I. Einführung
Jürg Fisch unternimmt in seiner Dissertation[1] nichts geringeres, als Dogmatik und Rechtsprechung in zwei weitläufigen Rechtsgebieten als inkohärent und unbefriedigend auseinanderzunehmen und je eine Alternative vorzuschlagen. Diese beiden Gebiete sind der sachliche Schutzbereich der Eigentumsgarantie einerseits und das ausservertragliche Haftpflichtrecht andererseits. Die Schnittmenge dieser auf den ersten Blick voneinander entlegenen Gebiete bildet nach Fischs Argumentation die Frage der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden, die er neugestalten will.
In aller Kürze zusammengefasst lautet seine These wie folgt: Die indirekte Drittwirkung von Grundrechten (Art. 35 Abs. 3 BV[2]) verpflichte den Staat, sein Haftpflichtrecht so auszugestalten, dass die Grundrechte der Beteiligten gewährleistet werden, darunter die Eigentumsgarantie. Das Eigentum im grundrechtlich geschützten Sinne kann sich dabei nach Fisch nicht aus dem Rahmen der Rechtsordnung ergeben. Hier spielt Art. 35 BV das zweite Mal in Fischs Gedankengang eine Schlüsselrolle. Da die Grundrechte auch den Gesetzgeber binden, müsse das Eigentum dem Gesetzgeber «vorausliegen». Ansonsten - wenn dem Gesetzgeber also alle Aspekte des Eigentums zur Disposition stünden - habe die Eigentumsgarantie in letzter Konsequenz gar keinen eigenen Gewährleistungsgehalt. Wenn das Eigentum vorgesetzlich sei, dann müsse die Eigentumsgarantie weit gefasst sein und auch die einer Person gehörenden Vermögenswerte umfassen. Zwar geht Fisch nicht so weit, das Vermögen an sich dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie zu unterstellen, da dieses lediglich die wertmässige Summe, der einer Person gehörenden Vermögenswerte darstelle.[3] So wehrt er sich etwa gegen die Ansicht, dass eine Besteuerung ein Eingriff in die Eigentumsgarantie darstelle, weil nicht in einen spezifischen Vermögenswert eingegriffen werde.[4] Dennoch liege in der Ausgestaltung eines Haftpflichtrechtes, das reine Vermögensschäden nicht entschädige, ein (mittelbarer) Eingriff in die Eigentumsgarantie, weil die Eigentumsgarantie auch ein Abwehrrecht gegen den Staat als Konfliktregler beinhalte, ein Recht, das darin bestehe von diesem nicht übermässige Duldungspflichten auferlegt zu erhalten.[5] Es seien aber differenziertere Widerrechtlichkeitskonzepte möglich, als solche, die reine Vermögensschäden generell von der Widerrechtlichkeit ausschlössen. Ihr genereller Ausschluss sei daher unverhältnismässig. Im Übrigen fehle es dieser Ausgestaltung des Haftpflichtrechtes an einer gesetzlichen Grundlage. Der Grundsatz, dass reine Vermögensschäden nicht ersatzfähig seien, hätte nämlich, wie im deutschen Recht (dort § 823 BGB[6]), im geschriebenen Recht festgehalten werden können, was der Gesetzgeber aber unterlassen habe.[7] Im Ergebnis liege daher in der Nichtersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden eine Verletzung der Eigentumsgarantie.[8]
Dieser dogmatische Husarenritt ist stellenweise von beeindruckender argumentativer Eleganz und Stringenz. An anderen Stellen ist man als Leser etwas ratlos, was die praktische Relevanz des Problems angeht, insbesondere, wie gross die Lücke ist, die durch den alternativen Widerrechtlichkeitsmassstab geschlossen werden könnte, den Fisch vorschlägt.
