I. Einleitung
Dass sich Aktivisten, die unerlaubte Protestaktionen durchführen, auf
einen entlastenden Notstand oder Zwang zum Handeln berufen, hat im
internationalen Kontext eine lange Tradition.[1]
Das war etwa der Fall bei Aktionen gegen die Verwendung von Atomwaffen[2]
oder verbotene Aktivitäten durch Geheimdienste[3], und auch im Bereich des Umweltschutzes, wie namentlich beim Protest gegen
die Rodung des Amazonas-Regenwaldes[4]
oder die Luftverschmutzung[5], ist der Notstand geltend gemacht worden. Vor diesem Hintergrund mag es
wenig überraschen, wenn nun vermehrt auch Klimaaktivisten, die im
Einsatz für einen stärkeren Klimaschutz Strafbestimmungen
verletzen, den Notstand anrufen.[6]
Wenn sie damit aber hierzulande Erfolg haben und für sich auf dieser
Grundlage einen Freispruch erringen, so überrascht dies dann doch, wie
die Reaktionen auf das Urteil des Bezirksgerichts Lausanne
PE19.000742/PCL/llb vom 13. Januar 2020 (im Folgenden: «Urteil
BGL») gezeigt haben.[7]
Besagtem Urteil lag - in aller Kürze - folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Gruppe von 20 bis 30 Klimaaktivisten hatte eine Filiale der Bank
Crédit Suisse in Lausanne besetzt, um die Teilhabe des Tennisspielers
Roger Federer am öffentlichen Image der «Schweizer Bank mit der
schlechtesten CO2-Bilanz»[8]
zu denunzieren. Als Tennisspieler verkleidet simulierten die Aktivisten,
Tennis zu spielen und rollten ein Banner mit der Aufschrift
«Crédit Suisse détruit le climat. Roger, tu cautionnes
ça? #SiRogersavait»
aus. Dabei blockierten sie die Kunden der Bank zwar nicht, behinderten aber
deren Zugang zu den Bankomaten. Ein Teil der Aktivisten widersetzte sich
weiter der Aufforderung der Polizei, die Filialräume zu verlassen.
Das Bezirksgericht Lausanne hatte infolgedessen zu beurteilen, ob sich
zwölf der Aktivisten des Hausfriedensbruchs und des Widerstands gegen
polizeiliche Anordnungen strafbar gemacht hatten. Dies waren die
einzigen Vorwürfe, die den Aktivisten zur Last gelegt wurden. Ob das
Verfahren noch auf andere Straftatbestände hätte ausgedehnt
werden müssen (z.B. die Nötigung), entzieht sich der Kenntnis des
aussenstehenden Betrachters. Das Bezirksgericht Lausanne sprach die
Angeklagten von allen Vorwürfen wegen rechtfertigenden Notstands (Art. 17 StGB) frei.
Einen ähnlichen Fall hatte kurze Zeit später das Polizeigericht
Genf zu beurteilen. Diesmal ging es um Aktivisten, die mit rot angemalten
Händen - als Symbol für die Opfer des Klimawandels - die Fassade
einer Bankfiliale der Crédit Suisse befleckt hatten. Einer der
Aktivisten wurde in der Folge wegen Sachbeschädigung angeklagt. Er
wandte vor Gericht ein, in einem rechtfertigenden Notstand im Sinne des Art. 17 StGB gehandelt zu haben.
Das Polizeigericht Genf kam allerdings zum Schluss, dass die
Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands nicht erfüllt seien;
die Anwendung des Art. 17 StGB
scheitere schon am Erfordernis einer unmittelbaren, nicht anders
abwendbaren Gefahr. Es verurteilte deshalb den Angeklagten zu einer
bedingten Geldstrafe und einer Busse.[9]
Gegen beide Urteile, sowohl dasjenige des Bezirksgerichts Lausanne als auch
jenes des Polizeigerichts Genf, ist Berufung eingelegt worden. Streitpunkt
ist vor allem die Anwendung bzw. Nichtanwendung des rechtfertigenden
Notstands auf die jeweiligen Klima-Aktionen. Somit sind in den beiden
Fällen diesbezüglich weitere Diskussionen absehbar. Ausserdem
sind aufgrund der hohen Aktualität des Klimathemas weitere
Klima-Protestaktionen und weitere juristische Auseinandersetzungen zu
solchen Aktionen zu erwarten.
