Die Durchsetzungsinitiative - ein Monstrum

Niccolò Raselli

Alt-Bundesrichter Niccolò Raselli hat die Durchsetzungsinitiative analysiert und dabei die Unterschiede zur angenommenen Ausschaffungsinitiative herausgearbeitet. Unter dem Titel «Die Durchsetzungsinitiative - ein Monstrum» warnt er eindringlich vor einer Unterschätzung der Folgen einer Annahme.

Zitiervorschlag: Niccolò Raselli, Die Durchsetzungsinitiative - ein Monstrum in: sui-generis 2016, S. 1

URL: sui-generis.ch/18

DOI: https://doi.org/10.21257/sg.18


I. Ausgangslage

Am 28. November 2010 wurde die sogenannte Ausschaffungsinitiative von Volk und Ständen angenommen. Sie figuriert in Art. 121 Abs. 3 - 6 der Bundesverfassung. Das Charakteristikum der neuen Verfassungsnorm ist der Automatismus der Landesverweisung bei Erfüllung bestimmter Straftatbestände. Das bedeutet, dass die Verhältnismässigkeit der Landesverweisung prinzipiell nicht mehr überprüft würde. Weil das im Widerspruch zur Bundesverfassung steht, welche die Prüfung der Verhältnismässigkeit für jegliches Verwaltungshandeln vorschreibt,[1] aber auch zur EMRK und zum UNO-Pakt II,[2] sieht die Ausführungsgesetzgebung in Art. 66a Abs. 2 StGB eine Härtefallklausel vor. Diese Relativierung des Automatismus ist der SVP ein Dorn im Auge. Sie sieht damit ihre erfolgreiche Ausschaffungsinitiative in deren Kern bedroht. Um Diskussionen über den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bzw. die Härtefallklausel aus dem Wege zu gehen, verzichtete die SVP auf die Ergreifung des Referendums und legte stattdessen die sog. Durchsetzungsinitiative nach.

Die Durchsetzungsinitiative[3] ist ein Mon­strum sowohl in formeller wie inhaltlicher Hinsicht. Während die Ausschaffungsinitiative (Art. 121 Abs. 3 - 6 BV) in der Verfassung stehen bleibt, soll das, was eigentlich in die Ausführungs- bzw. Umsetzungsgesetzgebung gehörte, ebenfalls Verfassungsinhalt werden. Gleichzeitig liegt aber nach unbenützt abgelaufener Referendumsfrist die Ausführungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative vor. Zwischen dieser und der Durchsetzungsinitiative bestehen Widersprüche, ja die Durchsetzungsinitiative selber ist widersprüchlich. Es dürfte sich auch um eine Premiere handeln, dass ein neuer Straftatbestand, der sog. Sozialmissbrauch, in der Bundesverfassung normiert werden soll.[4] Über diese mehr formellen Mängel könnte noch hinweg gesehen werden. Das Gefährliche der Initiative ist die Aushebelung elementarer Rechtsgrundsätze, die Schwächung der dritten Gewalt und die präjudizielle Wir­kung hinsichtlich der sog. Selbstbestimmungsinitiative.

II. Differenzen zur Ausschaffungsinitiative (Art. 121 Abs. 3-6 BV)

1. Erweiterung der Landesverweisungstatbestände

Die Ausschaffungsinitiative umschreibt die Tatbestände relativ allgemein: Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, eines andern Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, Drogenhandels oder eines Einbruchsdelikts sowie wegen missbräuchlichen Bezugs von Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe (Art. 121 Abs. 3 BV) und überlässt die nähere Umschreibung der Tatbestände oder deren Ergänzung dem Gesetz (Art. 121 Abs. 4 BV). Ausgewiesene sind mit einem Einreiseverbot vom 5 - 15 Jahren zu belegen, im Wiederholungsfall mit einem Verbot von 20 Jahren (Art. 121 Abs. 5 BV). Inzwischen ist Art. 121 Abs. 3-6 BV gesetzlich umgesetzt worden.[5] Auf Details des sehr umfangreichen Tatbestandskatalogs von Art. 66a Abs. 1 StGB ist hier nicht näher einzugehen.

