PMT-Gesetz: Verfahren und Zweckerreichung

Markus Mohler *

Nach Darlegungen, dass keine verfassungsmässige Bundeskompetenz zum Erlass des Gesetzes in Bezug auf das BWIS besteht und wesentliche Begriffe im ergänzten BWIS mit der BV und der EMRK nicht übereinstimmen, wird nun gezeigt, dass verfahrensrechtlich ein Durcheinander besteht und unverzichtbare Verfahrensvorschriften fehlen, was beides zu unhaltbaren rechtlichen Konsequenzen führt. Schliessich wird belegt, dass die festgelegten Massnahmen einen terroristischen Anschlag nicht zu verhindern vermögen, was der Zweck der Novelle ist.

Zitiervorschlag: Markus Mohler, PMT-Gesetz: Verfahren und Zweckerreichung, sui generis 2021, S. 167

URL: sui-generis.ch/180

DOI: https://doi.org/10.21257/sg.180

* Markus Mohler, Dr. iur., ehem. Lehrbeauftragter an den Universitäten Basel und St. Gallen, vormals Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt und zuvor Staatsanwalt.


I. Vorbemerkung

Am 25. September 2020 haben die eidgenössischen Räte als vorläufigen Umsetzungs-Abschluss der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung[1] das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) verabschiedet.[2] In zwei Beiträgen wurden bisher die Fragen der verfassungsmässigen Bundeskompetenz zum Erlass des Gesetzes in Bezug auf die Änderungen des BWIS[3] ebenso wie jene nach der materiell-rechtlichen Konformität wesentlicher Begriffe im ergänzten BWIS mit der Bundesverfassung[4] und der EMRK[5] untersucht und negativ beantwortet.[6]

Im Folgenden werden zunächst verfahrensrechtliche Fragen diskutiert, so die Subsidiarität der Massnahmen gemäss Art. 23k ff. BWIS im Verhältnis zu den in Art. 23f Abs. 1 BWIS erwähnten Voraussetzungen (II), die Verfahrensschritte zur Annahme der Gefährlichkeit (III) und die Überlagerung von polizei-, also verwaltungsrechtlichen mit straf- bzw. strafprozessualen Massnahmen aufgrund identischer Sachverhalte (IV). Dazu wird ein kurzer Blick auf das bereits vorhandene rechtliche Abwehrdispositiv gegenüber Verhaltensweisen mit einem Terrorismusbezug geworfen (V). Den Abschluss bildet eine knapp zusammengefasste Gesamtbeurteilung der BWIS-Novelle im Rahmen des PMT-Gesetzes.

II. Die verschiedenen Subsidiaritätsbezüge für Massnahmen nach Art. 23f BWIS

In Art. 23f Abs. 1 BWIS wird zunächst festgeschrieben, Massnahmen nach Art. 23k bis 23q BWIS würden verfügt, sofern mit sozialen, integrativen oder therapeutischen Massnahmen sowie solchen des Kinder- und Erwachsenenschutzes der von der Person (mit Bezug auf die Umschreibung in Art. 23e BWIS) ausgehenden Gefährdung voraussichtlich nicht wirksam begegnet werden könne (lit. a) oder die Massnahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr nicht ausreichten (lit. b) oder keine strafprozessrechtliche Massnahme (mit derselben Wirkung wie jene nach Art. 23k bis 23q BWIS) angeordnet wurde (lit. c).

Worauf sich die sozialen, integrativen oder therapeutischen Massnahmen beziehen, wird in der Botschaft[7] nicht näher ausgeführt. Die genannten Massnahmenkategorien sind unterschiedlicher Art und stützen sich auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen in anderen Rechtsbereichen: Soziale und therapeutische Massnahmen beruhen auf Bestimmungen im Zivil-,[8] allenfalls im (kantonalen) medizinischen Recht, integrative auf das Ausländer- und Integrationsgesetz.[9] Im Folgenden wird untersucht, ob diese als Subsidiaritätskriterium taugen.

1. Subsidiarität gegenüber integrativen Massnahmen als Voraussetzung für Verfügungen nach Art. 23f BWIS

Auf Gesetzesstufe sind Integrationsmassnahmen ausschliesslich im AIG enthalten.[10] Gemeint sein dürften das Kapitel Integration, Art. 53 ff. AIG, sowie die VIntA.[11]

Nicht anwendbar sind diese ausländerrechtlichen Bestimmungen für Personen schweizerischer Nationalität (Art. 2 Abs. 1 AIG). Das gilt auch für Angehörige von EU-Staaten gemäss Freizügigkeitsabkommen und von EFTA-Staaten (Art. 2 Abs. 2 und 3 AIG). Erfasst werden vom AIG demnach nur Personen, die von ihrer Staatszugehörigkeit her nicht in die Kategorien von Art. 1 AIG fallen, also andere Ausländer. Darauf wird auch in der Botschaft verwiesen: Der für die Massnahmen nach dem 5. Abschnitt des BWIS (Massnahmen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten) erforderliche Datenaustausch hat mit Integrationsfachstellen[12] zu erfolgen (Art. 23h BWIS). Nach Art. 23k Abs. 1 BWIS kann fedpol einen «terroristischen Gefährder»[13] verpflichten, sich bei einer Integrationsfachstelle persönlich zu melden und Gespräche mit einer Fachperson zu führen. Gemäss Abs. 2 dienen diese Gespräche dazu, «die vom terroristischen Gefährder ausgehende Gefahr und deren Entwicklung zu beurteilen»[14]. «Dass die Pflicht zur Teilnahme an Gesprächen - neben der Einschätzung und Überprüfung der Gefährdung - auch dazu dienen soll, der Gefährdung entgegenzuwirken (Hilfestellung zur Abkehr von Gewalt und zur Reintegration in die Gesellschaft), soll im Gesetz ausdrücklich verankert werden».[15] Dies weist zunächst auf eine unterschiedliche Betrachtungsweise schon bei der Umschreibung des «terroristischen Gefährders» nach Art. 23e BWIS hin: Sie nimmt Personen schweizerischer Nationalität ebenso wie jene von EU- und EFTA-Staaten bezüglich Terrorismusbekämpfung aus. Es geht um die Reintegration[16] negativ bestimmter Ausländer. Wie die Praxis belegt,[17] werden aber schweizerische Staatsangehörige ebenso von terrorismusbezogenen Verdachtslagen bzw. strafrechtlichen Verfahren erfasst. Sodann offenbart das Verhältnis von Abs. 2 zu Abs. 1 einen Widerspruch: Um zu solchen Gesprächen verpflichtet werden zu können, ist die Person als ausländischer «terroristische Gefährder» bereits etikettiert,[18] nach Abs. 2 dienen die Gespräche jedoch (auch) dazu, die vom «terroristischen Gefährder ausgehende Gefahr und deren Entwicklung zu beurteilen sowie der Gefahr entgegenzuwirken». Demnach ist einerseits die Gefahr für Massnahmen noch nicht dargetan, andererseits soll ihr bereits entgegengewirkt werden.

Daraus ergibt sich (auch) eine Ungleichbehandlung (entgegen Art. 8 BV) von negativ definierten ausländischen gegenüber schweizerischen Staatsangehörigen. Dies ist nicht sachgerecht, da die Nationalität kein sachliches Kriterium in Bezug auf die Gefährlichkeit einer Person sein kann.[19] Das trifft v.a. zu, wenn die Nationalität als rechtliche, nicht aber als persönliche Eigenschaft gilt.[20] Diese direkte Bezogenheit einer auf das Ausländerrecht gestützten Ungleichbehandlung erscheint sehr problematisch, als eine nicht sachgerechte Schlechterstellung.[21] Weiteres dazu in Rz. 43, 48 f.

