Lausanner Nebelpetarden zu Facebook
Anmerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 6B_440/2019 vom 18. November
2020 (zur Publikation vorgesehen)
Matthias Schwaibold *
Das Bundesgericht prüft die Anwendung des Medienstrafrechts
auf die Social-Media-Plattform «Facebook». Die Frage, ob
Facebook ein Medium sei, wird zwar traktiert, aber nicht wirklich
beantwortet. Zudem bleibt völlig unklar, warum das
Haftungsprivileg des Art. 28 StGB im vorliegenden Zusammenhang
nicht gilt, obwohl Facebook ein Medium zu sein scheint.
Zitiervorschlag:
Matthias Schwaibold, Lausanner Nebelpetarden zu Facebook
, sui generis 2021, S. 1
URL: sui-generis.ch/162
DOI:
https://doi.org/10.21257/sg.162
* Dr. Matthias Schwaibold, Rechtsanwalt in Zürich, Lehrbeauftragter für
Medienrecht an der Universität St. Gallen. Ich danke Sedlex
Avocats Lausanne, für die freundliche Hilfe bei der
Beschaffung der nachfolgend erwähnten Literatur. Weiter danke
ich RA lic.iur. Simon Canonica und RA MLaw Luca Ranzoni von sui
generis für weiterführende Hinweise und kritische
Anmerkungen zu meinem Entwurf; sie sind in der vorliegenden Fassung
unausgewiesen aufgegriffen worden.
I. Eine Ehrverletzung auf «Facebook»
Manchmal hat man den Eindruck, das Bundesgericht zündet zuerst eine
Nebelpetarde, irrt sodann im eigenen Nebel umher, und wenn der sich
verzogen hat, steht es wieder am Anfang. Vorliegend sind Ausgangs- und
Endpunkt der Begriff des «Mediums» im Strafrecht.
Versuchen wir, den Sachverhalt aus dem wieder einmal unendlich wortreich
ausgefallenen Entscheid zusammenzufassen: Der Nutzer «Indyvegan»
verbreitete über die sogenannte «Social-Media-Plattform»
Facebook durchaus unfreundliche Bemerkungen über den
Vereinspräsidenten B und den von ihm geführten Verein C. Die
Einzelheiten sind gänzlich belanglos, die Vorwürfe lassen sich
dahingehend zusammenfassen, dass B nazistisches, rassistisches und
antisemitisches Gedankengut verbreitet habe, dafür gar wiederholt
bestraft worden sei und entsprechend der Verein in die gleiche Kategorie
gehöre. Und eigentlich geht es darum, dass die Veranstalter eines
bestimmten Ereignisses sich nicht von B und C distanziert haben, sondern
sie an eben jene Veranstaltung Y zugelassen hätten, die doch sonst so
viele andere, gänzlich redliche Teilnehmer aufweise. Diese Meldung des
«Indyvegan» konnte von einer unbestimmten Vielzahl von Leuten
gelesen, kommentiert und weiterverbreitet werden - nur ging es gar nicht
darum.
Es ging vielmehr um den A: Er verfasste auf demselben «sozialen
Medium», also der Plattform «Facebook», die schon
«Indyvegan» gedient hatte, einen (in der Sache zustimmenden)
Kommentar zu dem, was Letzterer gesagt hatte, und verwies sodann auf dessen
Text durch einen Link.
Der Rechtsstreit drehte sich darum, ob dadurch der A die Ehre von B und C
verletzt habe.
II. Ist das Medienstrafrecht auf «Facebook» anwendbar?
Dieser höchst einfache Sachverhalt wird nun unnötig
verkompliziert, weil die Verteidigung des A im Strafprozess auf den
Gedanken verfiel, das Medienstrafrecht für anwendbar zu halten. Dies
wiederum würde heissen: «Facebook» ist ein Medium, und man
müsste erwarten, dass das Bundesgericht für diese - neue -
Erkenntnis auch eine Begründung liefert. Nur wird die Hauptfrage, ob
«Facebook» ein Medium sei, tatsächlich gar nicht
beantwortet. Und sie wäre ohnehin mit den von mir in Zusammenhang mit
«Twitter» entwickelten Überlegungen zu verneinen:[1]
Die Plattformen der sogenannten «Social Media» sind keine Medien
im strafrechtlichen Sinn, und schon gar nicht kann man das Gegenteil (und
damit die Anwendbarkeit des Medienstrafrechts) in der Weise begründen,
wie es das Bundesgericht vorliegend versucht.
III. Das geltende Medienstrafrecht
Machen wir einen kurzen Zwischenhalt: Das Medienstrafrecht beschränkt
sich auf ein paar wenige, wenn auch für die Medien und
Medienschaffenden wichtige Bestimmungen. Da ist zunächst das in Art. 17 Abs. 3 BV[2]
verankerte «Redaktionsgeheimnis», das sich auf Gesetzesebene in
einer völlig unnötigen Doppelnorm niederschlägt: Praktisch
wortgleich enthalten nämlich das Strafgesetzbuch[3]
(Art. 28a) und die
Strafprozessordnung[4]
(Art. 172) die Bestimmung, dass
Medienschaffende über ihre Quellen keine Aussagen als Zeugen machen
müssten (jeweils Abs. 1). Dieser Quellenschutz soll erlauben, dass
Dritte sich vertrauensvoll an die Medien wenden können, damit diese
auf Missstände hinweisen bzw. über die Berichterstattung auf
deren Beseitigung hinwirken können. Wären die Medienschaffenden
gezwungen, wie jedermann als Zeuge zu erklären, wer ihnen was
berichtet hat, woher sie vertrauliche Unterlagen etc. bekommen haben,
könnten die Medien die ihnen zugedachte Rolle des
«öffentlichen Wachhundes» gar nicht wirksam spielen. Zu
diesem von einer reichen Strassburger Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK[5]
etablierten Grundsatz gibt es zwei wichtige Ausnahmen: Zum einen kann sich
kein Medienschaffender, der selbst angeklagt ist, darauf berufen. Denn der
Quellenschutz dient dem Schutz Dritter und enthebt den Medienschaffenden
der Zeugnispflicht, nimmt ihm aber nicht die «Last» ab, sich
allenfalls durch eigene Beweisführung von einem Vorwurf zu entlasten,
insbesondere den Entlastungsbeweis im Ehrverletzungsverfahren zu
führen. Und die andere Ausnahme sind die sogenannten
«Katalogtaten»: Das ist die Liste der schweren Delikte, bei denen
der Quellenschutz nicht gilt, die Ausnahmebestimmung also ausser Kraft
gesetzt wird und deshalb wieder die Zeugnispflicht gilt (Art. 28a StGB und 172 StPO, je Abs. 2). Schliesslich
besteht das Medienstrafrecht aus einer letzten, hier relevanten Bestimmung:
Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium
begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, ist
der Autor allein strafbar und niemand sonst (Art. 28 Abs. 1 StGB). Damit werden
die allgemeinen Regeln über Mittäterschaft und Teilnahme ausser
Kraft gesetzt und nur sehr unvollkommen in den Sonderbestimmungen von Art. 28 Abs. 2 bis 4 bzw. dem Art. 322bis StGB wieder
eingefangen. A berief sich auf die Bestimmung des Abs. 1 in der Meinung, er
entgehe damit einer Strafbarkeit, weil er ja nur auf den Text des
«Indyvegan» verwiesen habe und nichts Relevantes darüber
hinaus verbreitet habe als dessen Ansicht. Zudem habe er auf dessen
Originaltext verlinkt.