Dass man beim Lesen hin und wieder den Faden verliert, hat auch mit dem Aufbau der Arbeit zu tun, die aus drei Teilen besteht. Der erste, kürzeste Teil verteidigt das Konzept der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten (gegen ein Konzept der unmittelbaren Drittwirkung). Im zweiten Teil begründet Fisch, warum die Schrankentheorie des Eigentums als Grundlage des sachlichen Schutzbereiches der Eigentumsgarantie den Vorzug vor der Immanenztheorie verdiene. Die Schrankentheorie vertritt die Ansicht, das Eigentum bestehe vorgesetzlich und die gesetzliche Beschränkung des Eigentums stelle einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in dieses dar (in Fischs Variante bezieht sich die Schrankentheorie ausschliesslich auf das Eigentum, das gegenüber dem Staat geschützt ist, nicht auf das privatrechtliche Eigentum; jenes ergibt sich bei ihm aus dem Gesetz). Die Immanenztheorie[9] geht demgegenüber davon aus, das Eigentum ergebe sich erst aus seinem gesetzlichen Rahmen; die gesetzlichen Beschränkungen des Eigentums seien diesem also immanent. Zum Ende des zweiten Teiles steht für Fisch also fest, dass durch die Nichtersetzung reiner Vermögensschäden ein Grundrechtseingriff vorliege.
Der dritte Teil, deutlich länger als die anderen beiden Teile zusammen, nimmt dann - über 240 Seiten - eine Grundrechtsprüfung vor. Die Prüfung der gesetzlichen Grundlage, des öffentlichen Interesses und der Kerngehaltswahrung machen dabei keine zehn Seiten aus. Der Rest ist Verhältnismässigkeitsprüfung. Alle Auseinandersetzung mit der haftpflichtrechtlichen Dogmatik, die detaillierte Entwicklung eines eigenen Widerrechtlichkeitsmassstabes, eine ausführliche Demonstration dieses Massstabes an tatsächlichen und fiktiven Fällen, sind in eine epische Verhältnismässigkeitsprüfung mit hinein verpackt. Nichts ist vor die Klammer gezogen. Weil eine Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen und Fallgruppen gleichzeitig untersucht wird, steht immer wieder die Verhältnismässigkeit ganz unterschiedlicher Eingriffe infrage.
Dieser etwas schwerfällige Aufbau wird durch eine grosse Eleganz der Argumentation in den besten Passagen der Arbeit mehr als wettgemacht. Am beeindruckendsten sind die Stringenz und das grosse Selbstvertrauen der Argumentationsweise bei der Demontage der bundesgerichtlichen Dogmatik zur Eigentumsgarantie. Besonders hilfreich und konzise ist die Nachzeichnung der Rechtsprechung, die dokumentiert, wie das Schrankenmodell, ohne sich ganz durchsetzen zu können, in der Rechtsprechung auf ganz unterschiedlichen Wegen allmählich an Boden gewonnen hat.[10] Das liegt daran, dass der Autor weniger die praktische Wünschbarkeit der Ergebnisse der Rechtsprechung im Blick hat, als ihre dogmatische Kohärenz,[11] und daher gnadenlos ist im Aufdecken von Widersprüchen.
