder und sog. «foreign fighters», die sich im Ausland einer terroristischen Organisation anschliessen.[16] Nachdem ein Gutachten die Verfassungsmässigkeit von Art. 42 BüG als genügende Grundlage für den Entzug des Bürgerrechts anzweifelte, entschied sich der Bundesrat die Voraussetzungen für die Ausbürgerung auf Verordnungsstufe weiter zu konkretisieren.[17]

Art. 30 Abs. 1 Bürgerrechtsverordnung (BüV)[18] legt nun fest, dass eine Person die Interessen oder das Ansehen der Schweiz in erheblicher Weise beeinträchtigt, wenn sie:

  • ein Verbrechen oder Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung gemäss dem Dreizehnten Titel des Strafgesetzbuches[19] begeht, d.h. einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft (Art. 266 StGB), gegen die Sicherheit der Schweiz gerichtete ausländische Unternehmungen und Bestrebungen (Art. 266 bis StGB), verbotenen Nachrichtendienst (Art. 272-274 StGB) oder eine Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung (Art. 275, Art. 275bis und Art. 275ter StGB);
  • ein schweres Verbrechen im Rahmen von terroristischen Aktivitäten, gewalttätigem Extremismus oder der organisierten Kriminalität begeht;
  • Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine schwere Verletzung der Genfer Konventionen oder ein anderes Kriegsverbrechen begeht; oder
  • die guten Beziehungen der Schweiz zu einem fremden Staat dauerhaft durch die Beleidigung dieses Staates gefährdet.

Die Auflistung ist abschliessend. Andere Taten dürfen nicht zum Entzug des Bürgerrechts führen.[20] Vorausgesetzt wird ausserdem eine rechtskräftige Verurteilung (Art. 30 Abs. 2 BüV). Davon kann nur abgewichen werden, wenn eine strafrechtliche Verfolgung in einem konkreten Fall aussichtslos wäre, weil der Staat, in dem die fraglichen Taten begangen wurden, zur Strafverfolgung nicht willens oder nicht in der Lage ist, namentlich weil das unabhängige Justizsystem in seiner Gesamtheit oder zu einem erheblichen Teil nicht funktionsfähig ist (Art. 30 Abs. 2 Satz 2 BüV).[21]

Die Hürden für einen Entzug des Bürgerrechts sind sehr hoch anzusetzen.[22] Zuständig ist das SEM. Dieses begann sich ab dem Jahr 2015 verstärkt für die Möglichkeit des Entzugs des Bürgerrechts zu interessieren. In einigen Dutzend Fällen hat das SEM den Entzug zumindest geprüft, in einer Hand voll Fällen auch tatsächlich verfügt[23] und in bisher zwei Fällen ist die Ausbürgerung rechtskräftig geworden[24] - darunter auch im Fall, der nachfolgend genauer beleuchtet werden soll.

Mit dieser neuen Ausbürgerungspraxis reiht sich die Schweiz ein in eine grösser werdende Gruppe von Staaten, die aus Gründen nationaler Sicherheit (wieder) auf das Instrument des Entzugs des Bürgerrechts zurückgreifen.[25]

III. Ein Anhänger des radikalen Islams: Der Fall U.Y.

Im vorliegend zur Diskussion stehenden Fall ging es um U.Y., der als Kind mit seinen Eltern als Flüchtling aus der Türkei in die Schweiz gekommen war und 2008 eingebürgert wurde.[26] 2017 wurde U.Y. vom Bundesstrafgericht wegen eines Verstosses gegen das Al-Qaïda/IS-Gesetz[27] zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unbedingt.[28] Er wurde beschuldigt verschiedene Aktionen zur Unterstützung von Jabhat Al-Nusra[29] organisiert zu haben. Er soll Propagandaaktionen durchgeführt und zwei Personen geholfen haben, über die Türkei in das syrisch-irakische Grenzgebiet zu reisen, um dort für den sog. «Islamischen Staat» zu kämpfen.[30]

Nach Beendigung der Freiheitsstrafe verfügte das SEM 2019 den Entzug des Bürgerrechts.[31] Es begründete den Entzug damit, dass der Mann an terroristischen Aktivitäten teilgenommen und eine wichtige Rolle als Indoktrinator und Vermittler bei der Al-Nusra-Front übernommen habe, weshalb er die Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten ernsthaft gefährde.

IV. Schwere terroristische Taten, die Interessen der Schweiz und eine gesetzlich vorgesehene Massnahme: Die Urteile von Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

In seinem Urteil vom Mai 2021 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht hauptsächlich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer dem Ansehen und den Interessen der Schweiz ernsthaften Schaden zugefügt hatte. Zunächst wies es die Rüge einer indirekten Diskriminierung als unbegründet zurück.[32] Es sei nicht diskriminierend, dass nur Personen mit Doppelbürgerrecht vom Entzug betroffen sein können, da die Behörden verpflichtet seien, Staatenlosigkeit zu vermeiden. Es ergebe sich insofern schon aus der ratio legis von Art. 48 aBüG, dass ein Entzug nur bei Personen mit einer zweiten Staatsangehörigkeit in Frage komme (E. 7). Daher könne keine Diskriminierung vorliegen.

Als nächstes prüfte das Gericht, ob das Verhalten des Beschwerdeführers den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig war (E. 9 ff.). Diese Interessen bestünden in der Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz, der Verteidigung ihrer Souveränität, ihrem Ansehen und ihrem guten Ruf in der internationalen Gesellschaft sowie ihrer Neutralität (E. 9.4.1 f.). Die Aktivitäten von U.Y. liefen auf eine Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation hinaus (E. 15.1). Dabei sei nicht relevant, ob das Bundesstrafgericht die Taten des Mannes als schweres Verbrechen qualifiziert habe: Einerseits sei der Deliktskatalog von Art. 30 Abs. 1 lit. b BüV formell gar nicht auf den Fall anwendbar, da dieser noch nach altem Recht zu beurteilen sei (E. 15.2). Andererseits beziehe sich das Kriterium des «schweren Verbrechens» i.S.v. Art. 30 Abs. 1 lit. b BüV nicht auf das Verhalten der Person, sondern auf die Schwere des Schadens, den die betroffene Person den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz zufüge (E. 15.2).

Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Entzug des Bürgerrechts müssten rein aus Perspektive des Verwaltungs- und des Bürgerrechts beurteilt werden (E. 15.2). Dabei bestünde kein Zweifel, dass U.Y. mit seinen Handlungen die Souveränität und Neutralität der Schweiz untergraben und das staatliche Gewaltmonopol in der Schweiz, Italien und der Türkei in Frage gestellt habe (E. 15.3.2). Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bereit wäre in der Schweiz oder in einem anderen europäischen Land terroristische Handlungen zu begehen (E. 15.3.2). Dadurch allein werde dem diplomatischen Ansehen der Schweiz dauerhaften und schweren Schaden zugefügt (E. 15.3.2). Daher habe das SEM ihm das Bürgerrecht zu Recht entzogen (E. 15.5).

Weiter prüfte das Gericht eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und des Rechts auf Privatleben gemäss Art. 8 EMRK[33] (E. 17 ff.). Dazu stellte es das öffentliche Interesse der Schweiz am Schutz ihrer Interessen, konkret am Schutz der Gesellschaft und des Staates vor Terrorismus, den Interessen des Beschwerdeführers am Beibehalt des Bürgerrechts gegenüber (E. 16). Das BVGer sah den Entzug des Bürgerrechts als geeignet an, die Interessen und das Ansehen der Schweiz zu schützen, da die Massnahme vom Gesetzgeber ausdrücklich dafür vorgesehen sei. Die Ausbürgerung habe in diesem Sinne eine indirekte Wiedergutmachungsfunktion für die schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen der Schweiz und bestenfalls eine abschreckende Wirkung (E. 17.2). U.Y. werde «wieder» zum Ausländer (E. 17.2). Der Entzug sei auch erforderlich, da es keine milderen Massnahmen gäbe und die Staatsangehörigkeit nur ganz oder gar nicht entzogen werden könne (E. 17.2).

Das öffentliche Interesse würde auch die Interessen des Beschwerdeführers überwiegen. U.Y. habe das Vertrauen verraten, das die Schweizer Behörden in ihn gesetzt hätten. Deshalb sei er nicht mehr würdig, das Schweizer Bürgerrecht zu geniessen, geschweige denn politische Rechte auszuüben (E. 17.2). Folglich sei die Verhältnismässigkeit gegeben (E. 17.3).

Schliesslich ging das Bundesverwaltungsgericht auf die Rüge ein, dass der Entzug das Recht auf Privatleben gemäss Art. 8 EMRK verletze, und verneinte dies mit Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR[34]. Das Entzugsverfahren sei nicht willkürlich gewesen sei (E. 19.2), habe den Beschwerdeführer nicht staatenlos werden lassen und auch nicht automatisch dazu geführt, dass er aus der Schweiz weggewiesen und mit einem Einreiseverbot belegt werde (E. 20.2). Der harte Kern der mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte - die politischen Rechte - werde durch Art. 8 EMRK nicht geschützt. Selbst wenn die Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Schweiz durch den Entzug des Bürgerrechts gefährdet und er eines Elements seiner Identität beraubt werde, sei die Massnahme zur Wahrung der nationalen Sicherheit der Schweiz notwendig und daher gemessen an seinen Taten verhältnismässig (E. 20.2). Dies müsse umso mehr gelten, als dass der Beschwerdeführer selbst durch die Unterstützung des Terrorismus das Vertrauensverhältnis, die Loyalität und die Solidarität gegenüber der Schweiz in Frage gestellt und von sich aus die besondere Verbindung, die eine Staatsangehörigkeit darstelle, unwiederbringlich zerrissen habe (E. 20.2).

Die angefochtene Verfügung des SEM, kommt das Gericht zum Schluss, verletze daher weder Bundesrecht noch die EMRK (E. 21).

2. Das Urteil des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erinnerte in seinem Urteil über die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zunächst daran, dass ein Entzug des Schweizer Bürgerrechts nur unter sehr restriktiven Bedingungen zulässig sei. Nur bestimmte Straftaten, die die Interessen der Schweiz konkret und schwer beeinträchtigen, könnten eine solch weitreichende Massnahme rechtfertigen (E. 6.2). Auch das BGer war der Ansicht, dass dabei nicht entscheidend sei, ob sich der Beschwerdeführer selbst an Gewalttaten beteiligt habe. Es genüge, dass er den bewaffneten Dschihad unterstützt und aktiv Propagandaaktionen durchgeführt habe. So habe er eine Gruppe gefördert, die eine Bedrohung für die Sicherheit der Schweiz und der internationalen Gemeinschaft darstelle, und das Risiko möglicher terroristischer Anschläge erhöht. Dies sei eine ernsthafte Gefahr für die Interessen der Schweiz, und insbesondere für ihre Beziehungen zu den europäischen Nachbarstaaten, die bereits von schweren Terroranschlägen getroffen wurden und sich ebenfalls für die Bekämpfung des Terrorismus einsetzten (E. 6.4). Die Voraussetzungen für einen Entzug gemäss Art. 48 aBüG seien daher erfüllt (E. 6.2).

Der Entzug des Bürgerrechts sei weiter verhältnismässig. Das BGer lehnte sich an die Argumentation des BVGers an und machte geltend, dass die Ausbürgerung unabhängig von der Frage der Verhältnismässigkeit anzuwenden sei, da sie als Massnahme im Bundesrecht ausdrücklich vorgesehen und deshalb nach Art. 190 BV[35] für das Bundesgericht und die Bundesbehörden massgeblich ist (E. 7.2). Dem Argument, dass der Entzug weder geeignet noch erforderlich sei um terroristische Handlungen zu verhindern, folgte das Gericht nicht, da sich die Massnahme gegen Personen richte, die noch über eine zweite Staatsangehörigkeit besitzen und mit ihrem Verhalten den Interessen und dem guten Ruf der Schweiz schweren Schaden zugefügt haben. Die Massnahme des Entzugs des Bürgerrechts diene insofern nicht in erster Linie der Prävention künftiger Straftaten, sondern dem Schutz der Neutralität und Souveränität der Schweiz (E. 7.2). Ausserdem stehe die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers einer Verwaltungsmassnahme in Form des Entzugs des Bürgerrechts nicht entgegen. Weiter werde der Beschwerdeführer durch den Entzug weder staatenlos, noch sei sein weiterer Aufenthalt in der Schweiz Gegenstand dieses Verfahrens (E. 7.2). Damit wies auch das Bundesgericht die Beschwerde von U.Y. ab.

