«In der Schweiz deckt Erdgas 14% der Endenergienachfrage […].
Entsprechend ist die mögliche Entwicklung der Erdgasmärkte und
der Versorgungssituation der vollständig von Importen abhängigen
Schweiz ein wichtiger Aspekt für die Schweizer Energiestrategie. Vor
dem Hintergrund der Restrukturierung europäischer Märkte [...]
sowie dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist die
Versorgungssicherheit von zentraler Bedeutung.»[1]
«Da die Schweiz jedoch nicht Mitglied der EU ist und weder über
eigene Produktions- und Speichermöglichkeiten verfügt, sollte sie
eine enge Koordination mit der EU sicherstellen.»[2]
Wie bei einem beispielhaften Musterfall eines europarechtlichen Lehrbuchs
will der folgende Beitrag anhand konkreter einzelner Fragen, die dieser
Fall aufwirft[3], einen Einblick in die sich ständig fortentwickelnde neue Architektur
des europäischen Energierechts im Gasbinnenmarkt nebst ihrem
europapolitischen Hintergrund geben. Dazu will er selektiv entlang der
konkreten Rechtsfragen dieses Falls veranschaulichen, welch detaillierte
und komplexe Verschachtelung europarechtlicher Zuständigkeiten der EU
mit den einzelstaatlichen Zuständigkeiten eines EU-Mitgliedsstaates,
hier der Bundesrepublik Deutschland, den EU-Gasbinnenmarkt reguliert. Dabei
konzentriert sich der Beitrag rechtlich auf das gesetzliche Regime der
Ausnahmen von den gesetzlich geforderten Wettbewerbsbedingungen für
den EU-Gasbinnenmarkt, das die hier einschlägige EU-Gasrichtlinie 2009/73/EG in
ihren Art. 36 und Art. 41 Abs. 1 lit. a und ihre
deutsche Umsetzung in §§ 28a und 28b EnWG
(Energiewirtschaftsgesetz) etablieren. Dazu gehört auch eine
ausführliche Darstellung der Novellierungsgeschichte dieser Normen.
Schliesslich soll verdeutlicht werden, welche rechtlichen und politischen
und schliesslich auch wirtschaftlichen Risiken jeden Investor in
Infrastrukturprojekte mit mehrjähriger Bauzeit auf dem EU-Binnenmarkt
erwarten, wenn er während der Novellierung von entscheidenden
einschlägigen gesetzlichen Regelungen durch normsetzende
EU-Behörden und gegen sich ausdehnenden politischen Widerstand in der
EU und in EU-Mitgliedstaaten versucht, sein Grossprojekt unverändert
durchzusetzen. Diese Risiken betreffen jeden, der sich auf dem
EU-Binnenmarkt engagiert, auch den nach Schweizer Gesellschaftsrecht
gegründeten Investor.
II. Das Projekt Nord Stream 2
An der im Handelsregister des Kantons Zug eingetragenen Projektgesellschaft
der Nord Stream 2 AG beteiligten sich gemäss Vertrag vom 4. September
2015 die russische PJSC Gazprom, eine hundertprozentige Tochter der PAO
Gazprom, mit zunächst 51% der Anteile, und die westlichen
Minderheitspartner BASF/Wintershall und E.ON, OMV und Shell mit jeweils 10%
der Anteile sowie die französische Engie (früher GDF Suez) mit
9%. Parallel zu Nord Stream 1 sollte Nord Stream 2 mit zwei weiteren
Strängen weitere 55 Mrd. Kubikmeter Gas jährlich vom russischen
Ostseehafen Wyborg zum deutschen Hafen Lubmin bei Greifswald liefern.
Von Beginn an war Nord Stream 2 in der EU noch umstrittener als Nord Stream
1. Wie zuvor wurde auch jetzt wieder auf die geopolitischen Interessen des
russischen Präsidenten Putin hingewiesen, den Gasexport in die
Bundesrepublik Deutschland als grösstem Importeur von russischem Gas
in Europa am Territorium der Ukraine vorbeizuführen, nach dem Ablauf
des Gasexportvertrages mit der ukrainischen Naftogaz zum 31. Dezember 2019
diesen durch diese Umgehung dann ganz zu ersetzen und somit der Ukraine ein
wichtiges Instrument zu nehmen, sich wirtschaftlichen und politischen
Pressionen Russlands zu widersetzen.
Das renommierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW),
Berlin, kam zu dem Ergebnis, Nord Stream 2 sei für die deutsche und
europäische Gasversorgung nicht nötig, umweltpolitisch
schädlich und zudem wirtschaftlich unrentabel.[4]
Selbst die russische Staatsbank Sberbank monierte - im «System
Putin» durchaus mutig[5] -, dass Gazprom mit dem Bau von Nord Stream 2 keinen Gewinn erzielen
könne, sondern nur geopolitischen Interessen und der Versorgung einer
kleinen, geschlossenen Gruppe von russischen Zulieferern diene.[6]
Soweit zum politischen und wirtschaftlichen Hintergrund des Projekts.
III. Jüngere EU-Energiepolitik
1. Energierechtliche Kompetenzverlagerung vom Mitgliedsstaat zur EU
Seit dem Jahr 2009 haben mehrere Faktoren die Gaswirtschaftsbeziehungen
zwischen EU und Deutschland einerseits und Russland andererseits
fundamental und zunehmend voranschreitend beeinflusst: Die EU-Reformen zur
Privatisierung ehemals öffentlich-rechtlicher Unternehmen der
öffentlichen Daseinsvorsorge und zur Liberalisierung dieser
Märkte führten zu immer häufigeren und intensiveren
politischen Eingriffen durch die EU und die Mitgliedsstaaten in den
europäischen Gasmarkt, mit der Folge einer wachsenden politischen
Determinierung des EU-Gas- und Energiemarktes. Die europäische und
deutsche «Energiewende» mit ihren neuen EU-Klima- und
Energiepolitiken und entsprechenden Gesetzesinitiativen machte die
Umsetzung und Ausgestaltung der langfristigen Gasversorgungsverträge
politisch und rechtlich unsicherer und unvorhersehbarer. Seit dem Vertrag
von Lissabon 2007 hat sich die zwischen dem einzelnen nationalen
Mitgliedsstaat und supranationalen EU-Organen aufgeteilte
Kompetenzverteilung legislativer und exekutiver Zuständigkeiten
zunehmend zugunsten der EU verschoben.
Die Gaslieferungskrisen zwischen Russland und der Ukraine in den Jahren
2006 und 2009 und die Transitunterbrechung durch die Ukraine im Jahre 2009
untergruben das politische und wirtschaftliche Vertrauen der EU und vieler
ihrer Mitgliedstaaten in die Verlässlichkeit und Sicherheit russischer
Gaslieferungen, das die völkerrechtswidrige russische Annexion der
Krim im Februar 2014 dann nur noch endgültig zerstören konnte.