Mit den nachfolgenden Ausführungen soll nun einmal prinzipiell der
Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen im Rahmen von Klimaprotesten verübte Straftaten nach
geltendem Recht vom rechtfertigenden Notstand (Art. 17 StGB) erfasst sind und,
falls nicht, ob andere, notstandsähnliche Institute des Strafrechts in
solchen Fällen einer Bestrafung im Wege stehen können.[10]
II. Rechtfertigender Notstand
(Art. 17 StGB)
Schon begriffsnotwendig setzt der rechtfertigende Notstand (Art. 17 StGB) eine Notstandslage
voraus. Diese besteht bekanntlich in einer Interessenkollision, bei der
eine unmittelbare Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut nur durch die
Begehung einer strafbewehrten Tat abgewandt werden kann.
1. Notstandsfähige Rechtsgüter
Daraus ergibt sich zunächst die Frage, welche Rechtsgüter
notstandsfähig sind: Sind dies nur die Güter des Individuums wie
Leib, Leben und Freiheit oder fallen darunter auch kollektive
Rechtsgüter wie der Bestand des Staates oder die
rechtsstaatlich-demokratische Ordnung[11]? Der Wortlaut des Art. 17 StGB
indiziert ersteres, indem er von der Begehung einer mit Strafe bedrohten
Tat «um ein eigenes oder das Rechtsgut einer andern Person […]
zu retten»
(«pour préserver […] un bien juridique lui appartenant
ou appartenant à un tiers»/«per preservare un bene
giuridico proprio o un bene giuridico altrui») spricht, und die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass dies dem
Willen des historischen Gesetzgebers entspricht.[12]
Die Beschränkung des rechtfertigenden Notstands auf den
«individuellen Notstand» kann zudem aus der Funktion der
Notrechte abgeleitet werden: Sie sollen den Schutz der Rechtsgüter des
Individuums ermöglichen, wenn keine staatliche Hilfe präsent ist,
dem Einzelnen aber nicht das Recht geben, als eine Art Hilfspolizist
tätig zu werden.[13]
Es ist somit im Einklang mit der herrschenden Meinung[14]
festzustellen, dass im Lichte des Art. 17 StGB nur
Individualrechtsgüter notstandsfähig sind.
Genauer zu erörtern ist vor diesem Hintergrund die Argumentation des
Bezirksgerichts Lausanne im Urteil BGL, wonach «Par exception, la
protection d'un bien juridique collectif sera toutefois pertinente sous
l'angle de cette disposition [Art. 17 StGB] si un bien juridique
personel est également en jeu».[15]
Diese Aussage ist insofern zutreffend, als eine Gefährdung von
Rechtsgütern der Allgemeinheit oft zugleich eine unmittelbare Gefahr
für ein Individualrechtsgut beinhaltet, sodass dann aus diesem Grund
eine Notstandslage besteht.[16]
Das ändert aber nichts daran, dass kollektive Rechtsgüter als
solche nicht notstandsfähig sind. Soweit also das Bezirksgericht
Lausanne die Erhaltung des Klimas und der Umwelt als Allgemeingüter
qualifiziert und unter dem Aspekt des rechtfertigenden Notstands (Art. 17 StGB) berücksichtigt,[17]
ist dem entgegenzuhalten, dass es bei Art. 17 StGB nur um den Schutz von
Individualrechtsgütern geht. Abgesehen davon ist unklar, ob es sich
beim Schutz des Klimas und der Umwelt überhaupt um Rechtsgüter
handelt; dies kann jedenfalls hierzulande nicht als anerkannt gelten.[18]
Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass es sich beim Schutz des Klimas und
der Umwelt nicht um notstandsfähige Rechtsgüter handelt. Es
bleibt die Frage, ob das Interesse an der Erhaltung des Klimas und der
Umwelt womöglich unter sog. aussergesetzliche
Rechtfertigungsgründe fallen, zu denen gemäss Bundesgericht
«u.a. der übergesetzliche Notstand und die Wahrnehmung
berechtigter Interessen» gehören.[19]
Sie wird später zu erörtern sein (unten III. und IV.).
