Die berufliche Vorsorge im Rahmen von M&A Transaktionen - eine
Übersicht
Marc Nufer / Lorenz Raess *
Unternehmensverkäufe und Restrukturierungen haben nicht nur
direkte Folgen für Mitarbeitende, sondern auch für die
Vorsorgeeinrichtungen, bei denen die Mitarbeitenden versichert
sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es zu einer teilweisen
organisatorischen Aufhebung - einer Teilliquidation - der
Vorsorgeeinrichtung kommen. Um Ungleichheiten zu vermeiden, sind
Vorsorgeeinrichtungen gesetzlich verpflichtet, in einem Reglement
die Voraussetzungen und das Verfahren einer solchen Teilliquidation
zu regeln. Die betroffenen Mitarbeiter sind vor allem an der
Höhe der Austrittsleistung interessiert und wollen am Erfolg
und an den Reserven beteiligt werden. Die Vorsorgeeinrichtung
verfolgt jedoch genau gegenläufige Interessen und will das
Substrat soweit wie möglich behalten. Aus Sicht der
Mitarbeiter gibt es darum bei Teilliquidationen von
Vorsorgeeinrichtungen einige Besonderheiten zu beachten.
Zitiervorschlag: Marc Nufer/Lorenz Raess, Die berufliche Vorsorge im
Rahmen von M&A Transaktionen - eine Übersicht, sui generis
2020, S. 367
URL: sui-generis.ch/146
DOI:
https://doi.org/10.21257/sg.146
* Marc Nufer, Rechtsanwalt, Partner, Head Corporate / M&A (marc.nufer@eversheds-sutherland.ch); Lorenz Raess, Rechtsanwalt, Associate, Corporate / M&A (lorenz.raess@eversheds-sutherland.ch); beide bei Eversheds Sutherland AG.
Höhe und Umfang des angesparten Vorsorgevermögens sind ein
Aspekt, der bei M&A Transaktionen und Restrukturierungen häufig in
den Hintergrund rückt. Das Bundesgericht hat wiederholt betont, dass
dieses Vermögen den versicherten Mitgliedern (den Destinatären)
zu folgen hat.[1]
Da die Destinatäre einer Vorsorgeeinrichtung (VE) es mit ihren
Beiträgen überhaupt erst ermöglichen, dass Geld
gewinnbringend angelegt werden kann, sollen sie deshalb nicht nur erhalten,
was sie einbezahlt haben, sondern darüber hinaus auch
anteilsmässig am Gewinn beteiligt werden.[2]
Ansonsten würden nur die verbleibenden Destinatäre davon
profitieren.[3]
Je nach der Anzahl der austretenden Destinatäre und des
betroffenen Vorsorgevermögens ist vorgesehen, dass eine VE
teilliquidiert werden muss.
Vereinfach gesagt will die Teilliquidation (TL) einer VE eine Über-
und Unterkapitalisierung verhindern. Einerseits sollen verbleibende
Destinatäre nicht auf Kosten der Austretenden profitieren.
Andererseits sollen die verbleibenden Destinatäre nicht alleine die
Fehlbeträge einer Unterdeckung tragen.[4]
Die Interessen der Destinatäre und der VE selber sind in diesem Fall
jedoch gegensätzlich. In wirtschaftlich guten Zeiten lohnt es
sich für die Destinatäre, im Rahmen einer TL kollektiv aus der VE
auszuscheiden, damit sie am Erfolg partizipieren. Sind die Zeiten hingegen
weniger rosig, ist ein individueller Ausritt ausserhalb einer TL
vorteilhafter, da nicht mit einer Kürzung der Austrittsleistung
gerechnet werden muss.[5]
Demgegenüber will die VE in erfolgreichen Zeiten möglichst keine
TL durchführen und das angehäufte Kapital behalten. Bei einer
Unterdeckung ist eine TL aber vorteilhafter, um Austrittsleistungen zu
kürzen und möglichst viel Vorsorgekapital in der VE zu erhalten.