IV. Getümmel in der Sackgasse
Damit wurde die Frage nach einer Ehrverletzung zu einer Frage des
Medienstrafrechts, und wenn man sich einmal auf diesen Irrtum eingelassen
hat, war ein Entkommen natürlich schwierig: Jetzt verlagerte sich die
Diskussion plötzlich darauf, ob die von A und «Indyvegan»
gleichermassen benutzte Plattform «Facebook» ein Medium sei. Ohne
Medium kein Medienstrafrecht - dieser einfachen Überlegung stimme
sogar ich zu.
Der ganze Aufwand, der sowohl vom Berner Obergericht wie dann vor allem vom
Bundesgericht bezüglich dieser Frage getrieben wird, war völlig
unnötig. Nicht nur, weil das Ergebnis auch ohne ihn dasselbe gewesen
ist, wie man am Ende sieht, sondern vor allem deshalb, weil er den Blick
auf die Bestimmung verdeckt, die für den Ausgang bzw. Fortgang des
Verfahrens allein massgeblich ist, nämlich Art. 173 Ziffer 1 Abs. 2 StGB.
Dieser stellt die Weiterverbreitung einer Ehrverletzung der
ursprünglichen Ehrverletzung gleich. Dass solche Weiterverbreitung
vorliegt, kann nicht zweifelhaft sein, und dass in dem Falle dieselben
Regeln über den Entlastungsbeweis gelten, auch nicht. Darauf komme ich
am Schluss zu sprechen, gleich wie das Bundesgericht, das den Fall an das
Berner Obergericht zurückschickt.[6]
V. Ein verkürzter Problembeschrieb
Warum aber der ganze Umweg über das Medienstrafrecht genommen wird und
dabei vieles, das nicht richtig sein kann, erörtert wird, bleibt ein
Rätsel, um dessen Lösung es vorliegend nicht geht. Ich
möchte vielmehr aufzeigen, warum der Weg ein Irrweg, zumindest aber
ein Holzweg ist.
Den «Fehler» präsentiert geradezu auf dem Silbertablett die
Erwägung 5.4. Die ist so kurz, dass man sie vollständig zitieren
kann: «Zunächst setzt Art. 28 StGB voraus, dass die
strafbare Handlung ‹in einem Medium› begangen wird.» Das
ist nun eine wesentliche, und wie mir scheint unzulässige
Verkürzung: Es geht nämlich nicht einfach um «die strafbare
Handlung», sondern darum, dass die strafbare Handlung «durch
Veröffentlichung in einem Medium» begangen wird, wie in Art. 28 StGB ebenso klar steht.
Relevant ist die Tatmodalität «Veröffentlichung»
einerseits, der Ort der «Veröffentlichung» andererseits,
nämlich «in einem Medium». Man kann beides nicht voneinander
trennen, aber das eine folgt nicht aus dem andern. Eine Unterscheidung
zwischen «Herstellung und Verbreitung» einerseits und
«Veröffentlichung» andererseits trifft dagegen der zum alten Art. 27 StGB ergangene BGE 128 IV 53 (dazu unten).
VI. Was ist (k)ein «Medium» im Sinne des Medienstrafrechts?
Das Bundesgericht zeichnet sodann in Erw. 5.4.1. und 5.4.2. in zutreffender
Weise die Bedeutung und Entwicklung von Art. 28 StGB und der im
wesentlichen Punkt inhaltsgleichen Vorgängernorm (des
ursprünglichen Art. 27 StGB)
nach. Und weist darauf hin, dass die Reform von 1998 das Ziel verfolgte,
von der «Druckerpresse» wegzukommen und den Medienbegriff auf die
schon damals nicht mehr neuen, audiovisuellen Medien (Radio und Fernsehen)
zu erstrecken, ohne ihn darauf zu beschränken. Die Ausdehnung auf die
«neuen Kommunikationsmittel», so die Botschaft, entsprang in
erster Linie einem technischen Verständnis.[7]
Die neueste Lehre geht deshalb, vom Bundesgericht zitiert, von einem
«weiten Medienbegriff» aus.[8]
Dem schloss und schliesse ich mich erneut an. Wenn die übrige Lehre
auch die sog. «Social Media» als Medien anerkennt, scheine ich
der einzige zu sein, der diese Auffassung nicht teilt (vgl. die
Literaturhinweise in Erw. 5.4.2.). Und daran ist mit Nachdruck
festzuhalten: Die «Social Media» sind kein Medium im Sinne des
Medienstrafrechts.
VII. Die bundesgerichtliche Exegese zum massgeblichen Medienbegriff,
Teil 1
Das Bundesgericht verwendet in Erw. 5.4.3. dreizehn Sätze mit
zahlreichen Literaturhinweisen auf den Medienbegriff des Art. 28 StGB. Ihm ist
bezüglich seiner vielfältigen Überlegungen nur teilweise
zuzustimmen, und ganz schlecht bestellt ist es um die Qualität oder
Kohärenz derselben. Auch wenn es den Leser nachfolgend etwas
anstrengt, möchte ich den Text Satz für Satz durchgehen:
Satz 1: «Aus dem offenen Wortlaut ("Medium"; "média"; "mezzo di
comunicazione sociale") wie auch aus der Botschaft (BBl 1996 549: "gesamtmediale
Betrachtungsweise" im Sinne von
aArt. 55
bis
BV[9]) ergibt sich, dass
Art. 28 StGB
nicht nur sämtliche Kommunikationsträger (Zeitungen,
Zeitschriften, Radio, Fernsehen usw.) sondern auch Kommunikationsmittel
(Video, Teletext, Videotext, E-Mail, Internet usw.) erfassen
soll.»
Satz 2: «Die offene Formulierung ist auf das Bestreben des
Gesetzgebers zurückzuführen, die Medienlandschaft in ihrer
gesamten Vielfalt zu erfassen (BBl 1996 526 ff.; Protokoll
der Sitzung der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats
vom 14./15. Mai 1997, S. 3 f.; AB 1997 S 573 f.; AB 1997 N 389
f.).»
Zweifeln begegnet schon der Satz 1, wonach der weite Medienbegriff nicht
nur «Kommunikationsträger», sondern auch die
«Kommunikationsmittel» umfassen soll. Und nicht etwa einige,
sondern «sämtliche». Die Unterscheidung und die Zuteilung
gewisser Erscheinungsformen unter die beiden vorgenannten Kategorien ist
durchaus fraglich: So sollen «Zeitungen, Zeitschriften, Radio,
Fernsehen usw.» Kommunikationsträger sein; dagegen seien
«Video, Teletext, Videotext, E-Mail, Internet usw.»