Mit Bezug auf den rechtfertigenden Notstand ist jedenfalls erforderlich,
dass Individualrechtsgüter gefährdet sind, damit dieser
Rechtfertigungsgrund zur Anwendung gelangt. Dabei kommen beliebige
Güter des Einzelnen infrage, und es ist unbeachtlich, wer Träger
des betroffenen Rechtsguts ist.[20]
Im vorliegenden Kontext könnten - angesichts der prognostizierten
Konsequenzen des Klimawandels (namentlich das Auftauen des Permafrosts, der
Anstieg der Meeresspiegel, die Versauerung der Meere, die Zunahme von
Hitzewellen und extremen Wetter- und Klimavorkommnissen, die
fortschreitende Wüstenbildung und die weitere Verbreitung von
Schädlingen und Krankheitserregern)[21]
- insbesondere die Individualgüter Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit,
Eigentum und Vermögen gefährdet sein (vgl. unten II.B.). Der
rechtfertigende Notstand fällt mithin nicht von vornherein ausser
Betracht.
2. Unmittelbare Gefahr
Vorausgesetzt ist, dass sich ein (Individual-)Rechtsgut in unmittelbarer
Gefahr befindet. Eine Gefahr im Sinne des Art. 17 StGB liegt vor, wenn eine
Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung besteht,[22]
wobei völlig abstrakte Risiken hier ausscheiden müssen; dagegen
liegt eine Gefahr auch dort vor, wo es um Jedermanns-Gefahren geht, sofern
sie sich im Einzelfall konkretisieren.[23]
Irrelevant ist die Quelle der Gefahr, d.h. ob sie von einem Menschen
ausgeht oder nicht, z.B. von einem Naturereignis.[24]
Ob eine Gefahr besteht, muss ex ante und aus Sicht eines verständigen
Dritten in der Lage des Täters eingeschätzt werden.[25]
Unmittelbar
ist die Gefahr nach der herrschenden Meinung nicht nur, wenn der
Schadenseintritt unmittelbar bevorsteht, sondern auch dann, wenn eine
Abwehr später nicht mehr oder nur noch unter sehr viel grösseren
Risiken möglich wäre.[26]
Es geht also bei der Unmittelbarkeit der Gefahr weniger um die zeitliche
Entfernung des Schadenseintritts als vielmehr um den Zwang zur Entscheidung
und die Notwendigkeit sofortigen Handelns.[27]
Im besprochenen Fall erblickte das Bezirksgericht Lausanne die Gefahr in
den Konsequenzen des Klimawandels und verwies hierzu vor allem auf die
Berichte des Weltklimarats (IPCC),[28]
in denen seitens zahlreicher Klimatologen namentlich vor dem Auftauen des
Permafrosts, dem Anstieg der Meeresspiegel, der Versauerung der Meere, der
Vermehrung von Hitzewellen und extremen Wetter- und Klimavorkommnissen, der
fortschreitenden Wüstenbildung (Desertifikation) und der weiteren
Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern eindringlich
gewarnt wird.[29]
Mit diesen Klimafolgen sind zwangsläufig auch Beeinträchtigungen
der Individualgüter Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum,
Vermögen etc. verbunden.[30]
Dabei handelt es sich nicht bloss um eine ganz entfernte oder nur
gedankliche Möglichkeit des Schadenseintrittes, sondern um bereits
jetzt (auch hierzulande) spürbare Folgen des Klimawandels, wie sich
etwa am Beispiel der Gemeinde Randa (VS) zeigt, deren Einwohner durch die
Schmelze eines Hängegletschers am Weisshorn bedroht sind,[31]
oder im Engadin, das wegen der Schmelze des Permafrosts einem höheren
Risiko für Felsstürze und Schlammlawinen ausgesetzt ist.[32]
Es kann daher festgehalten werden, dass eine durch den Klimawandel bedingte
Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Individualgütern besteht, welche
- soweit konkretisiert im Einzelfall - eine Gefahr im Sinne von Art. 17 StGB darstellt.