II. Sezierung des Immanenzmodells
Fisch versucht, einen verfassungsmässigen Eigentumsbegriff konsequent von einem privatrechtlichen zu trennen. Nur für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff nimmt er Vorgesetzlichkeit an und nur für diesen greift er in der Folge das Immanenzmodell an. Der Angriff baut auf einem historischen, einem teleologischen und einem systematischen Argument auf. Das historische Argument lautet, dass in den Vorentwürfen zu einer Eigentumsgarantie von 1977 (Entwurf für eine Totalrevision)[12] und 1985 (Modellstudie des EJPD)[13] die Bestimmungsmacht des Gesetzgebers noch im Wortlaut der Bestimmung enthalten war, schlussendlich aber nicht übernommen wurde. Diese Nichtübernahme müsse ein bewusster Entscheid des Verfassungsgebers gegen ein Immanenzmodell gewesen sein.[14] Das teleologische Argument geht davon aus, im Immanenzmodell habe die Eigentumsgarantie gar keinen eigenen Gewährleistungsgehalt mehr. Alles, was sie noch schütze, sei der Anspruch auf rechtmässiges Verhalten der rechtsanwendenden Behörden. Aber das ergebe sich auch schon aus dem Legalitätsprinzip. Ein Eigentumskonzept, das nicht auch gegen den Gesetzgeber schütze, nehme der Norm daher ihren Sinn.[15]
Das systematische Argument bezieht sich zunächst auf das Erfordernis der vollen Entschädigung von Enteignungen (Art. 26 Abs. 2 BV). Dieses könnte gar nicht die verfassungsrechtliche Grundlage einer Entschädigungspflicht darstellen, wenn der Schutzbereich der Eigentumsgarantie weder durch eine materielle, noch durch eine formelle Enteignung berührt wäre, solange für die Schmälerung des Eigentums nur eine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. Die gesetzliche Grundlage würde dann stets das Eigentum in seinem Umfang neu gestalten,[16] statt in dieses einzugreifen. Zudem stehe das Immanenzmodell in einem unauflöslichen Konflikt zum Prinzip, dass an die Grundrechte gebunden sei, wer staatliche Aufgaben wahrnehme (Art. 35 Abs. 2 BV), weil dieses auch den Gesetzgeber (der mit der Gesetzgebung eine staatliche Aufgabe wahrnehme) an die Grundrechte binde, was wiederum nicht möglich wäre, wenn der Gesetzgeber selber den sachlichen Schutzbereich der Grundrechte gestalten könnte.[17] Ein ähnliches systematisches Argument entwickelt Fisch auch mit Bezug auf das Schranken-Schranken-Modell von Art. 36 BV. Wenn jede Beschränkung subjektiver vermögenswerter Rechte gleichzeitig eine Gestaltung des Eigentums bedeute, dann laufe Art. 36 BV leer, weil gar kein Eingriff in den Schutzbereich vorliege.[18]
Der übliche Umgang mit diesem Problem besteht darin, dass gesetzgeberische Interventionen eingeteilt werden in solche, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, und solche, die in diesen Inhalt eingreifen.[19] Diese Unterteilung stellt einen Kompromiss dar zwischen Immanenz- und Schrankentheorie, indem sie davon ausgeht, dass manche gesetzliche Regeln den Inhalt des Eigentums erst bestimmen, dass die Eigentumsgarantie hingegen in anderen Fällen auch gegen den Gesetzgeber schütze. Fisch erwägt einige Möglichkeiten zu einem solchen Kompromiss, verwirft diese aber.[20] Angesichts der offensichtlichen Probleme, die beide Theorien mit sich bringen, wäre die Suche nach einer Trennlinie zwischen Eingriffs- und Konkretisierungsnormen und damit nach einem Kompromiss vielleicht einen vertieften Versuch wert gewesen. Allerdings ist Fisch zugutezuhalten, dass diese Grenzziehung bisher nie überzeugend gelungen ist.[21] Sein eigener, alternativer Kompromissvorschlag besteht im Übrigen darin, zwischen einem verfassungsrechtlichen und einem privatrechtlichen Eigentum strikt zu trennen und die Immanenztheorie anzuwenden, wo es um ein horizontales Bürgerin-Bürger Verhältnis geht.
III. Das «von Natur aus» bestehende Eigentum
Dreh- und Angelpunkt der ganzen Argumentation ist also die Schrankentheorie und mit dieser die Vorstellung eines rein verfassungsrechtlichen, nur gegen den Staat gerichteten Eigentums, wie es «von Natur aus»[22] bestehe. Mit dieser Vorstellung sind mindestens zwei grundlegende Probleme verbunden, die Fisch am Rande zwar adressiert, die aber ebensoviel Aufmerksamkeit verdient hätten wie die Unzulänglichkeiten der Immanenztheorie. Zwar versucht Fisch, wie gesagt, zwischen einem Eigentumsbegriff, wie er zwischen Privaten besteht, und einem Eigentumsbegriff, wie er gegen den Staat schützen soll, strikt zu trennen und will die Vorstellung eines von Natur aus bestehenden Eigentums nur im Verhältnis zum Staat angewendet haben, aber das löst diese beiden Probleme nicht. Das erste Problem besteht darin, dass viele, wenn nicht die wichtigsten Nutzungsmöglichkeiten von Gütern sozial produziert sind, also gerade erst mit ihrem gesetzlichen Rahmen entstehen konnten und diesem nicht vorausliegen können. Zu unterscheiden, welche Nutzungsmöglichkeiten an Gütern «von Natur aus» bestehen, und welche sozial produziert sind, ist ein hoffnungsloses Unterfangen.
