I. Einleitung
Unter dem Regime des Lotteriegesetzes (LG)[1]
und des Spielbankengesetzes (SBG)[2]
wurden im Zusammenhang mit illegalem Geldspiel zwischen 2014 und 2018
durchschnittlich 251 Verfahren pro Jahr eröffnet.[3]
Eine inkonsistente Praxis der Geldspiel- und Gerichtsbehörden haben
das Geldspielrecht für die Gesetzesadressaten jedoch oft selbst zum
Glücksspiel gemacht. Das aus dem Jahre 1923 stammende LG und das (vergleichsweise neue) SBG von 1998 wurden durch neue
technologische Entwicklungen im Geldspielbereich auch zunehmend
strapaziert.
Am Ende eines langen und harzigen Reformprozesses steht nun das
Bundesgesetz über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS)[4], das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Dieses hat das
Geldspielrecht der Schweiz konsolidiert und aktualisiert.[5]
Die Straftatbestände des alten Rechts wurden leider kaum vertieft
behandelt, obwohl die technologische Entwicklung im Geldspielsektor einige
Fragen aufgeworfen hatte.[6]
Auch was das BGS betrifft standen
dessen Straftatbestände bisher nicht im Fokus der Lehre. Der
vorliegende Aufsatz soll hier im Bereich des illegalen Anbietens von
Geldspielen Abhilfe schaffen. Hierfür werden die relevanten
Bestimmungen des BGS, die für
die Abgrenzung von legalem und illegalem Anbieten von Geldspielen relevant
sind, ausgelegt (II. - IV.). Da sich der Gesetzgeber für das BGS sowohl am alten Recht als auch
an der dazu entwickelten Doktrin orientierte,[7]
kann bei der Auslegung der noch relativ neuen Bestimmungen des BGS auf die zum alten Recht
entwickelte Lehre und Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Schliesslich werden einige flankierende Instrumente des BGS und
des Straf- und Strafprozessrechts dargestellt, die im Zusammenhang mit dem
Angebot illegaler Geldspiele beachtlich sind (V.).
II. Tatbestand des Geldspiels
Nach der Legaldefinition in
Art. 3 lit. a BGS
sind Geldspiele Spiele, bei denen gegen Leistung eines geldwerten Einsatzes
oder bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts ein Geldgewinn oder ein
anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht. Ein Geldspiel im Sinne des BGS besteht damit aus zwei
Elementen, die kumulativ vorliegen müssen: Einsatz und
Gewinnmöglichkeit.[8]
1. Einsatz
Beim Einsatz kann es sich um Geld oder um ein Geldsurrogat handeln,
worunter auch Rechtsgeschäfte fallen.[9]
Massgebend ist das Element des «Kaufzwangs», d.h. dass die
Teilnahme die Bezahlung einer Gebühr oder ein anderes
Rechtsgeschäft voraussetzt.[10]
Neben dem Kauf eines Loses oder dem Münzeinwurf in einen
Spielautomaten stellen bspw. auch der Warenkauf oder die Wahl einer
Telefonnummer, bei der eine Zusatzgebühr belastet wird, einen Einsatz
dar.[11]
Das Vorliegen eines Einsatzes ist unabhängig von der Frage zu
beantworten, ob der Veranstalter aus den Einsätzen bzw. dem Spiel
einen Gewinn erzielt.[12]
Auch auf die Höhe des Einsatzes kommt es nicht an.[13]
Mitunter sind auch Einsätze von einigen bzw. einem Rappen erfasst.[14]
Ob ein Kaufzwang vorliegt, beurteilt sich aufgrund der subjektiven
Meinung des durchschnittlichen Teilnehmers.[15]
Daraus folgt eine Aufklärungspflicht bei Vorliegen verschiedener
Teilnahmeoptionen.[16]
Sofern neben der Teilnahme per Telefon, bei der Zusatzgebühren
belastet werden, gleichzeitig auch kostenlos über das Internet
teilgenommen werden kann, handelt es sich nicht um ein Geldspiel, sondern
um ein Gratisspiel, wenn dem Teilnehmer klar kommuniziert wird, dass ihm
beide Möglichkeiten offenstehen und die Gewinnchancen dieselben sind.[17]
Es kann sich beim Einsatz nur um direkt mit dem Spiel
zusammenhängenden Aufwand handeln.[18]
Gewöhnliche Telekommunikationskosten oder das Porto beim Briefversand
gelten damit nicht als Einsatz, sofern keine Zusatzgebühr erhoben
wird.[19]
Für die Beurteilung eines Einsatzes ebenfalls irrelevant sind
allenfalls unterschiedliche Gebühren verschiedener
Teilnahmemöglichkeiten, sofern sie sich auf die gewöhnlichen
«Kommunikationsgebühren» beschränken, da der Anbieter
nicht beeinflussen kann, ob jemand bspw. über eine Flatrate
verfügt oder welches Kommunikationsmedium (Internet, Telefon, Post)
gewählt wird.
2. Gewinnmöglichkeit
Eine Gewinnmöglichkeit liegt vor, wenn der Einsatz die
Möglichkeit auf einen Geldgewinn oder einen anderen geldwerten Vorteil
eröffnet (vgl. Art. 3 lit. a BGS). Ein Gewinn
besteht in der positiven Differenz zwischen Bruttoerlös und Einsatz.[20]
Der Spieler muss somit mehr erlangen können, als er eingesetzt hat.[21]
Dies setzt voraus, dass dem möglichen Gewinn ein ökonomischer
Wert zukommt.[22]
Fraglich ist, ob eine gewisse Schwelle überschritten sein muss, damit
von einem Gewinn gesprochen werden kann. Lehre und Rechtsprechung gehen
davon aus, dass ein Sticker im Wert von 6 Rappen keinen Gewinn darstellen
könne.[23]
Dies findet keine Stütze im Gesetz. Auch ein Sticker von 6 Rappen hat
einen ökonomischen Wert, nämlich 6 Rappen. Zudem werden
Einsätze bereits ab einem Rappen erfasst.[24]
Ausserdem könnte die Qualifikation als Geldspiel durch Stückelung
des Gewinns umgangen werden. Die Schwelle bei einem bestimmten Betrag
anzusetzen wäre überdies willkürlich. Auch bei der
Gewinnmöglichkeit sollte daher kein Schwellenwert vorausgesetzt
werden.