2. Einzelstaatliche Hürden in
Genehmigungsprozessen bei der Verlegung der Nord Stream 2-
Fernrohrleitung
Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten drängten die EU,
die russische Politik der Krim-Annexion mit Wirtschaftssanktionen zu
beantworten. Auch die im Mai 2014[7]
verabschiedete Energiesicherheitsstrategie der EU-Kommission und die im
Jahre 2015 beschlossene Rahmenstrategie einer EU-Energieunion[8]
sind Ausfluss einer veränderten Haltung der EU gegenüber
Russland. Beide Dokumente heben als strategische Schlüsselziele der
EU-Energiepolitik die Versorgungs- und Liefersicherheit und die
Diversifizierung der Energieträger und -lieferanten hervor. Die
osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten nahmen die russische
Gaslieferungspolitik als ein Bestreben Russlands wahr, «Gas als
Waffe» («weaponization of gaz») einzusetzen, also als ein
wirtschaftliches Instrument, aussen- und sicherheitspolitische Interessen
Russlands durchzusetzen.[9]
Diese Einschätzung beeinflusste den Blick der EU auf russische
Gasfernleitungen nach Europa und zu einzelnen Mitgliedstaaten. Sie betonte
die geopolitische Dimension, nahezu jedes Gasfernlieferungsvertrags - eine
Dimension, die deutsche Kanzler und Minister regelmässig vorgaben,
öffentlich zu ignorieren, und Kanzlerin Merkel erstmals
anlässlich des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Poroschenko
am 10. April 2018 in Berlin offiziell aufgab.[10]
Anders als gegenüber Nord Stream 1 verschärfte sich der
Widerstand der EU und einzelner EU-Mitgliedstaaten gegenüber Nord
Stream 2 zu einem Ausmass, das Deutschlands Regierungen unter Kanzlerin
Merkel seit dem Jahr 2005 nicht erwartet hatten. In den Augen der
Opposition in der EU verletzte Nord Stream 2 die politischen, wenn auch
rechtlich letztlich nicht bindenden Prinzipien der Energieunion, auf die
sich die EU und alle Mitgliedstaaten zuvor geeinigt hatten, namentlich: die
Diversifizierung der Energieträger und vor allem der
Energielieferanten sowie die Versorgungssicherheit.
Im August 2016 äusserte die polnische Antimonopolkommission UOKIK
deutliche Bedenken, den durch polnische Hoheitsgewässer der Ostsee
verlaufenden Streckenabschnitt von Nord Stream 2 zu genehmigen, weil nach
ihrer Rechtsauffassung die fünf westeuropäischen Gesellschafter
von Nord Stream 2 durch das Projekt einen zu hohen und daher rechtswidrigen
Marktanteil auf dem polnischen Energieversorgungsmarkt erhielten.[11]
Diese Entscheidung zwang die fünf Beteiligungsgesellschaften, ihre
Anteile an der Projektgesellschaft auf die PJSC Gazprom als damit
alleinigen Gesellschafter zu übertragen, während sie sich
gleichzeitig verpflichteten, 50% der Projektkosten zu übernehmen und
damit die Eigentümerposition in eine schwächere
Gläubigerposition einzutauschen.[12]
Schweden, das sich seinerseits über seit dem Jahr 2014 stetig
wachsende militärische Aktivitäten Russlands in der Ostsee
beunruhigte, beantragte bei der EU-Kommission Ende Januar 2017, die
politischen und rechtlichen Implikation des Nord Stream 2-Projekts zu
überprüfen. Dänemark trat diesem Antrag bei und
verabschiedete ein Gesetz, das dänische Behörden
ermächtigte, aus sicherheits- und aussenpolitischen Gründen den
Bau von Nord Stream 2 durch dänische Hoheitsgewässer der Ostsee
zu untersagen.[13]
Erst am 30. Oktober 2019 genehmigte die dänische Behörde eine von
Nord Stream 2 angebotene Alternativroute um Bornholm herum.[14]
Mitglieder des Europaparlaments forderten im Oktober 2016 dringende
Interventionen der Kommission, das Nord Stream 2-Projekt zu unterbinden.[15]
Dieser politische Hintergrund beeinflusste wesentlich die einzelnen
Schritte der legislativen Initiativen der EU-Kommission wie ihre
zeitgleichen Rechtsdebatten über die Rechtmässigkeit des Baus von
Nord Stream 2.
IV. Die europarechtlichen Dimensionen des Nord Stream 2-Projekts
1. Die Dritte Gasdirektive
Im Energierecht macht die Europäische Union verschiedene Vorgaben. Sie
teilt sich in diesem Rechtsbereich gemäss Art. 4 Abs. 2 lit. i AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) die Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten. Nach Art. 194 Abs. 1 und 2 AEUV
erlässt die EU im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Normen, also
Richtlinien oder Verordnungen zur Regulierung und zur Funktionsweise des
EU-Energiemarkts, um a.) das Funktionieren des Energiemarkts
sicherzustellen, b.) die Energieversorgungssicherheit in der Union zu
gewährleisten, und d) die Interkonnektion der Energienetze zu
fördern.[16]
Daneben erlaubt Art. 216 AEUV der
Union, «mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder
mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft (zu)
schliessen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist oder wenn der
Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder
zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten
Ziele erforderlich oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union
vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder
deren Anwendungsbereich ändern könnte».[17]
Die durch das Dritte Energiepaket von 2009 grundsätzlich
veränderte Architektur des europäischen Energierechts beruht vor
allem auf der verfassungsrechtlichen Grundlage dieser beiden Art. 194 und Art. 216 AEUV.
Dieses Dritte Energiepaket der EU war das letzte grosse energierechtliche
Gesetzgebungspaket der EU, um den europäischen Strom- und
Gasmarkt in einen freien, wettbewerbsorientierten und integrierten
Markt umzuwandeln, und um die Privelegien nationaler, ehemals staatlicher
und vertikal organisierter Energieversorger aufzulösen, die
Eigentümer und Betreiber der Energiegewinnung und gleichzeitig der
Transportinfrastruktur waren. Dieses Dritte Energiepaket bestand aus
drei Verordnungen und zwei Richtlinien, nämlich der Verordnung zur
Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der
Energieregulierungsbehörden (EG 713/2009)[18], der Verordnung über Netzzugangsbedingungen für den
grenzüberschreitenden Stromhandel (EG 714/2009)[19], der Verordnung über Bedingungen für den Zugang zu den
Erdgasfernleitungsnetzen, auch Erdgaszugangsverordnung (EG 715/2009)[20], der Richtlinie über den Elektrizitätsbinnenmarkt (EG 2009/72)[21]
und der Richtlinie über den Erdgasbinnenmarkt (EG 2009/73)[22]. Besonders wichtig für die Regulierung des Gasmarkts in der EU sind
diese sogenannte Gasrichtlinie und die Verordnung über die Bedingungen
für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen.[23]
Die Gasrichtlinie fordert von Infrastrukturprojekten auf dem
EU-Gasbinnenmarkt, drei wesentliche Voraussetzungen einzuhalten: (1)
vertikal integrierte Erdgasunternehmen zu entflechten, also gemäss
ihren Art. 9 ff.
Unternehmenseinheiten, die Eigentümer des Fernleitungsnetzes sind, von
denen zu trennen, die Funktionen der Versorgung und Gewinnung wahrnehmen,
(2) auch Drittparteien nach Art. 32 Zugang zum
Rohrleitungsnetz zu gewähren, und (3) nach Art. 41 eine transparente
Berechnung der Tarife des Gaspreises für den Käufer und der
Nutzungsgebühr für den Drittnutzer des Rohrleitungsnetzes
offenzulegen.