Zweitens sind Nutzungsmöglichkeiten von Gütern notwendigerweise reziproke Möglichkeiten der Schädigung anderer. Was immer die «von Natur aus» bestehenden Möglichkeiten sind, meine Güter zu nutzen, einige dieser Möglichkeiten werden mit den «von Natur aus» bestehenden Rechten Dritter kollidieren (was immer diese Rechte sind) und praktisch alle davon werden mit den «von Natur aus» bestehenden Handlungsmöglichkeiten Dritter in Bezug auf deren Güter kollidieren: «My privilege of use of any thing, if excercised to the fullest, is likely to interfere with your privilege of use of your things. Two absolute privileges of use cannot coexist within even reasonable proximity.»[23] In der Zufügung reiner Vermögensschäden unter Privaten ist dieses Problem zwar besonders virulent. Wo immer A eine Handlungsmöglichkeit in Bezug auf sein Gut wahrnimmt, wird das wahrscheinlich mit einer Handlungsmöglichkeit von B interferieren und es liegt bei B also zumindest ein reiner Vermögensschaden vor.[24] B wäre in seinen wirtschaftlichen Interessen bessergestellt, hätte A seine Nutzungsmöglichkeit nicht wahrgenommen (z.B. die Konkurrenzierung von B oder den Ausschluss von B aus einem Privatbesitz oder den Nichtverkauf eines Gutes an B). Welche dieser gegenseitigen Schädigungsmöglichkeiten erlaubte Nutzungsformen von Gütern sind und welche nicht, kann nicht vorgesetzlich klar sein. Es können nicht einige davon «von Natur aus» bestehen, und andere nicht. Es ist dann aber auch kein vorgesetzliches Eigentum denkbar,[25] auch nicht eines, das sich lediglich gegen den Staat richtet. Denn Eigentum ist dann die Summe der (gesetzlich) erlaubten Beeinträchtigungen anderer.[26] Es ist aber gerade eine solche Beeinträchtigung unter Privaten, in deren Erlaubtsein (im Umstand, dass sie keine Haftung nach sich zieht) Fisch ein grundrechtliches Problem, also ein Problem im Verhältnis zum Staat erblickt.
Fisch streift beide Probleme, jenes der reziproken Schädigungsverhältnisse und jenes der sozialen Produktion von Nutzungsmöglichkeiten, immer wieder. Aber er unternimmt nirgends eine Verteidigung des Schrankenmodells, die es mit dem Furor seines Angriffs auf das Immanenzmodell aufnehmen könnte. So schreibt er: «Wer beispielsweise eine Erfindung gemacht hat, hat einen Vermögenswert erworben, der als solcher dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterfällt, unabhängig davon, ob ein Patentgesetz existiert und unter welchen Voraussetzungen das allenfalls existierende Patentgesetz ein vermögenswertes subjektives Recht (Patent) an der Erfindung gewährt.»[27] Dass die ökonomische Substanz dieses Vermögenswertes ganz entschieden vom Bestehen eines Patentgesetzes abhängt, die Substanz des zu schützenden Eigentums also in vielen Fällen erst durch den Gesetzgeber ermöglicht worden ist, thematisiert er aber nicht.