III. Geldspielkategorien des BSG
Das BGS teilt die Geldspiele in Art. 3 lit. b - g in verschiedene
Kategorien ein. Die Strafnormen der Art. 130 f. BGS knüpfen
ebenfalls an diese Kategorisierung an. Für die Bestimmung der
einschlägigen Strafnorm ist deshalb stets auch eine Qualifikation des
Geldspiels vorzunehmen. Im Folgenden werden die für die Abgrenzung der
einzelnen Geldspielkategorien wesentlichen Merkmale dargestellt.
1. Lotterien und Geschicklichkeitsspiele
Lotterien sind Geldspiele, die einer unbegrenzten oder zumindest einer
hohen Anzahl Personen offenstehen und bei denen das Ergebnis durch ein und
dieselbe Zufallsziehung oder durch eine ähnliche Prozedur ermittelt
wird (Art. 3 lit. b BGS; vgl. auch Art. 106 Abs. 3 lit. a BV[25]). Geschicklichkeitsspiele sind hingegen Geldspiele, bei denen der
Spielgewinn ganz oder überwiegend von der Geschicklichkeit der
Spielerin oder des Spielers abhängt (Art. 3 lit. d BGS).
Bei der Lotterie bestimmt der Zufall über Gewinn sowie über
dessen Umfang und Beschaffenheit.[26]
Durch dieses aleatorische Element grenzt sich die Lotterie vom
Geschicklichkeitsspiel ab. Bei gemischten Spielen, bei denen sowohl Zufall
als auch Geschicklichkeit über das Ergebnis entscheiden, ist die
Qualifikation anhand des massgebenden Merkmals vorzunehmen: Hängt das
Ergebnis überwiegend vom Zufall ab, handelt es sich um eine Lotterie;
überwiegt dagegen das Element der Geschicklichkeit, handelt es sich um
ein Geschicklichkeitsspiel, auch wenn Zufallselemente ebenfalls eine Rolle
spielen können.[27]
Mit anderen Worten müssen bei Geschicklichkeitsspielen einigermassen
komplexe Fertigkeiten des Spielers den Spielverlauf mehr beeinflussen, als
es der Zufall tut.[28]
Zu berücksichtigen sind zudem die in Art. 2 VGS[29]
nicht abschliessend aufgeführten Merkmale von
Geschicklichkeitsspielen.
2. Sportwetten
Sportwetten sind Geldspiele, bei denen der Spielgewinn abhängig ist
von der richtigen Vorhersage des Verlaufs oder des Ausgangs eines
Sportereignisses (Art. 3 lit. c BGS).
Das BGS enthält im Bereich
der Wetten nur für die Sportwetten eine ausdrückliche Definition.
Andere Arten von Wetten fallen damit unter die allgemeine Definition des
Geldspiels in Art. 3 lit. a BGS.
Da das BGS im Wettbereich aber nur
für Sportwetten ein Bewilligungsverfahren vorsieht, ist daraus zu
schliessen, dass andere Arten von Wetten ausgeschlossen sind (vgl. den
Bewilligungsvorbehalt für Geldspiele in Art. 4 BGS).[30]
Grundsätzlich liesse sich eine Abgrenzung zu den Lotterien
über das Element des Zufalls erreichen, da bei der Vorhersage des
Verlaufs oder des Ausgangs eines Sportereignisses nicht nur der Zufall,
sondern auch Fachwissen eine Rolle spielt.[31]
Dieses Element ist jedoch zu vage und führt überdies zu
Abgrenzungsschwierigkeiten mit den Geschicklichkeitsspielen. Eine klare
Abgrenzung ergibt sich hingegen bereits aus den in der Definition
enthaltenen Einschränkungen: Erstens sind nur Wetten auf
Sportereignisse erlaubt und zweitens nur auf die Vorhersage des Verlaufs
oder des Ausgangs des Sportereignisses. Somit handelt es sich immer dann um
eine Sportwette, wenn diese beiden Merkmale gegeben sind. Die Stärke
des Zufallselements ist für die Qualifikation nicht relevant.
Die eigentliche Teilnahme am Sportereignis ist vom Anwendungsbereich des BGS ausgenommen (siehe Art. 1 Abs. 2 lit. c BGS), obwohl
je nach Ausgestaltung der Teilnahmebedingungen der Tatbestand der
Sportwette erfüllt wäre.[32]
3. Gross- und Kleinspiele
Das BGS teilt die oben
dargestellten Geldspiele weiter in Grossspiele, Kleinspiele und
Spielbankenspiele ein. Unter die Grossspiele fallen Lotterien, Sportwetten
und Geschicklichkeitsspiele, die je automatisiert oder interkantonal oder
online durchgeführt werden (Art. 3 lit. e BGS). Als
Kleinspiele gelten demgegenüber Lotterien, Sportwetten und
Pokerturniere, die je weder automatisch noch interkantonal noch online
durchgeführt werden (Art. 3 lit. f BGS). Das BGS zählt hierzu
Kleinlotterien, lokale Sportwetten sowie kleine Pokerturniere (siehe Art. 3 lit. f BGS), deren
spezifische Voraussetzungen und Merkmale in den Art. 34 ff. BGS sowie Art. 37 ff. VGS geregelt sind.
Gross- und Kleinspiele unterscheiden sich aufgrund ihrer Dimension:
Sobald das betreffende Geldspiel automatisiert, interkantonal oder
online durchgeführt wird, handelt es sich um ein Grossspiel.[33]
Auf Geschicklichkeitsspiele ist das BGS überhaupt erst anwendbar,
wenn sie als Grossspiele durchgeführt werden, ansonsten sie
gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b BGS vom
Anwendungsbereich des BGS
ausgenommen sind.
4. Spielbankenspiele
Spielbankenspiele sind Geldspiele, die einer eng begrenzten Anzahl Personen
offenstehen; ausgenommen sind die Sportwetten, die Geschicklichkeitsspiele
und die Kleinspiele (Art. 3 lit. g BGS). An demselben
Spielbankenspiel können gleichzeitig höchstens 1'000 Spielerinnen
und Spieler teilnehmen (Art. 3 Satz 1 VGS). Einerseits
können bei Spielbankenspielen somit nur eine kleine oder begrenzte
Anzahl Personen gleichzeitig spielen, andererseits gelten als
Spielbankenspiele auch Spiele, bei denen ein einzelner Spieler gegen die
Veranstalterin spielt.[34]
Sportwetten, Geschicklichkeitsspiele und Kleinspiele können bereits per definitionem keine Spielbankenspiele sein (vgl. Art. 3 lit. g, 2. Halbsatz BGS).