Kommunikationsmittel.[10]
Damit führt man unerklärt einen neuen Begriff ein - die
«Kommunikation». Und aus dieser Gesamtheit wird in Satz 2 die
«Medienlandschaft in ihrer ganzen Vielfalt». Also sind Medien,
Kommunikationsträger, Kommunikationsmittel nur Teile eines
grösseren Ganzen, ohne dass wir erfahren würden, ob und
gegebenenfalls was es in dieser «Medienlandschaft» noch anderes
gäbe. Denn weder die «Medien» noch die
«Medienlandschaft» werden ohne zusätzliche Erklärung -
eine solche fehlt aber - dadurch erfassbar, dass man Medien plötzlich
in «Kommunikationsträger» und
«Kommunikationsmittel» aufteilt und aus unbestritten
«klassischen» Medien wie den gedruckten und audiovisuellen die
dem Gesetz fremde Kategorie der «Kommunikationsträger»
bildet. Jedenfalls wäre zu erklären - was ebenso unterbleibt -,
warum ein «Video» lediglich ein «Kommunikationsmittel»
sein soll. Spinnen wir den Gedanken kurz fort: Auch der Brief, das Telefon
und der längst verschwundene Telegraf bzw. das Telegramm sind zugleich
«Kommunikationsmittel» wie «Kommunikationsträger»,
gleich wie das Buch, ohne dass sie alle vom Bundesgericht auch nur
erwähnt würden oder man in der Vergangenheit auf die Idee
gekommen wäre, auf sie das «Medienstrafrecht» anzuwenden.
Satz 3: «Freilich konnte der Gesetzgeber damals - an der Schwelle
zum Informationszeitalter - nicht voraussehen, dass sich die Grenze
zwischen Produzenten- und Konsumentenrolle bei der medialen
Kommunikation in gewissen Bereichen nicht mehr leichthin ziehen
lässt.»
Der Rechtshistoriker weiss längst, dass noch kein Gesetzgeber die
Zukunft gekannt hat und sein Werk immer von der Zeit und ihren Werken
überlagert wird; das ist im Medienstrafrecht nicht anders, aber
für das Strafrecht wegen des gegenüber den meisten anderen
Rechtsgebieten strengeren Gesetzesvorbehalts und des Analogieverbots
vielleicht noch wichtiger. Indessen kommen «Produzent» und
«Konsument», bzw. die jeweilige «Rolle» weder im Gesetz
vor noch hat sich der Gesetzgeber damit einlässlich befasst. Aber wir
haben schon im dritten Satz die nächste, nicht eingeführte
Kategorie, nämlich zwei gemäss Wortsinn eigentlich
antagonistische «Rollen», die sich nicht klar abgrenzen liessen.
Und wir stossen auf die «mediale Kommunikation», ohne dass wir
mit diesem wiederum neuen Begriff etwas anfangen können: Geht es dabei
jetzt um Medien oder um Kommunikation, und was ist die «mediale»
Kommunikation im Unterschied zu welchen anderen Arten der Kommunikation?
Satz 4: «Schwarzenegger weist
zutreffend darauf hin, dass heute jede Person auf eine
"Produktionsstätte für Medienveröffentlichungen"
zurückgreifen kann (Schwarzenegger, Anwendungsbereich, a.a.O., S.
171; vgl. auch Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, Bericht der
Expertenkommission "Netzwerkkriminalität", 2003, S. 62 f.;
Rechtliche Basis für Social Media: Erneute Standortbestimmung,
Nachfolgebericht des Bundesrates zum Postulatsbericht Amherd
11.3912
"Rechtliche Basis für Social Media" vom 10. Mai 2017, S. 7
ff.).»
Nahtlos geht das Bundesgericht aus Satz 3 mit Satz 4 zum nächsten
Gedanken über, den es aus einer Veröffentlichung von Christian
Schwarzenegger übernimmt: Es seien nicht nur die Grenzen von
«Produzenten- und Konsumentenrolle» nicht mehr so leicht zu
ziehen, ebenso könne jeder auf eine «Produktionsstätte
für Medienveröffentlichungen zugreifen». Aber wozu diese
Betrachtung? Es geht nämlich in diesem Satz, wiederum
uneingeführt, um «Medienveröffentlichungen» und deren
Herstellung. Selbst wenn wir annehmen wollten, Sätze 3 und 4 seien
richtig, führen sie doch nur weiter in die Irre: Wie sind
«Medienveröffentlichungen» denn von den
«Kommunikationsträgern» und/oder den
«Kommunikationsmitteln» zu unterscheiden? Was ist jetzt für
den strafrechtlichen Begriff des «Mediums» eigentlich konstitutiv
und was nicht? Die Produktionsstätte, die Medienveröffentlichung,
die Rollen, die Kommunikationsträger oder die Kommunikationsmittel?
Die Frage wird weder aufgeworfen noch beantwortet, aber sie ergibt sich
meines Erachtens zwingend, wenn die bundesgerichtliche Darlegung konsistent
sein soll. Was sie indessen nicht ist.
Denn übergangslos folgt die nächste Überlegung:
Satz 5: «Dass der Gesetzgeber
Art. 28 StGB
auf Formen direkter Kommunikation ausdehnen wollte, lässt sich den
Materialien nicht entnehmen und widerspräche der ratio legis
(kritisch auch Zeller, a.a.O., N. 44 zu
Art. 28 StGB
; Schwaibold, a.a.O., S. 116 ff.; Wohlers,
a.a.O., N. 2 zu
Art. 28 StGB
).»
Diese Ansicht trifft zu, wenn auch nicht deshalb, weil sie neben zwei
weiteren Autoren auch mir zugebilligt wird.[11]
Sie hat auch gar nichts mit der Frage von Produzenten- oder
Konsumentenrolle und allen anderen in den vier Sätzen zuvor gefallenen
Begriffen zu tun. Wenn aber die «direkte Kommunikation» etwas
anderes sein soll als der strafrechtliche Medienbegriff, so haben wir mit
diesem Satz zumindest ein negatives Abgrenzungskriterium entdeckt: Direkte
Kommunikation ist jedenfalls nicht «Medium», umgekehrt muss
«Medium» etwas sein, was nicht «direkte Kommunikation»
ist. Darauf ist zurückzukommen.
Das Bundesgericht fährt, ohne sich dabei aufzuhalten, mit einer
doppelten Behauptung fort:
Satz 6: «Umgekehrt können Social Media nicht als blosse Form
der Individualkommunikation bezeichnet werden (so aber Schwaibold,
a.a.O., S. 126 f.).»
Es widerspricht damit der (angeblich nur von mir) vertretenen Ansicht, ohne
allerdings eine Begründung zu liefern.[12]
Zudem habe ich es in dieser Weise gar nicht formuliert, man findet bei mir
keinen Satz, der lauten würde, «Social Media sind lediglich
Formen der Individualkommunikation» oder ähnlich. Ich gebe
allerdings zu: Als blosse Zusammenfassung meiner Ansicht über
Plattformen wie Twitter (zu der ich mich geäussert hatte) oder
Facebook würde ich den Satz tatsächlich gelten lassen. Wichtig an
dem Satz ist indessen nur, dass er einen weiteren Begriff einführt -
nämlich die «Individualkommunikation». Wie sie indessen in
den Begriffswald der fünf vorangehenden Sätze einzugliedern
wäre, erfahren wir dann auch nicht.
Denn das Bundesgericht gelangt übergangslos zur nächsten
Ausschluss-Überlegung:
Satz 7: «Auch lässt sich die Anwendbarkeit von
Art. 28 StGB
nicht generell auf jene Berufskategorien (Redaktoren, Verleger,
Drucker) beschränken, wie sie in der früheren Gesetzesfassung
privilegiert wurden (so aber Franz Riklin, Kaskadenhaftung - quo
vadis?, Medialex 2000 S. 206).»
Meine (angebliche) Behauptung aus Satz 6 hat zwar nichts mit der (zumal
für die Vergangenheit zutreffenden) des hochgeachteten Kollegen Riklin
zu tun, aber gemeinsam trifft uns das Verdikt aus Lausanne:
Satz 8: «Beide Ansätze greifen zu kurz.»