V. Diskriminierungsfrei und verhältnismässig? Eine Einordnung ausgewählter Aspekte

Die beiden Urteile bieten Gelegenheit für eine kritische Auseinandersetzung mit der neuen Ausbürgerungspraxis der Schweiz, wobei vorliegend auf zwei Punkte fokussiert werden soll: die mögliche Verletzung des Diskriminierungsverbots (Rz. 22 ff.) und des Verhältnismässigkeitsprinzips (Rz. 25 ff.).

1. Diskriminierende Ungleichbehandlung von Personen mit Doppelbürgerrecht?

Die Rüge einer Verletzung des Diskriminierungsverbots wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem Argument ab, dass die Ungleichbehandlung von Personen mit und ohne Doppelbürgerrecht[36] gesetzlich vorgesehen und notwendig sei, um Staatenlosigkeit zu vermeiden, ohne eine Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV systematisch zu prüfen.

In der Schweiz hat jede:r vierte Bürger:in eine zweite Staatsangehörigkeit. 65% haben ihr Doppelbürgerrecht durch Einbürgerung erhalten.[37] Alternativ entsteht Doppelbürgerrecht durch Geburt bei binationalen Eltern. In der Schweiz haben also in erster Linie Personen mit Migrationsgeschichte mehr als eine Staatsangehörigkeit.[38] In dieser Gruppe sind ethnische und religiöse Minderheiten klar übervertreten. So sind etwa eingebürgerte Doppelbürger:innen sehr viel häufiger muslimischen Glaubens.[39] Der Fall von U.Y., der als Kind von Flüchtlingen aus der Türkei in der Schweiz eingebürgert wurde, ist hier exemplarisch.[40] Folglich trifft die Voraussetzung der zweiten Staatsangehörigkeit beim Entzug des Bürgerrechts überwiegend Personen ausländischer Herkunft und nicht-christlicher Religion.[41]

Eine solche indirekte Ungleichbehandlung anhand der diskriminierungsrelevanten Kriterien der Herkunft oder der Religion bedarf gemäss Art. 8 Abs. 2 BV qualifizierter Rechtfertigungsgründe.[42] Sie ist nur zulässig, wenn sie ein gewichtiges und legitimes öffentliches Interesse verfolgt und gesamthaft geeignet, erforderlich und verhältnismässig ist, um dieses zu erreichen.[43] Das vom BVGer vorgebrachte Argument der Vermeidung von Staatenlosigkeit reicht als Rechtfertigung nicht: Einerseits, weil dies gar nicht das Ziel der Ausbürgerung ist, und andererseits, weil die Wahrung einer völkerrechtlichen Pflicht keine qualifizierte Rechtfertigung für eine völkerrechtlich ebenfalls verpönte Ungleichbehandlung schaffen kann.[44] Ausserdem dürfen diskriminierungsträchtige Ungleichbehandlungen laut Bundesgericht nicht einfach an das Unterscheidungsmerkmal anknüpfen, das die diskriminierte Gruppe gerade definiert.[45] Genau dies tut das Bundesverwaltungsgericht jedoch, wenn es auf die drohende Staatenlosigkeit verweist. Dieses Dilemma kann nur aufgelöst werden und der Entzug des Bürgerrechts nur zulässig sein, wenn sowohl die Pflicht zur Vermeidung der Staatenlosigkeit als auch das Diskriminierungsverbot respektiert werden.[46] Das heisst, dass im Zweifelsfall auf den Entzug zu verzichten ist.

2. Verhältnismässigkeit des Entzugs des Bürgerrechts

Auch die Prüfung der Verhältnismässigkeit des Entzugs des Bürgerrechts im Falle von U.Y. weist nach der hier vertretenen Ansicht nicht die notwendige Tiefe auf. Zunächst fällt auf, dass sich keines der Urteile mit der Frage befasst, ob der alte, hier anwendbare Art. 48 aBüG alleine aber auch Art. 42 BüG i.V.m. Art. 30 BüV eine hinreichend klare und bestimmte gesetzliche Grundlage i.S.v. Art. 36 Abs. 1 BV für einen so schweren Eingriff in geschützte Rechtspositionen darstellt.[47] Die Gerichte scheinen dies implizit zu bejahen und schreiten direkt zur Prüfung der Verhältnismässigkeit. Dabei fokussieren sie über weite Strecken auf die berührten öffentlichen Interessen und die Verwerflichkeit der Handlungen des Beschwerdeführers, ohne die Massnahme vertieft auf ihre Eignung und Erforderlichkeit zu prüfen und den Konsequenzen für U.Y. gegenüberzustellen.

a) Eignung

Die Verhältnismässigkeit einer Massnahme setzt voraus, dass diese geeignet ist, das angestrebte öffentliche Interesse zu realisieren. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert, dass die Eignung des Entzugs gegeben sei, weil das Gesetz den Eingriff vorsehe.[48] Dem kann nicht gefolgt werden. Dass eine behördliche Massnahme durch ein Gesetz vorgesehen ist, schafft eine gesetzliche Grundlage; das bedeutet jedoch nicht, dass sie auch geeignet ist. Bei einer solchen Schlussfolgerung wird die Frage der Eignung mit jener nach der gesetzlichen Grundlage verwechselt.

Unbestritten ist, dass die Ausbürgerung das Ziel verfolgt, die innere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten und ihren guten Ruf zu wahren.[49] Entgegen der Argumentation der Gerichte muss jedoch bezweifelt werden, ob die Ausbürgerung wirklich geeignet ist, diese Ziele zu erreichen.[50] Studien zeigen, dass der Entzug des Bürgerrechts nicht zu mehr Sicherheit führt.[51] Einerseits hindert die Ausbürgerung eine potentiell gefährliche Person in keiner Weise daran, terroristische Taten zu begehen. Es kann im Gegenteil dazu führen, dass sie sich noch weiter radikalisiert.[52] Ausserdem wird durch den Entzug des Bürgerrechts die Strafverfolgung in der Schweiz erschwert.[53] Dies verletzt den Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung.[54]

Auch ist fraglich, wie der Entzug des Bürgerrechts zur Wahrung der inneren Sicherheit beitragen soll, wenn die Person nicht gleichzeitig aus der Schweiz weggewiesen wird.[55] In der Praxis dürfte dem Entzug des Bürgerrechts jedenfalls in der Regel die Wegweisung bzw. ein Einreiseverbot folgen.[56] Eine Ausbürgerung mit dem Ziel der Wegweisung ist jedoch völkerrechtlich verboten.[57] Dieses Dilemma kann nach der hier vertretenen Meinung nicht allein mit dem Hinweis aufgelöst werden, dass die Wegweisung bzw. das Einreiseverbot (noch) nicht ausgesprochen wurde, sondern bedürfte einer vertiefteren Abwägung.[58]