Für die Abgrenzung der Spielbankenspiele zu den Klein- und
Grossspiellotterien ist auf das Element der Teilnehmerzahl abzustellen:[35]
Lotterien haben entweder eine hohe Teilnehmerzahl oder sind - bei kleinerer
Teilnehmerzahl - im Gegensatz zu Spielbankenspielen zumindest so
ausgestaltet, dass unbegrenzt viele Personen teilnehmen könnten.[36]
Als hoch gilt eine Teilnehmerzahl ab 1'000 Personen.[37]
IV. Illegales Anbieten von Geldspielen
Das illegale Anbieten von Geldspielen wird in Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS unter
Strafe gestellt:
Art. 130 Abs. 1 lit. a
und Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS
decken zusammen das illegale Anbieten von Geldspielen in seiner Gesamtheit
ab: Der Vergehenstatbestand (Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS)
erfasst illegale Spielbankenspiele und Grossspiele und der
Übertretungstatbestand (Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS)
erfasst alle anderen Geldspiele. Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS ist
damit als Auffangtatbestand ausgestaltet.[38]
1. Ausmass illegalen Geldspiels in der Schweiz
2019 eröffnete die ESBK[39]
108 Strafverfahren in Zusammenhang mit illegalem Geldspiel (2018: 98
Verfahren) und entschied in insgesamt 214 Verfahren (2018: 225 Entscheide).[40]
Die Comlot[41]
eröffnete 2019 ihrerseits 66 Dossiers wegen Verstössen gegen das
Geldspielgesetz (2018: 78 Dossiers).[42]
Insgesamt wurden in den letzten fünf Berichtsjahren vor Inkrafttreten
des BGS (2014 - 2018) 1'257
Verfahren eröffnet, was einem Jahresdurchschnitt von 251 Verfahren
entspricht.[43]
Die Zahlen für 2019 liegen somit unter dem langjährigen
Durchschnitt, was, abgesehen von einer hohen vermuteten Dunkelziffer,[44]
auch mit der erhöhten Belastung der beiden Behörden zu tun haben
dürfte.[45]
2. Ratio Legis
Anbieter von Geldspielen haben ihr Angebot mit dem Aufkommen neuer,
leistungsfähigerer Technologien stetig weiterentwickelt, was sich
insbesondere in einer starken Verschiebung hin zu Online-Geldspielen
zeigt.[46]
Der bisherige Rechtsrahmen vermochte die sich verändernde
Geldspiellandschaft immer weniger zufriedenstellend zu regulieren.[47]
Schweizer Spielerinnen und Spieler, die nicht regulierte Webseiten nutzten,
waren zudem erhöhten Sucht- und Vermögensrisiken ausgesetzt.[48]
Dadurch wurde auch der einheimische Geldspielmarkt in Mitleidenschaft
gezogen, da Schweizer Geldspielanbieter im Online-Geldspielbereich
beschränkt waren und ausländische Anbieter kaum konkurrenzieren
konnten.[49]
Die Strafbestimmungen in Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS sollen
daher verhindern, dass Geldspiele ausserhalb behördlicher Kontrolle
durchgeführt werden, mit Ausnahme solcher Spiele, bei denen die mit
dem Geldspiel einhergehenden Gefahren als gering eingestuft werden (bspw.
Geldspiele im privaten Kreis; vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a BGS i.V.m. Art. 1 VGS). Damit stehen sie auch
ganz im Sinne der dem BGS
zugrundeliegenden Zwecke: Die Bevölkerung soll angemessen vor den
Gefahren geschützt werden, die von den Geldspielen ausgehen (Art. 2 lit. a BGS; Art. 106 Abs. 5 BV); Geldspiele
sollen sicher und auf transparente Weise durchgeführt werden (Art. 2 lit. b BGS) und es sollen
wertvolle Erträge für das Gemeinwesen gesichert werden (vgl. Art. 2 lit. c und d BGS; Art. 106 Abs. 2 und 4 BV).
Die Einteilung in Vergehen und Übertretungen wurde aufgrund der
unterschiedlichen Gefährlichkeit der jeweiligen Spiele vorgenommen.[50]
Spielbankenspiele und Grossspiele sind aufgrund ihrer Konzeption
grundsätzlich als gefährlicher einzustufen als andere Arten von
Geldspielen.[51]
Insbesondere schätzt der Gesetzgeber die von online
durchgeführten Spielbankenspielen und Grossspielen ausgehende Gefahr
als gross ein, da diese sich rasch verbreiten können.[52]
3. Objektiver Tatbestand
Tathandlung ist das Anbieten eines Geldspiels, d.h. die Durchführung,
die Organisation oder das Zurverfügungstellen eines Geldspiels. Das
Anbieten muss zudem illegal, ohne die nötigen Konzessionen oder
Bewilligungen erfolgen.
a) Illegales Geldspiel
Art. 4 Satz 1 BGS
stellt den Grundsatz auf, dass wer legal Geldspiele durchführen will,
eine Bewilligung oder eine Konzession braucht. Geldspiele, die nicht durch
Konzessionen und Bewilligungen abgedeckt sind, sind illegal.
Der Begriff der Konzession beschränkt sich auf die Konzessionspflicht
von Spielbanken (vgl. Art. 5 ff. BGS). Der
Konzessionär muss aber zusätzlich für jedes Spielbankenspiel
eine Bewilligung einholen (Art. 16 Abs. 1 BGS). Der
Grossspielveranstalter benötigt entsprechend eine
Veranstalterbewilligung (Art. 21 BGS) und für jedes
Spiel eine Grossspielbewilligung (Art. 24 Abs. 1 BGS). Für
Kleinspiele wird lediglich eine Spielbewilligung vorausgesetzt (Art. 32 Abs. 1 BGS).