Was das Kriterium der Unmittelbarkeit der Gefahr anbetrifft, so kommen die
vorstehend zitierten Klimatologen zum Schluss, dass sofortige
Klimaschutzmassnahmen nötig seien bzw. der letztmögliche
Zeitpunkt gekommen sei, um die schädlichen Konsequenzen des
Klimawandels für die betroffenen Individualrechtsgüter sicher
abzuwehren.[33]
Diese Einschätzung bekräftigte auch die vom Bezirksgericht
Lausanne befragte Professorin für Klimatologie an der ETH Zürich,
Sonia Senivaratne.[34]
In Anbetracht dessen und vor dem Hintergrund der vorherrschenden extensiven
Auslegung des Kriteriums der Unmittelbarkeit der Gefahr erscheint die
Ansicht des Bezirksgerichts Lausanne, es liege aufgrund der drohenden
Konsequenzen des Klimawandels eine unmittelbare Gefahr im Sinne von Art. 17 StGB für die
Rechtsgüter Leben und Gesundheit vor,[35]
vertretbar.[36]
Es ist indes zu präzisieren, dass erstens weitere
Individualrechtsgüter als die im Urteil BGL genannten und zweitens
(soweit sich die Gefahr im Einzelfall konkretisiert) nicht bloss die
Güter der Aktivisten selbst, sondern aller Rechtsgutsträger
betroffen sind, zumal Art. 17 StGB
auch die Notstandshilfe erfasst.
3. Nicht anders abwendbar
Geht man davon aus, dass die Konsequenzen des Klimawandels eine
unmittelbare Gefahr für Individualrechtsgüter darstellen (vgl.
oben II.B.), so muss diese Gefahr für eine Rechtfertigung nach Art. 17 StGB zudem nicht anders abwendbar sein als durch die Begehung der jeweiligen
strafbewerten Tat. Diese Voraussetzung besagt, dass das angewandte Mittel
erstens zur Abwendung der Gefahr geeignet und zweitens unter mehreren etwa
zur Verfügung stehenden Mitteln das mildeste, d.h. fremde
Rechtsgüter am wenigsten beeinträchtigende sein muss (sog.
Grundsatz der strikten/absoluten Subsidiarität).[37]
Massgebend ist wiederum das ex ante-Urteil eines verständigen Dritten
in der Lage des Täters.[38]
An die Geeignetheit des Mittels sind strenge Massstäbe anzulegen,
damit nicht nutzlos in fremde Rechtsgüter eingegriffen wird.[39]
Als ungeeignet sind solche Handlungen von vornherein auszuscheiden, durch
welche die Rettungschancen nicht oder nur ganz unwesentlich erhöht
werden.[40]
Das Bezirksgericht Lausanne bejahte im hier besprochenen Fall das Vorliegen
einer nicht anders abwendbaren Gefahr, nachdem es vier in Betracht kommende
Handlungsalternativen als aussichtslos einstufte:[41]
Ungeachtet dessen, ob man die Einschätzung des Bezirksgerichts
Lausannes bezüglich der alternativen Handlungsmöglichkeiten
teilt, ist dessen Argumentation in einem entscheidenden Punkt zu
bemängeln: Es wird nicht klar differenziert zwischen dem Nahziel der
Klimaaktivisten, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Problematik
des Klimawandels und Investitionen der Crédit Suisse in fossile
Brennstoffe zu lenken, und dem Endziel, die Erderwärmung auf
höchstens 1.5°C über dem vorindustriellen Niveau zu
begrenzen bzw. einen dramatischen Klimawandel und die damit verbundenen
Beeinträchtigungen von Individualrechtsgütern (vgl. oben II.B.)
zu verhindern.[42]
Rechtlich gesehen kann im Lichte des Art. 17 StGB nur Letzteres
relevant sein; zu fragen ist somit, ob die vorliegende Protestaktion
geeignet und das mildeste Mittel war, die vom Klimawandel ausgehende Gefahr
für Rechtsgüter des Einzelnen (zumindest teilweise) abzuwehren.
Das kann im hier besprochenen Fall aber nicht als nachgewiesen gelten.