Erfolgen bei einer Unterdeckung zu viele Austritte ausserhalb einer TL,
kann das aufgrund der fehlenden Möglichkeiten der Kürzungen
ansonsten zu erheblichen finanziellen Engpässen der VE führen.[6]
II. Gesetzliche Voraussetzungen
1. Grundlagen
Bei einem einfachen Freizügigkeitsfall - sofern kein Vorsorgefall
eingetreten ist - hat der ausscheidende Destinatär nur Anspruch
auf seine einbezahlten Mittel, nicht mehr und nicht weniger. Da ein
einzelner Austritt im Normalfall nur zu einer geringen Veränderung des
gesamten Vorsorgekapitals führt, rechtfertigt sich eine TL in diesem
Fall aus Praktikabilitätsgründen nicht.[7]
Wie gleich gezeigt wird, kommt eine TL erst bei der Erfüllung gewisser
quantitativer Merkmale zum Zug.
Gemäss dem Freizügigkeitsgesetz (FZG) besteht im Falle einer TL
neben dem Anspruch auf die Austrittsleistung[8]
auch ein solcher auf die freien Mittel der VE.[9]
Dieser Anspruch kann individueller oder kollektiver Natur sein. Der
individuelle Austritt innerhalb einer TL erfolgt durch mehrere Personen,
die jedoch im Anschluss nicht in die gleiche VE wechseln. Beim
kollektiven Austritt wechselt eine ganze Gruppe in eine andere VE. In letzterem Fall haben die Destinatäre zudem per
Gesetz das Recht, sich anteilsmässig an den Rückstellungen und
Schwankungsreserven zu beteiligen.[10]
Ab wann jedoch ein kollektiver Austritt vorliegt, ist gesetzlich nicht
festgehalten und muss weiter konkretisiert werden.
Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (BVG) sieht in Art. 53b Abs. 1 vor, dass
die jeweiligen VE in einem Reglement die Voraussetzungen und das Verfahren
einer TL regeln müssen.[11]
Das TL-Reglement ist von der jeweiligen kantonalen
Aufsichtsbehörde zu genehmigen.[12]
Die Voraussetzungen einer TL sind vermutungsweise erfüllt, wenn eine
der drei folgenden Tatbestände erfüllt ist:[13]
Grundsätzlich reicht eine der drei Voraussetzungen, um die TL
auszulösen. Im Rahmen der einzelnen Voraussetzungen
lässt das Bundesgericht aus Praktikabilitätsgründen jedoch
zusätzliche Kriterien zu, was im Folgenden noch gezeigt wird.[14]
Bei der Definition der Voraussetzungen und Folgen der TL im TL-Reglement
hat die VE einen relativ grossen Ermessensspielraum.[15]
Das Bundesgericht äusserte sich in der Vergangenheit mehrmals zur
Rechtmässigkeit und Gesetzeskonformität von TL-Reglementen und
konkretisierte die drei genannten Tatbestände.
2. Erhebliche
Verminderung der Belegschaft
Das Gesetz regelt nicht explizit, wann die Erheblichkeit gegeben ist.
Obwohl man immer den Einzelfall in Betracht ziehen muss, kann
grundsätzlich von einer erheblichen Verminderung ausgegangen werden,
wenn mindestens 10% des Personalbestandes das Unternehmen verlassen.[16]
Dieser Prozentsatz ist nicht als fixe Grösse zu verstehen und kann
nicht generell auf alle VE angewendet werden.[17]
Eine TL kann deshalb auch unter oder oberhalb dieser Schwelle vorliegen,
vor allem bei sehr grossen oder besonders kleinen Unternehmen.[18]
Hingegen wurde eine generelle reglementarisch festgelegte Grösse
von 15% vom Bundesgericht als zu hoch erachtet.[19]
Praxisgemäss ist in den TL-Reglementen entweder von absoluten (z.B. 25
Personen) oder relativen (z.B. 10% der Belegschaft) Zahlen die Rede, wobei
auch eine Kombination möglich ist (z.B. 20% der Belegschaft,
mindestens jedoch 100 Personen bei einer Anschlussvereinbarung bis zu 1000
Personen).[20]
Freiwillige Austritte und solche, die im gegenseitigen Einvernehmen
erfolgen, sind für die TL grundsätzlich unbeachtlich.[21]
Die Regeln über die TL bei VE greifen nur, wenn die Personalreduktion
vom Arbeitgeber ausgeht. Anders sieht es aus, wenn ein
«schleichender» Personalabbau erfolgt. Sind bspw. zwei zeitlich
nahestehende Entlassungswellen auf dasselbe wirtschaftliche Ereignis[22]
zurückzuführen, sind sämtliche Destinatäre in die
TL einzubeziehen.[23]
Gewöhnlich wird hier auf einen Zeitraum von bis zu fünf
Jahren abgestellt.[24]
3. Restrukturierung
Bei einer Restrukturierung müssen zwei Bedingungen erfüllt sein.[25]
Erstens muss das betroffene Unternehmen neu- oder umgestaltet werden.