Bewilligungspflichtig ist jeweils auch die Änderung eines bereits
bewilligten Spiels.[53]
Illegal sind somit in erster Linie Geldspiele, für die gar keine
Bewilligung vorliegt. Illegal können aber auch grundsätzlich
bewilligte Geldspiele sein, sofern die Spielbewilligung eine sachliche,
räumliche oder zeitliche Begrenzung des Spiels oder Auflagen
enthält und gegen diese verstossen wird.[54]
Das Anbieten des Geldspiels ist somit nur solange legal, als durch die
Spielbewilligung aufgestellten Schranken beachtet und die Auflagen
eingehalten werden. Unabhängig von einer ausdrücklichen
Erwähnung in der Spielbewilligung ergibt sich eine räumliche
Beschränkung bereits daraus, dass eine Konzession nur das Angebot von
Spielen innerhalb der konzessionierten Spielbank erlaubt (Art. 5 Abs. 2 BGS) und die
Spielbewilligungen ebenfalls territorial begrenzt sind (Art. 3 IKV[55], Art. 1 Abs. 3 C-LoRo[56]
für Grossspiele; vgl. auch Art. 49 Abs. 2 und 3 GSK[57]; für Kleinspiele ergibt sich dies aus der Begrenzung auf das
Kantonsgebiet, vgl. Art. 3 lit. f
und - spezifisch für lokale Sportwetten - Art. 35 Abs. 1 BGS). Es fehlt
somit an einer gültigen Spielbewilligung, wenn diese räumliche
Grenze überschritten wird. Diese Einschränkung gilt
natürlich nicht für Online-Geldspiele, sofern für diese eine
Konzession bzw. Bewilligung vorliegt (siehe Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 BGS für Spielbanken;
für Grossspiele ergibt sich die Möglichkeit der
Online-Durchführung bereits aus ihrer Definition in Art. 3 lit. e BGS).
Per se
illegal ist zudem, was nicht bewilligt werden kann, wie Geldspiele, die
sich keiner der drei bewilligungsfähigen Spielkategorien
(Spielbankenspiele, Grossspiele oder Kleinspiele) zuteilen lassen.[58]
Zudem steht es den Kantonen frei, für Kleinspiele strengere Regeln zu
erlassen bzw. diese teilweise oder gesamthaft zu verbieten (vgl. Art. 41 Abs. 1 BGS). Auch
bestimmte Kategorien von Grossspielen können durch das
kantonale Recht verboten werden (Art. 28 BGS), nicht aber bloss
konkrete Grossspiele auf ihrem Territorium.[59]
Kein illegales Geldspiel liegt vor beim Anbieten von Gratisspielen, d.h.
Spiele, die den Tatbestand des Geldspiels i.S.v. Art. 3 lit. a BGS nicht
erfüllen, und von Geldspielen, die gemäss Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 BGS nicht unter das BGS fallen.
b) Tathandlung
Die Tathandlung kann alternativ in der Durchführung, der
Organisation oder dem Zurverfügungstellen bestehen:
Durchführen umfasst alle Handlungen in Verbindung mit der
konkreten Umsetzung eines Geldspiels.[60]
Die Botschaft nennt exemplarisch Verkaufs- oder Vertriebshandlungen.[61]
Je nach Ausgestaltung des Geldspiels kann aber auch bereits das
Zugänglichmachen der Spielmöglichkeit eine
Durchführungshandlung darstellen, bspw. indem den Spielern eine
Plattform zum Geldspiel bereitgestellt wird.[62]
Damit es sich beim Zugänglichmachen aber um ein Durchführen
handelt, müsste sich das Geldspiel darin bereits erschöpfen,
d.h., um zu spielen dürfen keine weiteren Handlungen - ausser den
Spielhandlungen selbst - nötig sein, da sich die Durchführung
ansonsten nicht vom Zurverfügungstellen unterscheidet.
Organisieren meint den Aufbau der Struktur, mit der die Durchführung
des Geldspiels ermöglicht wird.[63]
Auf die Qualität der Organisationshandlung kommt es nicht an, weshalb
auch an sich triviale und erfolglose Handlungen eine Organisationshandlung
darstellen können.[64]
Grundsätzlich wird die Organisation in der Durchführung
aufgehen.[65]
Konstellationen, bei denen der Organisator an der konkreten Umsetzung nicht
beteiligt ist, sind bspw. bei stark hierarchischem Aufbau einer
Organisation oder Gruppe denkbar,[66]
sofern dem Organisator die Durchführungshandlung seiner Handlanger
nicht sowieso zugerechnet werden kann. Organisator ist gemäss einem
Entscheid der ESBK aber auch, wer auf einer von der Schweiz aus betriebenen
Webseite Hypertextlinks setzt, die auf Webseiten mit illegalem
Glücksspielangebot führen.[67]
Die ESBK sah darin ein Zusammenführen von Anbieter und Nutzer, weshalb
die Verlinkung eine Organisationshandlung darstelle.[68]
Diese Qualifikation war wohl auf die ansonsten fehlende Strafbarkeit der
Werbung für illegale Spielbankenspiele im SBG zurückzuführen.
Heute würde die Verlinkung richtigerweise als Werbung qualifiziert und
nicht als Organisationshandlung, denn das Geldspiel ist von der Verlinkung
vollkommen unabhängig. Die Strafbarkeit der Verlinkung richtet sich
daher nach Art. 131 Abs. 1 lit. b BGS.[69]
Zurverfügungstellen meint schliesslich, dass zum Zweck der
Organisation oder der Veranstaltung von Geldspielen Räumlichkeiten
bereitgestellt, der gesamte oder Teile des mit dem Geldspiel
verbundenen Zahlungsverkehrs übernommen oder Einrichtungen
beschafft werden.[70]
Das Aufstellen von Geldspielautomaten, das im alten Recht noch separat
unter Strafe gestellt wurde (vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. c und lit. d SBG), ist damit ebenfalls vom Grundtatbestand erfasst, wobei es sich jeweils
um einen Fall von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS handeln
dürfte, denn Spielautomaten stellen entweder automatisierte
Grossspiele oder Spielbankenspiele dar.
Beim Zurverfügungstellen handelt es sich um eigentliche
Gehilfenschaftshandlungen, die zu selbständig strafbaren
Handlungen aufgewertet wurden, um Strafbarkeitslücken zu
vermeiden.[71]
Ohne die ausdrückliche Nennung dieser Tathandlung würden
Vertreiber und Wiederverkäufer gemäss Botschaft straflos bleiben,
wenn der Veranstalter des Geldspiels seinen Sitz im Ausland hat, da Art. 25 StGB[72]
nicht anwendbar sei.[73]
Diese Aufwertung der Gehilfenschaftshandlung zur selbständigen
Tathandlung wäre meines Erachtens nicht notwendig. Gehilfenschaft
setzt eine tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat voraus.[74]
Unabhängig vom (Wohn-)Sitz oder Aufenthalt des eigentlichen
Spielveranstalters wird bereits die tatbestandsmässige Handlung des
Organisierens eines Geldspiels in der Schweiz erfüllt, indem der
Veranstalter die Erlaubnis zum Vertrieb und Wiederverkauf in der Schweiz
erteilt. Die Organisationshandlung erstreckt sich somit auch auf die
Schweiz. Der Organisator handelt damit grundsätzlich
tatbestandsmässig und rechtswidrig. Das blosse
Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten oder die technische
Unterstützung wäre somit als Gehilfenschaft strafbar. Eine
Strafbarkeitslücke ist daher nicht ersichtlich. Dies gilt auch in
Bezug auf den Übertretungstatbestand von Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS, da
Gehilfenschaft ausdrücklich für strafbar erklärt wird (Art. 131 Abs. 2 BGS i.V.m. Art. 105 Abs. 2 StGB).