Daraus folgt, dass die auf integrationsrechtliche Vorbedingungen gestützte Subsidiarität mit Bezug auf schweizerische, EU- und EFTA-Staatsangehörige keinerlei Bedeutung hat und dass sie hinsichtlich ausländischer Staatsangehöriger kein sachliches Kriterium sein kann.

2. Soziale Massnahmen (Art. 23f Abs. 1 lit. a BWIS)

Im ergänzten BWIS selber findet sich keine Bestimmung betreffend soziale Massnahmen. Die Botschaft verweist auf den Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP);[22] die Gesetzesvorlage weise «ganz bewusst enge Schnittstellen mit dem NAP auf».[23]

Vier von insgesamt 25 Massnahmen des NAP sind «operativer» Art.[24] Die Verhinderung von extremistischem Gedankengut bei Kindern und Jugendlichen (Massnahme 18), gezielte Interventionen bei Kindern und Jugendlichen, deren Sicherheit oder Entwicklung gestört ist oder sein könnte (Massnahme 19), Verhinderung von Radikalisierung, insbesondere via Internet (Massnahme 20), Massnahmen zur Förderung des Ausstiegs und der Reintegration (Massnahme 21).

Während die ersten beiden Massnahmen (18 und 19) auf Situationen im Vorfeld dessen zielen, was selbst unter der gemäss Art. 23e BWIS übermässig weiten Umschreibung von «terroristisch»[25] verstanden werden kann, befasst sich die Massnahme 21 mit Bemühungen nach einer strafrechtlichen Verurteilung. Bei einer fortbestehenden Gefahr stehen hier strafrechtliche Massnahmen zur Verfügung.[26] Die Teilnahme an allen diesen Vorkehrungen ist freiwillig, eine Vielzahl von Organisationen wird als Akteure bezeichnet, was ebenso für die politische Verantwortung zutrifft. Diese Vorkehrungen können für weitere Massnahmen nicht massgebend sein.

Für diese sozialen Vorkehrungen (im NAP auch als Massnahmen bezeichnet) gibt es auch kein Kriterium der Zielerreichung, des Erfolgs. Ein Massstab, ob diese sozialen Massnahmen voraussichtlich als nicht wirksam beurteilt werden können, besteht nicht. Es ist auch gänzlich unklar, wer für die Einschätzung der voraussichtlichen Unwirksamkeit verantwortlich sein soll.

Daraus folgt, dass sich die sozialen Vorkehrungen in Gemeinden und Kantonen nicht als Subsidiaritätsvoraussetzung einer freiheitsbeschränkenden Massnahme eignen. Dies bedeutet umgekehrt jedoch nicht, dass sie für sich gegebenenfalls nicht sinnvoll sein können.

3. Kinder- und Erwachsenenschutzrecht (Art. 23f Abs. 1 lit. a BWIS)

In Art. 23f Abs. 1 lit. a BWIS wird auf Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes hingewiesen. Sie gelten im gleichen Sinn wie die sozialen Vorkehrungen (Rz. 9 ff.) auch als Vorbedingung für die Anwendbarkeit der Art. 23k ff. BWIS. Die Regelungen über den Erwachsenenschutz und das Kindesrecht im ZGB enthalten jedoch keine Bestimmungen, die im Zusammenhang mit der Vermeidung von Radikalisierungen oder gar der Verhinderung terroristischer Aktivitäten verstanden werden können. Es geht vielmehr um Massnahmen bei Selbst- und Drittgefährdung im Nahbereich und um Personen, die an einer psychischen Störung oder geistigen Behinderung leiden.[27]

Massnahmen des Kinder- und Erwachsenenschutzrechts dienen nicht als Ersatz, wenn mit polizei- und straf-/strafprozessrechtlichen Vorkehrungen die Öffentlichkeit vor gefährlichen Personen nicht genügend geschützt werden kann.[28] Sie können auch nicht als Subsidiaritätskriterium für die Massnahmen nachArt. 23k BWIS gelten.[29]

4. Ungenügen der Massnahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr durch die Kantone (Art. 23f Abs. 1 lit. b BWIS)

Die sicherheitspolizeiliche Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr bezieht sich auf eine Vielzahl möglicher, auch unvorhersehbarer Gefahrenquellen. Es geht um im Einzelnen nicht bestimmbare Gefahrenarten und -formen in vielgestaltigen Verhältnissen. Ausdruck davon ist u.a. die verfassungsrechtliche Anerkennung der polizeilichen Generalklausel (Art. 36 Abs. 1, 3. Satz BV).[30] Diese Massnahmen richten sich im Rahmen der Verhältnismässigkeit nach dem Grad der vorliegenden oder zu ermittelnden qualitativen und quantitativen Gefahr und ihrer Unmittelbarkeit. Eine Massnahme ist bspw. der Polizeigewahrsam, sofern dieser notwendig ist,[31] und als ultima ratio der Schusswaffengebrauch. Darum geht es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht: Diese Massnahmen sind nicht zulässig gegenüber einer Person, bei der «Anhaltspunkte bestehen, von denen ausgegangen werden muss, dass sie eine terroristische Aktivität ausüben wird» oder ein bedeutendes Rechtsgut verletzen könnte.[32]

Darüber hinaus verfügt die Polizei in mehreren Kantonen über andere Möglichkeiten zur Erkennung und/oder Verhinderung schwerer Straftaten vor deren Ausführung. Diese Befugnisse dienen gerade der Verdichtung oder Widerlegung eines entsprechenden (für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen nicht genügenden) Verdachts.[33] Sie beschränken sich auf die Informationsbeschaffung und schränken Freiheitsrechte physisch nicht ein. Näheres dazu in Ziff. VII.

Eine Subsidiarität der Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS zur allgemeinen Gefahrenabwehr ergibt sich daraus jedoch nicht. Diese exekutiv-polizeilichen Interventionen dienen entweder der unmittelbaren konkreten Gefahrenabwehr oder der Informationsgewinnung für weitere nachrichtendienstliche oder strafprozessuale Massnahmen oder entkräften einen Verdacht ohne physische Freiheitsbeschränkungen.

5. Keine Anordnung strafprozessualer Massnahmen (Art. 23f Abs. 1 lit. c BWIS)

Zu Art. 23f Abs. 1 lit. c BWIS wird in der Botschaft ausgeführt, «der Erlass präventiv-polizeilicher Massnahmen gemäss den Artikeln 23k-23q E-BWIS [könne sich] ausnahmsweise auch bei einem laufenden Strafverfahren rechtfertigen, wenn keine für die Prävention von Terrorismus zielführenden strafprozessualen Massnahmen getroffen wurden oder getroffen werden können».[34] Es ist schwer vorstellbar, dass während eines hängigen Strafverfahrens mit Terrorismusbezug die nach Strafprozessrecht zulässigen Massnahmen zur Verhinderung einer solchen Straftat nicht angeordnet werden (können).[35] Zumindest hinsichtlich der Eingrenzung auf eine Liegenschaft als Freiheitsentzug gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Untersuchungshaft: Danach muss nach Art. 221 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 StPO ernsthaft zu befürchten sein, dass die betreffende Person ein schweres Verbrechen oder Vergehen verüben werde. Diese Annahme muss sich auf eine ungünstige Prognose stützen.[36] Es geht nicht an, einen nach strafprozessrechtlichen Bestimmungen nicht verfügbaren Freiheitsentzug durch weniger streng formulierte verwaltungsrechtliche Voraussetzungen dennoch anzuordnen. Das verstiesse gegen Art. 36 Abs. 1 BV sowie Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV). Vgl. dazu auch Rz. 51 ff.