Der Katalog der Landesverweisungstatbestände gemäss Durchsetzungsinitiative entspricht in grossen Teilen jenem der umgesetzten Ausschaffungsinitiative, wobei allerdings mehrere Straftatbestän­de neu hinzu gekommen sind: So u.a. Ge­walt oder Drohung gegen Behörden und Beamte und Verweisungsbruch,[6] falsche Anschuldigung, falsches Gutachten, falsche Übersetzung.[7]

In einem wichtigen Punkt geht die Durchsetzungsinitiative allerdings wesentlich weiter: Wer z.B. wegen einfacher Körperverletzung, Raufhandels, Angriffs, Hausfriedensbruchs in Verbindung mit Sachbeschädigung oder Diebstahl - an sich keine obligatorische Ausschaffungstatbestände - verurteilt wird, wird dennoch obligatorisch des Landes verwiesen, wenn er in den letzten 10 Jahren zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt wurde. Diese «Two-strikes»-Norm[8] hat namentlich (noch nicht eingebürgerte) Secondos, aber auch Expats im Auge. Beispiele:

  1. Der seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnhafte Amerikaner Dave wurde vor 7 Jahren wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu einer Geldstrafe verurteilt. Inzwischen 65 geworden, erfährt er, wegen einer Beitragslücke keine AHV-Vollrente zu erhalten, obwohl er jahrzehntelang hohe Beiträge abgeliefert hat. Im Zorn über diese vermeintliche Ungerechtigkeit stösst er gegen einen Beamten eine Drohung aus. Obwohl nur zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt, müsste Dave die Schweiz automatisch verlassen. Dass er sich von seiner Schweizer Ehegattin, von seinen Kindern und Grosskindern trennen müsste, spielte so wenig eine Rolle wie der Umstand, dass er in seinem Herkunftsland weder über verwandtschaftliche noch soziale Beziehungen verfügt und wahrscheinlich vereinsamen würde.
  2. Der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Portugiese Amilcar wurde im Alter von 19 Jahren wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand bestraft. Neun Jahre später wird er in eine Schlägerei verwickelt. Weil dabei jemand verletzt wurde, werden alle Beteiligten wegen Raufhandels mit einer Geldstrafe belegt. Als Einziger der Teilnehmer müsste Amilcar das Land automatisch verlassen. Dass damit entweder seine junge Familie auseinander gerissen würde oder aber auch seine Ehefrau, wenn sie ihn begleitete, ihren Job verlieren würde, wäre unerheblich.
  3. Der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Engländer John wurde als junger Erwachsener wegen Haltens einer Haschischpflanze bestraft. Jahre später macht er sich einer einfachen Körperverletzung schuldig. Da es sich um einen leichten Fall handelt, kommt er mit einer Busse davon. Dennoch müsste er die Schweiz automatisch verlassen. Dass seine betagten, seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnhaften und von John unterstützten Eltern dadurch in Bedrängnis gerieten, wäre unerheblich.
  4. Der in der Schweiz geborene und aufgewachsene 20-jährige Pole Andrej feiert mit seinen Schweizer Kollegen die Lehrabschlussprüfung. Betrunken brechen sie nachts in jugendlichem Leichtsinn in den Dorfladen ein, um sich alkoholische Getränke zu beschaffen. Sie werden erwischt und, da bisher unbescholten, zu einer Geldstrafe verurteilt. Während es für die Schweizer damit getan ist, würde Andrej automatisch das Aufenthaltsrecht verlieren, müsste seine Familie verlassen, würde seinen Job verlieren und müsste sich in ein Land begeben, das er nicht kennt, dessen Sprache er kaum mächtig ist und wo er über keine sozialen Kontakte verfügt.

Es gilt in diesem Zusammenhang auch die grosse Zahl bi-nationaler Ehen zu bedenken: 2014 heirateten rund 23% in der Schweiz geborene Schweizer Staatsangehörige ausländische Staatsangehörige.[9] Es ist voraussehbar, dass bei einer Annahme der Initiative Schweizer Familien auseinandergerissen würden mit der Konsequenz, dass die schweizerische Gattin und ihre Kinder fürsorgeabhängig würden.