Bis heute geht es im Zusammenhang mit dem Nord Stream 2-Projekt um die
Anwendung und die Auslegung dieser Gasrichtlinie, insbesondere um die
Einhaltung und die Ausnahme von diesen Wettbewerbsbedingungen und um die
Fristen bis wann ein Antrag auf Ausnahme davon gestellt werden muss.
2. Die Rechtsprobleme bei Nord Stream 1
Schon der Bau der Nord Stream 1 rief deutliche rechtliche Kritik in der
EU-Kommission und in einzelnen Mitgliedstaaten hervor. Die Kritik bezog
sich auf die deutsche territoriale Anschlussfernleitung OPAL
(Ostsee-Pipelinie-Anbindungsleitung) zu Nord Stream 1 vom
Ostsee-Ankunftshafen Lubmin bei Greifswald nach Brantov/Olbernhau in der
Tschechischen Republik. An der OPAL ist zu 80% heute noch die W & G
Transport Holding GmbH, ein mittelbares Tochterunternehmen der deutschen
Wintershall Holding GmbH und der russischen PAO Gazprom, beteiligt. Wegen
des hohen Marktanteils von Gazprom am EU-Gasversorgungsmarkt und dessen
Infrastruktur sahen die Kritiker die Diversifizierung der EU-Gasversorgung
und den Zugang von Drittparteien zur Fernleitung verletzt, beides
Bedingungen der neuen Gasrichtlinie für den Wettbewerb auf dem
EU-Gasbinnenmarkt und damit für die Genehmigung einer Gasfernleitung
in der EU.[24]
Die Bundesnetzagentur als zuständige deutsche Regulierungsbehörde
erteilte am 25. Februar 2009 eine Ausnahmegenehmigung nach § 28a EnWG -
deutsches Energiewirtschaftsgesetz -, die OPAL von den Bedingungen der EU-Gasrichtlinie 2009/73/EG
freistellte,[25]
und die der W & G Transport Holding GmbH eine 50%-ige Beteiligung
einräumte. Die Bundesnetzagentur modifizierte auf Antrag der W & G
später noch einmal die Genehmigung, indem sie in einem
Vergleichsvertrag vom 25./26./28. November 2016 mit der W & G als
mittelbarer Tochtergesellschaft der PAO Gazprom das Recht einräumte,
in einer Auktion noch einmal weitere 30% der Lieferkapazitäten des
anderen 50% igen Anteils zu erwerben.
Die EU-Kommission bestätigte die beiden Genehmigungen der
Bundesnetzagentur zur Befreiung von den Bedingungen der EU-Gasrichtlinie.[26]
Gegen diese Genehmigungsbestätigung der EU-Kommission erhob Polen im
Jahr 2016 Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) dessen
Urteil vom 10. September 2019 diesen Vergleichsvertrag für nichtig
erklärte.[27]
Daraufhin ordnete die Bundesnetzagentur gegenüber OPAL die sofortige
Umsetzung dieser Massnahme an.[28]
Die Bundesrepublik Deutschland erhob am 20. November 2019 Beschwerde beim
EuGH gegen dieses EuG-Urteil[29], die aber keine aufschiebende Wirkung hat. Die Kapazität von OPAL und
damit von Nord Stream 1 ist daher bis heute nur zu 50% ausgelastet.
3. Versuche, die Gasbinnenmarktregeln auf Nord Stream 2 anzuwenden
a) Ein Verhandlungsmandat für die EU-Kommission?
Wegen der anwachsenden Opposition gegen das Nord-Stream 2-Projekt unternahm
die EU-Kommission verschiedene Ansätze, den Geltungsbereich der in der
Gasrichtlinie geforderten Wettbewerbsvoraussetzungen, denen eine
Fernleitungsinfrastruktur zu genügen hatte, auch auf Nord Stream 2 in
der Ostsee ausserhalb des unmittelbaren Landgebietes der Bundesrepublik
Deutschland und damit der EU auszudehnen.
So unterbreitete die EU-Kommission dem EU-Rat[30]
zunächst einen Novellierungsentwurf, der sie auf der
verfassungsrechtlichen Grundlage des zuvor zitierten Art. 216 AEUV ermächtigte,
ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Russland über das Nord Stream
2-Projekt zu verhandeln und damit die eigentlich der Bundesrepublik
Deutschland zustehende nationale energiepolitische Kompetenzen zu
übernehmen.[31]
Da für die Off-Shore-Rohrleitung ausserhalb des Territoriums der EU
und Russlands keiner von beiden über eine Rechtsetzungsgewalt
verfüge, behauptete die EU-Kommission eine
«Gesetzeslücke»,[32]
die es erfordere, ein spezifisches, nur für den Bau und Betrieb von
Nord Stream 2 geltendes Rechtsregime mit Russland durch die EU zu
verhandeln.[33]
Die Rechtsabteilung des Rats der EU verwarf diesen Kommissionsvorschlag in
ihrer «Legal Opinion» vom 27. September 2017.[34]
Es bestehe keine Gesetzeslücke, denn der Fernleitungsabschnitt in der
Ostsee folge rechtlich den Völkerrechtsregeln des
Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 23. Juni 1998.[35]
Es stehe dem EU-Rat selbstverständlich in seinem politischen
Ermessensspielraum frei, die EU-Kommission mit einem solchen
Verhandlungsmandat zu betrauen, gesetzlich notwendig sei das aber nicht.[36]
Wegen der geteilten Zuständigkeit in diesem Politikbereich konnte der
EU-Rat diese Entscheidung für eine Mandatierung nur mit einer
qualifizierten Mehrheit der Staatsvertreter treffen, die aber wegen der
Ablehnung der Mandatierung durch EU-Schlüsselstaaten, wie Deutschland
und Frankreich, nicht zustande kam.
b) Novellierung der Gasrichtlinie 2009/73/EG
Nach diesem gescheiterten Versuch der EU-Kommission strebte diese nun mit
einem Vorschlag vom 8. November 2017 an, diese Gasrichtlinie selbst so zu
novellieren, dass die Entflechtung von Transport und Energiegewinnung, der
Zugang von Dritten zur Transportinfrastruktur und eine transparente Preis-
und Vertragsgestaltung als Bedingungen für einen geregelten Wettbewerb
auf dem Gasbinnenmarkt der EU auch für Fernrohrleitungen aus
Drittstaaten an die Grenze der Rechtsetzungsgewalt der EU gelten,[37]
also bis zur Landesgrenze oder der Grenze der ausschliesslichen
Wirtschaftszone auf See eines EU-Mitgliedstaates.[38]
Dieser erste Novellierungsvorschlag dehnte für
Unterwasserrohrleitungen die für den Gasbinnenmarkt geltenden Regeln
jetzt auch auf die durch die VN-Seerechtskonvention (SRÜ)
definierten Seezonen der Küsten-, Anschluss- und der ausschliesslichen
Wirtschaftszone (AWZ) aus. Jetzt war nämlich in der vorgeschlagenen
Änderung eine «Verbindungsleitung» nach ihrer
Legaldefinition in Art. 2 Abs. 17 der Gasrichtlinie
«eine Fernleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten
oder zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern bis zur Grenze des
Gebiets der Union quert oder überspannt».[39]
In der alten Fassung war sie bloss definiert als «eine Fernleitung,
die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten quert oder überspannt
und einzig dem Zweck dient, die nationalen Fernleitungsnetze dieser
Mitgliedstaaten zu verbinden.»[40]
Ein weiteres Rechtsgutachten des Rechtsdienstes des Europäischen Rates
verwarf jedoch jetzt das Recht der EU, den territorialen Geltungsbereich
ihrer Gesetzgebungskompetenz auch auf die ausschliessliche wirtschaftliche
Zone (AWZ) in den Gewässern eines EU-Küstenstaates auszudehnen,
weil diese territoriale Ausdehnung den
Art. 55 ff. der VN-Seerechtskonvention
(SRÜ) widerspreche.[41]
Die nachfolgenden, sich erwartungsgemäss schleppend hinziehenden
politischen Debatten und Verhandlungen zwischen EU-Mitgliedstaaten, EU-Rat
und EU-Kommission über diese Änderungsrichtlinie erfuhren eine
plötzliche und grundsätzliche Wende der Ratssitzung vom 8.