Nun, ich habe mich (angeblich) über die Individualkommunikation
geäussert, Franz Riklin über bestimmte Berufsgruppen. Worin genau
unser «Zu-kurz-Greifen» bestanden hat, wird nicht erläutert
und erschliesst sich zumindest mir nur in Bezug auf Riklin: Er hatte auf
die Beteiligten an klassischen Druckmedien Bezug genommen, was in einem
Aufsatz aus 2000 niemandem zum Vorwurf gereichen kann, wenn es um den
Medienbegriff geht. Dass es bei den «sozialen Medien» modernsten
Zuschnitts keine Drucker und eigentlich auch keine Verleger gibt,
Redaktoren schon gar nicht - ausser man würde damit jeden Verfasser
eines Textes bezeichnen wollen - macht Riklins Ansatz nicht einfach
irrelevant oder auch nur «zu kurz».[13]
Satz 9: «Denn das Medienprivileg gilt für alle Personen, die
an der Herstellung oder Verbreitung eines Medienerzeugnisses
mitwirken.»
Das ist abstrakt gesehen sicher richtig, nur im Kontext dieser
Erwägung weder logisch noch zwingend, denn wir wissen noch immer
nicht, was das «Medienerzeugnis» mit dem Begriff
«Medium», der allein im Gesetz steht, zu tun hat, und noch
weniger wissen wir, was die nun neu und unerklärt eingeführten
«Medienerzeugnisse» sind: Sind sie Synonym für die zuvor
erwähnten «Kommunikationsträger» oder die
«Medienveröffentlichungen» aus Christian Schwarzeneggers
«Produktionsstätten»? Oder sind Medien und Medienerzeugnisse
schlicht dasselbe? Das Bundesgericht sagt es uns nicht.
Stattdessen fährt es, bezogen auf die von ihm genannten
Berufskategorien, fort:
Satz 10: «Sie müssen - anders als beim "periodisch
erscheinenden Medium" nach
Art. 28a Abs. 1 StGB
oder beim "Medienunternehmen" nach
Art. 322 Abs. 1 StGB
- nicht Teil eines Medienunternehmens sein (BGE 128 IV 53
E. 5e "partie d'une entreprise de media"; Zeller, a.a.O., N. 47 zu
Art. 28 StGB; Trechsel/Jean-Richard, a.a.O., N. 3 zu Art. 28 StGB; a.A. Riklin, Kaskadenhaftung, a.a.O. S. 206; Schwarzenegger,
Anwendungsbereich, a.a.O., S. 187).»
Damit wird, ohne dass es vertieft würde, eine weitere Unterscheidung
eingeführt: Dass es nämlich zwischen Art. 28 und Art. 28a Abs. 1 StGB einen
relevanten Unterschied gäbe: Der Quellenschutz ist offenbar enger zu
verstehen (weil auf «periodische Medien» beschränkt) als die
ausschliessliche Haftbarkeit des Autors. Aber was ist daraus für den
Medienbegriff des Art. 28
abzuleiten? Jedenfalls nichts, was das Bundesgericht erklären
würde.
Denn es fährt bei seiner rein «personalen» Überlegung
aus Satz 9 und 10 mit Satz 11 fort:
Satz 11: «Dies ist historisch zu begründen.»
Diese «historische Begründung» fällt dann aber gar kurz
aus:
Satz 12: «Denn bereits
aArt. 27 Abs. 2 StGB
(in Kraft ab 1. Januar 1942; AS 54 757) regelte ausdrücklich die
Verantwortlichkeit bei "nicht periodischen Druckschriften", namentlich
die Publikation eines Inserats im Anzeigeteil einer Zeitung durch
Aussenstehende (BBl 1918 IV 11; Carl Ludwig, Schweizerisches Presserecht, 1964, S. 156 f.).»
Diese Behauptung ist so nicht zutreffend, denn der Verfasser des
Bundesgerichtsurteils hat offenbar nicht den Originaltext des alten Art. 27 Abs. 2 StGB gelesen, der
keineswegs vom Inserat handelt, das in diesem Absatz 2 gar nicht vorkommt:
Der handelt vielmehr in seinem deutschen Text von den «nicht
periodischen Druckschriften», französisch im Singular dem
«imprimé non périodique». Diese bilden den Gegensatz zu
dem, was in Abs. 1 als «Presserzeugnis» der
«Druckerpresse» entsprungen war, französisch «par la
voie de la presse» zu einer «publication» führte. Und
wie regelte Abs. 2 die Verantwortlichkeit? Indem im Fall der
nichtperiodischen Publikation gleich wie in Abs. 1 der Autor haftet; er
haftet gemäss Abs. 2 nur dann nicht, wenn er nicht gefunden wird oder
die Veröffentlichung ohne sein Wissen, gar gegen seinen Willen
erfolgte; dann haften an seiner Stelle der Herausgeber oder, wenn auch der
nicht auffindbar ist, gar der Drucker anstelle des Autors. Vergleichbar
dann in Abs. 3 die Regelung, die inhaltlich an den Abs. 1 anschliesst, und
erst in Abs. 4 die Regelung über die Inserate. Mithin haftete nach dem
ursprünglichen Gesetzeswortlaut immer der (bekannte) Autor bzw.
Einsender. Aber für die Definition des modernen, für das geltende
Strafrecht massgeblichen Medienbegriffs ist doch damit überhaupt
nichts gewonnen: Aus der Haftungsordnung folgt doch nichts für deren
Voraussetzung, das «Medium», sondern dieses ist umgekehrt
Voraussetzung für die Haftungsordnung, eben die Privilegierung von
Teilnehmern.
Schon gar nicht lässt sich der Schlusssatz damit rechtfertigen oder
wenigstens verknüpfen:
Satz 13: «Insofern sollen alle Personen über die Presse bzw.
heute über ein "Medium" ihre Meinung in der Öffentlichkeit
möglichst wirksam zur Geltung bringen können.»
Die Haftungsfrage hat doch nichts damit zu tun, ob man
«Meinungen» und diese auch noch «wirksam» zur Geltung
bringt, sondern ob man etwas in besonderer Weise veröffentlicht -
nämlich «in einem Medium». Die verfassungs- und
menschenrechtlich garantierte Meinungsfreiheit bezieht sich nicht darauf,
ob eine «Meinung» (oder was auch immer) über ein Medium oder
ein Nichtmedium geäussert wird. Die einzige Folge des Art. 28 StGB ist - seine
Anwendbarkeit vorausgesetzt! -, dass eine Äusserungsmodalität
allenfalls bestimmte Handlungen ausser Strafe stellt. Zudem stellt der Satz
des Bundesgerichts den Regelungsgehalt von Art. 28 StGB noch auf den Kopf:
Wer seine Meinung in einem Medium äussert, ist Autor und deshalb
dafür haftbar; das darin enthaltene Privileg gilt nicht dem Autor,
sondern seinen allenfalls vorhandenen Helfern.
Wir haben es in der Erw. 5.4.3. mit einer leider typischen Art der
Begründung zu tun: 13 Sätze, die durch keinerlei roten Faden
verbunden sind, von Thema zu Thema springen, zwar Belegstellen
anführen, aber nicht erklären, was zu erklären ist: Wie ist
der Medienbegriff des Art. 28 StGB
zu verstehen, vor allem: Was unterscheidet «Medien» von
«Kommunikation»? Wir erfahren es nicht.