Darunter fallen etwa die Schliessung eines Betriebsteils, die
Zusammenlegung von Abteilungen, der Verkauf einer Tochterfirma[26]
aber auch das Outsourcing von internen Dienstleistungen.[27]
Die Restrukturierung muss zudem eine gewisse Schwere aufweisen; eine blosse
Änderung der Führungsstruktur oder eine Sitzverlegung allein
erfüllen den Tatbestand nicht.[28]
Zweitens muss die Umgestaltung mit einer Änderung des Personalbestands
einhergehen, welche nicht nur in einer Verminderung, sondern auch in einer
Erhöhung bestehen kann.[29]
Besonders deutlich wird dies bei einer Fusion, wo zwar eine
Änderung im Personalbestand stattfindet, nach der Restrukturierung
jedoch mehr Personen für das jeweilige Unternehmen tätig sein
können.[30]
Die Erheblichkeit gemäss
Art. 53b Abs. 1 lit. a BVG
ist also bei der Restrukturierung nicht Voraussetzung und es kann bereits
eine Veränderung des Personalbestands von 1-5% ausreichen.[31]
Diese Zahlen sind nicht als absolut fixe Zahlen zu verstehen. Vielmehr ist
der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten, gerade wenn
die Restrukturierung nur sehr wenig Vorsorgekapital betrifft oder der
Deckungsgrad der VE praktisch unverändert bleibt.[32]
4. Auflösung eines Anschlussvertrages
Der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmer
beschäftigt, muss entweder eine VE errichten oder - was in der Praxis
meistens der Fall ist - einer solchen mittels Anschlussvertrag beitreten.[33]
Für den Anschlussvertrag wird oft eine Mindestdauer vereinbart mit
einer anschliessenden Kündigungsfrist von sechs Monaten.
Die Auflösung eines Anschlussvertrages und der Wiederanschluss an eine
neue VE durch den Arbeitgeber erfolgt immer im Einverständnis
mit dem Personal.[34]
Blosses Informieren reicht nicht, das Personal muss explizit sein
Einverständnis erklären.[35]
Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet schliesslich ein gemeinsam
ernannter Schiedsrichter.[36]
Bei Uneinigkeit wird dieser von der kantonalen Aufsichtsbehörde
bezeichnet.
Wie bei den ersten zwei Voraussetzungen wird auch bei der Auflösung
eines Anschlussvertrages häufig auf ein zusätzliches Kriterium
wie bspw. das Betroffensein einer Mindestanzahl von Destinatären
abgestellt.[37]
Wären solche Zusatzkriterien nicht erlaubt, würde sich die VE in
einem Zustand permanenter TL befinden, was gerade bei
Anschlussverträgen mit einer sehr kleinen Zahl von
Destinatären einen unverhältnismässigen Aufwand zur
Folge hätte.[38]
Deshalb sehen die TL-Reglemente meist vor, dass mindestens 7-10% des
Gesamtbestandes der Destinatäre und/oder 7-10% der Deckungskapitalien
betroffen sein müssen.[39]
Das Bundesgericht teilt grundsätzlich diese Meinung aus Gründen
der Verhältnismässigkeit.[40]
Eine Reglementsbestimmung, die besagte, dass die TL nicht schon bei
Auflösung eines einzelnen Anschlussvertrages durchzuführen ist,
sondern erst, wenn die Anschlussverträge von mindestens 10% der
angeschlossenen Betriebe aufgelöst werden, erachtete es aufgrund der
Verletzung des Gleichheitsgebotes als ungültig.[41]
Konsequent durchgedacht würde nämlich die Auflösung eines
Anschlussvertrages eines Unternehmens mit einer Vielzahl von Angestellten
(aber weniger als 10% der Destinatäre) keine TL nach sich ziehen, die
Auflösung von Anschlussverträgen von Kleinstunternehmen mit
viel weniger Arbeitnehmenden jedoch schon.