Februar 2019.[42]
Paris gab ganz überraschend die bisherige, mit Berlin gemeinsame,
obstruktive Verhinderung der Änderung der Gasrichtlinie 2009/73/EG auf und
schloss sich den Befürwortern der Änderung an.[43]
Damit war über Nacht das deutsche Verhinderungsveto[44]
gebrochen und eine qualifizierte Mehrheit für die Annahme der
Änderungsrichtlinie im EU-Ministerrat gegeben. Hastig nahm der EU-Rat
an der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 8. Februar
2019 die über Nacht verhandelte deutsch-französische Vereinbarung
an, den Rat zu beauftragen, einen Kompromiss mit Vertretern des
EU-Parlaments zu verhandeln.[45]
Der zügig auf der Sitzung dieses Trilogs der gesetzgebenden EU-Gremien
am 12. Februar 2019 ausgehandelte Kompromiss enthält alle wesentlichen
Elemente des ursprünglichen Kommissionsvorschlag. Nur wurde
gemäss der Stellungnahme des Rechtsdienstes des EU-Rats der
territoriale Geltungsbereich der EU durch eine Neufassung der
Legaldefinition der Vertriebsleitung jetzt nur noch auf das Küstenmeer
des Mitgliedstaates ausgedehnt und nicht mehr auf die AWZ.[46]
Neben dieser jetzt territorial nur eingeschränkt möglichen
Ausdehnung des Geltungsbereichs einer novellierten Gasrichtlinie betrifft
die andere wesentliche Neuerung das Regime der rechtlichen Ausnahmen. Nach
Art. 36 Abs. 1 der alten Fassung der Gasrichtlinie
konnte die zuständige Regulierungsbehörde - in Deutschland die
Bundesnetzagentur - auf Antrag der Betreiber für eine neue
Verbindungsleitung sie unter bestimmten Voraussetzungen von der Wahrung der
bekannten Wettbewerbsgrundsätze durch eine Ausnahmegenehmigung
befreien.[47]
Zu diesen Voraussetzungen für eine Ausnahme gehören, dass nach Art. 36 Abs. 1 lit. a durch den
Bau dieser Verbindungsleitung der Wettbewerb bei der Gasversorgung und die
Versorgungssicherheit verbessert werden, [...] und sich die Ausnahme nach
lit. b nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren
des Erdgasbinnenmarktes oder das effiziente Funktionieren des regulierten
Netzes auswirkt, an welches das Verbindungsnetz angeschlossen wird.[48]
Diese Ausnahme hat die Regulierungsbehörde samt der Begründung
und aller dafür bedeutsamen Unterlagen unverzüglich der
Kommission mitzuteilen, Art. 36 Abs. 8 der RL 2009/73/EG.
Die Kommission kann dann binnen zwei bzw. bei Bedarf vier Monaten diese
Regulierungsbehörde auffordern, die Ausnahmegenehmigung zu ändern
oder zu widerrufen.[49]
Diesen Ausnahmemechanismus hatten die Betreiber für die Genehmigung
des Nord Stream 1-Projekts - wie zuvor dargestellt - in Gang gesetzt.
Die jetzt durch den EU-Trilog angenommene Änderungsrichtlinie hat
neben dieser bisherigen Ausnahme noch die weitere Möglichkeit
eingeführt, eine Abweichung zu beantragen, die weniger strikte
Voraussetzungen hat und keiner Kontrolle durch die EU-Kommission
unterliegt, aber die Fertigstellung des Projekts bis zum Inkrafttreten
dieser Änderungsrichtlinie (EU) 2019/692 voraussetzt. Dieses
neue Regime der Ausnahmeregelungen unterscheidet nunmehr zwischen (a)
solchen Fernrohrleitungen, die neu erst nach Inkrafttreten dieser
Richtlinienänderung fertiggestellt werden und (b) solchen, die im Bau
befindlich sind, aber vor dem Inkrafttreten der Novellierung der
Gasrichtlinie fertiggestellt sind.
Für die neuen Verbindungsleitungen nach Inkrafttreten der
Novellierung-Alternative (a) gelten
Art. 36 Abs. 1 der bisherigen Fassung der Gasrichtlinie
unverändert.
Für Verbindungsleitungen nach Alternative (b) hingegen führte die
Änderungsrichtlinie jetzt für den Rohrleitungsabschnitt vom
ersten Koppelungspunkt (der auf der Grenze zwischen der ausschliesslichen
Zone des Küstenmeeres eines Mitgliedsstaates zur offenen See liegen
kann, Anm. des Verf.) bis zur Grenze des Gebiets der Union die
Möglichkeit in einem neuen Art. 49a ein, den Betreibern zu
genehmigen, von den bekannten Wettbewerbsgrundsätzen zeitlich
befristet abzuweichen, «sofern sich die Abweichung nicht nachteilig
auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes
oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes auswirkt».[50]
Diese Abweichung kann nur zeitlich befristet gelten, und ist nicht mehr der
EU-Kommission zur Kontrolle vorzulegen. Zudem gilt für eine
«Abweichung» nur die zitierte Zulassungsvoraussetzung,
während für die Ausnahmen für die neuen Fernleitungen der
Alternative (a) die weiteren übrigen Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 lit. b-e) gelten.
Die «Abweichung» ist also leichter und nur von der nationalen,
hier: deutschen Regulierungsbehörde zu genehmigen, anders als eine
reguläre Ausnahme, die zudem nach Art. 36 Abs. 9 noch von der
EU-Kommission zu bestätigen ist oder von ihr widerrufen werden kann.
Die zeitliche Frist, bis zu der eine Abweichung beantragt werden kann,
bezog sich vor allem auf das Nord Stream 2-Projekt. Denn die
Projektbetreiber hatten das feste Ziel verkündet, das Projekt bis zum
31. Dezember 2019 fertigzustellen.
d) Verabschiedung der Änderungsrichtlinie
Nach dem Trilog-Beschluss ging alles sehr schnell. Das EU-Parlament
verabschiedete seine Fassung der Änderungsrichtlinie am 4. April 2019,[51]
die dann der Rat der EU am 17. April 2019 als EU-Richtlinie (EU) 2019/692 verabschiedete.[52]
Diese Richtlinie erlangte 20 Tage nach der Veröffentlichung im
Amtsblatt der EU[53]
am 23. Mai 2019 Rechtskraft und gab den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, allen
voran der Bundesrepublik Deutschland als Hauptbetroffene, auf, sie binnen
neun Monaten, also bis zum 24. Februar 2020, in nationales Recht
umzusetzen. So war diese Änderung noch rechtzeitig vor den
Europawahlen vom 23.-26. Mai 2019 rechtswirksam geworden. Den Zeitwettlauf
zwischen Rechtskraft der Änderung der Gasrichtlinie mit ihren
verpflichtenden Wettbewerbsbedingungen auch für den im deutschen
Küstenmeer vor Greifswald gelegenen Teil von Nord Stream 2 und deren
Fertigstellung hatte die EU für sich entschieden. Nord Stream 2 konnte
jetzt eigentlich nicht mehr die leichteren Ausnahmevoraussetzungen für
eine Abweichung von den bekannten Wettbewerbsbedingungen für sich
geltend machen, sondern allenfalls die immer schon geltende
Ausnahmeregelung des
Art. 36 der Gasrichtlinie 2009/73/EG.