VIII. Die bundesgerichtliche Exegese zum massgeblichen Medienbegriff,
Teil 2
Diese durchaus unbefriedigende Form der Argumentation setzt sich dann in
Erw. 5.4.4. fort, die den «sozialen Medien» gewidmet ist. Daraus
ist zunächst nur wichtig Satz 3: «Die Weite des Medienbegriffs
führt allerdings nicht dazu, Social Media gemeinhin als "Medium" zu
qualifizieren.» Versuchen wir, diesen Satz 3 mit dem Satz 6 aus der
Erw. 5.4.3. unter einen Hut zu bringen: Einerseits seien sie nicht blosse
Formen der Individualkommunikation, hiess es dort und gegen meine Ansicht.
Andererseits sind sie nicht «gemeinhin» Medium. Ja was sind sie
dann bzw. was ist ein Medium? Die Antwort bleibt natürlich aus.
Soziale Medien sind also auch, aber nicht nur (wie von mir behauptet!)
Formen der Individualkommunikation, sie sind unter Umständen, aber
eben nicht von vorneherein («gemeinhin») Medium. Also können
sie beides sein. Wichtig wäre aber doch zu wissen, ob sie jetzt Medien
sind oder nicht. Statt einer klaren Antwort kommt mit Satz 4 die fatale
Formel, die eigentlich ersatzlos an die Stelle der gesamten Erwägungen
5.4.1 bis 5.4.4. hätte treten können: «Vielmehr ergibt sich
die konkrete Anwendbarkeit von Art. 28 StGB im Einzelfall aus dem
Erfordernis, dass das Medienerzeugnis der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wird.» Lassen wir die beckmesserische
Bemerkung stehen, dass «Medium» und «Medienerzeugnis»
an dieser Stelle einfach gleichgesetzt werden. Und halten wir fest, dass es
plötzlich und ohne jede argumentative Vorankündigung auf die
«Öffentlichkeit» der Mitteilung ankommt. Nur nochmals:
Veröffentlicht wird auch ein Buch, und «veröffentlicht»
ist auch eine Ehrverletzung, die in einer Volksversammlung erfolgt. Wir
haben also für den Medienbegriff nichts gewonnen, schon gar nicht in
Bezug auf «Social Media». Wir erfahren einzig, dass die
Anwendbarkeit des Art. 28 StGB ein
Medienerzeugnis und eine Veröffentlichung voraussetze. Das führt
uns aber an den Anfang zurück, ohne dass wir eine Antwort bekommen
hätten. Vermutlich liegt in dieser Art der Argumentation eine
Tautologie vor, aber ich lasse das offen. Sie ist, und das lasse ich nicht
offen, in höchstem Masse unbefriedigend.
IX. Verwechslung von Ursache und Folge
Erw. 5.5. schwenkt dann zu einem weiteren Problem: der «für das
Medium typischen Herstellungs- und Verbreitungskette». Die ist deshalb
von Belang, weil die Anwendbarkeit von Art. 28 StGB zu einer
Privilegierung derer führt, die in dieser «Kette» stehen,
ohne Autor zu sein - denn sie haften nicht, nur der Autor. Allerdings haben
wir auch hier ein logisches Problem: Die Frage nach der «Kette»
stellt sich doch nur, wenn zuvor die Frage nach dem «Medium»
positiv beantwortet worden wäre, also feststeht, dass es
überhaupt einen Anwendungsfall von Art. 28 StGB gibt. Der lässt
sich nicht aus der Existenz einer «Kette» ableiten, sondern
bildet die Voraussetzung dafür, bei einem «Kettenmitglied»,
um es so zu formulieren, die Frage nach der Haftung (oder eben
Nichthaftung) beantworten zu können. Fehlt es am «Medium»,
stellt sich die Frage gar nicht, weil es dann allein auf die Frage einer
(Mit-)Täterschaft ankommt, sich die Problematik einer
«Privilegierung» von vorne herein nicht stellen kann. Das
Bundesgericht beruft sich auf zwei Entscheidungen. Der ältere von
beiden, BGE 86 IV 145,
enthält folgende grundsätzlich weittragende Erw. 1: «Art. 27 StGB schliesst, wenn der
Verfasser eines ehrenrührigen Zeitungsartikels bekannt ist, die
Bestrafung der nicht im Druckereigewerbe tätigen Personen, die nach
den allgemeinen Vorschriften des StGB als Mittäter, Anstifter oder
Gehilfe des Verfassers mitverantwortlich sind, nicht aus (BGE 73 IV 67). Egger, der als
Musiklehrer dem Verfasser des eingeklagten Zeitungsartikels die Unterlagen
verschafft und bei der Veröffentlichung mitgewirkt hat, fällt als
Mittäter oder als Teilnehmer an der Schmid zur Last gelegten
Ehrverletzung in Betracht. Er ist daher Beteiligter im Sinne von Art. 30 StGB.» Allerdings
blieb diese Erwägung 1 für den damaligen Entscheid irrelevant:
Der Informant Egger war gar nicht angeklagt; und weil ihm gegenüber
kein Strafantrag gestellt worden war, vielmehr auf einen solchen sogar
ausdrücklich verzichtet wurde, wurde der (einzig) angeklagte
Journalist Schmid auch freigesprochen, welchen Freispruch das Bundesgericht
durch Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Privatklägers
bestätigte (Unteilbarkeit des Strafantrags). Abgesehen davon ist
dieser Entscheid ein Beleg dafür, dass der zuvor kritisierte Riklin
mit seiner «personalen» Betrachtung des Medienprivilegs eben auf
solider Grundlage aufgebaut hatte.
Sehr viel einschlägiger ist dagegen der jüngere, aber ebenfalls
noch zum (alten) Art. 27 StGB
ergangene BGE 128 IV 53, Erw. 5.e.
Dort spricht das Bundesgericht vom «pressemässigen
Mitwirken» und der «chaîne de production et de
diffusion», welche über die Tragweite des Haftungsprivilegs
entscheide. Aber eben: Vorausgegangen war auch hier die Bejahung der
Ausgangsfrage, dass ein (politisches) Plakat ein «Medium» im
Sinne der Strafbestimmung sei. Genau diese Frage hat aber der
Facebook-Entscheid bisher nicht beantwortet. Wir lesen vielmehr folgenden,
erstaunlichen Schlusssatz: «Insofern wird zwar der Verbreiter, nicht
aber der Weiterverbreiter nach Art. 173 StGB von Art. 28 StGB erfasst. Der weite
Medienbegriff bedingt, dass im Einzelfall geprüft werden muss, wer
Teil der medientypischen Herstellungs- und Verbreitungskette ist.»
Jetzt wird also plötzlich zwischen «Verbreitung» und
«Weiterverbreitung» unterschieden, und diese Unterscheidung soll
wiederum darüber entscheiden, ob ein Medium vorliegt. Ich glaube,
spätestens an dieser Stelle ist die Tautologie erreicht.
X. Ein Schluss, der keiner ist
Und damit sind wir an der inhaltlichen Schlusserwägung 5.6. angelangt.
Sie sei vollständig zitiert:
Satz 1: «Bei Facebook handelt es sich um einen sozialen
Netzwerkdienst, der darauf ausgerichtet ist, eine schnelle und
weitreichende Kommunikation zu ermöglichen (BGE 146 IV 23
E. 2.2.3 mit Hinweis).»
Satz 2: «Der auf Facebook aufgeschaltete Beitrag des
Beschwerdeführers richtete sich an ungefähr 2'500
Personen.»