Und selbst wenn mit der Ausbürgerung auch andere Ziele verfolgt werden, stehen einer Wegweisung möglicherweise weitere völkerrechtliche Schranken entgegen, insbesondere das Refoulement-Verbot.[59] Darüber hinaus könnte der Vollzug der Wegweisung mit dem Recht auf Einreise in das eigene Land gemäss Art. 12 Abs. 4 UN-Pakt II[60] kollidieren.[61] Schliesslich ist der Vollzug der Wegweisung immer von der Kooperation des Aufnahmestaats abhängig, sei dies nun der andere Heimatstaat oder ein Drittstaat.[62] Diesen Schwierigkeiten scheinen sich auch die Gerichte bewusst zu sein, wenn sie darauf hinweisen, dass der Entzug des Bürgerrechts in casu nicht automatisch zur Wegweisung führt - ohne daraus jedoch weitere Schlüsse zu ziehen.[63]

Bezüglich des Ziels der Wahrung des guten Rufes und der Neutralität der Schweiz ist zu beachten, dass Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, bei Entscheidungen über das Bürgerrecht die Interessen ihrer Nachbarstaaten zu berücksichtigen.[64] Insofern kann zumindest die Frage aufgeworfen werden, ob das Ansehen der Schweiz nicht eher dadurch geschwächt wird, dass sie im Sinne eines Wettlaufs ihre Staatsangehörigen schnell(er) ausbürgert und das Problem so dem anderen Heimatstaat oder der internationalen Gemeinschaft überlässt.[65] Auch dieser Punkt wird von den Gerichten nicht berücksichtigt.

b) Erforderlichkeit

Bei der Frage der Erforderlichkeit begnügt sich das BVGer mit der plakativen Feststellung, dass sich die Staatsangehörigkeit nur ganz oder gar nicht entziehen lasse, weshalb kein milderes Mittel gegeben sei - ohne darauf einzugehen, ob nicht andere Massnahmen ein milderes Mittel darstellen könnten.[66] Dies ist insbesondere problematisch, weil der Entzug des Bürgerrechts ja nur bei Personen mit Doppelbürgerrecht möglich ist, bei den anderen hingegen auf andere Massnahmen zurückgegriffen werden muss.[67] Ob diese Massnahmen nicht auch für Personen mit Doppelbürgerrecht ein milderes Mittel darstellen würden, wird von den Gerichten jedoch nicht beurteilt.

c) Verhältnismässigkeit i.e.S.

Schliesslich wäre auch eine vertieftere Auseinandersetzung mit der Frage der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne wünschenswert gewesen. Der Beschwerdeführer lebt seit dem Kindesalter in der Schweiz und hat hier seinen Lebensmittelpunkt. Das Bürgerrecht macht - gemäss Rechtsprechung des EGMR - einen wesentlichen Teil seiner sozialen Identität aus.[68] Der Entzug dieses Bürgerrechts hat weitreichende Folgen für die Ausübung der weiteren Grund- und Menschenrechte, die über den Verlust der politischen Rechte hinaus gehen.[69] U.Y. wird, wie das Bundesverwaltungsgericht selbst einräumt, zum «Ausländer» in dem Land, zu dem er die engsten Verbindungen hat.[70] Vor diesem Hintergrund ist aus einer Perspektive, die den menschenrechtlichen Gehalt der Staatsangehörigkeit anerkennt, fraglich ob der Entzug bei Personen der zweiten Ausländergeneration je verhältnismässig sein kann.[71]

Gleichzeitig ist die Schweiz auch das Land, in dem sich U.Y. radikalisiert hat. Dies wirft die Frage auf, ob die Schweiz (im Unterschied zur Türkei) eine gewisse Mitverantwortung für dessen Radikalisierung hat und daher ein geringeres Interesse an dessen Ausbürgerung geltend machen kann.

Auch dieser Aspekt wird in den Urteilen nicht beleuchtet. Stattdessen betonen die Gerichte lediglich die Schwere der Taten des Beschwerdeführers und die Wichtigkeit der Interessen der Schweiz.[72] Eine tatsächliche Interessensabwägung im Sinne der Verhältnismässigkeitsprüfung findet nicht statt. Damit verpassen es das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht einen menschenrechtsbasierten Ansatz für den Entzugs des Bürgerrechts zu etablieren.[73]

VI. Fazit

Die beiden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichts sind die ersten, die sich mit den Voraussetzungen und der Rechtmässigkeit des Entzugs des Schweizer Bürgerrechts auseinandersetzen. Die Gerichte gewähren den Behörden - konkret dem SEM - dabei einen sehr grossen Ermessensspielraum und räumen rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Erwägungen nur wenig Gewicht ein. Insbesondere das Urteil des Bundesgerichts fällt angesichts der Komplexität der sich stellenden Rechtsfragen sehr kurz aus. Dies obwohl sich, wie vorliegend aufgezeigt, auf Grundlage des Diskriminierungsverbots wie auch des Verhältnismässigkeitsprinzips grundlegende Zweifel an der Rechtmässigkeit des Entzugs des Bürgerrechts ergeben. Aus menschenrechtlicher Sicht erscheint fraglich, ob der Entzug des Bürgerrechts bei einer in der Schweiz geborenen Person je verhältnismässig sein kann.[74] In jedem Fall müssten die Voraussetzungen für den Entzug des Bürgerrechts, was die Schwere der Anlasstat und die Gewichtung der einander gegenüberstehenden Interessen angeht, deutlich schwieriger sein, als dies vorliegend angenommen wurde.[75]

Darüber hinaus lässt sich anhand des Falles von U.Y. einmal mehr aufzeigen, wie sich im Bereich der terroristischen Gefährder verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Sanktionen zunehmend verschränken[76] und sich die Sanktionierung ins Verwaltungsrecht und insbesondere ins Migrationsrecht verschiebt - unter Aushebelung der strafrechtlichen Verfahrensrechte.[77] Diese Entwicklung ist aus rechtsstaatlicher Sicht äusserst bedenklich, droht sie doch, etablierte menschenrechtliche Garantien zu untergraben. Sie verstärkt längerfristig bestehende Ungleichheiten, die Marginalisierung bestimmter Minderheiten, namentlich von Migrant:innen und Menschen muslimischen Glaubens, und birgt die Gefahr, dass sich mehr Personen radikalisieren statt weniger.