Die Bundesregierung Deutschlands setzte diese Änderung der
Gasrichtlinie in ihrem § 28b EnWG um. Die Parteien
der Bundesregierung übernahmen die Regelung des
Art. 49a der novellierten Gasrichtlinie
nicht wortgleich, sondern setzten diese zeitliche Frist aus dem Katalog der
strikten Zulässigkeitsvoraussetzungen («Wenn-Bedingung») in
den «weicheren Anlauftext» des § 28b Abs. 1 EnWG,[54]
so wie der Bundestag es dann auch am 13. November 2019 beschloss. Sinn und
Zweck der Novellierung der Gasrichtlinie sei es, den Vertrauensschutz in
bestehende Investitionen zu privilegieren, so argumentierten die
Regierungsparteien, weswegen «bei der Bestimmung, ob die Leitung vor
dem Inkrafttretenstermin fertiggestellt worden ist, allen Umständen
des Einzelfalls Rechnung zu tragen» sei.[55]
In der Bundestagsdebatte kritisierte die Opposition, dass diese
Umformulierung eine Aufweichung des Fristkriteriums bedeutete, nach der die
Bundesnetzagentur sich im Zweifelsfall über diese Fristvoraussetzung
im Hinblick auf die bereits getätigten Investitionen «im
Einzelfall» hinwegsetzen könnte.[56]
V. Vorläufiges Ende des Nord Stream 2 - Projektes und die
rechtlichen Folgen
Am 20. Dezember 2019 unterzeichnete US-Präsident Trump im Rahmen des
vom U.S.-Kongress verabschiedeten Gesetzes über den
Verteidigungshaushalt 2020 - des «National Defense Authorisation
Act»[57]
- ein sofort rechtlich wirksames Sanktionsgesetz, das alle Firmen, die sich
am Bau einer Fernleitung von Russland in die EU beteiligen, mit Sanktionen
belegt.[58]
Binnen 24 Stunden später stellte die
schweizerisch-niederländische Allseas Group S.A. in
Chatel-Saint-Denis, Freiburg, die an der Verlegung der Rohre von Nord
Stream 2 massgeblich beteiligt war, ihre Aktivitäten ein.
Präsident Putin erklärte hingegen am 11. Januar 2020, das Projekt
bis spätestens im 1. Quartal 2021 alleine mit russischer Technologie
fertigzustellen.[59]
Experten bezweifeln diese Fähigkeit, weil es dazu einer seltenen,
hochspezialisierten Technologie bedürfe.[60]
Die U.S.-Senatoren, die dieses Sanktionsgesetz initiiert hatten, streben
an, in einem weiteren Klärungsgesetz die Sanktionen auf alle auch nur
mittelbar an dem Bau von Nord Stream 2 beteiligten Unternehmen auszudehnen.[61]
Der politische Wirtschaftskrimi geht also weiter.
Unabhängig von dessen Ausgang und von der Frage, ob und wann Nord
Stream 2 technisch tatsächlich fertiggestellt werden wird, ist die
Novellierung in der EU und Deutschland indessen zu einem Abschluss gelangt.
Daher stellt sich nun die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus dieser
Novellierung für Nord Stream 2 - und für alle übrigen neuen
Infrastrukturprojekte der Gas- und Elektrizitätswirtschaft im
EU-Binnenmarkt ergeben.
Was die rechtlichen Folgen anbelangt, wird im Folgenden von dem
wahrscheinlicheren Szenario ausgegangen, dass das Nord Stream 2-Projekt
irgendwann fertiggestellt werden wird - schon alleine, weil PJSC Gazprom
und die europäischen Finanzierungspartner alles daran setzen werden,
die bisher getätigten Investitionen von mehr als 5.8 Mrd. Euro nicht
gänzlich abzuschreiben.
Nach einer Fertigstellung des Nord Stream 2-Projekts unterliegt ihr im
deutschen Küstenmeer vor Greifswald verlaufender Fernleitungsabschnitt
den Wettbewerbsregeln der EU-Gasrichtlinie 2009/73/EG, wie
sie das deutsche EnWG auch
übernommen hat. Das sind die Grundsätze, die
Unternehmenseinheiten, die Eigentümer des Fernleitungsnetzes sind, von
denen, welche die Funktionen der Versorgung und Gewinnung wahrnehmen, zu
entflechten (Art. 9 der Richtlinie 2009/73/EG, §§ 8-10e EnWG), auch Dritten den Zugang
zum Fernleitungsnetz zu gewähren (Art. 32 der Richtlinie, § 20 EnWG) und seine Tarife
transparent und nachvollziehbar zu gestalten (Art. 41 EU-Richtlinie, § 28 EnWG).
Um sich von diesen Wettbewerbsbedingungen zu befreien, hatte die Nord
Stream 2 AG bei der deutschen Bundesnetzagentur als zuständiger
Regulierungsbehörde am 10. Januar 2020 eine befristete Ausnahme von
diesen Regeln gem. § 28b EnWG
beantragt.[62]
Dies ist ein Antrag auf eine erleichterte Ausnahme nach dem neu
eingefügten § 28b EnWG.
Diese erleichterte Ausnahme ist jedoch ausgeschlossen, weil sie nach dem
Einleitungssatz des § 28b Abs. 1 EnWG nur
für Fernleitungen gilt, die vor dem 23. Mai 2019
fertiggestellt worden sind. Das ist jetzt offensichtlich nicht der Fall.
Zwar beruht die lange Verzögerung einer möglichen Fertigstellung
auch auf ihrerseits rechtlich fragwürdigen US-Sanktionen und damit auf
Umständen, auf die Nord Stream 2, der die Ausnahme gewährt
werden würde, keinen Einfluss hatte. Jedoch ist zu
berücksichtigen, dass diese Fernleitung auch ohne Sanktionen erst
frühestens im 1. Quartal 2020 fertiggestellt worden wäre.
Schliesslich hatte die Nord Stream 2 AG argumentiert,[63]
für diese Ausschlussfrist dürfe der Begriff der Fertigstellung
nicht nur im rein baulich-technischen Sinne verstanden werden, sondern
müsse mitberücksichtigen, dass sie im Zeitpunkt des
Inkrafttretens der neuen Gasrichtlinie im Vertrauen auf die frühere
Rechtslage bereits Milliardeninvestitionen getätigt habe.
Erwartungsgemäss hat die Bundesnetzagentur diesen Antrag am 15. Mai
2020 abgelehnt[64]
und damit aus ihren fragwürdigen und beanstandeten Ausnahmegenehmigung
zu OPAL für das Projekt Nord Stream 1 die richtigen Konsequenzen
gezogen. Es ist davon auszugehen, dass die Nord Stream 2 AG gegen diese
Ablehnung Klage beim zuständigen OLG Düsseldorf erheben wird.