6. Zwischenergebnis

Aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen können die in Art. 23f Abs. 1 lit. a-c BWIS angeführten Voraussetzungen als Subsidiaritätskriterien für die Verfügung von Massnahmen gemäss Art. 23k ff. BWIS nicht herangezogen werden, da sie als vorgelagerte präventive Massnahmen nicht taugen (lit. a), nicht zutreffen (lit. b) oder ihre Anwendung missbräuchliche wäre (lit. c). Demzufolge besteht nach der hier vertretenen Auffassung keine Subsidiarität der Massnahmen gegenüber kantonalen Vorkehrungen oder strafprozessualen Anordnungen.

7. Wegfall der Subsidiarität bei Anträgen durch den Nachrichtendienst des Bundes

Gemäss Art. 23i Abs. 1 BWIS kann auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) einen Antrag auf Verfügung einer Massnahme nach Art. 23k ff. BWIS stellen. Dabei entfällt die Subsidiarität i.S.v. Art. 23f Abs. 1 BWIS vollständig.[37] Es ergeben sich daraus jedoch noch andere verfahrensrechtliche Probleme (s. Rz. 29).

8. Die Subsidiarität der Eingrenzung auf eine Liegenschaft gegenüber den anderen Massnahmen nach Art. 23k bis 23 n BWIS

Einer anderen Subsidiarität unterliegt nach Art. 23o Abs. 1 lit. b BWIS die Eingrenzung auf eine Liegenschaft als Freiheitsentzug: Danach ist die Eingrenzung - zusätzlich zum Kriterium, dass konkrete Anhaltpunkte vorliegen, es gehe von der Person «eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter» aus - nur statthaft, wenn die Person «gegen eine oder mehrere gestützt auf die Artikel 23k-23n angeordnete Massnahmen verstossen hat». Dies festzustellen, setzt vom vollziehenden Kanton eine praktisch permanente Überwachung (Observation) voraus. Näheres dazu in Ziff. VI. Zwar besteht diese Subsidiarität de iure, de facto aber kaum oder nicht.

Zudem stellt sich die Frage, wie sich für denselben Sachverhalt (ausg. Art. 23k BWIS, Meldepflicht) dieser Freiheitsentzug zur möglichen Freiheitsstrafe (Art. 29a Abs. 1 BWIS) und zu jenem gemäss Art. 74 Abs. 4 NDG[38] verhält. Mehr dazu in Ziff. IV f.

III. Zum Kriterium für die Annahme der Gefährlichkeit

Verfügungen von freiheitsbeschränkenden Massnahmen richten sich gegen «terroristische Gefährder», von denen eineGefahr ausgeht (vgl. Art. 23h Abs. 1 BWIS).[39] Nach dem Gesetzeswortlaut sind dafür (konkrete und aktuelle) Anhaltspunkte, eine Einschätzung massgebend. Eine solche Einschätzung sei «erfahrungsgemäss mit prognostischen Unsicherheiten verbunden».[40] Aktuell seien Anhaltspunkte, wenn sie «zum Zeitpunkt der Anordnung einer Massnahme (noch) vorhanden» seien.[41]

Gemäss EGMR müssen die Anforderungen an die Einschätzung der Gefährlichkeit zwar nicht gleich streng sein wie für eine strafrechtliche Anklage oder eine Verurteilung.[42] Die Einschätzung muss aber objektivierbar sein, auf faktenbasierten Nachweisen für die Gefährlichkeit beruhen («factual evidence»).[43] So urteilt das Bundesgericht in einem Fall zur Frage der Fortsetzungsgefahr: «Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen dagegen nicht aus, um eine Präventivhaft zu begründen».[44] Eine Fortsetzungsgefahr - mutatis mutandis hier eine Gefahr der Erstbegehung «terroristischer» Straftaten - müsse ernsthaft zu befürchten sein, was eine ungünstige Prognose voraussetze.[45] Da es sich beim Haftgrund der Wiederholungsgefahr um eine sichernde, polizeiliche Zwangsmassnahme handelt, die der Gefahrenabwehr dient,[46] sind diese Anforderungen der im Strafprozessrecht geregelten auch für die polizeirechtliche Präventivhaft gleichermassen Mindestmass.

Das Bundesgericht erachtet für die Prognose der Gefährlichkeit ein psychiatrisches Gutachten nicht in jedem Fall für erforderlich.[47] Das Gericht erklärt drei Elemente für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr als konstitutiv: das Vortaterfordernis,[48] die erhebliche Gefährdung der Sicherheit anderer und das ernsthafte Befürchten der Tatwiederholung, was durch eine Rückfallprognose zu begründen sei.[49] In den durch das ergänzte BWIS anvisierten Sachverhalten entfällt eine Vortat und damit das erste Element. Die beiden anderen Elemente sind anwendbar. Bei der erheblichen Gefährdung der Sicherheit anderer stünden Delikte gegen die körperliche und sexuelle Integrität im Vordergrund.[50]

Auch wenn das Bundesgericht nicht in jedem Fall eine psychiatrische Begutachtung hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr der künftigen Begehung von Straftaten für erforderlich erachtet, erfüllen konkrete und aktuelle Anhaltspunkte, die bloss «den Schluss nahe[legen], dass es in überschaubarer Zeit zu einer Verletzung eines bedeutenden Rechtsgutes kommen könnte»[51] - zumal beim Wegfall des Kriteriums der Vortat -, die Anforderungen an eine belastbare Prognose der Gefährlichkeit nicht. Diese prognostische Einschätzung einer solchen Gefahr - «Gefahr» ihrerseits unbestimmt umschrieben[52] - bildet keine belastbare, d.h. nach objektiven Kriterien überprüfbare Grundlage für freiheitsbeschränkende Massnahmen.[53] Das Kriterium der ungünstigen (Rückfall-) Prognose bedeutet, dass ernsthaft zu befürchten sein muss, die betreffende Person begehe schwere Vergehen oder Verbrechen. Die Anhaltspunkte aber können sich bloss auf Social-Media-Profile, Setzen von «Likes» usw. zu (allenfalls) terroristischen Inhalten beziehen. Dies entspricht (noch) nicht einer ernsthaften Befürchtung und reicht nicht, da die Präventivhaft einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit darstellt.[54] Eine genügend klare und ausdrückliche Regelung liegt so nicht vor.[55]

Dies gilt umso mehr, als für die Bestätigung oder Widerlegung des Vorliegens von Absichten zu terrorismusbezogenen Straftaten eine ganze Reihe rechtlicher Möglichkeiten bestehen, die keine physische Freiheitsbeschränkung[56] bedeuten (Näheres in Ziff. VII.).

Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich, falls die Verfügung aufgrund eines Antrages des NDB erfolgen soll. Einerseits ist der Schutz nachrichtendienstlicher Quellen zu beachten. Es kann nicht verlangt werden, diese preiszugeben (und damit die internationale Zusammenarbeit oder die Informanten zu gefährden). Andererseits kann der Schutz angeführter nachrichtendienstlicher Hinweise nicht bis zur Unmöglichkeit ihrer gerichtlichen Prüfung gemäss Art. 5 Abs. 1 EMRK ausgedehnt werden.[57]

Für eine Freiheitsbeschränkung genügt die vage Einschätzung einer Gefährlichkeit nicht, zumal diese nach Art. 23k Abs. 2 BWIS erst noch (ohne Fachkräfte[58]) zu beurteilen ist.[59]

IV. Die gleichen Sachverhalte betreffende Straftatbestände

Durch das ergänzte BWIS ebenso wie durch den Bundesbeschluss (BB) zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus[60] wurden zwei Strafnormen beschlossen, die das Nichtbefolgen der Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS und Verhaltensweisen, wie sie auch von der Umschreibung «terroristischer «Aktivitäten» erfasst werden, pönalisieren.