Für Personen mit Doppelbürgerrecht droht mit der (Wieder)anwendung des Entzugs des Bürgerrechts nicht nur die Schaffung eines «Feindstrafrechts».[78] Es führt letztlich auch dazu, dass das Bürgerrecht seinen Charakter als bedingungsloser und rechtsgleicher Status verliert.[79] Personen mit Doppelbürgerrecht müssen damit rechnen, dass ihnen das Bürgerrecht jederzeit entzogen werden kann, wenn ihr Handeln als Verletzung der Interessen oder des Ansehens der Schweiz gesehen wird. Wenn das Bürgerrecht jedoch nicht mehr für alle die gleichen Rechte und den gleichen Schutz beinhaltet, dann gefährdet dies den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Funktionieren der Schweizer Demokratie.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen müsste die Schwelle für einen Entzug des Bürgerrechts wesentlich höher angesetzt werden, als dies das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht in ihren Urteilen angenommen haben - wenn es denn überhaupt eine Konstellation geben kann, in dem ein Entzug des Bürgerrechts aus menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Sicht unproblematisch ist.



[1] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F‑5427/2019 vom 31. Mai 2021.

[2] Urteil des Bundesgerichts 1C_457/2021 vom 25. März 2022.

[3] Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (BüG; SR 141.0), in Kraft seit 1. Januar 2018.

[4] Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (aBüG; AS 1952 1087).

[5] Die Begriffe «Entzug des Bürgerrechts» und «Ausbürgerung» werden im Folgenden synonym verwendet, genauso wie die Begriffe «Bürgerrecht» und «Staatsangehörigkeit».

[6] Eine kurze Darstellung findet sich in Andjela Nikitic / Thomas Schaad / Barbara von Rütte / Fanny de Weck / Alberto Achermann, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des Ausländer- und Bürgerrechts, in: Achermann/Boillet/Caroni/Epiney/Künzli/Uebersax (Hrsg.), Jahrbuch für Migrationsrecht 2020/2021, Bern 2021, S. 233 ff.; Dominique Tran / Thomas Schaad / Barbara von Rütte / Fanny de Weck / Alberto Achermann, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Bereich des Ausländer- und Bürgerrechts, in: Achermann/Boillet/Caroni/Epiney/Künzli/Uebersax (Hrsg.), Jahrbuch für Migrationsrecht 2021/2022, Bern 2022, S. 145 ff.; Alicia Giraudel, Im Namen der Sicherheit, Jusletter vom 17. April 2023, S. 14 ff.

[7] Matthew J. Gibney, Denationalisation and Discrimination, Journal of Ethnic and Migration Studies 2020, S. 2559; Audrey Macklin, Citizenship Revocation, the Privilege to Have Rights and the Production of the Alien, Queen's Law Journal 2014, S. 7 ff.

[8] Laurent Merz / Barbara von Rütte, § 22 Staatsangehörigkeitsrecht, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser/Vetterli (Hrsg.), Ausländerrecht. Eine umfassende Darstellung der Rechtsstellung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz. Von A(syl) bis Z(ivilrecht), Basel 2022, Rz. 22.15. Keine Geltung hatte dieser Grundsatz für Schweizerinnen, die bis 1965 ihr Bürgerrecht verloren, wenn sie einen ausländischen Mann heirateten. Der Grundsatz der Unverlierbarkeit wurde durch die Möglichkeit der Nichtigerklärung der Einbürgerung durchbrochen (Art. 36 BüG). Bei der Nichtigerklärung wegen Erschleichens der Einbürgerung durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen handelt es sich dogmatisch gesehen nicht um einen Verlust oder Entzug, sondern um einen Widerruf der Erteilung des Bürgerrechts. Vgl. zur Rechtsnatur der Nichtigerklärung Daniel Moeckli, «Auf unehrliche Weise in unseren Staatsverband eingeschlichen»: die Nichtigerklärung der Einbürgerung, ZSR 2019, S. 381 ff.

[9] So noch ausdrücklich Art. 43 der Bundesverfassung von 1848. Vgl. auch Nicole Schwalbach, Ausbürgerung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, in: Studer/Arlettaz/Argast (Hrsg.), Das Schweizer Bürgerrecht: Erwerb, Verlust, Entzug von 1848 bis zur Gegenwart, Zürich 2008, S. 265 ff.; Rainer J. Schweizer / Christina Müller / Luciano Gees, Doppel- und Mehrbürgerschaften sowie deren Entzug im schweizerischen Recht, europa ethnica 2019, S. 38.

[10] Bundesratsbeschluss über Änderung der Vorschriften über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 20. Dezember 1940, (AS 56 2027); Bundesratsbeschluss über Änderung der Vorschriften über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 11. November 1941 (AS 57 1257); Bundesratsbeschluss über Ausbürgerung vom 18. Mai 1943 (AS 59 398).

[11] Vgl. dazu Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 9. August 1951 (BBl 1951 II 669), S. 704 f.

[12] Botschaft vom 4. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (BBl 2011 2825), S. 2865. Vgl. weiter Staatssekretariat für Migration (SEM), Handbuch Bürgerrecht für Gesuche bis 31.12.2017, Kapitel 2: Verfahrensablauf und Arten des Erwerbs und Verlusts des Bürgerrechts, S. 16.

[14] Botschaft Totalrevision BüG (Fn. 12), S. 2865; Barbara von Rütte, Das neue Bürgerrechtsgesetz, Anwaltsrevue 2017, S. 211.

[15] Motion Romano vom 11. September 2014 (14.3705) Aberkennung des Schweizer Bürgerrechts bei Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft; Parlamentarische Initiative Brunner vom 26. September 2014 (14.450) Entzug des Schweizer Bürgerrechts für Söldner. Die Vorstösse wurden mit dem Argument abgelehnt, dass ein Bürgerrecht auf Probe ein duales Bürgerrechtssystem schaffen würde, das nicht mit verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben vereinbar wäre und ausserdem nicht geeignet sei internationalen Terrorismus zu bekämpfen, vgl. Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerats vom 3. Mai 2016 zur Parlamentarischen Initiative Brunner (14.450). Tiefenthal argumentiert, dass die Möglichkeit des Entzugs des Bürgerrechts nur nach diesen Vorstössen überhaupt erst wiederentdeckt wurde, vgl. Jürg M. Tiefenthal, Ausbürgerung terroristischer Kämpfer: Möglichkeiten nach der geltenden und nach der revidierten Bürgerrechtsgesetzgebung, AJP 2017, S. 81.