In einem weiteren Fall sah ein TL-Reglement vor, dass die Voraussetzung
für eine TL bei Auflösung eines Anschlussvertrages erfüllt
ist, sofern mindestens 2% der Versicherten aus der VE ausscheiden.[42]
Das Bundesgericht erachtete diese Bestimmung als rechtmässig,
präzisierte jedoch, dass auch Vertragsauflösungen unterhalb der
2%-Marke zu berücksichtigen seien. Demnach sind auch
Kleinstanschlüsse zu beachten, wenn die Anschlussverträge
wegen des gleichen wirtschaftlichen Ereignisses, das zur TL
führte, aufgelöst würden.[43]
III. Bemessung des Anspruchs
Sind die Voraussetzungen einer TL gegeben, ist als Nächstes der Umfang
des Anspruchs der Destinatäre zu berechnen. Die TL muss unter
Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und nach fachlich
anerkannten Grundsätzen durchgeführt werden.[44]
Welcher Anspruch der jeweilige Destinatär im Rahmen einer TL hat,
bemisst sich nebst der Voraussetzung, ob überhaupt eine TL vorliegt,
danach, ob ein individueller bzw. kollektiver Austritt erfolgt und ob die
jeweilige VE über- oder unterkapitalisiert ist. Der Einfachheit
halber wird im Folgenden davon ausgegangen, dass es sich um einen
kollektiven Austritt handelt, bei dem nebst der Austrittsleistung und den
freien Mitteln auch Rückstellungen und Wertschwankungsreserven
berücksichtigt werden müssen.[45]
Bei einer Unterdeckung ist zudem der Fehlbetrag näher zu betrachten.
1. Freie Mittel
Der Begriff der freien Mittel ist im Gesetz nicht definiert. Vereinfacht
gesagt fällt darunter dasjenige Vermögen, welches nicht zur
Deckung der gesetzlichen und reglementarischen Verpflichtungen gehört.[46]
Gemäss Swiss GAAP FER 26[47]
können freie Mittel erst entstehen, wenn die notwendigen
Rückstellungen und Wertschwankungsreserven gebildet sind.[48]
In der Praxis entstehen die freien Mittel etwa durch Mutationsgewinne, d.h.
frei werdende Deckungskapitalien beim Austritt eines
Destinatärs.[49]
Zudem spielen freiwillige Zuwendungen des Arbeitgebers und vor allem
Kapitalerträge eine wichtige Rolle.[50]
2. Rückstellungen
Zusätzlich zu den individuellen Deckungskapitalien werden technische
Rückstellungen als Sicherheitsmassnahme für
Leistungsversprechen gebildet, die durch die Beiträge der
Destinatäre nicht genügend gedeckt sind oder Risikoschwankungen
unterliegen.[51]
Deren grundsätzliche Bemessung muss im TL-Reglement bezeichnet werden,
die genaue Bemessung erfolgt in einem separaten
Rückstellungsreglement.[52]
Das Bundesgericht hat jedoch jüngst entschieden, dass wenn sich im
Rahmen einer TL die Risikofähigkeit einer VE schlagartig und
grundlegend ändert, neue Rückstellungen auch ohne
reglementarische Grundlage gebildet werden können.[53]
Die anteilsmässige Übertragung erfolgt wie bereits erwähnt
nur im Falle eines kollektiven Austritts und zwar auch dann, wenn die neue
VE keine gleichartige Bildung von Rückstellungen vorsieht.[54]
Entscheidend ist also immer der Umstand bei der abgebenden VE.[55]
Die Schweizerische Kammer für Pensionskassen-Experten empfiehlt die
Bildung von Rückstellungen für folgende Fälle[56]:
3. Wertschwankungsreserven
Diese Reserven dienen der Absicherung von Wertschwankungsrisiken von
Vermögensanlagen.[57]
Gleich wie Rückstellungen werden auch sie nur bei einem kollektiven
Austritt anteilsmässig ausbezahlt, unabhängig davon, ob die