Hätte die Bundesnetzagentur sich demgegenüber in einer
ausgedehnten Interpretation «der Umstände des Einzelfalls»
wegen der bereits getätigten Investitionen über diesen
erheblichen Fristablauf hinweggesetzt - wie die Kritiker des insofern mit § 28b EnWG nicht
inhaltsgleich umgesetzten neuen
Art. 49a der Richtlinie (EU) 2019/692
befürchteten -, hätte eine so ausgelegte Ausnahmeregelung durch
die Bundesnetzagentur keinen Bestand gehabt. Eine solch ausgedehnte
Interpretation des Fristablaufs in § 28b Abs. 1 EnWG
widerspräche flagrant der strikten Fristenregelung des neu
eingefügten § 49a in die alte Gasrichtlinie 2009/73/EG.
Die EU-Kommission hätte dann die Bundesrepublik Deutschland auffordern
und notfalls vor dem EuGH verklagen können, eine EU-Richtlinie nicht
rechtsgetreu umgesetzt zu haben und diese Regelung unmissverständlich
an die vorgeschriebene Fristenregelung als eine zwingende Voraussetzung
entsprechend anzupassen. Die auf solch einem rechtswidrigen Gesetz
beruhende Ausnahmegenehmigung wäre ihrerseits rechtswidrig gewesen.
Die Bundesnetzagentur hatte daher die Fristenregelung so strikt im
bautechnischen Sinne anzuwenden und den Ausnahmeantrag nach § 28b EnWG abzulehnen, wie
sie es mit Beschluss vom 15. Mai 2020 getan hat.[65]
So verbliebe der Nord Stream 2 AG nur, die allgemeine befristete
Ausnahmegenehmigung nach Art. 36 Abs. 1 2009/73/EG und § 28a Abs. 1 EnWG für
neue, nach dem Inkrafttreten der novellierten EU-Richtlinie fertiggestellte
Infrastrukturen unter all den in den Nr. 1-5 genannten und kumulativ zu
erfüllenden Bedingungen zu beantragen.
Schon fraglich ist, ob - als 1. Bedingung - durch diese «Investition
der Wettbewerb bei der Gasversorgung und die Versorgungssicherheit
verbessert» werden würde, da Nord Stream 1 und 2 ja nicht dazu
dienen, zusätzliche Gaslieferkapazitäten zu schaffen, sondern
überwiegend nur die bisherigen durch die Ukraine und Polen
transportierten Gaslieferungen zu ersetzen. Die Tatsache, dass Gazprom auch
jetzt noch hinreichende Mengen von Gas nach Deutschland ohne
Schwierigkeiten exportieren kann, indem jetzt einfach die bisherige
Fernleitung durch eine Verlängerung des Liefervertrages mit der
ukrainischen Naftogaz durch die Ukraine für die nächsten
fünf Jahre bis 31. Dezember 2024 weiter genutzt wird, zeigt, dass es
gar nicht notwendig ist, die Versorgungssicherheit zu verbessern.
Jedenfalls verletzte eine solche Ausnahme aber die in § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG
aufgeführte Bedingung, weil diese Ausnahme sich nachteilig auf den
EU-Gasbinnenmarkt auswirken würde. Denn die bestehende
Abhängigkeit der EU von russischen Gasexporten durch Gazprom
würde entgegen den Diversifizierungsforderungen der
EU-Energiesicherheitsstrategie festgeschrieben[66]
und bei einer anzunehmenden, kurz- bis mittelfristig noch wachsenden
Gasnachfrage gar erhöht werden, solange im Zuge einer deutschen und
europäischen Energiewende erneuerbare Energien den Gasbedarf nicht
senken oder gar ersetzen. Eine befristete Ausnahmegenehmigung der
Bundesnetzagentur für Nord Stream 2 ohne jede Anpassung an die
Erfordernisse der Wettbewerbsregeln für den EU-Gasbinnenmarkt ist
daher ausgeschlossen.
Auch die EU-Kommission, die eine solche herkömmliche
Ausnahmegenehmigung der deutschen Bundesnetzagentur - im Unterschied zur
erleichterten Ausnahme nach § 28b EnWG - nach Art. 36 Abs. 8 2009/73/EG zu
bestätigen hätte, würde von der Bundesnetzagentur nach Art. 36 Abs. 9 2009/73/EG
verlangen, ihre Entscheidung zu widerrufen, da die Voraussetzungen
dafür nicht vorliegen.
Da alle rechtlichen Möglichkeiten ausscheiden, durch eine erleichterte
oder herkömmliche Ausnahmegenehmigung eine Genehmigung des Nord Stream
2-Projekts zu erlangen, verbliebe der PSCJ Gazprom als 100%-iger
Gesellschafter nur, das Projekt an die Wettbewerbserfordernisse der
Gasrichtlinie anzupassen.[67]
Zwar unterliegt nur der im Küstenmeer Deutschlands verlaufende
Streckenabschnitt den EU - Wettbewerbsregeln. Da aber schwerlich die
Leitung an der Grenze zwischen Küstenmeer und ausschliesslicher
Wirtschaftszone, in der die Regeln nicht mehr gelten, technisch
unterbrochen werden kann, gelten die Regeln zwangsläufig für die
gesamte Strecke der Fernleitung ab ihrem Beginn im russischen Ostseehafen
Wyborg bis ins deutsche Lubmin.
Eine Genehmigung durch die Bundesnetzagentur Deutschlands könnte daher
nur unter Auflagen erfolgen, die Nord Stream 2 zur strikten Einhaltung
dieser Wettbewerbsbedingungen nötigen. Nord Stream 2 bleibt am Ende
nichts weiter übrig, als diesen Wettbewerbsvoraussetzungen
weitestgehend Rechnung zu tragen.
Die von Nord Stream 2 angestrengte Normenkontrollklage gegen diese
Änderungsrichtlinie (EU) 2019/692 wies das EuG am 20.
Mai 2019 als unzulässig ab.[69]
Die Nord Stream 2 AG hat als Projektgesellschaft nach Schweizer Recht ein
Schiedsgerichtsverfahren zur Streitbeilegung nach
Art. 26 Abs. 4 lit. a) i) des Vertrags über die Energiecharta
von 1998 nach den Regeln des Washingtoner Übereinkommens zur Beilegung
von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen
anderer Staaten vom 14. Juni 1968[70]
eingeleitet.[71]
Damit macht die Projektgesellschaft Vertrauensschutz für ihre schon
getätigten Investitionen in Höhe von 5.8 Mrd. Euro (Stand Mai
2019) nach Art. 10 Abs. 1 des Vertrages
geltend. Wer trotz noch ausstehender Genehmigungen - Dänemark hatte
seine erst am 30. Oktober 2019 erteilt -, gegen den seit Beginn des
Projektbaus aufkommenden und im Bauverlauf immer heftigeren Protest einer
überwältigenden Mehrzahl von EU-Mitgliedstaaten und ohne
Rücksicht auf Bedenken der Kommission und des EU-Parlament[72]
stur und rücksichtslos ein Infrastrukturprojekt gegen den politischen
Widerstand massgeblicher EU-Institutionen meint durchsetzen zu können,
wird sich am Ende nur schwer auf Vertrauensschutz berufen können.