Satz 3: «Der Beschwerdeführer hat folglich einem breiten
Personenkreis die Möglichkeit der Kenntnisnahme
eröffnet.»
Satz 4: «Ob der Beitrag tatsächlich zur Kenntnis genommen
wurde, ist bei der Veröffentlichung im Sinne von
Art. 28 StGB
nicht von Bedeutung (Donatsch/Tag, a.a.O., S. 205; Schwarzenegger,
Anwendungsbereich, a.a.O., S. 177).»
Satz 5: «Das "Teilen" des Artikels von "Indyvegan" auf Facebook
als Medium steht der Anwendung von
Art. 28 StGB
daher im vorliegenden Fall nicht entgegen.»
Satz 6: «Entscheidend ist jedoch die Frage, ob sich der
Beschwerdeführer noch innerhalb der medientypischen Herstellungs-
und Verbreitungskette bewegte.»
Satz 7: «Dies ist zu verneinen.»
Satz 8: «Der Ausgangsartikel wurde mit dem entsprechenden "Post"
von "Indyvegan" in Verkehr gesetzt und stand damit nicht mehr unter der
Kontrolle des Herstellers.»
Satz 9: «Mit dem "Teilen" wurde lediglich ein fremder bereits
veröffentlichter Beitrag verlinkt.»
Satz 10: «Der Rechtsstandpunkt der Vorinstanz erweist sich damit
als zutreffend.»
Satz 11: «Eine privilegierte Teilnahme im Sinne von
Art. 28 StGB
fällt ausser Betracht.»
Was ersehen wir daraus? Erneut behellige ich die Leserschaft mit einer
Satz-für-Satz-Kritik, weil auch diese Erwägung keinerlei
Konsistenz aufweist:
Facebook ist gemäss dem ersten Satz ein Kommunikationsmittel. Im zum
Beleg zitierten Entscheid, bei dem es letztlich um einen Parallelfall ging,
weil es um vergleichbare Äusserungen über denselben Verein und
seinen Präsidenten ging, hielt das Bundesgericht nur fest, dass
Facebook der schnellen Kommunikation diene. Keine Silbe dazu, ob es sich um
ein «Medium» im Sinne des Medienstrafrechts handle. Da es sich
dabei um eine Frage des Bundesrechts handelt, hätte das Bundesgericht
von sich aus die Frage aufgreifen müssen, wenn es das Problem gesehen
hätte; es muss nicht durch Parteivorbringen auf die Existenz und den
Inhalt des Art. 28 StGB
hingewiesen werden. Da weder Bundesgericht noch die Vorinstanzen einen
Gedanken auf das Medienstrafrecht in jenem Fall verschwendet haben, ist
allein schon daraus eher ein Argument gegen Facebook als Medium zu ziehen
als dafür.
Die Feststellung in Satz 2, dass der inkriminierte Beitrag des A von rund
2'500 Facebook-Nutzern gelesen werden konnte, stellt lediglich ausser
Zweifel, dass es hier um eine Veröffentlichung bzw. eine
Äusserung gegenüber Dritten ging. Für die Frage der
Medieneigenschaft von Facebook ist damit indessen nichts gewonnen, zumal
Satz 2 auch sonst nicht an den Inhalt von Satz 1 anschliesst. Wenigstens
schliesst Satz 3 an Satz 2 an, indem er festhält, viele hätten
den Beitrag zur Kenntnis nehmen können. Das ist indessen bei einer
Veröffentlichung auch kein Wunder.
In Satz 4 wird dann festgehalten, es käme für die Anwendbarkeit
von Art. 28 StGB aber nicht darauf
an, ob der Artikel tatsächlich «zur Kenntnis genommen»
worden sei. Das ist eine Feststellung ohne Grundlegung. Denn zu klären
ist, ob Art. 28 StGB
überhaupt anwendbar sei. Bekanntlich haben wir darauf keine Antwort
bekommen. Es wird damit an den Art. 28 StGB eine Frage
herangetragen, die tatsächlich nichts mit ihm zu tun hat, aber so
klingt, als könnte er vorliegend anwendbar sein.
Es folgt Satz 5, der vollkommen unverhofft eine Antwort auf das zu
enthalten scheint, was viele Sätze und Worte zuvor umhergeschoben
wurde: Der Anwendung von Art. 28
stehe etwas nicht entgegen - was ausgedeutscht heisst, Art. 28 sei trotz
«etwas» anwendbar. Aber was ist dieses offensichtlich
entscheidende «Etwas», das nicht hindert? Es ist das
«Teilen» des Artikels auf Facebook als Medium. Weil man also auf
Facebook etwas teilen kann, ist es ein Medium - zumindest ist man versucht,
das als logische Folgerung aus diesem Satz abzuleiten. Man kann auch einen
Brief kopieren oder einen Beipackzettel eines Medikaments und
weiterverteilen - das macht indessen weder das eine noch das andere zu
einem «Medium». Auch jede E-Mail von X an Y kann Y an unendlich
viele E-Mail-Adressen weiterleiten, ohne dass damit die E-Mail oder gar
deren Inhalt zu einem «Medium» im Sinne des Medienstrafrechts
werden könnten, meine ich.
Aber diese Möglichkeit des «Teilen-Könnens» ist dann
doch wieder nicht entscheidend, wenn wir Satz 6 lesen, gemäss dem es
auf die «medientypische Herstellungs- und Verbreitungskette»
ankommt. Aber sie ist allein entscheidend für die Frage der
Privilegierung, sie kann deshalb nicht auch noch entscheidend dafür
sein, ob bzw. dass Art. 28 StGB
anwendbar ist. Die Privilegierung ist, nur die Folge der Anwendbarkeit, und
weder sie noch die «Kette» können die Anwendbarkeit
begründen, sondern setzen sie voraus. Mithin bekommen wir in den
Sätzen 5 und 6 völlig inkohärente, um nicht zu sagen
widersprüchliche Botschaften, die selbst dann zu kritisieren sind,
wenn man sie als widerspruchsfrei erachten wollte: Der Grundmangel, dass
über den Medienbegriff keine Klarheit geschaffen wird und die
Anwendbarkeit des Art. 28 StGB die
Voraussetzung dafür ist, über die Privilegierung und die
medientypische Verbreitungskette überhaupt nachzudenken, wird damit
nicht behoben.
Der ganze Luftballon platzt mit Satz 7: Der Angeklagte A stünde eben
ausserhalb dieser Verbreitungskette. Also ist das ganze bis dahin
aufgeführte «Theater» um den Art. 28 StGB doch unnötig
gewesen, wenn er - wäre er anwendbar gewesen - dann gerade doch nicht
anwendbar ist.
Und so sind wir gespannt auf die Begründung, die doch spätestens
jetzt umfangreich und gründlich folgen müsste. Sie besteht formal
aus vier überwiegend kurzen Sätzen, von denen lediglich die zwei
ersten, die Sätze 8 und 9, überhaupt relevant sind. Satz 8
besagt, dass der «Indyvegan» genannte Facebook-Nutzer den
(seinen?) Artikel in Verkehr gesetzt habe und mit diesem «Post»
(bzw. «posten» oder «Posting») der
«Hersteller» die Kontrolle darüber verloren habe. Das ist
nichts anderes als das Bild vom abgeschossenen Pfeil, den man nicht
zurückholen kann, oder eben von der fatalerweise an die falsche
Adresse geschickte Mail oder SMS mit verfänglichen Inhalten. Aber
begründet dieser «Kontrollverlust» die Medieneigenschaft von
Facebook? Doch sicher nicht. Und was hat das vor allem mit A zu tun?