Die Strafbarkeit wird durch diese Verselbständigung der
Gehilfenschaftshandlung unnötig ausgedehnt. Damit fällt
nämlich nicht nur die obligatorische Strafmilderung weg (vgl. Art. 25 StGB), sondern es wird
auch das versuchte Zurverfügungstellen von Geldspielen strafbar,
wohingegen versuchte Gehilfenschaft straflos bleibt.[75]
Die eigentliche Natur des Zurverfügungstellens als
Gehilfenschaftshandlung sollte daher zumindest bei der Strafzumessung
mildernd berücksichtigt werden.
4. Subjektiver Tatbestand
Subjektiv wird Vorsatz vorausgesetzt (Art. 130 Abs. 1, Art. 131 Abs. 1 BGS), wobei
Eventualvorsatz genügt (Art. 12 Abs. 2 StGB).
Im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen des
SBG
ist die fahrlässige Begehung nicht mehr strafbar (vgl. Art. 55 Abs. 3, Art. 56 Abs. 2 SBG). Zwar sah der
Entwurf noch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vor (vgl. Art. 127 Abs.
3 und Art. 128 Abs. 2 E-BGS). Diese Bestimmungen wurden in den
parlamentarischen Beratungen jedoch gestrichen, da sie
unverhältnismässig und systemwidrig seien.[76]
Der Bundesrat befürchtet deswegen Strafbarkeitslücken, denn er
geht davon aus, dass der Betreiber eines Geschicklichkeitsautomaten, der
diesen nachträglich zu einem Glücksspielautomaten abändert,
aufgrund der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht bestraft
werden könnte, wenn ihm die vorsätzliche Abänderung nicht
nachweisbar wäre.[77]
Dem ist entgegenzuhalten, dass wer an Hard- oder Software von
Spielautomaten Änderungen vornimmt, dies in jedem Fall
vorsätzlich tut. Hinsichtlich der Qualifikation als Geschicklichkeits-
oder Glücksspielautomaten muss der Betreiber zumindest in Kauf nehmen,
dass dadurch der Glücks- oder der Geschicklichkeitskoeffizient in
nicht unerheblichem Masse verändert wird. Er handelt damit zumindest
eventualvorsätzlich. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass
durch die Veränderung eines Spielautomaten unter Umständen ein
neues Spiel geschaffen wird, dass wiederum einer Bewilligungspflicht
unterliegt (vgl. Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 BGS).
Das Anbieten des neuen Spiels ohne Bewilligung würde den Tatbestand
von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS
erfüllen.
5. Qualifikation
Wird die Tat i.S.v.
Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS
gewerbs- oder bandenmässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe
bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen (Art. 130 Abs. 2 BGS). Abs. 2
enthält somit eine Qualifikation für schwere Fälle, worunter
der Gesetzgeber die gewerbs- und bandenmässige Durchführung
versteht.[78]
Die Definitionen der Gewerbs- und Bandenmässigkeit entsprechen
denjenigen des Kernstrafrechts.[79]
Die unter dem
LG
geltende Auslegung der Gewerbsmässigkeit, bei der auf Art. 31 aBV und Art. 52 Abs. 3
aHRegV[80]
zurückgegriffen wurde, gilt für die Strafbestimmungen des BGS somit nicht mehr.[81]
Dies ergibt sich auch aus der Systematik: Während die Strafbestimmung
des Art. 42 LG für den
Tatbestand an Art. 33 LG und damit
an eine im Grunde nicht-strafrechtliche Norm anknüpfte, wurde im BGS auf das Erfordernis der
Gewerbsmässigkeit für die Definition einzelner Spielarten
verzichtet. Die in Art. 130 Abs. 2 BGS angesprochene
Gewerbsmässigkeit ist daher nicht an eine vorbestehende Definition
oder Auslegung an anderem Ort im BGS gebunden. Überdies ist
die Gewerbsmässigkeit im Zusammenhang mit der Bandenmässigkeit zu
lesen, was ebenfalls für eine rein strafrechtliche Auslegung spricht.
Die Mindeststrafdrohung von 180 Tagessätzen Geldstrafe stellt eine
Abweichung von der in Art. 34 Abs. 1 StGB statuierten
Obergrenze von 180 Tagessätzen dar. Der Gesetzgeber hat es jedoch
unterlassen, im BGS eine neue
Obergrenze zu statuieren, womit unklar ist, wie viele Tagessätze
schlussendlich gesprochen werden können. Den Materialien ist zudem
nicht zu entnehmen, dass die Abweichung vom neuen Sanktionenrecht
intendiert war. Es handelt sich wohl um ein redaktionelles Versehen. Als
Lösung bietet es sich an, im Falle einer Geldstrafe (nur) genau 180
Tagessätze zu sprechen, womit sowohl Art. 34 Abs. 1 StGB als auch Art. 130 Abs. 2 BGS eingehalten
würden.
6. Versuch und Gehilfenschaft
Versuch und Gehilfenschaft richten sich im Falle des Verbrechens- (Art. 130 Abs. 2 BGS) und des Vergehenstatbestands (Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS) nach
den allgemeinen Regeln des StGB, d.h. Art. 22 f. und Art. 25 StGB sind anwendbar (Art. 333 Abs. 1 StGB). Dies gilt
auch für Verbrechen und Vergehen im Zusammenhang mit
Spielbankenspielen, bei denen das Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung kommt
(Art. 134 Abs. 1 BGS i.V.m. Art. 2 VStrR[82]). Im Falle des Übertretungstatbestands (Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS) sind
Versuch und Gehilfenschaft aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. 131 Abs. 2 BGS ebenfalls
strafbar (Art. 131 Abs. 2 BGS
i.V.m. Art. 105 Abs. 2 StGB),
womit die Art. 22 f. und 25 StGB auch auf die
Übertretung anwendbar sind.