Russland hat diesen Vertrag über die Energiecharta nicht ratifiziert
und trat mit Wirkung vom 18. Oktober 2009 aus,[73]
während die Schweiz Mitglied dieses Vertrages ist. Ob die Schweizer
Nord Stream 2 AG als hundertprozentige, mittelbare Tochter der mehrheitlich
staatlichen russischen PAO Gazprom, dem Unternehmen eines Staates, der aus
dem Chartavertrag ausgetreten ist, sich auf deren Schutz berufen kann, nur
weil sie ihren Firmensitz in Zug hat, erscheint höchst zweifelhaft.
Auf diese Art mittelbar durch ein Staatsunternehmen Rechte der Charta in
Anspruch zu nehmen, sich aber gleichzeitig als Staat ihren Verpflichtungen
zu entziehen, ist mit der Charta nicht vereinbar.
Nach dem über Jahre hinweg erbittert geführten Streit in der EU
als Spiegel erhöhter politischer und wirtschaftlicher Spannungen in
den Beziehungen der EU zu Russland, aber auch unter den EU-Mitgliedstaaten
in ihrem Verhältnis zu Russland, hat die gesetzliche Neufassung der Gasrichtlinie 2009/73/EG mit der EU RL 2019/692 ihren legislativen
Abschluss gefunden. Die Bundesnetzagentur Deutschlands hat eine
erleichterte Ausnahme nach § 28b EnWG nicht genehmigt.
Ob und unter welchen Auflagen die Bundesnetzagentur eine herkömmliche
Ausnahmegenehmigung nach § 28a EnWG bei entsprechendem
Antrag für die Nord Stream 2 AG erteilen wird, bleibt offen. Zu
vermuten ist, dass die EU-Kommission jede deutsche Genehmigung, die ohne
striktem Bestehen auf jedes der EU-Wettbewerbserfordernisse erginge, zum
Anlass nehmen würde, sie zu widerrufen, und die Bundesnetzagentur
auffordern würde, binnen eines Monats die Genehmigung entsprechend zu
korrigieren.
Das ganze Gesetzgebungsverfahren zeigt, welch komplexes europarechtliches
Regelwerk jedes Schweizer Unternehmen zu berücksichtigen hat, das sich
mit Infrastrukturprojekten auf dem EU-Gas- und Energiebinnenmarkt
engagiert.
Im Übrigen ist dieser Wirtschaftskrimi ein Schulbuchbeispiel für
die wirtschaftlichen Konsequenzen, die eintreten, wenn Unternehmen glauben,
in einem so politisierten, von der EU geregelten Wirtschaftsbereich wie der
Gaswirtschaft, aber auch der Energiewirtschaft überhaupt, die
politischen Rahmenbedingungen in der EU und einzelnen EU-Mitgliedstaaten
sträflichst ignorieren zu können. Der strategische Irrtum in Zug
und Berlin war es zu meinen, mit besonders intensivem
wirtschaftspolitischem Lobbying[74]
und dem politischen Einfluss Berlins in der EU liesse sich das Projekt zu
den Bedingungen des mehrheitlich staatlichen russischen Unternehmens
Gazprom in der Bundesrepublik Deutschland schon durchsetzen.
Der sich fortsetzende politische Kampf, mit allen Mitteln die
Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern oder doch durchzusetzen,
wird sich im Schiedsgerichtsverfahren nach der Energiecharta und vermutlich
in einer Klage vor dem OLG Düsseldorf gegen den Beschluss der
Bundesnetzagentur fortsetzen.[75]
Insoweit bleibt der politische Wirtschaftskrimi Nord Stream 2 auch
rechtlich weiterhin spannend.
[3]
Eine umfangreiche internationale juristische Literatur hat den
Fortgang des Baus begleitet. Vgl. zuletzt Anke Schmidt-Felzmann,
Gazprom's Nord Stream 2 and diffuse authority in the EU: managing
authority challenges regarding Russian gas supplies through the
Baltic Sea, Journal of European Integration 2020, S. 129 ff.;
Valentin Jeutner, Amendments, annexations, alternatives: Nord
Stream 2's contemporary status under EU and international law,
Journal of World Energy Law and Business 2019, 502 ff.; In der
Schweizer Literatur ist zu nennen: Sebastian Heselhaus / Elisabeth
Becker, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Energierecht,
in: Epiney (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht
2018/2019, Bern 2019, S. 256; Sebastian Meyer, Acting on Behalf of
Europe: Do Member States have Each Other's Telephone Number, in:
Epiney (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht
2018/2019, Bern 2019, S. 334 ff.; Samuel Wyer, in:
Kellerhals/Baumgartner (Hrsg.), Wirtschaftsrecht Schweiz - EU,
Überblick und Kommentar 2017/18, Zürich/St.Gallen 2018,
S. 272 f.
[5]
Der Co-Autor der Sberbank-Analyse, Alexander Fak, wurde nach der
Veröffentlichung des Berichts entlassen; Max Seddon, Fak off
as Sberbank fires analyst for provocation too far, Financial Times,
23. Mai 2018.
[8]
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den
Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den
Ausschuss der Regionen und die europäische Investitionsbank
vom 25. Februar 2015 (Paket zur Energieunion).
[13]
Art. 3a Abs. 2 des dänischen Lov om ændring af lov om
kontinentalsoklen, LOV Nr. 1401 vom 5. Dezember 2017 (geändert
durch Bekendtgørelse af lov om kontinentalsoklen og visse
rørledningsanlæg på søterritoriet, LBK Nr 1189
vom 21. September 2018), zit. nach Jeutner (Fn. 3), S. 509 und dort
Fn. 46; energate-messenger.ch vom 1. Dezember 2017 (Neue rechtliche Hürde für Nord Stream 2).
[15]
Vgl.
Vorschlag einer LNG- und Speicherstrategie, der von der EU-Kommission am 16. Februar 2016 und vom
Europaparlament am 25. Oktober 2016 als Resolution angenommen wurde
und viele weitere nachfolgende offizielle Dokumente von Kommission
und Parlament.
[16]
Konsolidierte Fassung des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) vom 26. Oktober 2012; Das ist die konsolidierte Fassung des
Gründungsvertrages der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft, wie sie neu genannt am 1. Dezember 2009
nach entsprechenden Änderungen durch den Vertrag von Lissabon
(2007) und aller vorhergehenden Verträge in Kraft war.
[19]
Verordnung (EG) 714/2009
vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den
grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der
Verordnung (EG) Nr. 1228/2003.
[20]
Verordnung (EG) 715/2009
vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu
den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG)
Nr. 1775/2005.
[21]
Richtlinie 2009/72/EG
vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den
Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie
2003/54/EG.
[22]
Richtlinie 2009/73/EG
vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den
Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG.
[23]
Rafael Leal-Arcas / Jan Wouters (Hrsg.), Handbook on Energy Law and
Policy, Cheltenham (UK) 2017, S. 49.
[25]
Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 25. Februar 2009 (Gasversorgung - Teilausnahme für OPAL
); Während eine EU-Verordnung in den einzelnen
EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht darstellt,
verpflichten EU-Richtlinien die einzelnen EU-Mitgliedstaaten nur
dazu, inhaltsgleiche nationale Gesetze zu verabschieden, wie hier §§ 28a und 28b EnWG.