1. Art. 29a und das Verhältnis zu Art. 23f und 23o BWIS

Art. 29a BWIS lautet:

«Verstösse gegen Massnahmen nach den Artikeln 23k-23q

1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer gegen Massnahmen nach den Artikeln 23l-23q verstösst.

2 Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

3 Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Massnahme nach Artikel 23k verstösst.»

In Art. 23o Abs. 1 lit. b BWIS lautet die Voraussetzung für die Eingrenzung eines «terroristischen Gefährders» auf eine Liegenschaft:

«sie oder er gegen eine oder mehrere gestützt auf die Artikel 23k-23n angeordnete Massnahmen verstossen hat.»

Der gleiche Sachverhalt kann also gleichzeitig sowohl verwaltungs- als auch strafrechtlich sanktioniert werden.

Strafrechtlich ergibt sich ein zusätzliches Problem: Dem Verstoss gegen eine solche Verfügung gemäss Art. 23f BWIS geht von der Logik her die Verfügung voraus, es handle sich um einen «terroristischen Gefährder», sonst gäbe es keinen Grund für eine Massnahme. Dieser notwendige erste Verfahrensschritt wird im Gesetz jedoch nicht festgelegt und in der Botschaft nicht erwähnt; er wird verfahrensrechtlich übergangen, wiewohl er entscheidend ist.[61] Diese erste Verfügung, welche die Person als «terroriste potentiel» etikettiert, beruht jedoch bloss auf Anhaltspunkten.[62] Durch das Zusammenfallen der beiden Verfahrensschritte in Art. 23k Abs. 1 und 2 BWIS verstösst Art. 29a BWIS, der sich eben auch auf diesen ersten Verfahrensschritt stützt, gegen das Bestimmtheitsgebot,[63] auch das materiell-strafrechtliche Bestimmtheitsgebot,[64] somit gegen das Grundprinzip von nulla poena sine lege, gegen das Legalitätsprinzip, also gegen Art. 1 StGB[65] und Art. 7 EMRK.

Dazu kommt ein weiteres verfahrensrechtliches Problem (s. Rz. 49).

2. Zum Straftatbestand von Art. 74 Abs. 4 NDG

Mit dem erwähnten BB betreffend das Europaratsübereinkommen (Rz. 31) wurde Art. 74 Abs. 4 NDG geändert:

«Wer sich auf dem Gebiet der Schweiz an einer nach Absatz 1 verbotenen Organisation oder Gruppierung beteiligt, sie personell oder materiell unterstützt, für sie oder ihre Ziele Propagandaaktionen organisiert, für sie anwirbt oder ihre Aktivitäten auf andere Weise fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»[66]

Weggefallen ist die Klausel «sofern nicht strengere Strafbestimmungen zur Anwendung kommen».

Dieser Tatbestand umschreibt gleiche Verhaltensweisen, die auch als «terroristische Aktivitäten» nach Art. 23e Abs. 2 BWIS gelten.

3. Das Al-Qaïda- und IS-Verbotsgesetz

Im Al-Qaïda- und IS-Verbotsgesetz[67] besteht ein auf die Gruppierung «Al-Qaïda», die Gruppierung «Islamischer Staat» und Tarn- und Nachfolgegruppierungen spezifizierter, mit Art. 74 NDG sonst identischer Straftatbestand. Durch das Al-Qaïda- und IS-Verbotsgesetz hat der Gesetzgeber diese Organisationen verboten.

4. Konkurrenzen

Durch diese angeführten ebenso wie seit langem bestehenden Tatbestände (so Art. 119 Abs. 1 AIG, Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung;Art. 291 StGB, Verweisungsbruch; Art. 292 StGB, Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung) entstehen, zumal mit unterschiedlichen justiziellen Zuständigkeiten und unterschiedlichen Strafmassdrohungen, unerwünschte Konkurrenzen. Geschaffen wird eine Rechtslage, die der rechtsstaatlich erforderlichen Transparenz in keiner Weise entspricht und zu vorhersehbarer Rechtsunsicherheit für die richtiger- oder unrichtigerweise mit diesbezüglichen Verfahren befassten Behörden führen.[68] Mehrere Verhaltensweisen, welche mit diesen Straftatbeständen erfasst werden, sollen nach dem Willen des Parlamentes ebenso zu den «terroristischen Aktivitäten» nach Art. 23e Abs. 2 BWIS zählen.[69] Weiteres zu den relevanten Straftatbeständen in Ziff. VII/1.

5. Eine rechtsstaatlich gefährliche Konstellation

Die Verschränkung von administrativ und strafrechtlich begründeten Freiheitentzügen (Wechsel von einem administrativen in ein Strafverfahren)[70] führt zu weiteren Problemen.

a) Verknüpfung des Tatbestandes von Art. 29a BWIS mit dem AIG: Feindstrafrecht?

Die Betonung, wonach die Massnahmen nach Art. 23f BWIS nur subsidiär nach der voraussichtlichen Wirkungslosigkeit integrativer, d.h. spezifisch ausländerrechtlicher Bemühungen verfügt werden können, führt zur Frage, ob damit für negativ definierte ausländische Staatsangehörige (Rz. 6 f.) ein Spezialtatbestand eingeführt worden ist. Der Gedanke, es könnte sich um eine Form von Feindstrafrecht[71] handeln, kann daher nicht einfach ausgeschlossen werden.

Es soll hier den Verfassern dieser Gesetzesnovelle keine derartige Absicht unterstellt werden. Erstaunlich ist aber, dass diese Gefahr einer rechtsstaatlich völlig inakzeptablen Rechtslage nicht schon bei den Vorarbeiten bemerkt und korrigiert worden ist.

b) Rückwirkung auf die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK («Engel-Kriterien»)

Aus dieser Verschränkung ergibt sich zudem eine verfahrensrechtliche Erweiterung. Was als Anhaltspunkte für «terroristische Aktivitäten» im verwaltungsrechtlichen BWIS-Kontext umschrieben wird sowie deren Folgen, machen diese Einschätzung (in einem ersten, gesetzlich nicht gesondert festgelegten Verfahrensschritt[72]) - als Ausgangspunkt auch für ein Strafverfahren - materiell-rechtlich zu einer Anklage.[73] Damit wird hinsichtlich des Freiheitsentzuges gemäss Art. 23o BWIS neben Art. 5 EMRK punkto Verfahrensanforderungen auch Art. 6 EMRK relevant.[74] Das bedeutet, dass das gerichtliche Verfahren kontradiktorisch, die Verhandlung und die Urteilseröffnung öffentlich sein müssen.[75] Weiteres dazu nachfolgend in Rz. 55.

V. Verfahrensrechtliche Regelungen im Besonderen

Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten ergeben sich einerseits aus der erwähnten Verschränkung von Verwaltungs- und Straf(prozess)recht (Rz. 48 ff.), andererseits auch innerhalb der verwaltungsrechtlichen Bestimmungen.

Die Vorschriften in Art. 24g BWIS sind rudimentär. Die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes[76] wird in der Botschaft auf das Rechtsmittelverfahren begrenzt.[77] Selbst diesbezüglich wird in Art. 24g BWIS nur Art. 48 VwVG, Beschwerdelegitimation, angeführt, nicht aber die weiteren Verfahrensnormen.