Natürlich nichts, denn was «Indyvegan» gemacht hat,
ermöglichte dem A allenfalls etwas, was sonst nicht oder nur auf
Umwegen möglich gewesen wäre: Ohne den «Post»
hätte A den Artikel nicht gekannt bzw. zur Kenntnis nehmen
können, er hätte ihn auch nicht weiterleiten oder kommentieren
können, er hätte aber beides, eines von beiden oder
überhaupt die Kenntnisnahme des Artikels unterlassen können. Die
Handlung von «Indyvegan» ist, haftungsrechtlich gesehen,
natürlich kausal für das Handeln von A, aber das ist auch schon
alles. Dass die Handlung von «Indyvegan» Facebook zum Medium
mache, sagt das Bundesgericht gerade nicht.
Also bleibt als letzte (logische) Hoffnung, dass die Handlung des A
begründen könnte, dass Facebook ein Medium ist. Aber auch daran
fehlt es, es gibt keine positive, klare Aussage in diesem Sinne.
Denn Satz 9 handelt vom «Teilen» des Artikels, mithin der
Handlung des A. Dieses Teilen sei lediglich das Verlinken eines fremden,
bereits publizierten Beitrags. Was durchaus zutrifft und insoweit auch
weder neu noch überraschend ist, bloss wüsste man gerne, was
dieses «Teilen» für eine Bedeutung hat. Das Bundesgericht
sagt es uns leider nicht. Das ist mit allem Nachdruck zu kritisieren. Es
bleibt völlig unklar, ob jetzt Facebook ein «Medium» im
Sinne des Art. 28 StGB sei und
warum, es bleibt lediglich der Befund, dass dem A vorgehalten wird, er
könne sich nicht auf das darin enthaltene Haftungsprivileg berufen.
Beides wäre einlässlich zu erklären gewesen. Nichts von
beidem wird erklärt.
Stattdessen erklärt es den «Rechtsstandpunkt» der Vorinstanz
für zutreffend (Satz 10) und schliesst mit Satz 11 eine privilegierte
Teilnahme des A im Sinne von Art. 28 StGB aus.
XI. Eckpunkte exakter Exegese
Damit erweist sich der ganze Ausflug ins Medienstrafrecht als für das
Ergebnis irrelevant, es bleibt bei der Teilnahme an einer (insoweit
«gewöhnlichen») Ehrverletzung durch Weiterverbreitung des
Artikels und dessen Kommentierung. Bleibt dem A immerhin der Strohhalm des
Entlastungsbeweises nach den allgemeinen Regeln.
Wie hätte nun eine Begründung aussehen können, die zumindest
der vorstehenden Kritik nicht ausgesetzt gewesen wäre? Ich will es
abschliessend versuchen.
Auszugehen ist davon, dass «Indyvegan» eine Ehrverletzung
begangen hat. Ich sage das mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass
meine eigene strafrechtliche Einschätzung dazu eine andere ist und
zumindest der Entlastungsbeweis als gelungen zu betrachten wäre, aber
das ist nicht das Thema.
Wenn «Indyvegan» sich in strafbarer Weise in seinem Artikel
geäussert hat, dann ist er als Verfasser dieser Äusserung auch
haftbar, und zwar völlig unabhängig davon, ob er sich in einem
«Medium» gemäss Art. 28 StGB geäussert hat
oder nicht. Wenn er sich in einem «Medium» geäussert haben
sollte, wäre allenfalls noch als Nebenfrage zu prüfen, ob sich in
der Publikation die strafbare Tat «erschöpft» hat. Davon
wäre, so meine ich, ohne Zweifel auszugehen.
Für die Strafbarkeit des A kommt es dann aber entscheidend darauf an,
ob «Facebook» ein Medium ist. Nur dann sind Überlegungen zur
«Verbreitungskette» und zur Privilegierung des A sinnvoll; ist
Facebook kein Medium, fehlt es an der Grundvoraussetzung, über die
Verbreitungskette und die damit verbundene Privilegierung des A
überhaupt nachzudenken, und es gelten für A die ganz normalen
Regeln der Weiterverbreitung einer Ehrverletzung.
Also hätte sich das Bundesgericht einlässlich und gründlich
mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Facebook ein Medium sei; es
kann diese Frage nicht einfach offen lassen oder gar das in jedem
Einzelfall neu entscheiden wollen, so scheint es aber tatsächlich zu
überlegen (Satz 4 von Erw. 5.4.4., oben VIII). Denn gleich wie es
keinen Zweifel geben konnte, dass eine Zeitung oder Zeitschrift ein Medium
im Sinne von aArt. 27 bzw. dann Art. 28 StGB ist, kann die Frage
nicht in jedem Einzelfall neu entschieden werden und einmal die NZZ, der
Tages-Anzeiger oder die Weltwoche ein Medium sein und ein anderes Mal
nicht. Warum das bei Facebook anders sein soll, wäre wenigstens zu
erklären. Facebook ist lange genug auf dem Markt und seine
Funktionsweise hinlänglich bekannt, um seinen Charakter als Medium
nunmehr klären zu können, jedenfalls solange es nach dem (ohnehin
seit jeher grundsätzlich gleichen) bekannten Muster funktioniert.
Dass man damit bei der Auslegung des bewusst offenen, unbestreitbar
unbestimmten und sicher nie abschliessend zu umschreibenden Begriffs
«Medium» angekommen ist, bestreite ich gar nicht. Das ist
vielmehr die ureigenste Aufgabe des Bundesgerichts als der wichtigsten
Institution unserer Rechtsfortbildung. Aber diese Aufgabe muss es auch
erfüllen, und das verlangt die Beachtung gewisser handwerklicher und
intellektueller (dogmatischer) Ansprüche. Denen wird das Urteil nicht
ansatzweise gerecht.
Ein unangreifbarer Ansatz hätte darin bestehen können, von den
bisherigen Medien auszugehen, die für sie typischen Herstellungs- und
Verbreitungsketten darzulegen und sich dann zu fragen, ob daraus etwas
für Facebook zu gewinnen sei. Zudem hätte man die nur folgenlos
angedeutete Unterscheidung von «Medien» und
«Kommunikation» näher untersuchen können. Man
wäre, dessen bin ich sicher, auf beiden Wegen zum selben Ergebnis
gekommen, nämlich dass Facebook kein Medium ist.[14]
Schliesslich hätte man in einem dritten Schritt die (wesentliche)
Funktionsweise von Facebook schildern müssen; dazu hätte
gehört, die Funktionen des «Teilens» und «Postens»
eines Beitrags klarzustellen und zu erläutern, warum das blosse
«Teilen» nicht Teil der typischen Herstellungs- und
Verbreitungskette ist, und ob oder warum das «Posten» eines
Beitrags das Ende der medientypischen Kette darstellt. Weiter wäre es
unabdingbar, die «Rollen», welche die «Nutzer» (User,
Teilnehmer) einerseits, der «Plattformbetreiber» andererseits
haben, zu untersuchen. Das hätte möglicherweise auch noch etwas
mehr Vertiefung in unsäglich komplizierte AGB und nutzerunfreundliche
Optionen, in «systembedingte» Automatismen und steuerbare
Abläufe vorausgesetzt, und es wäre möglicherweise auch
einiges aus der Sicht des Datenschutzes zu sagen gewesen. Aber es wäre
am Ende sicher nichts herausgekommen, was Facebook zu einem Medium gemacht
hätte, sondern zumindest die überwiegende Anzahl der als
wesentlich herausgearbeiteten Gesichtspunkte hätte dafür
gesprochen, dass es sich um ein Kommunikationsmittel oder einen
Kommunikationskanal, aber nicht um «Massenkommunikation» in einem
herkömmlichen Sinne und damit um ein «Massenmedium» des
alten Verständnisses handelt. Nur ein solches kann aber die
Privilegierung von «Teilnehmern» rechtfertigen, während
nicht zu sehen ist, warum irgendwelche beliebigen Formen der elektronischen
Kommunikation («online») anders bewertet werden soll als
diejenige, die «offline» erfolgt.