neue VE eine gleichartige Bildung von Rückstellungen vorsieht.[58]
4. Fehlbeträge bei Unterdeckung
Die Überwälzung eines Fehlbetrages kommt nur bei einer
Unterdeckung infrage. Eine solche liegt vor, wenn am Bilanzstichtag
notwendiges Vorsorgekapital nicht durch das verfügbare
Vorsorgevermögen gedeckt ist.[59]
In diesem Fall muss ein Fehlbetrag aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes
abgezogen werden, weil sonst die verbleibenden Destinatäre
benachteiligt würden.[60]
Um zu verhindern, dass Rückstellungen und
Wertschwankungsreserven nur gebildet werden, um die freien Mittel zu
schmälern, ist bei TL-Reglementen deshalb zu beachten, wie diese
Fehlbeträge berechnet werden.[61]
Der anteilmässige Abzug von Fehlbeträgen ist jedoch nur
zulässig, sofern das obligatorische Altersguthaben
(BVG-Minimalleistung) nicht geschmälert wird, d.h. jene Beiträge,
die der Destinatär einbezahlt hat.[62]
Auch im Rahmen einer TL darf dieses Guthaben demnach nicht angetastet
werden und der ausscheidende Destinatär hat Anspruch auf die volle,
ungekürzte Austrittsleistung.[63]
IV. Rechtsweg
Grundsätzlich wird eine TL von der VE autonom durchgeführt. Die
Destinatäre werden über die TL informiert und sie erhalten
Einsicht in den Verteilungsplan.[64]
Wie vorgängig gezeigt, gibt es vor allem bei den Voraussetzungen der
TL einer VE erheblichen Spielraum. In der Praxis ist deshalb primär
der Fall interessant, in dem eine TL aufgrund der gegebenen
Voraussetzungen durchzuführen wäre, die VE jedoch darauf
verzichtet. Aus Sicht eines ausscheidenden Destinatärs ist dies dann
nachteilig, wenn er keine Anteile an den freien Mittel und allenfalls
(Wertschwankungs-)reserven erhält.[65]
Falls die VE nicht von sich aus tätig wird, können nebst den
Destinatären[66]
und Rentnern auch die übernehmende VE oder der neue Arbeitgeber, der
sich für die ausscheidenden Destinatäre einsetzt, dies verlangen.[67]
Wenn die VE auch nach dieser Aufforderung untätig bleibt, kann dies
bei der kantonalen Aufsichtsbehörde angezeigt werden.[68]
Diese kann auch von Amtes wegen tätig werden, wenn sie bei der
Prüfung der Bilanz und Betriebsrechnung der VE bemerken sollte, dass
die Voraussetzungen einer TL vorliegen würden.[69]
Gemäss Art. 53d Abs. 6 BVG
besteht das Recht, die Voraussetzungen, das Verfahren und den
Verteilungsplan bei der zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörde
«überprüfen und entscheiden zu lassen». Obwohl diese
Formulierung eine generelle Überprüfung ohne spezifische
Gründe zulassen würde, empfiehlt es sich, möglichst genau zu
zeigen, inwiefern Recht verletzt wurde.[70]
Das konkrete Verfahren richtet sich in erster Linie nach dem jeweiligen
TL-Reglement. Diese sehen üblicherweise ein internes Verfahren vor,
bei der innerhalb von 30 Tagen seit Bekanntgabe Einsprache beim obersten
Leitungsorgan (z.B. dem Stiftungsrat) erhoben werden muss.[71]
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind VE berechtigt, solche
internen Fristen festzulegen.[72]
Der Einspracheentscheid kann an die kantonale Aufsichtsbehörde und im
Anschluss ans Bundesverwaltungs-[73]
und schliesslich ans Bundesgericht[74]
weitergezogen werden. Je nach TL-Reglement führt der Rechtsweg also
über vier Instanzen. Die TL darf erst vollzogen werden, wenn ein
rechtskräftiger Entscheid vorliegt.