1. Zur Verschränkung von Verwaltungs- und Strafrecht

a) Nemo tenetur

Auch wenn das VwVG nicht als Ganzes für massgebend erklärt wird, ist mangels anderer zutreffender Erlasse von dessen Anwendbarkeit auszugehen. Nach Art. 13 Abs. 1 lit. c VwVG trifft die von fedpol anvisierte Person eine Mitwirkungspflicht, da ihr «nach einem anderen Bundesgesetz eine weitergehende Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt». Eine solche ergibt sich ebenso aus Art. 23k BWIS, Melde- und Gesprächsteilnahmepflicht.[78]

Wie dargelegt (Rz. 35) fallen die Verfahrensschritte der Bezeichnung einer Person als «terroristischer Gefährder» und der darauf gestützten Verfügung einer Massnahme, zunächst der Gesprächsteilnahmepflicht, zusammen. Ein Verstoss gegen die Gesprächsteilnahmepflicht bildet jedoch auch den Straftatbestand nach Art. 29a BWIS. Demnach ergibt sich durch diese Verschränkung des verwaltungsrechtlichen mit dem strafprozessrechtlichen Verfahren ein Verstoss gegen den Grundsatz von nemo tenetur (Art. 113 Abs. 1 StPO), da eine Ausnahme von der Gesprächsteilnahmepflicht im BWIS nicht stipuliert ist. Somit können die allfälligen Aussagen der betreffenden Person gegen sie verwendet werden. Umgekehrt kann die Verletzung der Gesprächsteilnahmepflicht zu einem Strafverfahren gemäss Art. 29a BWIS führen. Diese Verschränkung ist rechtsstaatlich unzulässig.[79] Es handelt sich um die Aufhebung des (funktionalen) Abgrenzungskriteriums zwischen Polizei- und Strafrecht.[80]

b) Zur Parallelität von verwaltungs- und strafrechtlichen Massnahmen

Die Botschaft äussert sich nicht zum Verhältnis der Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS und den Straftatbeständen. Die «Nichteinhaltung ist nach Art. 29a BWIS strafbar und zieht strafrechtliche Konsequenzen nach sich» (sic!).[81] Dann folgt eine kaum verständliche Passage: «Mit diesem Wechsel in den repressiven Bereich[82] und den dort anwendbaren strafprozessualen Zwangsmassnahmen vermindert sich das Bedürfnis nach weiteren präventiven Massnahmen».[83] Heisst das, dass ein strafrechtlich nicht möglicher (unbedingter) Freiheitsentzug durch einen solchen gestützt auf Verwaltungsrecht wegen des nämlichen Sachverhalts dennoch angeordnet werden darf? Zwar würden damit die formellen Anforderungen von Art. 36 Abs. 1 BV erfüllt, doch widerspräche dies dem Gehalt dieser Norm zum Schutz der Grundrechte.[84] Auch erscheint die Rangfolge (zuerst strengeres Strafrecht, dann grundsätzlich milderes Verwaltungsrecht) als Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips.[85] Es stellt sich zudem die Frage eines Verstosses gegen ne bis in idem.

2. Zur Frage des rechtlichen Gehörs

Nicht geregelt ist das rechtliche Gehör vor der ersten Verfügung, d.h. vor der Bezeichnung einer Person als «terroristischer Gefährder».[86] Diesem ersten Verfahrensschritt mangelt es demnach an einer expliziten verfahrensrechtlichen Grundlage. Der Anspruch auf rechtliches Gehör stützt sich vorab auf Art. 29a Abs. 2 BV (Grundrecht). Analog wird im verwaltungsrechtlichen Verfahren des Bundes dieses Recht in Art. 29 VwVG stipuliert. Die betreffenden Personen, die als «terroristischer Gefährder» bezeichnet werden (sollen), haben daher Anspruch auf rechtliches Gehör.[87] Dabei geht es zuerst um die Qualifikation als «terroristischer Gefährder», gleichzeitig aber auch um die simultan verfügte Massnahme (s. Rz. 6, 35).

Vor der erstinstanzlichen Verfügung durch fedpol könnte in Anwendung von Art. 30 Abs. 2 lit. b VwVG auf die Anhörung nur verzichtet werden, wenn die Verfügung durch Beschwerde anfechtbar ist. Das Beschwerderecht steht der betroffenen Person zu (Art. 24g Abs. 1 BWIS).[88]

Doch haben gemäss Art. 24g Abs. 3 BWIS Beschwerden keine aufschiebende Wirkung. Zwar kann die Beschwerdeinstanz diese erteilen, «wenn der Zweck der Massnahme dadurch nicht gefährdet wird». Der generelle Entzug der aufschiebenden Wirkung im BWIS (lex specialis) steht dem üblichen Verfahren entgegen: Art. 55 Abs. 1 VwVG lässt einer Beschwerde grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommen. In Kombination mit der Möglichkeit, das rechtliche Gehör erst im Beschwerdeverfahren zu gewähren, widerspricht diese Rechtslage rechtsstaatlichen Anforderungen, dem Fairnessprinzip,[89] und bewirkt einen kurzfristigen, d.h. bis zum Entscheid der Beschwerdeinstanz, unumkehrbaren erheblichen Rechtsnachteil in Form der vollstreckten Freiheitsbeschränkung.

Die betroffene Partei hat ebenso gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG ein Akteneinsichtsrecht. Dieses kann zwar i.S. von Art. 27 Abs. 1 VwVG eingeschränkt werden, insbesondere in Bezug auf nachrichtendienstliche Quellen. Doch muss der Partei bereits vor der erstinstanzlichen Verfügung die Möglichkeit gegeben werden, die Rügen, wie sie in Art. 49 VwVG (Beschwerdeverfahren) ausdrücklich genannt werden, vorzubringen. Das betrifft namentlich die Einwände der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und der Unangemessenheit. Andernfalls wird ihr vor der Freiheitsbeschränkung aufgrund von Anhaltspunkten nicht einmal die Gelegenheit gegeben, die Argumente darzulegen, dass die Prognose nicht zutreffe.[90] Da im gleichen Zusammenhang auch ein strafrechtliches Verfahren durchgeführt werden kann, widerspräche dies der Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 1 StPO) und dem Grundsatz, dass die Beweislast beim Staat liegt.

3. Die unterschiedlichen richterlichen Behörden

Hinsichtlich der Eingrenzung auf eine Liegenschaft ist gemäss Art. 23p BWIS das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern (ZMG) zuständig, den Antrag von fedpol auf Eingrenzung auf eine Liegenschaft (oder deren Verlängerung bzw. Ablehnung eines Aufhebungsgesuches) zu prüfen.

Unklar ist durch die ausschliessliche Nennung von Art. 48 VwVG in Art. 24g Abs. 2 BWIS, ob für das Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern das VwVG oder das bernische Verfahrensrecht gilt.[91]

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden gegen Entscheide des Berner Zwangsmassnahmengericht ebenso wie Beschwerden gegen Verfügungen von fedpol betr. Verfügungen von Massnahmen gemäss Art. 23k bis 23n BWIS.

VI. Die Massnahmen und Fragen zum Erreichen des Gesetzeszwecks

1. Die Massnahmen

Die mit Art. 23k bis 23o BWIS[92] eingeführten Massnahmen bedeuten Einschränkungen der physischen Freiheit: Melde- und Gesprächsteilnahmepflicht (Art. 23k BWIS) bis Eingrenzung auf eine Liegenschaft (Art. 23o BWIS). Dazu kommt die generelle Zulässigkeit der elektronischen Überwachung und Mobilfunklokalisierung (Art. 23q BWIS).

Die Dauer ist gesetzlich festgelegt (Art. 23g Abs. 1 BWIS): Massnahmen nach Art. 23k bis 23n BWIS sind auf sechs Monate mit einmaliger Möglichkeit der Verlängerung um die gleiche Zeitspanne, also auf maximal ein Jahr, begrenzt.