V. Flankierende Instrumente
Zur Erreichung der in Art. 2 BGS
definierten Zwecke enthalten das BGS und das Straf- und
Strafprozessrecht neben den Straftatbeständen flankierende
Instrumente, welche an die in den Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS
vorgenommene Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Geldspiel
anknüpfen.
1. Voraussetzung des guten Rufs
Für die Erlangung einer Konzession oder einer Veranstalterbewilligung
wird vorausgesetzt, dass der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin einen
guten Ruf geniesst (Art. 8 Abs. 1 lit. b Ziff. 1, Art. 22 Abs. 1 lit. b, Art. 33 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 BGS). Die Voraussetzung des guten Rufs ist insbesondere dann nicht
erfüllt, wenn der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin, wichtige
Geschäftspartner oder die wirtschaftlich Berechtigten ohne die
nötigen schweizerischen Bewilligungen Geldspiele durchführen oder
durchgeführt haben (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VGS;
ähnlich in Art. 24 Abs. 1 VGS). Die Beteiligten an der Durchführung illegaler Geldspiele i.S.v. Art. 130 Abs. 1 lit. a oder Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS haben
damit keine Möglichkeit mehr, eine Konzession oder Bewilligung zur
legalen Durchführung von Geldspielen zu erlangen. Illegale
Geldspielanbieter sollen damit auch für die Zukunft vom Geldspielmarkt
ausgeschlossen werden. Die intendierte Abschreckung und der Wille, den
Geldspielmarkt «sauber zu halten», ist verständlich,
allerdings stellt sich die Frage, ob nicht auch der vorbestrafte
Geldspielanbieter zukünftig besser unter staatlicher Aufsicht
Geldspiele anbieten würde, statt dass er sich u.U. erneut im illegalen
Bereich betätigt, da ihm der legale Markt nun definitiv verschlossen
bleibt.
2. Überwachungsmassnahmen
Mit der Reform des Geldspielrechts wurde die Möglichkeit
eingeführt, für Verdachtsfälle von Art. 130 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 BGS den Post- und
Fernmeldeverkehr zu überwachen (Art. 269 Abs. 2 lit. m StPO[83]) und verdeckte Ermittlungen durchzuführen (Art. 286 Abs. 2 lit. k StPO),
allerdings nur, soweit Grossspiele betroffen sind, da die für
Spielbankenspiele zuständige ESBK (Art. 134 Abs. 2 BGS) keine
geheimen Überwachungsmassnahmen anordnen kann.[84]
Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs dürfte sich
insbesondere mit Blick auf das stetig wachsende Online-Angebot als
nützlich erweisen.
3. Beschlagnahme und Einziehung
Spieleinrichtungen, -einsätze und -gewinne können der
Beschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. a und d StPO, Art. 46 Abs. 1 lit. a und b VStrR)
und der Einziehung (Art. 69 Abs. 1 StGB, Art. 70 Abs. 1 StGB) unterliegen.[85]
Gegenstand der Vermögenseinziehung gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB können
insbesondere Einsätze und Gewinne sein.[86]
Von der Sicherungseinziehung (Art. 69 Abs. 1 StGB) können
Spieleinrichtungen betroffen sein, die Tatmittel darstellen und die der
Täter auch in Zukunft zum illegalen Geldspiel nutzen könnte.[87]
In Anlehnung an die Rechtsprechung in Deutschland sollten als
Spieleinrichtungen nur Gegenstände gelten, die ihrer Natur nach dem
Geldspiel dienen und die nach den Umständen zur Verwendung für
Geldspiele geeignet und bestimmt sind, worunter insbesondere
Geldspielautomaten oder andere Spielgeräte (spezielle Tische etc.)
fallen dürften.[88]
Im vorliegenden Kontext ist besonders die Möglichkeit der
Einziehung von Spieleinsätzen und -gewinnen hervorzuheben, da
diese auch die straflosen Spieler trifft.[89]
Die Gefahr einer Einziehung kann eine abschreckende Wirkung auf die Spieler
haben.[90]
4. Netzsperren
Das Instrument der Netzsperre (Art. 86 ff. BGS) dient dazu, die Besteuerung im Geldspielbereich zu sichern und die
Spieler vor nicht bewilligten (und damit potenziell gefährlichen)
ausländischen Online-Angeboten zu schützen.[91]
Die Geldspielbehörden ESBK und Gespa (bis 31. Dezember 2020 Comlot)
veröffentlichen regelmässig Liste mit Internetadressen von aus
der Schweiz erreichbaren ausländischen Online-Geldspielseiten (Art. 86 Abs. 3, Art. 88 Abs. 1 BGS), welche die
Fernmeldedienstanbieter in der Folge zu sperren haben (Art. 86 Abs. 4 BGS). Hierzu wird
derzeit eine sog. DNS-Sperre eingesetzt, d.h., die Adresse (oder URL) wird
nicht mehr aufgelöst und der Internetbenutzer wird automatisch auf
eine Informationsseite des Fernmeldedienstanbieters weitergeleitet (siehe Art. 89 BGS).[92]
Die Informationsseite informiert über die Sperrung, deren Grund sowie
über alternative, in der Schweiz zugelassene Angebote.[93]
Netzsperren werden als wirksam angesehen, da sie den uninformierten Zugriff
auf die entsprechenden Seiten verhindern.[94]
Es wird erwartet, dass der durchschnittliche Spieler von der Netzsperre
aufgehalten wird oder dank der Informationsseite auf ein legales Angebot
umsteigt.[95]
Allerdings lassen sich die Sperren relativ leicht umgehen.[96]
Mithilfe eines Virtual Private Network (VPN), das einfach zu
erwerben und zu bedienen ist und heutzutage oftmals mit der Antivirus- oder
Browser-Software mitgeliefert wird, kann problemlos auf die gesperrten
Seiten zugegriffen werden.[97]
Zudem ist die (gegenwärtig) eingesetzte Technologie der DNS-Sperre
lückenhaft, da sog. Native Apps nicht erfasst werden, die im
Unterschied zu Web Apps keine Domainnamen verwenden, sondern
über andere Adressierungselemente kommunizieren.[98]
In Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber ist aber davon auszugehen, dass
die Informationsfunktion der Netzsperre tatsächlich bei einem
Grossteil der Spieler dazu führen wird, dass sie auf ein legales
Angebot umsteigen.[99]
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein solches legales Angebot
geschaffen wird, was mit Art. 5 Abs. 2 Satz 2 BGS für
Spielbanken und mit der ausdrücklichen Erwähnung in Art. 3 lit. e BGS für
Grossspiele ermöglicht wurde.[100]
Die Comlot stellte überdies fest, dass sich die ausländischen
Anbieter, um nicht auf der Sperrliste zu landen und gesperrt zu werden,
selbst darum bemühen, Zugriffe aus der Schweiz zu unterbinden.[101]
Die Spieler können sich freilich auch in diesem Fall mittels VPN
Zugriff verschaffen. Der Gesetzgeber ist daher angehalten, die
technologische Entwicklung im Auge zu behalten, um ein völliges
Erodieren der Netzsperre durch neue Technologien zu verhindern und sein
eigenes Arsenal entsprechend anzupassen.[102]