V. Fazit
Die vorstehende Übersicht zeigt, dass bei einer M&A Transaktion
und bei Restrukturierungen in Bezug auf die VE genau zu prüfen ist, ob
die gesetzlichen Voraussetzungen einer TL vorliegen und wenn ja, wie sich
die Ansprüche der Destinatäre bemessen. Die folgenden Punkte
sollten dabei beachtet werden:
Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen finden sich im FZG, dem BVG und der BVV 2. Danach liegt eine TL einer
VE vor, wenn eine der drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Die TL-Reglemente der VE konkretisieren die gesetzlichen Regelungen. Die
Praxis zeigt jedoch, dass TL von VE eher zögerlich durchgeführt
werden und dass die Aufsichtsbehörden nicht angerufen werden und sie
die TL-Reglemente zu wenig kritisch prüfen. Gerade von Seiten der
austretenden Destinatäre und des neuen Arbeitgebers sind deshalb die
Voraussetzungen und die daraus resultierenden Ansprüche genau zu
prüfen.
Die nachstehende Tabelle[75]
bietet einen Überblick der verschiedenen Ansprüche.
[2]
BGE 143 V 200
E. 4.2.3; BGE 128 II 397
E. 3.2; Sabina Wilson, Die Erstellung des
Teilliquidationsreglements einer Vorsorgeeinrichtung und weitere
Einzelfragen zur Durchführung einer Teilliquidation, Diss.
Basel 2016, Rz. 5.
[3]
Das Ganze gilt auch bei einer Unterdeckung, wo Fehlbeträge zu
einem gewissen Grad abgezogen werden können (Art. 19 Abs. 2
Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 17. Dezember
1993 [Freizügigkeitsgesetz, FZG; SR 831.42]; Art. 53d Abs. 3
Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 [BVG; SR 831.40]; Art. 44 Verordnung
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge vom 18. April 1984 [BVV 2; SR 831.441.1]).
[4]
Monika Stocker, Die Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen:
Unter besonderer Berücksichtigung der
Härtefallproblematik bei Teilliquidationen in Unterdeckung,
Diss. Fribourg 2012, S. 71.
[5]
Stocker (Fn. 4), S. 70 f.
[7]
Stocker (Fn. 4), S. 71 f.
[8]
Art. 17 FZG. Der Mindestbetrag setzt sich zusammen aus den eingebrachten
Eintrittsleistungen samt Zinsen sowie auf den von der versicherten
Person während der Beitragsdauer geleisteten Beiträge
samt einem Zuschlag von 4 Prozent pro Altersjahr ab dem 20.
Altersjahr, höchstens aber von 100 Prozent.
[10]
Art. 27h Abs. 1 BVV 2; Die jeweilige VE kann jedoch auf freiwilliger Basis bei einem
individuellen Austritt im Rahmen einer TL die ausscheidenden
Destinatäre an den Rückstellungen und
Wertschwankungsreserven Anteil haben lassen (Wilson [Fn. 2], Rz.
207 f.).
[11]
Zum Ganzen vgl. Wilson (Fn. 2), Rz. 73 ff.
[15]
Kritisch demgegenüber Laurence Uttinger, Zukünftige
Lösungen für Teilliquidationen: Schnellere Verfahren,
Schweizer Personalvorsorge 8/2019, S. 60 f.; vgl. auch Wilson (Fn.
2), Rz. 73 ff.; Benno Ambrosini / Andrea Trüssel,
Teilliquidation - Teil 1: Welche Schwellenwerte sind zulässig
und gerecht?, Schweizer Personalvorsorge 2/2018, S. 88.
[16]
Urteil des Bundesgerichts 2A.48/2003 vom 26. Juni
2003 E. 3.1; Wilson (Fn. 2), Rz. 114; Stocker (Fn. 4), S. 95;
kritisch dazu Ambrosini/Trüssel, Teilliquidation - Teil 1 (Fn.
15), S. 88.
[18]
Stocker (Fn. 4), S. 96.
[21]
Isabelle Vetter-Schreiber, in: Vetter-Schreiber (Hrsg.), BVG/FZG
Kommentar, Orell Füssli Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2013,
Art. 53-53b, N 11 ff.
[22]
Wilson (Fn. 2), Rz. 125 ff.; Lucrezia Glanzmann-Tarnutzer,
Bekanntes und Neues zur Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen,
AJP 2019, S. 598.