Die Eingrenzung auf eine Liegenschaft wird auf drei Monate beschränkt; zweimal ist eine Verlängerung um drei Monate zulässig (Art. 23o Abs. 5 BWIS). Die maximale Dauer beträgt neun Monate. Die strengste Massnahme wegen der grössten eingeschätzten Gefahr ist damit die kürzeste.

Die elektronische Überwachung und Mobilfunklokalisierung (Art. 23q Abs. 1 BWIS) kann fedpol anordnen, «wenn die im Rahmen der Massnahmenvollzugskontrolle bislang getroffenen Massnahmen erfolglos geblieben sind oder der Massnahmenvollzug ohne Überwachung oder Lokalisierung aussichtslos wäre oder übermässig erschwert würde». Das entspricht einer gewissen Subsidiarität. Die Überwachung ist nur zulässig, sofern sich der «terroristische Gefährder» nicht an die Massnahme hält. Aber sie setzt eine Überwachung in Form einer Observation voraus, sonst könnte die Erfolglosigkeit der eigentlichen Massnahme nicht festgestellt werden. Oder aber eine Observation erscheint aussichtslos oder wäre «übermässig erschwert». Eine permanente technische Überwachung oder Lokalisierung ist nach diesem Konstrukt jedoch gerade nicht zulässig, also bedarf es der polizeirechtlichen Observation nach kantonalem Recht. Dies wirft die Fragen nach der Zweckmässigkeit dieser Massnahme auf.

2. Was heisst «verhindern»?

Verhindern bedeutet in der Prävention die letzte auf eine Gefahrenquelle bezogene Massnahme, um das Umschlagen einer Gefahr in einen Schadenseintritt durch eine gezielte Intervention zu verunmöglichen (Präemption).[93] Verhindern ist ein absoluter Begriff. Das geschieht bspw. durch eine vorläufige Festnahme, schlimmstenfalls durch Schusswaffengebrauch.

Es ist offenkundig, dass keine der Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS allein eine Gewaltstraftat z.B. eines «low cost»-Attentäters verhindern könnte.[94] Das Konzept verstösst damit gegen das Untermassverbot.[95] Aber auch die andern ins Visier genommenen kommunikativen Verhaltensweisen, bspw. Absprachen in Bezug auf eine Attentat, können auf diese Weise nicht verhindert werden. Das wird in der Botschaft selber eingestanden, wenn es heisst, «(e)in Verstoss gegen diese Pflichten lässt sich zwar nicht gänzlich ausschliessen, doch dürfte von der Strafandrohung (Art. 29a E-BWIS) zumindest eine gewisse präventive Wirkung ausgehen» (sic!).[96] Dies ist nicht verhindern. Kernpunkt ist jedoch nicht die Nichtbefolgung der Massnahmen, sondern das Verhindern eines Anschlages. Da auch die elektronischen Mittel nicht zur permanenten Überwachung eingesetzt werden und die Mobilfunklokalisierung auch erst zur nachträglichen Feststellung einer «grobmaschigen Ortung» durch Auswertung von Randdaten vorgesehen ist, vermögen diese nichts zur Verhinderung beizutragen.[97] Dabei unterliegt die Voraussetzung dieser elektronischen Massnahme einem Fehlschluss: Eine elektronische Massnahme soll nur erfolgen, wenn sich «andere Mittel und Kontrollmassnahmen als erfolglos erwiesen haben oder der Vollzug […] ohne die elektronische Überwachung oder die Mobilfunklokalisierung aussichtslos wäre».[98] Die sich ohne elektronische Überwachung als erfolg- oder aussichtslos erweisenden Kontrollmassnahmen sollen durch die nicht permanente Überwachung und die Nachträglichkeit ihrer Auswertung, also von vornherein ebenso erfolgloser Massnahme zur Verhinderung einer «terroristischen Aktivität» ersetzt werden. Dies ergibt keinen Sinn für die Zweckerreichung des Gesetzes.

Anzumerken ist, dass kein Polizeidienst in der Schweiz die nötigen personellen Ressourcen hat, um während der vorgesehenen Dauer der Massnahmen eine auch nur mehr oder weniger permanente Observation durchzuführen, sodass sich die Aussichtlosigkeit einer nicht permanenten elektronischen Überwachung der Massnahmenbefolgung schon daraus ergibt.

Schliesslich entfällt eine Gefährdung durch einen «terroristischen Gefährder», d.h. v.a. die Gefahr einer Gewaltstraftat, auch nicht mit dem Ablauf einer gesetzlichen Frist, sondern erst dann, wenn er sich von solchen Absichten abgewendet hat.[99] Dies ruft nach einer belastbaren Beurteilung durch Fachpersonen.

Die Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS taugen nicht, um die anvisierten Verhaltensweisen zu verhindern.[100]

VII. Das bestehende rechtliche Abwehrdispositiv gegenüber terrorismusbezogenen Aktivitäten

Das auch ohne die BWIS-Novelle rechtliche Abwehrdispositiv

  • gegen Verhaltensweisen, die in unterschiedlichen Arten, u.a. in elektronischen Medien, noch vor einer strafrechtlichen Relevanz - von der Kommunikation zwischen Einzelpersonen oder in Gruppen, Propaganda, Unterstützung bis zur Mitgliedschaft mit einem möglichen Terrorismusbezug - reichen,
  • gegen solche, welche die strafrechtliche Schwelle überschritten haben,

ist vielfältig und verwirrlich. Aus Platzgründen kann dieses Dispositiv - unter Ausklammerung der BWIS-Bestimmungen gemäss PMT- Mantelgesetz - nur als knappe Übersicht dargestellt werden.

Genannt werden im Folgenden die materiell-rechtlichen Straftatbestände und verfahrens- sowie polizeirechtliche Befugnisbestimmungen, welche vor und während der Massgeblichkeit der Strafprozessordnung behördliche Abwehrmassnahmen erlauben.

1. Strafrechtliche Tatbestände

Eine Vielzahl von entweder direkt als terroristisch bezeichneten Straftaten oder solche, die vom modus operandi her dazugehören, erlauben - neben den nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffungen - besondere Ermittlungsarten, sei es als verdeckte Ermittlung (Art. 286 Abs. 2 StPO) bzw. verdeckte Fahndung (Art. 298a ff. StPO) oder eine geheime Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 269 Abs. 2 StPO); sie können hier nur summarisch angeführt werden.[101]

2. Verfahrensrechtliche Befugnisbestimmungen

Zur Informationsbeschaffung vor der Massgeblichkeit des Strafprozessrechts liefern das NDG[102] und das Zentralstellengesetz[103] die gesetzlichen Grundlagen. Die kantonalen Polizeigesetze ermöglichen ebenso vor der Anwendbarkeit der StPO Observationen, präventive Fahndung und verdeckte Ermittlungen.[104]

Zudem sind zur Verhinderung einer schweren Straftat die polizeilichen Zwangsmassnahmen vom Polizeigewahrsam bis zum Schusswaffeneinsatz polizeigesetzlich geregelt.