2. Sozialmissbrauch als obligatorischer Landesverweisungsgrund

Gemäss der die Ausschaffungsinitiative umsetzenden Gesetzesnovelle wird mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch unwahre oder unvollständige Angaben, durch Verschweigen von Tatsachen oder in anderer Weise irreführt oder in einem Irrtum bestärkt, sodass er oder ein anderer Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe bezieht, die ihm oder dem anderen nicht zustehen. In leichten Fällen ist die Strafe Busse (Art. 148a StGB). Gemildert wird der Ausschaffungstatbestand durch die Härtefallklausel der Gesetzesnovelle, die zwar Secondos schützen könnte, Expats jedoch eher nicht.

Die Durchsetzungsinitiative umschreibt den Straftatbestand im Wesentlichen gleich, enthält aber zwei wesentliche Verschärfungen. Zum einen wird auch der Versuch unter Strafe gestellt und zum andern wird der Strafrahmen von 1 auf 5 Jahre erhöht.[10] Vergleichsweise werden mit einer Maximalstrafe von 5 Jahren bestraft: Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB), Verleitung oder Beihilfe zum Suizid (Art. 115 StGB) Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB), Veruntreuung (Art. 138 StGB). Beispiel:

Der bei einer Bank angestellte Deutsche Friedrich hat gegenüber der Familienausgleichskasse den Ausbildungsunterbruch seines Sohnes nicht deklariert. Damit hat er sich des Sozialmissbrauchs schuldig gemacht und müsste die Schweiz automatisch verlassen. Dass er seit Jahren in der Schweiz wohnt, mit einer Schweizerin verheiratet ist und seine Kinder eingeschult sind, spielte alles keine Rolle.

3. Automatismus und keine Härtefallregelung

Das Parlament hat den in der Ausschaffungsinititiative vorgesehenen Automatismus mit einer Härtefallkausel entschärft (Art. 66a Abs. 2 StGB). Nach dieser kann der Richter «ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.» Damit wird dem Verhältnismässigkeitsgebot und insbesondere der Situation von «Secondos» Rechnung getragen, die ins Herkunftsland und damit unter Umständen in ein ihnen völlig fremdes Land ausgewiesen würden, deren Sprache sie nicht kennen und wo sie weder verwandtschaftliche noch sonstige soziale Beziehungen haben.

Die Durchsetzunginitiative richtet sich genau gegen diese Klausel. Sie beharrt auf dem Automatismus, der - im Verhältnis zur Ausschaffungsinitiative - noch verstärkt wird durch die «Two-strikes»-Bestimmung, wonach die Landesverweisung selbst für nicht schwerwiegende Delikte obligatorisch ist, wenn jemand vorbestraft ist - und das auf 10 Jahre zurück. Die prinzipielle Weigerung, die Verhältnismässigkeit einer Landesverweisung zu prüfen, bedeutet eine beispiellose Missachtung der Menschenrechte. Darin liegt aber auch eine gravierende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Denn wenn die einschneidendste Sanktion einer Straftat, die Landesverweisung, keiner Prüfung unterliegt, wird die betroffene Person dazu auch nicht angehört.

Im Kontrast dazu steht, dass man neuerdings auf den für Raser vorgesehenen Sanktionsautomatismus zurückkommen will mit der Begründung, es gehe lediglich darum, die Verhältnismässigkeit bei der Bestrafung von Temposündern wiederherzustellen.[11]

III. Verhältnis zum Völkerrecht

Eingedenk dessen, dass sowohl die Bundesverfassung als auch das Völkerrecht, konkret die EMRK und der UNO-Pakt II, bei schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte die Prüfung der Verhältnis- mässigkeit gebieten, hat das Parlament bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative für die Aufnahme einer Härtefallklausel gesorgt. Um das «unbequeme» Völkerrecht vom Tisch zu haben, sieht die Durchsetzungsinitiative vor, dass ihre Bestimmungen dem nicht zwingenden Völkerrecht vorgehen.[12]