VI. Umgehungsproblematik?
Den Schweizer Spielbanken wird im Online-Bereich vorgeworfen, sie
würden ihre Online-Dienstleistungen gerade eben bei denjenigen
Anbietern im Ausland kaufen, die sie durch die Netzsperre vom Markt
verdrängen wollten.[103]
Dies betrifft auch die Wirksamkeit der von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS und das
System der Netzsperre. Die ESBK bringt diesbezüglich vor, dass die
Spielbanken für eine Bewilligung des Spiels belegen müssten, dass
der ausländische Spieldienstleister «strenge Voraussetzungen
erfüllt und korrekt lizensiert ist.»[104]
Tatsächlich macht es einen Unterschied, ob die Online-Spiele auf
ausländischen Internetseiten direkt durch den Schweizer Spieler
aufgerufen werden oder ob der Spieler formell auf der Plattform einer
Schweizer Spielbank spielt, materiell jedoch unter Umständen (ob
für ihn ersichtlich oder nicht) auf einer ausländischen Plattform
spielt. Im Falle des Spielens über eine Schweizer Spielbank trägt
diese nämlich die Verantwortlichkeit für Fairness, Transparenz
und die Sicherheit des Spiels. Der Spieler hat in der Spielbank einen
Anknüpfungspunkt in der Schweiz, der ihm einen durchsetzbaren Anspruch
verschafft. Die Spielbank wird ihrerseits durch die ESBK beaufsichtigt und
hat selbst auch ein (zumindest image-technisches) Interesse daran,
die Regeln des BGS und der
Ausführungsverordnungen einzuhalten. Schliesslich unterliegen auch die
Gewinne der Besteuerung für die AHV/IV (vgl. Art. 2 lit. e, Art. 119 Abs. 1 BGS).
Der ausländische Spieldienstleister macht sich seinerseits nicht wegen
illegalen Angebots von Spielbankenspielen i.S.v. Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS
strafbar. Der Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS ist
teleologisch zu reduzieren: Zwar bietet der ausländische
Spieldienstleister (gemäss der Berichterstattung weitgehend autonom)[105]
Spielbankenspiele an, die sich zudem spezifisch an den Schweizer Markt
richten, womit zumindest ein Zurverfügungstellen vorliegt, je nach
Autonomie wohl aber bereits ein Durchführen im Sinne des Tatbestands.
Er verfügt selbst auch nicht über die nötigen Konzessionen
und Bewilligungen. Allerdings ist formell die Schweizer Spielbank
Anbieterin des Online-Spiels. Diese trägt alle Verantwortung. Sie
untersteht der behördlichen Aufsicht und Kontrolle, muss die Vorgaben
zum Spielerschutz einhalten und einen Grossteil der Einnahmen an den Staat
abliefern. Die Gefahren, denen Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS
vorbeugen soll, verwirklichen sich in diesem Fall nicht. Überdies ist
auch beachtlich, dass die ESBK das Spiel in Kenntnis des tatsächlichen
Anbieters im Ausland bewilligt. Das Outsourcing ist damit
ebenfalls von der Bewilligung umfasst.
Soweit die Netzsperren und die Strafbestimmungen betroffen sind, findet
somit keine Umgehung der Geldspielregelung statt.
VII. Bewertung
Durch das BGS wird das
Geldspielrecht in der Schweiz konsolidiert und aktualisiert. Die
Rechtsunsicherheit unter der Geltung des LG und des SBG sollte beseitigt und neue
Entwicklungen sollten erfasst werden. Zentral zur Erreichung dieser Ziele
ist der einheitliche Begriffskomplex des BGS: Die offene, auf das
Notwendige reduzierte Definition des Geldspiels in Art. 3 lit. a BGS lässt es
zu, auch neue Phänomene wie Skin Gambling[106]
oder Lootboxen[107]
zu erfassen.[108]
Die Straftatbestände der Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 lit. a BGS, die
das illegale Anbieten von Geldspielen verbieten, sind soweit lückenlos
und das legale Geldspiel lässt sich der grundsätzlichen
Bewilligungspflicht und den abschliessend statuierten Ausnahmen in Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 BGS klar vom illegalen
Geldspiel unterscheiden. Schwierigkeiten dürfte es vor allem bei der
Qualifikation eines Spiels als Geldspiel oder allenfalls bei der
Kategorisierung des Geldspiels geben, auch wenn die Legaldefinitionen in Art. 3 BGS und die
Konkretisierungen im VGS diese
Problematik etwas abschwächen sollten.
Die Möglichkeit geheimer Überwachungsmassnahmen in schweren
Fällen, die Beschlagnahme und Einziehung von Spieleinrichtungen,
-einsätzen und -gewinnen sowie die Netzsperren stellen
grundsätzlich wirksame Instrumente zur Absicherung des legalen
Geldspiels dar. Die Voraussetzung des guten Rufs als Voraussetzung für
eine Bewilligung sollte aufgegeben werden und stattdessen bspw. eine
Bewilligung unter strengerer Aufsicht ermöglicht werden.
Insgesamt stehen damit potente Massnahmen zur Unterbindung des illegalen
Anbietens von Geldspielen zur Verfügung. Die Zukunft wird zeigen, ob
sie sich auch in der Praxis bewähren können.
[1]
Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen
Wetten vom 8. Juni 1923 (LG; SR 935.51).
[2]
Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken vom 18.
Dezember 1998 (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52).
[4]
Bundesgesetz über Geldspiele vom 29. September 2017
(Geldspielgesetz, BGS; SR 935.51).