VIII. Zusammenfassung

  • Dem Bund kommt keine Gesetzgebungskompetenz zu den sicherheitspolizeilichen Bestimmungen im BWIS zu (Beitrag I).
  • Die Umschreibung von «terroristischen Aktivitäten» zur Bezeichnung von «terroristischen Gefährdern» widerspricht den völkerrechtlichen Definitionen von Terrorismus (Beitrag II).
  • «Terroristische Aktivität» und «terroristischer Gefährder» sind keine Legaldefinitionen und genügen dem Bestimmtheitsgebot gemäss BV und EMRK nicht (Beitrag II).
  • Hassverbrechen, die auch als «terroristisch» verstanden werden, werden nicht erfasst (Beitrag I).
  • Die Eingrenzung auf eine Liegenschaft, gestützt auf diese unbestimmte Umschreibung und Annahme einer Gefährlichkeit, verletzt Art. 5 Abs. 1 EMRK (Beitrag II).
  • Die Subsidiaritätskriterien für Massnahmen nach Art. 23k ff. BWIS taugen als solche nicht (vorstehend, Rz. 20).
  • «Anhaltspunkte» zur Einschätzung der Gefährlichkeit einer Person sind objektiv nicht belastbar und genügen nicht für Grundrechtsbeschränkungen (Rz. 27 ff.).
  • Die verfahrensrechtlichen Vorgaben, auch als Grundlage für eine simultan mit polizeirechtlichen Massnahmen zu verhängende Freiheitsstrafe nach Art. 29a BWIS, verstossen gegen das Prinzip von nemo tenetur, andere Verfahrensgrundrechte und die Unschuldsvermutung (Rz. 49, 54).
  • Der Freiheitsentzug nach Art. 23o BWIS soll auch während eines Strafverfahrens möglich sein, wenn strafprozessuale Massnahmen (Untersuchungshaft) nicht angeordnet werden können, was gegen Art. 36 Abs. 1 BV ebenso wie Treu und Glauben verstösst (Rz. 19).
  • Die Überschneidungen von Verwaltungs- (Polizei-)recht und Strafrecht (StGB) für identische Sachverhalte ist unter dem Aspekt von «ne bis in idem» problematisch.
  • Es bestehen strafrechtliche Konkurrenzfragen und unterschiedliche Gerichtsbarkeiten (Rz. 41, 55).
  • Die Verschränkung mit strafrechtlichen Massnahmen für den gleichen Sachverhalt kommt auch im polizeirechtlichen Verfahren einer Anklage gleich, was die Befolgung von Art. 6 Abs. 1 EMRK verlangt (Rz. 45).
  • Die einzelnen Massnahmen taugen nicht, um die Ausführung einer terroristischen Straftat durch eine tatsächlich dazu bereite Person zu verhindern (Rz. 63 ff.), das Konzept zur Verhinderung von terroristischen Gewaltstraftaten verstösst gegen das Untermassverbot (Rz. 63).


[1] Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung vom 18. September 2015 (BBl 2015 7487).

[2] Bundesgesetz vom 25. September 2020 über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; BBl 2020 7741).

[3] Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120).

[4] Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101).

[5] Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, abgeschlossen in Rom am 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101).

[6] Markus Mohler, Dem PMT-Gesetz fehlt die Verfassungsgrundlage, sui generis 2021, S. 61 ff. (zit. Beitrag I); Ders., PMT-Gesetz: Wichtige Bestimmungen sind weder verfassungs- noch EMRK-konform, sui generis 2021, S. 135 ff. (zit. Beitrag II).

[7] Botschaft vom 22. Mai 2019 zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (BBl 2019 4751), S. 4772, 4860 ff.

[8] Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210).

[9] Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 (AIG; SR 142.20).

[10] Kantonale Ausführungsverordnungen sind diesbezüglich unbedeutend.

[11] Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern vom 15. August 2018 (VIntA; SR 142.205).

[12] Im französischsprachigen Gesetzestext: «les bureaux de l'intégration». Vgl. z.B. auch Motion 00.3585 (Schaffung wirksamer Integrationsmassnahmen für Ausländer in der Schweiz).

[13] Die in diesem Text verwendete männliche Form gilt für alle Personen.

[14] Hervorhebung hier.

[15] Botschaft PMT (Fn. 7), S. 4791.

[16] Weshalb von Re-Integration die Rede ist, wird nicht erklärt, weist aber auf weitere Unschärfen und Unterscheidungen hin.

[17] Urteile des Bundesstrafgerichts SK.2016.9 vom 15. Juli 2016; SK.2019.38 vom 26. Juni 2020, Ziff. 1.1.3.

[18] Vgl. dazu Rz. 43, 51 den Straftatbestand von Art. 29a BWIS betreffend.

[19] Rainer J. Schweizer, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2014, Art. 8 N 65.

[20] Bernhard Waldmann, in: Waldmann/Belser/Epiney (Hrsg.), Schweizerische Bundesverfassung, Basler Kommentar, Basel 2015, Art. 8 N 68.

[21] Jörg Paul Müller / Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Aufl., Bern 2008, S. 714 f.

[22] Sicherheitsverbund Schweiz, vom 4. Dezember 2017.

[24] NAP (Fn. 22), S. 20 f.

[25] Vgl. Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 22 ff.

[26] In dieser Hinsicht ist die Botschaft PMT widersprüchlich: vgl. S. 4769 und 4807.

[27] Vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 28. Juni 2006 (BBl 2006 7001), S. 7069.

[28] Thomas Geiser / Mario Etzensberger, in: Geiser/Fountoulakis (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, Art. 426 N 43a.

[29] Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift in den damaligen Nova zum ZGB, dass das Unterbringen eines Kindes in einer geschlossenen Einrichtung oder psychiatrischen Anstalt ebenso wie die fürsorgerische Unterbringung nur nach einer fachärztlichen Untersuchung und Beurteilung verfügt werden darf. Vgl. dazu nachfolgend III.

[30] BGE 146 I 11 E. 3.1.2; vgl. bspw. § 2 Abs. 1 Ziff. 1 PolG BS (SG 510.100): «Sie trifft Massnahmen, um unmittelbar drohende Gefährdungen […] abzuwehren»; § 3 Abs. 1 lit. c PolG ZH (ON 550.1): «Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für Menschen […]».

[31] Z.B. § 37 Abs. 1 Ziff. 1 PolG BS: «Die Kantonspolizei kann vorübergehend in Gewahrsam nehmen: Personen, die andere ernsthaft gefährden, […]».

[33] Markus Mohler, Polizeiberuf und Polizeirecht im Rechtsstaat, Basel 2020 (zit. Polizeirecht), S. 140.

[35] Verwiesen sei auch auf Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO (Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO; SR 312.0]), wonach statt der Haft Ersatzmassnahmen angeordnet werden können, die sich mit jenen von Art. 23k bis 23n BWIS decken dürften.

[36] BGE 143 IV 9 E. 2.3.2, 2.8 f.

[37] Insofern ist der Satz in der Botschaft PMT (Fn. 7), S. 4789: «Präventiv-polizeiliche Massnahmen nach dem 5. Abschnitt E-BWIS können lediglich subsidiär zu kantonalen Massnahmen zur Anwendung gelangen (Art. 23f Abs. 1 E-BWIS)», diesbezüglich nicht richtig.

[38] Bundesgesetz über den Nachrichtendienst vom 25. September 2015 (NDG; SR 121).

[39] Zum gesetzlichen Widerspruch darin s. Rz. 6.

[42] Urteil des EGMR 37555/97 vom 16. Januar 2001 (O'Hara gegen Vereinigtes Königreich), § 36.

[43] Urteil des EGMR [GK] 43395/09 vom 23. Februar 2017 (De Tommaso gegen Italien), § 117.

[45] BGE 143 IV 9 E. 2.3.1 f., 2.9 f.

[48] Mit Ausnahmen bezüglich einer vorherigen Verurteilung wegen einer Vortat.

[50] BGE 143 IV 9 E. 2.7 (in diesem Fall geht es um Pädophiliedelikte).

[52] Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 21, 60 f., 65.

[53] S. dazu Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 42 mit Fn. 74.

[56] EGMR, De Tommaso, § 80 («physical liberty» als geschütztes Rechtsgut gemäss Art. 5 Abs. 1 EMRK).