Dagegen könnte nun eingewendet werden, dass es vielleicht, wie in der privatrechtlichen Doktrin zum sachenrechtlichen Eigentumsbegriff (im Gegensatz zum Eigentumsinhalt) um etwas Abstraktes, stets Gleichbleibendes gehe, dessen (u.a. ökonomische) Substanz unbeachtlich sei.[28] Doch diese Emanzipation des Eigentums von einer unterliegenden ökonomischen Realität kann nicht gelingen. Nur schon nicht, weil die Eigentumsgarantie auch eine Wertgarantie ist. Aber auch deshalb nicht, weil die Schwelle des Eigentums zeitlich festgemacht werden muss, was voraussetzt, dass der Zeitpunkt identifiziert wird, ab dem Eigentum minimale (ökonomische) Substanz entwickelt. So fährt Fisch in Bezug auf die Erfindung als Vermögenswert fort, für diese müsse «der Schutz der Eigentumsgarantie einsetzen, sobald erste verwertbare (und ergo vermögenswerte) Erkenntnisse vorliegen».[29] Offensichtlich knüpft seine Vorstellung von Eigentum also an eine ökonomische Realität der Verwertbarkeit an, die aber ihrerseits erst durch verbindliche Konvention geschaffen werden kann. Dieselbe Beobachtung gilt auch für das anschliessend angeführte Beispiel des als sicher geltenden, aber entgangenen Gewinns (lucrum cessans), den Fisch dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie zurechnet. Natürlich kann dieser ebenfalls nur deshalb als sicher gelten, weil eine Rechtsordnung ihn sichert. Er besteht gerade nicht «von Natur» aus. Aber die Schrankentheorie entwickelt bis zu diesem Punkt in Fischs Argumentation ein logisches Eigenleben. Unmassgeblich ist demnach «für den allfälligen Nutzwert eines präsumtiven Vermögenswertes (…) die Gesetzeslage, d.h., ob und gegebenenfalls welche Nutzungsbefugnisse der Gesetzgeber mit dem fraglichen Vermögenswert verbunden hat. Dass die Gesetzeslage nicht massgeblich ist, ergibt sich daraus, dass die Eigentumsgarantie im Schrankenmodell dem Gesetzgeber vollständig vorausliegt».[30] Das ändert zwar nichts daran, dass die Gesetzeslage auf den Nutzenwert eines Gutes einen sehr realen Einfluss hat, aber da dies mit dem Schrankenmodell nicht vereinbar ist, kann es nicht beachtlich sein.
IV. Nie ganz ausserhalb des sozialen Raumes
Statt einer komplexen Gemengelage, in der einige Aspekte individueller Entfaltungsmöglichkeiten sozial produziert, einige privat produziert sind, in der der Staat manches ermöglicht und manches beschränkt,[31] entsteht so das Bild einer Gesellschaft in der «der Bürger» [sic] Eigentum schafft, und der Staat Eigentum schmälert.[32] Eine solche Vorstellung von Eigentum wäre schon zu anachronistisch für ein Eigentum, das auf die Herrschaft über Sachen verengt bleibt. Es ist erst recht zu einfach für ein Eigentumskonzept, das Zuweisungsfunktion in Konflikten über reines Vermögen wahrnehmen soll.
Diesem Problem versucht Fisch mit einer für seine Arbeit zentralen These entgegen zu wirken. Er nimmt die Vorgesetzlichkeit von Eigentum für das Verhältnis unter Privaten gerade nicht an, sondern nur für das Verhältnis von Eigentümern zum Staat. Weil die erga omnes Wirkung von Eigentum auch den Konsens von allen nötig mache, könne sie nur durch den hypothetischen Konsens entstehen, wie er im Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck komme, und nicht vorgesetzlich bestehen, argumentiert Fisch. Eigentum kann vorgesetzlich also keines bestanden haben, sondern nur die Eigentumsgarantie. Oder - in Fischs Worten - nur ein Anspruch auf Unversehrtheit der «Vermögenswerte und die von Natur aus mit diesen verbundenen Nutzungsmöglichkeiten»[33] gegen den Staat, nicht auch gegen Private. Eigentum erhält aber erst durch ein Abwehrrecht auch gegenüber Privaten Substanz. Wäre der Staat der einzige, der darein nicht eingreifen darf, so würde der Eigentumsgarantie nicht nur der Sockel ihres Schutzbereiches entzogen (der im privatrechtlichen Eigentum besteht) und gesellschaftsvertraglichen Staatstheorien ein zentrales Motiv, einen Staat zu errichten (der Schutz des Eigentums vor Dritte). Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie würde auch weitgehend illusorisch, weil Private verletzen könnten, was nur gegen den Staat geschützt ist. Wenn ein - jedenfalls grundsätzlich bestehendes - Abwehrrecht gegenüber Dritten nur noch ein möglicher, nicht mehr ein notwendiger Begriffsbestandteil von Eigentum ist, dann wird der Eigentumsbegriff zur Unkenntlichkeit strapaziert.