Aber eben: Davon finden wir keine Spur, sondern ein nur höchst
unbefriedigendes Aneinanderreihen untereinander kaum verbundener
Stichworte, sozusagen eine Art von «Assoziationsketten», die
keine der Stellung und Bedeutung des Bundesgerichts würdige
Urteilsbegründung sind. Leider aber typisch für seine
Rechtsprechung, die sich Jahr um Jahr vom Niveau früherer Jahrzehnte
entfernt.
[1]
Matthias Schwaibold,
Warum «Twitter» kein Medium im Sinne des Strafrechts
ist, sui generis 2017, S. 113 ff. - Ich werde auch vorliegend keine
«positive» Definition des Mediums liefern können;
was aber erneut nicht hindert, ein bestimmtes «Medium»
zumindest als keines im Sinne des Strafrechts zu erkennen, und dies
zu begründen.
[2]
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999 (BV; SR 101).
[3]
Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).
[4]
Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007
(Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0).
[5]
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
abgeschlossen in Rom am 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101).
[6]
Urteil des Bundesgerichts 6B_440/2019 vom 18.
November 2020 (zur Publikation vorgesehen).
[8]
Z.B. Stefan Trechsel / Marc Jean-Richard-dit-Bressel, in:
Trechsel/Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch
Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich 2017, N 3 zu Art. 28 StGB:
«Während früher das Privileg auf mit dem
‹Mittel der Druckerpresse› begangene Straftaten
beschränkt war, genügt heute irgendein ‹Medium›
[Hervorhebung im Original]».
Weitgehend Wolfgang Wohlers, in: Wohlers/Godenzi/Schlegel (Hrsg.),
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl., Bern
2020, N 2 zu Art. 28 StGB: «Unter einem Medium[Hervorhebung im Original] ist, im Einklang mit Art. 17 BV, jedes Mittel
zu verstehen, durch das ein gedanklicher oder bildlicher Inhalt
einem grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht
verbundenen Kreis von Personen zugänglich gemacht werden kann
(BGE 128 IV 65 f), also
neben allen Arten von Druckschriften in jeder Form der
Vervielfältigung auch Radio und Fernsehen, Filme, Ton- und
Videoaufnahmen sowie die elektronischen Netzwerke mit Einschluss
des Internets (BGE 74 IV 131; BGE 78 IV 128; BGE 82 IV 80 = Pra. 1956
Nr. 151; vgl. auch Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 26.
Januar 2016, GG150250, E.
4.3 ff = FP 2017, 290 mit Anm. Roth: Twitter als Medium).
Zweifelhaft ist die Einordnung von Netzwerken, die eine
Individualkommunikation ermöglichen, wie z.B. die Netze der
Mobiltelefonie (bejahend Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, SB060649, E. 5.1 = FP 2008, 271 m. krit. Anm. Riklin).
In dieser Weise muss die Veröffentlichung tatsächlich
stattgefunden haben, wenn Abs. 1 eingreifen soll (BGE 125 IV 183 f). Keine
Rolle spielt, welchen Interessen sie diente (BGE 77 IV 193 f; BGE 117 IV 366).» Zu
weitgehend dann aber Andreas Donatsch, in:
Donatsch/Heimgartner/Isenring/Maurer/Riesen-Kupper/Weder (Hrsg.),
StGB/JStG-Kommentar, 20. Aufl., Zürich 2018, N 2 zu Art. 28
StGB: «Als Medien gelten nicht nur das Fernsehen, das
Radio sowie die Presse, sondern alle Kommunikationsmittel. Erfasst
werden demnach überdies alle Arten von Druckschriften (Blatt,
Brief, Bücher, Flugblätter, Plakate, Prospekte, Kataloge
etc.), Gemälde, Foto, Film, Kassette, DVD, Videos, der
Memory-Stick, die elektronische Textübertragung (Teletext,
Videotex, CD-ROM), die telefonische Tonübertragung (Festnetz-,
Mobil-, Internet-Telefonie), Mailing-Listen, Newsgroups, der Chat,
das Web-Streaming (Ton- oder Bildübertragung via Web) und das
World Wide Web. Der Begriff des Mediums ist in einem weiten Sinne
zu verstehen (BGE 128 IV 65).» Dass
das «Internet» ein Medium im Sinne des Strafgesetzbuches
sei, ist eine gewiss überschiessende und daher nicht
zutreffende Verallgemeinerung; wie hier auch Franz Zeller, in:
Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht, Basler Kommentar, 4.
Aufl., Basel 2019, N 49 zu Art. 28. Im gleichen Sinne geht zu weit
die N 14 zu Art. 28 im Commentaire Romand von Roth/Moreillon,
während der Petit Commentaire von Dupuis et al. in seiner N 4
zu Art. 28 StGB unentschieden bleibt. - Dass «Facebook»
ein solches Medium sei, wird zudem von keinem der sechs Kommentare
ausdrücklich gesagt, auch nicht von Zeller, der
«Facebook» als einziger explizit in seinen Noten 52a und
118a benennt.
[9]
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai
1874 (aBV; SR 101).
[10]
Diese Kategorisierung lässt sich insbesondere nicht mit der
Botschaft des Bundesrats, BBl 1996 IV 525, S. 549
begründen, die zwischen «Druckschriften» (zu welchen
sie namentlich Zeitungen und Zeitschriften zählte) und
«elektronischer Textübertragung = elektronischer
Textkommunikation» (zu welchen Teletext und Videotext
gezählt wurden) unterschied.
[11]
Das Bundesgericht bezieht sich auf meinen in Fn. 1 erwähnten Beitrag in sui generis
2017, S. 113 ff.
[12]
Dabei stimmt mir Franz Zeller in N 44 zu Art. 28 im BSK StGB
ausdrücklich unter Hinweis auf den genannten Beitrag zu, indem
er die Ausdehnung des Medienbegriffs auf Formen der direkten
Kommunikation ablehnt.
[13]
Völlig zutreffend deshalb Franz Zeller (Fn. 7), N 24 zu Art.
28 StGB: Es «lassen sich die Abläufe und
Zuständigkeiten bei Veröffentlichungen durch die
herkömmliche Druckerpresse nur bedingt auf heutige
Publikationen in der Online-Welt übertragen (…).»;
ähnlich sodann erneut in N 44.
[14]
Im Wesentlichen aus den Gründen, die ich in meinem Beitrag gemäss Fn. 1
auf S. 119 f. dargelegt habe.