[57] EGMR, O'Hara, § 35 («However, though Contracting States cannot be required to establish the reasonableness of the suspicion […] by disclosing confidential sources […], the Court has held that […] dealing with terrorist crime cannot justify stretching the notion of ‹reasonableness› to the point where the safeguard secured by Article 5 § 1 (c) is impaired.»). Vgl. Rz. 21.

[58] Vgl. Hinweis in Fn. 29.

[59] Vgl. dazu Rz. 6, 35.

[60] Vom 25. September 2020 (BBl 2020 7891).

[61] Vgl. Rz. 6.

[62] Vgl. Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 32, 37 und nachfolgend Rz. 54.

[63] Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 14 ff.

[64] Wolfgang Wohlers, in: Wohlers/Godenzi/Schlegel (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl., Bern 2020, Art. 1 N 7 ff. m.w.N.; Peter Popp / Anne Berkemeier, in: Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 1 N 45 f.; Marcel A. Niggli / Christoph Riedo, Viele Probleme…, in: Häner/Waldmann (Hrsg.), Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Zürich 2010, S. 55.

[65] Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).

[67] Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen vom 12. Dezember 2014 (SR 122).

[68] Vgl. dazu Sven Zimmerlin, Das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), Sicherheit & Recht 3/2020, S. 184 ff., 190.

[69] Vgl. Mohler, Beitrag II (Fn. 6), Rz. 33 mit Fn. 64.

[70] Vgl. Botschaft PMT (Fn. 7), S. 4771.

[71] S. Kastriot Lubishtani / Hadrien Monod, Mesures policières de lutte contre le terrorisme, Sicherheit & Recht 1/2020, S. 19 ff., 27 m.w.H.

[72] Vgl. Rz. 49.

[73] Urteil des EGMR 11034/84 vom 22. Mai 1990 (Weber gegen Schweiz), §§ 33 ff., 39 f.

[74] BGE 134 I 140 E. 4.2; Lubishtani/Monod (Fn. 71), S. 22 ff.

[75] EGMR, De Tommaso, §§ 167 f.; Christoph Grabenwarter / Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl., Basel 2016, § 24 N 93 ff.: Gründe für Ausnahmen im Interesse der nationalen Sicherheit müssten spezifisch vorliegen, § 24 N 82. Vgl. dazu Fn. 91.

[76] Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021).

[78] Fedpol kann «einen terroristischen Gefährder verpflichten, […] Gespräche mit einer oder mehreren Fachpersonen zu führen». Zur Frage der Wirksamkeit dieser Massnahme vgl. Rz. 63 ff. mit Fn. 99.

[79] Vgl. dazu Rz. 48 ff. betr. nemo tenetur.

[80] Vgl. Jennifer Pullen, Predictive Policing zwischen Gefahrenabwehr und Strafrecht, in: Simmler (Hrsg.), Smart Criminal Justice, Basel 2021, S. 137; Patricia Schefer, Grundrechtsschutz im Zeitalter des Predictive Policing, Von der Unschuldsvermutung zu Ungefährlichkeitsvermutung, a.a.O, S. 145 ff.

[82] Fehl geht in diesem Zusammenhang die Bemerkung in der Botschaft PMT (S. 4784, dort Fn. 32): «Polizeiliche Massnahmen […] enthalten keine repressiven Komponenten». Verwaltungs- bzw. polizeirechtliche Verfügungen können selbstverständlich repressiver Art sein, das ist nötigenfalls gerade ihr Zweck (bspw. Bewilligungsentzug, Berufsverbot, Polizeigewahrsam). Vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 2C_92/2019 vom 31. Januar 2020 E. 4.2 f.; Mohler, Polizeirecht (Fn. 33), S. 56 f.

[84] Vgl. auch Art. 3 Abs. 2 lit. b StPO (Rechtsmissbrauchsverbot).

[85] Auch eher kritisch Zimmerlin (Fn. 68), S. 197.

[86] Das gilt auch für Art. 3 lit. f VwVG («Erledigung auf der Stelle durch sofort vollstreckbare Verfügung»), da sich dies auf Verfahren wie der Zollabfertigung oder militärische Kommandosachen bezieht; vgl. René Rhinow et al., Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl., Basel 2014, N 312, 317 f., 323, 328, 1227.

[87] A.A. Patrice Martin Zumsteg, Das geplante Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) - Verfassungsgrundlage und Verfahrensrecht, sui generis 2021, Rz. 32, 35 mit Verweis auf Zimmerlin (Fn. 68), S. 197, der den Verzicht auf rechtliches Gehör als «taktisch geradezu geboten» erachtet, «um den Gefährder nicht vorzeitig zu warnen». Diese Auffassung geht m.E. fehl. Sie verstösst, da der erste Verfahrensschritt auch Anlass für ein Strafverfahren sein kann, gegen Art. 107 und Art. 143 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 142 Abs. 2 StPO. Sie ist in diesem Kontext auch widersinnig, da die Person mit Massnahmen an «terroristischen Aktivitäten» gehindert, also gewarnt werden soll. Besteht die Gefahr einer schwerwiegenden Straftat konkret und unmittelbar, ist die Person in Polizeigewahrsam oder vorläufig festzunehmen, worauf ihr die Gründe ohnehin sofort mitzuteilen sind.

[88] In Art. 24g Abs. 1 BWIS wird lediglich auf Art. 48 VwVG (Beschwerdelegitimation) verwiesen, nicht jedoch auf die nachfolgenden Bestimmungen.

[89] Vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 4.4.

[90] Vgl. dazu ausschliesslich für das Beschwerdeverfahren Zumsteg (Fn. 87), Rz. 37.

[91] Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern (VRPG; BSG 156.21). Diesbezügliche Fragen zum Verfahrensrecht konnte der zuständige ZMG-Präsident in Bern auf Anfrage noch nicht beantworten (vgl. dazu Fn. 87). S. Rz. 45.

[92] Die spezifisch jugendrechtlichen Fragen (vgl. Art. 24f, Altersgrenze) werden hier nicht diskutiert; eingehend dazu Zimmerlin, (Fn. 68), S. 191 ff.

[93] Vgl. Mohler, Polizeirecht (Fn. 33), S. 56 f.

[94] A.A. offenbar Zimmerlin (Fn. 68), S. 193, der die Ausweitung der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlugen im Katalog von Art. 260bis StGB vorzöge. Vgl. Fn. 100.

[95] Urteil des Bundesgerichts 2C_701/2019 vom 17. Januar 2020 E. 5.4; BGE 144 II 16 E. 5.3 m.w.H., Mohler, Polizeirecht (Fn. 33), S. 39.

[99] Vgl. Interview mit Jugendanwältin Alexandra Ott, Attraktiv ist nicht der Glaube, NZZ vom 1. April 2021, S. 13.

[100] Vgl. Basler Zeitung vom 10. April 2021, S. 8 (Tötungsdelikt aus Hass 2020 in Dresden); der islamistische Täter, als Gefährder vorbestraft und registriert, unter nicht permanenter Beobachtung, meldete sich tags darauf zum Entradikalisierungsgespräch.

[103] Bundesgesetz über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes und gemeinsame Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit mit anderen Staaten vom 7. Oktober 1994 (ZentG; SR 360), Art. 3 lit. b.

[104] Als Beispiele: § 35 PolG AG (SAR 531.200); §§ 37a und 37bis PolG BL (SGS 700); §§ 33a f. PolG BS; Art. 33a ff. PolG FR (SGF 551.1); Art. 56(a), 57(a), 58 (a) Loi sur la police (LPol) GE (rs/GE F 1 05); Art. 52ter ff. PolG SG (sGS 451.1); Art. 9d ff. Legge sulla polizia (LPol) TI (RDL 561.100); Art. 21a f. LPol VD (BLV 133.11); Art. 32 ff. PolG ZH.