Vor allem aber muss der Staat, um Konflikte unter Eigentümern beilegen zu können, in die «Vermögenswerte und die von Natur aus mit diesen verbundenen Nutzungsmöglichkeiten»[34] des einen eingreifen, um das Eigentum eines anderen gewährleisten zu können. Denn diese Nutzungsmöglichkeiten konfligieren und Eigentum, auch das verfassungsrechtliche, ist daher nicht ein blosses in-Ruhe-gelassen-werden durch den Staat, sondern es besteht in einer Reihe von (staatlichen) Entscheiden über Nutzungskonflikte. Natürlich könnten diese Konflikte als grundrechtliches Dreiecksproblem aufgefasst werden, bei dem der Staat so schonend wie möglich in das jeweilige Eigentum aller beteiligten eingreifen muss. Das ist der Standpunkt, den Fisch vertritt. Aber um zu wissen, wie tief in jemandes Eigentum eingegriffen wird, muss man eine Vorstellung von dessen Grundgrösse haben, von der substrahiert wird. Und diese kann gerade nicht von Natur aus bestehen, sondern nur sozial produziert sein.
Schliesslich wäre noch zu klären, ob nicht der Schutzbereich der Eigentumsgarantie in seiner ökonomischen Substanz implodiere, wenn er (nur noch) die «von Natur aus mit einem Vermögenswert verbundenen Nutzungsmöglichkeiten» schütze, weil die ökonomisch interessantesten Nutzungsmöglichkeiten durch Gesetz geschaffen, also sozial produziert sind. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff kann daher unmöglich vom gesetzlichen getrennt werden. Zwar sind die beiden klarerweise nicht deckungsgleich. Soweit Fisch dies widerlegt,[35] rennt er offene Türen ein. Aber es ist unmöglich, den privatrechtlichen Eigentumsbegriff - für den selbst Fisch die Immanenztheorie gelten lässt - als einen Bestandteil des weiteren verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs abzuschütteln und daher ist es auch unmöglich, für das verfassungsrechtliche Eigentum die Immanenztheorie abzuschütteln.
Dass die Vorstaatlichkeit des Eigentums sich nur auf das Verhältnis des Eigentümers zum Staat, nicht zu Dritten, bezieht, ermöglicht Fisch aber - jedenfalls vordergründig - einen Umgang mit dem zweiten Problem des Schrankenmodells. Er kann reziproke Schädigungsverhältnisse unter Privaten laufend eingestehen, ohne erörtern zu müssen, inwiefern diese mit einem absoluten, vorgesetzlichen Eigentumsbegriff vereinbart werden können, der gerade keine Nutzungskonflikte beilegen kann. Wenn er von Konflikten zwischen Privaten ausgeht, dann üblicherweise zwischen Eigentümern einerseits und Dritten andererseits, die durch die Nutzungsart des Eigentümers in ihrer persönlichen Freiheit (nicht in ihrem eigenen Eigentum) beeinträchtigt sind.[36] Es ist aber zwischen Eigentum und Eigentum, wo sich das Problem der unmöglichen Vorgesetzlichkeit am deutlichsten stellt. Teil des Problems ist möglicherweise, dass Fisch von einer Vorstellung ausgeht, wonach es Nutzungsmöglichkeiten von Gütern gibt - wie das Bebauen eines Grundstückes - die «weit in den sozialen Raum hineinragen»,[37] und andere, die sich auf den «rein privaten Raum» beschränkten.[38] Aber auch wenn es Nutzungsmöglichkeiten mit stärkeren und solche mit weniger starken externen Effekten gibt, so haben sie alle externe Effekte (und sei es nur der Ausschluss aller anderen aus einem privaten Raum) und spielen sich insofern nie ganz ausserhalb eines sozialen Raumes ab.