IV. Durchsetzungsinitiative - ein Papiertiger?

1. Pacta sunt servanda

Vertraglich zustande gekommenes Völkerrecht wie namentlich die EMRK und der UNO-Pakt II ist verbindlich: Pacta sunt servanda. Insoweit geht Völkerrecht dem Landesrecht zwingend vor. Dabei spielt keine Rolle, auf welcher Stufe davon abweichendes Landesrecht steht. Das Bundesgericht müsste daher der direkt anwendbaren Norm[13] die Gefolgschaft verweigern, d.h. der neuen Norm zum Trotz die Verhältnismässigkeit einer Landesverweisung prüfen und der betroffenen Person das rechtliche Gehör gewähren. Insoweit zeitigte die Durchsetzungsinitiative keine Wirkung. Das führte allerdings zum von der sog. Selbstbestimmungsinitiative heraufbeschworenen Widerspruch zwischen Landes- und Völkerrecht (so diese Initiative Erfolg haben sollte) und damit zwingend zur Kündigung der EMRK.[14]

2. Das Gesetz geht der Verfassung vor

Die Referendumsfrist gegen die die Ausschaffungsinitiative umsetzende Gesetzesnovelle ist am 9. Juli 2015 unbenützt abgelaufen. Die vom Bundesrat noch nicht in Kraft gesetzte Gesetzesnovelle schreibt die Härtefallprüfung vor. Bundesgesetze sind gemäss Art. 190 BV für die Gerichte verbindlich. Dass die Verfassung hierarchisch über dem Gesetz steht, spielt im Kontext von Art. 190 BV gerade keine Rolle. Das Verbindlichkeitsgebot bedeutet gemäss Lehre und konstanter Rechtsprechung, dass die Gerichte den Gesetzen nicht unter Berufung auf deren Verfassungswidrigkeit die Gefolgschaft verweigern dürfen.[15] Damit bliebe das Gebot der Härtefallprüfung auch nach einer Annahme der Durchsetzungsinitiative bestehen.

Die SVP würde wohl zu argumentieren versuchen, dass die Durchsetzungsinitiative als spätere Spezialbestimmung dem allgemeinen Verbindlichkeitsgebot von Art. 190 BV vorgehe. Dem wäre aber zu widersprechen. Denn bei für das schweizerische Rechtsverständnis derart zentralen Fragen (Verbindlichkeit von Bundesgesetzen; Gebot der Verhältnismässigkeit; Gewährung des rechtlichen Gehörs) besteht kein Raum für formalistisches Argumentieren. Die Durchsetzungsinitiative statuiert keine ausdrücklichen Ausnahmen, weder vom Verhältnismässigkeitsgebot (Art. 5 Abs. 2 und 36 Abs. 3 BV) noch von der Verbindlichkeit der Gesetze (Art. 190 BV), noch vom Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Im Übrigen hätte sich für die Gegner der Verhältnismässigkeitsprüfung bzw. der Härtefallklausel die Ergreifung des Referendums geradezu aufgedrängt. So aber bliebe es selbst bei Annahme der Durchsetzungsinitiative bei der gesetzlich vorgeschriebenen Härtefallprüfung.

Denkbar ist, dass Druck auf den Bundesrat ausgeübt würde, die Gesetzesnovelle und mit dieser die Härtefallklausel gar nicht erst in Kraft zu setzen. Das Nicht-in-Kraft-setzen eines vom Volk durch Verzicht auf das Referendum angenommenen Gesetzes wäre allerdings ein unerhörter Vorgang.

3. Kündigung völkerrechtlicher Verträge als Lösung im Sinne der SVP?

Gemäss Art. 190 BV sind nicht nur die Gesetze, sondern auch das Völkerrecht massgebend, d.h. verbindlich. Während die EMRK kündbar ist,[16] ist es der vom Parlament 1991 genehmigte und dem Referendum unterstellte UNO-Pakt II nicht. Dessen Normen, die wie die EMRK die Prüfung der Verhältnismässigkeit bei schweren Eingriffen in Grundrechte verlangen, blieben trotz Kündigung der EMRK bestehen bzw. für die Schweiz verbindlich. Daran vermögen einseitige Willenserklärungen nichts zu ändern. Im Übrigen verstiesse der vollständige Ausschluss der Prüfung der Verhältnis- mässigkeit bei schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte ohnehin gegen zwingendes Völkerrecht,[17] welches die Durchsetzungsinitiative vorbehält und damit sich selber widerspricht.