[16] Als «Gefährder» gilt eine Person, «wenn aufgrund konkreter und aktueller Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass sie oder er eine terroristische Aktivität ausüben wird», Art. 23e Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 21. März 1997 (BWIS; SR 120). «Foreign terrorist fighters» werden in Resolution 2178 (2014) des UNO-Sicherheitsrats vom 24. September 2014 definiert.

[17] Alberto Achermann, Kurzgutachten zuhanden des Staatssekretariates für Migration zum Entzug des Bürgerrechts nach Artikel 48 BüG, Bern 2015.

[18] Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht vom 17. Juni 2016 (BüV; SR 141.01).

[19] Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).

[20] Fanny de Weck, in: Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/de Weck (Hrsg.), OFK Kommentar Migrationsrecht, 5. Aufl., Zürich 2019, BüG Art. 42 N 1.

[21] Die Formulierung der Ausnahmeklausel entspricht dem Grundsatz des «not willigung or able» aus dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, vgl. Erläuternder Bericht Entwurf zur Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz vom April 2016, S. 34.

[23] Fünf Fälle sind aus den Medien bekannt. Neben den beiden gleich genannten Fällen betrifft dies den Fall eines schweizerisch-italienischen Doppelbürgers, der sich dem IS angeschlossen hat und in Syrien verstorben ist, weshalb das Entzugsverfahren eingestellt werden musste; weiter der Fall eines schweizerisch-spanischen Doppelbürgers, bei dem das Entzugsverfahren eingestellt werden musste, weil der betroffene Mann das spanische Bürgerrecht aufgrund des Auslandwohnsitzes bereits bei seinem 18. Geburtstag verloren hatte; und schliesslich den Fall des schweizerisch-guatemaltekischen Doppelbürgers Erwin Spereisen, der nach einer Anklage wegen Folter und Mordes in die Schweiz geflohen war, um einer Strafverfolgung in Guatemala zu entgehen. Das SEM verzichtete in letzterem Fall auf den Entzug.

[24] Zum einen im hier diskutierten Fall von U.Y. und, zum anderen, im Fall einer französisch-schweizerischen Doppelbürgerin, der das Bürgerrecht entzogen wurde, nachdem sie sich in Syrien dem IS angeschlossen hatte. Ihr wurde das Bürgerrecht in Abwesenheit gestützt auf Art. 42 BüG i.V.m. Art. 30 Abs. 2 Satz 2 BüV entzogen, ohne dass sie Beschwerde erhoben hätte (FF 2019 8286). Kurz darauf hat das SEM gestützt auf Art. 67 Abs. 4 AIG (Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 [Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20]) ein Einreiseverbot erlassen (FF 2020 1235).

[25] Institute on Statelessness and Inclusion (ISI)/Global Citizenship Observatory (GLOBALCIT), Instrumentalising Citizenship in the Fight against Terrorism. A Global Comparative Analysis of Legislation on Deprivation of Nationality as a Security Measure, Eindhoven 2022, S. 10. Weiter Sangeetha Pillai / George Williams, Twenty-First Century Banishment: Citizenship Stripping in Common Law Nations, International and Comparative Law Quarterly 2017, S. 521 ff.; Rainer Bauböck / Vesco Paskalev, Cutting Genuine Links: A Normative Analysis of Citizenship Deprivation, Georgetown Immigration Law Journal 2015, S. 47 ff.; Gibney (Fn. 7), S. 2560; Christian Joppke, Terror and the Loss of Citizenship, Citizenship Studies 2016, S. 428 ff.; Sandra Mantu, 'Terrorist' citizens and the human right to nationality, Journal of Contemporary European Studies 2018, S. 28 ff.

[26] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021, B.

[27] Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen vom 12. Dezember 2014 (Al-Qaïda-Gesetz; SR 122).

[28] Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2017.39 vom 18. August 2017. Vgl. auch Carlos Hanimann, «Selbst wer mit dem Teufel tanzt, hat das Recht auf Rechte», Republik vom 4. Oktober 2019.

[29] «Jabhat Al-Nusra» ist eine dschihadistisch-salafistische Organisation, die unter anderem in Syrien aktiv ist und gegen das Assad-Regime kämpft. Die Organisation wird von der UNO als Terrororganisation gelistet. UNO-Sicherheitsrat, Security Council ISIL (Da'esh) and Al-Qaida Sanctions Committee, ISIL (Da'esh) & Al-Qaida Sanctions List based on Resolution 2610 (2021).

[30] Urteil des Bundesgerichts 1C_457/2021 vom 25. März 2022, C. Vgl. auch Kurt Pelda, «Das ist der Terrorhelfer, der den Schweizer Pass verliert», Tagesanzeiger vom 12. September 2019.

[32] Vgl. für eine detaillierte Diskussion der Rügen und der Erwägungen des Gerichts Nikitic et al. (Fn. 6), S. 233 ff.

[33] Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101).

[34] Namentlich die Fälle Ramadan gegen Malta(Urteil des EGMR 76136/12 vom 17. Oktober 2016), K2 gegen das Vereinigte Königreich (Urteil des EGMR 42387/13 vom 9. März 2017) und Ghoumid et al. gegen Frankreich (Urteil des EGMR 52273/16, 52285/16, 52290/16, 52294/16, 52302/16 vom 25. Juni 2020). Vgl. weiter auch Urteil des EGMR 43936/18 vom 22. Dezember 2020 (Usmanov gegen Russland) und Urteil des EGMR 74411/16 vom 22. Januar 2019 (Said Abdul Salam Mubarak gegen Dänemark). Der EGMR hat einen Prüfstandard entwickelt, wonach der Entzug zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen kann, wenn dieser willkürlich erfolgt ist oder unverhältnismässige Auswirkungen auf das Privatleben der betroffenen Person hat. Die Schwelle für einen unzulässigen Eingriff ist äusserst hoch: Sofern eine gesetzliche Grundlage besteht, das rechtliche Gehör gewahrt wird, der Entscheid vor einer gerichtlichen Instanz angefochten werden kann und keine Rechtsverzögerung vorliegt, sieht der Gerichtshof in der Regel keine Willkür (EGMR, Usmanov gegen Russland, Ziff. 63). Strassburg hat sich auf den fragwürdigen Standpunkt gestellt, dass Personen, die terroristische Taten begangen haben, die Folgen ihres Handelns selbst verantworten müssen und der Entzug der Staatsangehörigkeit verhältnismässig sei, solange dies nicht zur Staatenlosigkeit oder unmittelbar zur Wegweisung führe (EGMR, Ghoumid et al. gegen Frankreich, Ziff. 50).