V. Ein alternativer Massstab für die Widerrechtlichkeit
Für den haftpflichtrechtlichen Teil der Arbeit bleiben diese dogmatischen Probleme zunächst folgenlos, weil es dort nicht in erster Linie um die Frage geht, ob und wann ein Vermögensschaden vorliege, sondern wann dieser widerrechtlich sei, gemessen an einem alternativen, von Fisch entwickelten Widerrechtlichkeitsmassstab. Ein Punkt, an dem das Problem allerdings wieder auftaucht, ist in der Abgrenzung der Substanzbeeinträchtigungs- und der Funktionsbeeinträchtigungstheorie. Liegt beispielsweise ein «Sachschaden» vor, wenn einwandfreier Käse aufgrund einer Behördenwarnung über Listerien praktisch unverkäuflich wird, in dem die «Funktion» des Käses - seine Verkäuflichkeit - beeinträchtigt wird?[39] Der Streit zwischen der Funktionsbeeinträchtigungs- und der Substanzbeeinträchtigungstheorie ist dem Streit um das zutreffende Eigentumskonzept eng verwandt. Würde Eigentum verstanden als die Summe der erlaubten Beeinträchtigung Dritter in Bezug auf ein Gut, so würde sich die Funktionsbeeinträchtigungstheorie für das Haftpflichtrecht aufdrängen, weil die Substanz des Eigentums dann nicht in einer Sache läge, sondern in den mit der Sache verbundenen Handlungsmöglichkeiten oder eben Funktionen.[40] Aber das bleibt im haftpflichtrechtlichen Teil der Arbeit zunächst ein Nebenschauplatz.
Das Hauptargument dieses dritten Teils der Arbeit besteht darin, ein alternativer Widerrechtlichkeitsmassstab könne einen besseren Kompromiss bilden zwischen der zu holzschnittartigen Regel, wonach reine Vermögensschäden nicht ersatzfähig seien, und der Gefahr, dass Haftungsansprüche ausufern würden. In der Formulierung von Fisch geht es um einen besseren Kompromiss zwischen den Entfaltungsinteressen potenzieller Schädiger und den Erhaltungsinteressen potenziell Geschädigter. Er spricht vom Haftpflichtrecht als einem «Freiheitskoordinationsrecht»[41] und ortet in der Friedenssicherung den zentralen Zweck des Haftpflichtrechtes.[42] Interessant wäre eine Erörterung der Frage gewesen, ob nicht auch der Rechtsrahmen, der das Eigentum schafft, ein Freiheitskoordinationsrecht bilde, und ob dessen Hauptzweck nicht auch in der Friedenssicherung bestehe.[43]
Zur Entwicklung seines Widerrechtlichkeitskonzepts[44] geht Fisch wieder gleich vor wie bei der Entwicklung seines Eigentumskonzeptes. Er kritisiert und verwirft zunächst alternative Ansätze,[45] darunter das, was er als «Flucht aus dem Deliktsrecht» und in das Vertragsrecht qualifiziert: Die Vertragsfiktion, vertragliche Schutzpflichten, den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die Drittschadensliquidation, die culpa in contrahendo und die Vertrauenshaftung als einer ihrer Unterfälle. Er verwirft sie alle mit ausführlicher Begründung und entwickelt dann einen sehr detaillierten eigenen Prüfmassstab, der seiner Ansicht nach «schonender»[46] mit den Fällen reiner Vermögensschäden umgeht. Dabei prüft er in einem ersten Schritt, ob beim Schädiger eine prima facie Gefahrenschutzpflicht bestanden habe. Bevor in einem zweiten Schritt geprüft wird, ob diese Schutzpflicht verletzt worden sei, werden diese Gefahrenschutzpflichten - für die Konstellation reiner Vermögensschäden - rechtspolitisch gefiltert, nach Konstellationen, in denen eine Haftung rechtspolitisch wünschenswert ist.[47] Zu diesen rechtspolitischen Filterkriterien zählt Fisch