[25]
Zum Ganzen vgl. Benno Ambrosini / Andrea Trüssel,
Teilliquidation - Teil 2: Wann sollten Teilliquidationen
durchgeführt werden?, Schweizer Personalvorsorge 4/2018, S.
101.
[26]
Ueli Kieser, in: Schneider/Geiser/Gächter (Hrsg.), BVG und
FZG, Stämpflis Handkommentar, Bern 2010, Art. 53b N
18.
[28]
Wilson (Fn. 2), Rz. 133.
[29]
Botschaft vom 1. März 2000 zur Revision des Bundesgesetzes
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (BVG) (BBl 2000 2637), S. 2696; vgl. auch Wilson
(Fn. 2), Rz. 134 ff.
[30]
Ambrosini/Trüssel, Teilliquidation - Teil 2 (Fn. 25), S. 101.
[31]
BGE 136 V 322
E. 10.4; Zum Ganzen vgl. Stocker (Fn. 4), S. 100 ff.; Wilson (Fn.
2), Rz. 138 ff.
[32]
Stocker (Fn. 4), S. 102.
[34]
Art. 11 Abs. 3bis BVG; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtsn 9C_409/2019 vom 5. Mai
2020; zur fehlenden Mitwirkung des Personals vgl. Oliver M. Peter,
«Abwicklungsstörungen» bei Wechsel des
Berufsvorsorgeträgers, Schweizerische Zeitschrift für
Sozialversicherung und berufliche Vorsorge 2018, S. 89.
[37]
Yolanda Müller, Teilliquidation und Teilliquidationsreglement:
Auflösung eines Anschlussvertrags, Schweizer Personalvorsorge
8/2017, S. 92 f.
[38]
BGE 143 V 200
E. 4.2.2; Wilson (Fn. 2), Rz. 151 ff.; Glanzmann-Tarnutzer (Fn.
22), S. 598.
[39]
Stocker (Fn. 4), S. 111.
[40]
Wilson (Fn. 2), Rz. 155.
[41]
BGE 143 V 200
E. 4.3; Ambrosini/Trüssel, Teilliquidation - Teil 1 (Fn. 15),
S. 87 f.
[45]
Vgl. zudem das Praxisbeispiel bei Benno Ambrosini / Jürg
Walter, Teilliquidationen: Fragestellungen aus der Praxis,
Schweizer Personalvorsorge 8/2019, S. 39 ff.
[46]
Stocker (Fn. 4), S. 126; Wilson (Fn. 2), Rz. 183 ff.
[47]
Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Generally Accepted Accounting
Principles) der Stiftung für Fachempfehlungen zur
Rechnungslegung (FER). Standard 26 umfasst die Rechnungslegung von
Vorsorgeeinrichtungen (SWISS GAAP FER 26).
[49]
Wilson (Fn. 2), Rz. 184.
[50]
Stocker (Fn. 4), S. 128.
[52]
Art. 65b BVG
i.V.m. Art. 48e BVV 2;
zum Ganzen vgl. Erich Peter, Die Verteilung von Rückstellungen
bei Teilliquidationen - das korrekte Vorgehen, Schweizerische
Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge
(SZS) 2014, S. 83 ff.
[55]
Vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 9C_615/2017 vom 16.
März 2018 E. 1.2.3.
[56]
Fachrichtlinie FRP 2 der
Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten;
Glanzmann-Tarnutzer (Fn. 22), S. 602.
[60]
Wilson (Fn. 2), Rz. 227.
[65]
Zum Ganzen vgl. Wilson (Fn. 2), Rz. 415 ff.
[69]
Wilson (Fn. 2), Rz. 416 f.
[70]
Wilson (Fn. 2), Rz. 479 ff.
[71]
Wilson (Fn. 2), Rz. 377 ff.; vgl. auch die Muster-Reglemente bei
Wilson (Fn. 2), S. 169 ff., und Stocker (Fn. 4), S. 193 ff.
[72]
Urteil des Bundesgerichts 9C_15/2019 vom 21. Mai
2019 E. 3.1.1 f.
[75]
Angelehnt an Stocker (Fn. 4), S. 163.