[35] Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101).

[36] Dies schliesst auch Personen mit Mehrfachbürgerrecht ein.

[37] Bundesamt für Statistik, Doppelbürgerschaft.

[38] Vgl. zum Zusammenhang zwischen Doppelbürgerrecht und Zuwanderung Joachim Blatter / Martina Sochin D'Elia/ Michael Buess, Bürgerschaft und Demokratie in Zeiten transnationaler Migration: Hintergründe, Chancen und Risiken der Doppelbürgerschaft, Studie im Auftrag der Eidgenössischen Migrationskommission EKM, Bern 2018, S. 23 ff. M.w.H. auch Christian Prener, The dichotomy within denationalisation: Perpetuating or emancipating from its discriminatory past?, International Journal of Discrimination and the Law 2022, S. 306.

[39] Blatter/Sochin D'Elia/Buess (Fn. 38), S. 46.

[40] Interessanterweise verzichtete das SEM dagegen im Fall des schweizerisch-guatemaltekischen Doppelbürgers Erwin Spereisen, dessen Vorfahren aus der Schweiz ausgewandert waren, auf den Entzug des Bürgerrechts (vgl. Fn. 23). Auf die Fragen rund um die Priorisierung des Abstammungsprinzips (jus sanguinis) und möglicher rassistischer Elemente in diesem Fall kann vorliegend jedoch nicht weiter eingegangen werden.

[41] Mit Blick auf andere europäische Staaten: Laura van Waas / Sangita Jaghai, All Citizens are Created Equal, but Some are More Equal than Others, Netherlands International Law Review 2018, S. 420; Tom L. Boekestein / Gerard-René de Groot, Discussing the human rights limits on loss of citizenship: a normative-legal perspective on egalitarian arguments regarding Dutch Nationality laws targeting Dutch-Moroccans, Citizenship Studies 2019, S. 325; Gibney (Fn. 7), S. 2564 ff.; Yossi Harpaz, Compensatory Citizenship: Dual Nationality as a Strategy of Global Upward Mobility, Journal of Ethnic and Migration Studies 2019, S. 898; Wadie E. Said, The Destabilizing Effect of Terrorism in the International Human Rights Regime, UCLA Law Review 2020, S. 1810.

[42] BGE 135 I 49 E. 4.1; vgl. auch Prener (Fn. 38), S. 312. Nicht nur Art. 8 BV verbietet Diskriminierung im Zusammenhang mit der Ausbürgerung. Ein Diskriminierungsverbot explizit in Bezug auf das Bürgerrecht findet sich etwa auch in Art. 5(d)(iii) RDK (Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, abgeschlossen in New York am 21. Dezember 1965 [Rassendiskriminierungskonvention, RDK; SR 0.104]) und in Art. 9 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (von der Schweiz nicht ratifiziert), dazu m.w.H. Barbara von Rütte, The Human Right to Citizenship, Leiden 2022, S. 230 ff.

[43] BGE 135 I 49 E. 6.1. So auch der UNO-Antirassismusausschuss, General Recommendation No. 30 on Discrimination Against Non-Citizens vom 5. August 2002, Ziff. 4; Urteil des EGMR 38590/10 vom 24. Juni 2016 (Biao gegen Dänemark).

[44] Prener (Fn. 38), S. 316 f.; Boekestein/de Groot (Fn. 41), S. 326. Vgl. auch van Waas/Jaghai (Fn. 41), S. 427; Gibney (Fn. 7), S. 2562 f.

[46] Ähnlich Peter Uebersax / Roswitha Petry / Constantin Hruschka / Nula Frei / Christoph Errass, Migrationsrecht In a Nutshell, Zürich 2021, S. 366; Giraudel (Fn. 6), S. 22; Tiefenthal (Fn. 15), S. 89; Merz/von Rütte (Fn. 8), Rz. 22.97.

[47] So auch Achermann (Fn. 17), S. 19. Vgl. Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 43; Tran et al. (Fn. 6), S. 148; Giraudel (Fn. 6), S. 16. Bejahend in Bezug auf Art. 42 BüG i.V.m. Art. 30 BüV Tiefenthal (Fn. 15), S. 84.

[48] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2.

[49] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 16.

[51] Vgl. m.w.H. Maarten P. Bolhuis / Joris van Wijk, Citizenship Deprivation as a Counterterrorism Measure in Europe, European Journal of Migration and Law 2020, S. 364; Lucia Zedner, Citizenship Deprivation, Security and Human Rights, (2016) 18 European Journal of Migration and Law 2016, S. 242; Prener (Fn. 38), S. 314; weiter Sandra Krähenmann, Foreign Fighters under International Law, Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights Briefing No. 7, Genf 2015; Parlamentarische Versammlung des Europarats PACE, Withdrawing nationality as a measure to combat terrorism: a human rights-compatible approach?, Bericht Nr. 14790 vom 7. Januar 2019, Ziff. 51.

[52] Zedner (Fn. 51), S. 240 f.; PACE (Fn. 51), Ziff. 51.

[53] Krähenmann (Fn. 51), S. 51; Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 41; Bolhuis/van Wijk (Fn. 51), S. 364; Giraudel (Fn. 6), S. 19. Vgl. auch Bericht SPK-N (Fn. 15), S. 2.

[54] Art. 4 Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005 (SR 0.311.61); vgl. auch PACE (Fn. 51), Ziff. 49; Giraudel (Fn. 6), S. 17.

[55] Vgl. auch Prener (Fn. 38), S. 313.

[56] So wurde im anderen rechtskräftigen Ausbürgerungsfall unmittelbar nach Entzug des Bürgerrechts ein Einreiseverbot verhängt, FF 2020 1235.

[57] Art. 8 der Draft Articles on the Expulsion of Aliens der Völkerrechtskommission der UN aus dem Jahr 2014 anerkennen das Verbot des Entzugs der Staatsangehörigkeit zum blossen Zweck der Ausweisung von eigenen Staatsangehörigen als Gewohnheitsrecht an. Vgl. auch Mantu (Fn. 25), S. 30.