[26]
Beschluss der Kommission C(2016) 6950 vom 28.
Oktober 2016 zur Überprüfung der nach der Richtlinie
2003/55/EG gewährten Ausnahme der
Ostseepipeline-Anbindungsleitung von den Anforderungen für den
Netzzugang Dritter und die Entgeltregulierung; Entscheidung K(2009) 4694 betreffend
die Ausnahmegenehmigung der Bundesnetzagentur für die
Opal-Gasleitung.
[27]
Klage der Republik Polen gegen die Europäische Kommission den
Entscheid vom 28. Oktober 2016 über die Änderung der
Bedingungen für die Freistellung der Opal-Pipeline von der
Verpflichtung zur Anwendung der Regeln für den Zugang Dritter
und der auf der Grundlage der Richtlinie 2003/55/EG für
nichtig zu erklären (Rechtssache T-883/16).
[28]
Beschluss der Beschlusskammer 7 der Bundesnetzagentur BK7-08-009-E2 vom 13.
September 2019.
[29]
Rechtsmittel der Bundesrepublik Deutschland gegen das Urteil des
Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 10. September 2019 in der
Rechtssache T-883/16, Republik Polen gegen Europäische
Kommission, eingelegt am 20. November 2019 (Rechtssache C-848/19 P).
[30]
Der EU-Rat, auch EU-Ministerrat genannt, ist nach Art. 16 EUV und Art. 237 ff. AEUV neben
dem EU-Parlament das andere Legislativorgan der EU, das als
intergouvernementales Organ sich aus den Vertretern - den
jeweiligen Fachmininistern der einzelnen EU-Mitgliedstaaten -
zusammensetzt.
[31]
Dieser Vorschlag ist nicht öffentlich zugänglich. Er kann
nur in den wesentlichen Elementen dem Rechtsgutachten des
Rechtsdienstes des EU-Rates entnommen werden und dementsprechend
nur nach der «Opinion of the Legal Service» zitiert
werden, das wiederum selbst nur als ein «geleaktes»
englisch-sprachiges Dokument im Internet verfügbar ist;
Opinion of the Legal Service of the Council of the European Union
vom 27. September 2001 (12590/17) (zit. Opinion);
Wegen der Weigerung des EU-Rats, den ursprünglichen Vorschlag
der GD Energie für ein Verhandlungsmandat der EU-Kommission
herauszugeben, wurde der EU-Ombudsmann angerufen. Entscheid des
EU-Ombudsmanns
1611/2019/KR
vom 27. März 2020.
[32]
Opinion (Fn. 31), Ziff. 14.
[34]
Opinion (Fn. 31), Ziff. 96.
[36]
Opinion (Fn. 31), Ziff. 44.
[37]
Vgl. Klaus-Dieter Borchardt, EU-Kommision, Generaldirektion
Energie, Direktor Energiebinnenmarkt, in seiner Anhörung vor
dem Europäischen Parlament, Ausschuss Industrie, Forschung und
Energie, vom 11. Oktober 2017 zum Stand der Mandatserteilung
für Verhandlungen der EU-Kommission mit der Russischen
Föderation über einen Rahmenabkommen für Nord Stream
2, in der er alternative Überlegungen der Kommission für
eine Regelung durch eine Novellierung der Gasrichtlinie EG 2009/73 vorstellt.
[38]
Die VN-Seerechtskonvention unterscheidet das Küstenmeer und
die Anschlusszone eines Staates bis zu 24 Seemeilen (ca. 44,4 km)
von seinem Küstenrand eines Staates und seiner
ausschliesslichen Meereswirtschaftszone bis zu 200 Seemeilen (370,4
km) von seiner Küste; Art. 3, Art. 33 und Art. 55.
[39]
Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der
Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für
den Erdgasbinnenmarkt vom 8. November 2017 COM(2017) 660.
[40]
Art. 2 Abs. 17 Richtlinie 2009/73/EG. Es gibt noch eine Anzahl anderer Neuerungen, insbesondere
hinsichtlich der Konsultationspflichten zwischen
Regulierungsbehörden betroffener Mitgliedsstaaten, die aber
hier die Genehmigung von Nord Stream 2 nicht gefährden
können.
[41]
Opinion of the Legal Service of the Council of Europe vom 1.
März 2018 (6738/18):
Directive 2009/73/EC - compatibility with UNCLOS (SRÜ) (nur in
der englischen Fassung verfügbar), Ziff. 17.
[42]
FAZ vom 8. Februar 2019 (Schwere Verstimmung zwischen Berlin und
Paris wegen Nord Stream 2).
[44]
Das bestand mit Belgien, den Niederlanden, Österreich und
zuvor eben Frankreich, alles Staaten, in denen die
europäischen Projektbeteiligten an Nord Stream 2 mit ihrem
Firmensitz registriert waren; Es handelt sich um BASF/Wintershall
und Uniper (vormals E.ON) in Deutschland, Engie (vormals GDF Suez)
in Frankreich, OMV in Österreich und Shell in
Belgien/Niederlande.
[51]
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Änderung der Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame
Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt vom 5. April 2019 (PE-CONS 58/19).
[53]
Richtlinie (EU) 2019/692
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019
zur Änderung der Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame
Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt.
[54]
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
und Energie (9. Ausschuss) vom 6. November 2019 über den
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Energiewirtschaftsgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU)
2019/692 des Europäischen Parlamentes und des Rates über
gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (19/14878).
[56]
Julia Verlinden, (MdB) Bündnis 90/Die Grüne,
Sitzungsprotokolle Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode 126.
Sitzung am 13. November 2019, S. (B) 15742.
[58]
Vgl. dazu schon Jörg Himmelreich, Deutsche Heucheleien, NZZ
vom 1. August 2017.
[62]
Begründung für Beiladungsbeschluss des Bundesnetzagentur BK7-20-004 B1 vom 17.
März 2020 im Verfahren Az. BK7-20-004 betreffend Nord Stream
2, S. 3.
[65]
Verfahren der Beschlusskammer 7 BK7-20-004 - Freistellung
von der Regulierung gemäss § 28b EnWG.
[67]
Jörg Himmelreich, Vom Kreml in die Ostsee, FAZ vom 3. Dezember
2019.
[68]
Angela Stent, Putins Russland, Hamburg 2019, S. 224; so auch schon
Jörg Himmelreich, Herrscher der Pipeline, Internationale
Politik 2007, S. 59.
[70]
Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.
März 1965, in Kraft getreten für die Schweiz am 14. Juni
1968 (SR 0.975.2).
[73]
Bericht des Wissenschaftlichen Diensts des Europäischen
Parlaments, Die Energiecharta, Juli
2017, S. 11.
[74]
Nach offiziellen Angaben von lobbyfacts.eu, Nord Stream 2, vom 1.
Januar 2016-31. Dezember 2019 ca. 2 Mio. Euro, die natürlich
nur die Spitze eines Eisbergs darstellen. Darin ist das
Jahresgehalt des Cheflobbyisten von Nord Stream in Berlin, dem
ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, noch
nicht einmal enthalten, das dieser als Vorsitzender des
Aktionärsausschusses der Nord Stream 2 AG erhält und auf
250'000 Euro geschätzt wird (Übersicht über den Auktionärsausschuss). Vgl. vermoegenmagazin.de vom 5. Januar 2020 (Gerhard Schröder: Das Vermögen des Altkanzlers).