V. Aussichten

Alles halb so schlimm? Nein. Denn mit der Überhöhung des sogenannten Volkswillens und dem damit einhergehenden Versuch, die dritte Gewalt auszuschalten, auf was der Sanktionsautomatismus letztlich abzielt, würde sich die plebiszitäre Demokratie in Richtung autoritärer Staat bewegen. Präsident Putin lässt grüssen: Allerdings hat er, propagandistisch beschlagen, auf eine Kündigung der EMRK verzichtet, seine Probleme aber durch Erlass eines Gesetzes gelöst, wonach Urteile des EGMR nur noch umgesetzt werden, wenn diese nicht gegen die russische Verfassung verstossen.[18]

Kürzlich schreckte die Meldung auf, dass laut Umfrage 66% der Befragten die Durchsetzungsinitiative befürworten würden. An der Zuverlässigkeit der Umfrage mag man zweifeln. Dennoch darf die Meldung nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es ist zwar anzunehmen, dass die Befragten kaum detaillierte Kenntnisse hinsichtlich der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative durch das Parlament und der am 28. Februar 2016 zur Abstimmung gelangenden Durchsetzungsinitiative hatten. Bessere Kenntnisse dürften sie allerdings auch bei der Abstimmung nicht haben. Aufklärung tut daher Not.



[1] Gemäss Art. 5 Abs. 2 BV muss staatliches Handeln verhältnismässig sein und gemäss Art. 36 Abs. 3 BV müssen namentlich Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein.

[2] Die EMRK und der UNO-Pakt II formulieren das Verhältnismässigkeitsprinzip - anders als die Bundesverfassung - nicht als allgemeine Norm, verweisen jedoch in den einzelnen Normen explizit oder implizit auf Teilgehalte dieses Prinzips.

[3] Die Durchsetzungsinitiative ist als neue Übergangsbestimmung zu Art.121 BV konzipiert: Art. 197 Ziff. 9 BV.

[4] Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 Ziff. V der Initiative.

[5] Es betrifft insbesondere die neuen Art. 66a - 66d StGB sowie Art. 49a - 49c MStGB, aber auch Bestimmungen des AuG und weiterer Gesetze.

[6] Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 Ziff. 2i.

[7] Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 Ziff. 2j.

[8] In Anlehnung an die «three-strikes law», nach us-amerikanischem Sprachgebrauch ein Gesetz, nach dem bei der dritten Verurteilung wegen einer Straftat automatisch eine schwere Strafe ausgesprochen wird.

[9] Statistisches Lexikon der Schweiz, Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung.

[10] Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 Ziff. V/1.

[11] Nationalrat Regazzi mit Support von Ständerat Reimann laut Tages-Anzeiger vom 18. Dezember 2015, S. 5.

[12] Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 Ziff. IV der Initiative.

[13] So die Marginalie von Art. 197 Ziff. 9 der Initiative. Zudem erklärt Abs. 2 von Art. 197 Ziff. 9 die ganze Bestimmung als direkt anwendbar.

[14] Im Falle eines Widerspruchs zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Bundesverfassung hätten Bund und Kantone gemäss der sog. Selbstbestimmungsinitiative für eine Anpassung der betreffenden völkerrechtlichen Verträge zu sorgen, nötigenfalls durch deren Kündigung (Art. 52a Abs. 2 der Initiative).

[15] BGE 136 I 49 E. 3.1.

[16] Art. 58 Abs. 1 EMRK.

[17] Jörg Künzli/Walter Kälin, Das Verhältnismässigkeitsprinzip als Bestandteil des zwingenden Völkerrechts? -Gedanken zu Art. 136 Abs. 3 BV, in: Jusletter: 23. Juni 2014, insb. Rz. 24 ff.

[18] So laut NZZ vom 16. Dezember 2015, S. 5.