[58] Anders jedoch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2, und Urteil des Bundesgerichts 1C_457/2021 vom 25. März 2022 E. 7.2 und offenbar auch der EGMR in Ghoumid et al. gegen Frankreich, Ziff. 50, und Ramadan gegen Malta, Ziff. 90.

[59] So auch Nikitic et al. (Fn. 6), S. 238; Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 44; Benjamin Märkli / Damian Wyss, Ausschaffungs-Motion: Volltreffer oder Rohrkrepierer, AJP 2019, S. 550 ff. Vgl. auch Urteil des EGMR 19576/08 vom 3. Dezember 2009 (Daoudi gegen Frankreich).

[60] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II; SR 0.103.2).

[61] Vgl. zum Recht auf Einreise in das eigene Land, UN-Menschenrechtsausschuss, General Comment No. 27: Article 12 (Freedom of Movement), 1999, Ziff. 12, sowie Entscheidung Nr. 538/1993 des UN-Menschenrechtsausschusses vom 16. Dezember 1996, Ziff. 12.4, und m.w.H. Babak Fargahi, Das Konzept des eigenen Landes gemäss Art. 12 Abs. 4 UNO-Pakt II im Lichte der Strassburger sowie der Schweizer Wegweisungspraxis gegenüber Ausländern der zweiten Generation, Zürich 2016.

[62] Bolhuis/van Wijk (Fn. 51), S. 355 f.

[63] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2; Urteil des Bundesgerichts 1C_457/2021 vom 25. März 2022 E. 7.2.

[64] Dazu analog zur extraterritorialen Verleihung der eigenen Staatsangehörigkeit Anne Peters, Extraterritorial Naturalizations: Between the Human Right to Nationality, State Sovereignty and Fair Principles of Jurisdiction, German Yearbook of International Law 2010, S. 674. Vgl. auch die The Ljubljana Guidelines on Integration of Diverse Societies der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aus dem Jahr 2012, Ziff. 33.

[65] Ähnlich bezüglich der Schweiz auch Uebersax et al. (Fn. 46), S. 366; Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 45; Giraudel (Fn. 6), S. 17; international: Bauböck/Paskalev (Fn. 25), S. 72; Macklin (Fn. 7), S. 52; Leslie Esbrook, Citizenship Unmoored: Expatriation as a Counter-Terrorism Tool, University of Pennsylvania Journal of International Law 2016, S. 1306.

[66] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2. Als milderes Mittel wären etwa Reiseverbote, Ein- oder Ausgrenzungen, Hausarrest oder Meldepflichten gemäss BWIS denkbar, vgl. Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 45. Siehe weiter auch Boekestein/de Groot (Fn. 41), S. 327; van Waas/Jaghai (Fn. 41), S. 425; Esbrook (Fn. 65), S. 1312 ff. Die möglichen Massnahmen wurden mit Annahme des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus vom 25. September 2020 (PMT, AS 2021 565) und der neuen Terrorismusstrafnormen im Strafgesetzbuch (AS 2021 360) deutlich erweitert (dazu kritisch Markus Mohler, Dem PMT-Gesetz fehlt die Verfassungsgrundlage, sui generis 2021, S. 61 ff.; Kastriot Lubishtani / Hadrien Monod, «Mesures policières de lutte contre le terrorisme», Sicherheit & Recht 2020, S. 19 ff.). Aller rechtsstaatlicher Bedenken gegenüber den Massnahmen in diesem Bereich zum Trotz erscheint eine Verfolgung von terroristischen Taten über das Straf- und über das Polizeirecht sinnvoller als der Rückgriff auf das Bürgerrecht, ähnlich auch PACE (Fn. 51), Ziff. 50.

[67] Dazu auch Christophe Paulussen, Stripping foreign fighters of their citizenship: International human rights and humanitarian law considerations, International Review of the Red Cross 2021, S. 7; Prener (Fn. 38), S. 314; Giraudel (Fn. 6), S. 18.

[68] Urteil des EGMR 53124/09 vom 11. Oktober 2011 (Genovese gegen Malta).

[69] So auch Boekestein/de Groot (Fn. 41), S. 328; Bolhuis/van Wijk (Fn. 51), S. 352; Zedner (Fn. 51), S. 230.

[70] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2.

[71] So auch Achermann (Fn. 17), S. 18; Uebersax et al. (Fn. 46), S. 366. Vgl. dazu und zur Staatsangehörigkeit als Menschenrecht von Rütte (Fn. 42), S. 391 ff.

[72] Der Hinweis des BVGers, dass U.Y. das Schweizer Bürgerrecht gar nicht erhalten hätte, wenn er die fraglichen Handlungen vor der Einbürgerung begangen hätte (E. 17.2), ist nicht nachvollziehbar, da die Schwelle für einen Entzug deutlich höher anzusetzen ist, als für die Einbürgerung, vgl. Erläuternder Bericht (Fn. 21), S. 33.

[73] Zur Notwendigkeit eines grund- und menschenrechtlichen Zugangs Schweizer/Müller/Gees (Fn. 9), S. 44.

[74] So auch Giraudel (Fn. 6), S. 19.

[75] Botschaft Totalrevision BüG (Fn. 12), S. 2865. Insofern kann der Hinweis des BVGer, dass die Taten von U.Y. einer Einbürgerung entgegengestanden hätten, nur ins Leere führen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts F-5427/2019 vom 31. Mai 2021 E. 17.2).

[76] Vgl. Markus Mohler, PMT-Gesetz: Verfahren und Zweckerreichung, sui generis 2021, S. 174 f. Weiter auch Gerhard Fiolka / Luzia Vetterli, Die Landesverweisung nach Art. 66a StGB als strafrechtliche Sanktion, Plädoyer 2016, S. 82 ff.

[77] Dies wird besonders deutlich in Fällen, in denen sich die betroffene Person im Ausland befindet und das Entzugsverfahren in absentia stattfindet, vgl. auch Giraudel (Fn. 6), S. 3 f.; Zedner (Fn. 51), S. 227; Boekestein/de Groot (Fn. 41), S. 328; Mantu (Fn. 25), S. 38; Milena Tripkovic, Renouncing criminal citizens: Patterns of denationalization and citizenship theory, Punishment & Society 2023, S. 370.

[78] Mohler, PMT-Gesetz (Fn. 76), S. 173 f.

[79] Vgl. auch Mantu (Fn. 25), S. 38 f.