[10]
Vgl. Lucas David, in: David/Schwenninger/Senn/Thalmann (Hrsg.),
Werberecht Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2010, Art. 1 LG N 8;
siehe auch BJ, Merkblatt zu Gratisspielen
(Fn. 8), S. 1.
[17]
Vgl. BGE 99 IV 25 E. 4a;
David (Fn. 10), N 8; siehe auch Votum Dittli, AB 2017 S 318 f.
[18]
Vgl. David (Fn. 10), N 8.
[20]
Andreas Glarner / Alexandra Körner / Carlo Schmid, Lootboxen
und Skin Gambling im Schweizer Glücksspielrecht, Jusletter vom
21. Januar 2019, S. 7.
[21]
Glarner/Körner/Schmid (Fn. 20), S. 7.
[22]
Vgl. David (Fn. 10), N 8.
[25]
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999 (BV; SR 101).
[29]
Verordnung über Geldspiele vom 7. November 2018
(Geldspielverordnung, VGS; SR 935.511).
[31]
Vgl. Votum Bundesrätin Sommaruga, AB 2016 S 381.
[39]
Eidgenössische Spielbankenkommission.
[41]
Lotterie- und Wettkommission Comlot; die Comlot wurde am 1. Januar
2021 zur «Gespa».
[43]
Comlot, Jahresbericht 2018, S. 9; Comlot, Jahresbericht 2017, S. 9;
Comlot, Jahresbericht 2016, S. 9; Comlot, Jahresbericht 2015, S. 10;
Comlot, Jahresbericht 2014, S. 9; ESBK, Jahresbericht 2018, S. 17;
ESBK, Jahresbericht 2017, S. 16; ESBK, Jahresbericht 2016, S. 21;
ESBK, Jahresbericht 2015, S. 21; ESBK, Jahresbericht 2014, S. 19.
[46]
Vgl. Artur Baldauf / Thomas Brüsehaber, Abschätzung der
finanziellen Auswirkungen des neuen Geldspielgesetzes, Eine
explorative Bestandsaufnahme, Abschlussbericht, Bern 2015, III;
Comlot, Jahresbericht 2013, S. 11.
[47]
Vgl. Comlot, Jahresbericht 2018, S. 3;
Comlot, Jahresbericht 2017, S. 3; Comlot, Jahresbericht 2013, S. 15;
ESBK, Jahresbericht 2015, S. 7; ESBK, Jahresbericht 2016, S. 6.
[55]
Interkantonale Vereinbarung betreffend die gemeinsame
Durchführung von Lotterien vom 26. Mai 1937 (IKV; SAR 959.010).
[56]
9ème Convention relative à la Loterie Romande
du 18 novembre 2005 (C-Loro).
[57]
Gesamtschweizerisches Geldspielkonkordat vom 20. Mai 2019 (GSK).
[64]
Vgl. Strafbescheid der Eidgenössischen Spielbakenkommission 81.07-046/01 vom 6.
Dezember 2007 E. 1.2.
[67]
Strafbescheid der Eidgenössischen Spielbankenkommission 81.07-046/01 vom 6.
Dezember 2007 E. 1.2.
[68]
Strafbescheid der Eidgenössischen Spielbankenkommission 81.07-046/01 vom 6.
Dezember 2007 E. 1.2.
[72]
Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).
[74]
Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner
Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011, § 13 N 87 und N
113.
[75]
Vgl. Stratenwerth (Fn. 74), § 13 N 123 und N 129.
[76]
Votum Abate (Kommissionssprecher), AB 2016 S 460.
[77]
Votum Bundesrätin Sommaruga, AB 2016 S 460.
[80]
Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937 (HRegV; SR 221.411),
nicht mehr in Kraft.
[82]
Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März
1974 (VStrR; SR 313.0).
[83]
Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007
(Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0).
[86]
Vgl. Marc Thommen, in: Ackermann (Hrsg.), Kommentar Kriminelles
Vermögen - Kriminelle Organisationen, Einziehung - Kriminelle
Organisation - Finanzierung des Terrorismus - Geldwäscherei,
Band I, Zürich 2018, Art. 69, N 175: Buch- und Bargeld fallen
grundsätzlich unter Art. 70 StGB.
[87]
Vgl. für die Voraussetzungen der Sicherungseinziehung Florian
Baumann, in: Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar
Strafrecht (StGB/JStGB), Strafgesetzbuch, Jugendstrafgesetz, Band I
(Art. 1 - 136 StGB), 4. Aufl., Basel 2019, Art. 69, N 5 ff.; die
von den fraglichen Gegenständen ausgehende zukünftige
Gefahr muss sich immer in Verbindung mit dem Gebrauch durch den
Berechtigten bzw. dem Täter ergeben, Thommen (Fn. 86), N 279.
[88]
Vgl. Oberlandesgericht Köln, Einziehung eines
Grundstücks, Beschluss vom 16. September 2005, NStZ 2006, S.
225 ff., 226 E. 2.
[97]
Vgl. BJ, «Internetsperre» (Fn. 48), S. 13.; Florent
Thouvenin / Burkhard Stiller, Gutachten: Netzsperren vom 16.
September 2016, S. 18, betrachten Netzsperren daher als ungeeignet
und damit unverhältnismässig i.w.S., wobei sie allerdings
selbst einräumen, dass die Netzsperre Nutzern dienen werde,
die nicht gezielt das illegale Angebot suchen (siehe S. 15). Ein
Beispiel für Antivirus-Software mit VPN ist bspw. Bitdefender; eine
VPN-Funktion enthält z.B. der Browser Opera.
[102]
Vgl. Felix Uhlmann / Beat Stalder,
«Unverhältnismässig, weil unwirksam»? Zur
Verhältnismässigkeit von Zugangssperren im Internet, sic!
2018, S. 370.
[103]
NZZ am Sonntag vom 19. April 2020, S. 16.
[104]
NZZ am Sonntag vom 19. April 2020, S. 17.
[105]
Vgl. NZZ am Sonntag vom 19. April 2020, S. 16.
[106]
Skins
sind virtuelle Güter in Videospielen; beim Skin Gambling werden Geldspiele mit Skins als
Einsatz gespielt (vgl. Glarner/Körner/Schmid [Fn. 20], N 3 und
N 8).
[107]
Lootboxen
sind virtuelle Boxen innerhalb eines Videospiels, die eine
zufällige Auswahl von Spielobjekten enthalten (vgl.
Glarner/Körner/Schmid [Fn. 20], N 6).
[108]
Siehe hierzu bspw. Glarner/Körner/Schmid (Fn. 20).