Selbst wenn eine verständige Drittperson in der Lage der Aktivisten
davon ausgehen konnte, dass die Aktion geeignet war, ein grosses Medienecho
auszulösen und vielleicht sogar eine Stellungnahme von Roger Federer
zu veranlassen, so war auch klar, dass damit das Klimaproblem bei Weitem
nicht gelöst wäre. Es genügt nicht zu sagen, dass man mit
einer Sensibilisierungsaktion vielleicht einen Bruchteil eines Promilles
näher an die Lösung der globalen Klimafrage herankomme - eine
solche Argumentation führt ins Grenzenlose. Das Notstandserfordernis
der Eignung ist im vorliegenden Fall somit nicht erfüllt.[43]
Dies dürfte auch bei anderen Klima-Protestaktionen regelmässig
der Fall sein: Ein Tropfen auf den heissen Stein genügt den
Anforderungen der Eignung des Tatverhaltens zur Gefahrenabwehr nicht.[44]
4. Zwischenfazit
Aufgrund des vorstehend Dargelegten ist davon auszugehen, dass bei
Straftaten, die im Rahmen von Klima-Protestaktionen begangen werden, die
Anwendung des rechtfertigenden Notstands im Sinne von Art. 17 StGB regelmässig am
Erfordernis der Eignung des Tatverhaltens zur Abwehr der Gefahr scheitert.
Ferner wird in diesen Fällen eine Entschuldigung oder Strafmilderung
wegen entschuldbaren Notstands (Art. 18 StGB) am gleichen
Erfordernis scheitern, da auch Art. 18 StGB eine «nicht
anders abwendbare Gefahr» bzw. eine zur Gefahrenabwehr geeignete und
erforderliche Notstandshandlung voraussetzt.[45]
III. Aussergesetzlicher Notstand
Zur Wahrung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, welche durch seine
Beschränkung auf Individualrechtsgüter nicht von Art. 17 StGB erfasst werden (vgl.
oben II.A.), wird ein «aussergesetzlicher Notstand» (auch
«übergesetzlicher Notstand» genannt[46]) diskutiert.[47]
Der mögliche Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes wird von
seinen Befürwortern allerdings stark begrenzt, nämlich auf den
Schutz der «Lebensinteressen des Staats», den höchsten
Gütern eines Landes, wie seinem Bestand, seiner Unabhängigkeit,
territorialen Integrität usw.[48]
Des Weiteren wird die Einhaltung der anderen Voraussetzungen des
rechtfertigenden Notstandes nach Art. 17 StGB verlangt.[49]
Schliesslich wird vielfach betont, dass Private von vornherein nicht befugt
sind, «für den Staat» zu handeln,[50]
sie sich also auf den aussergesetzlichen Notstand nicht berufen
können.[51]
Teilweise wird diese letzte Aussage allerdings dahingehend relativiert,
dass privates Handeln zur Wahrung der höchsten Güter des Staates
jedenfalls absolut subsidiär zum Eingreifen der zuständigen
Behörde erfolgen müsse, damit eine Rechtfertigung in Betracht
kommt.[52]
Ein solcher aussergesetzlicher Notstand vermag die Klimaaktivisten im
vorliegend besprochenen Fall nicht zu entlasten. Selbst wenn man Klima- und
Umweltschutz als Rechtsgüter der Allgemeinheit betrachten würde,[53]
welche zu den «vitalen Interessen» des Staates gehören, oder
man im Klimawandel eine unmittelbare Gefahr für den Bestand des
Gemeinwesens erblicken würde, und man sich weiter wie das
Bezirksgericht Lausanne auf den Standpunkt stellen würde, dass der
Staat zum Schutz dieser Güter weitgehend untätig bleibe und ein
Einschreiten durch Private folglich nicht a priori ungerechtfertigt sei,[54]
so sind die weiteren Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands, wie
namentlich die Eignung der Notstandstat zur Abwendung der Gefahr für
das Erhaltungsgut, nicht erfüllt (vgl. oben II.C.). Eine
Rechtfertigung gestützt auf den aussergesetzlichen Notstand
dürfte deshalb auch bei anderen im Zusammenhang mit Klimaprotesten
begangenen Straftaten nicht einzuräumen sein.
IV. Wahrnehmung berechtigter
Interessen
Ein weiterer aussergesetzlicher Rechtfertigungsgrund, die «Wahrnehmung
berechtigter Interessen» (auch «Wahrung berechtigter
Interessen» genannt), findet in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
durchwegs Anerkennung.[55]
Das Bundesgericht räumt jedoch ein, dass bei einem
Rechtfertigungsgrund unter diesem Titel die Gefahr besteht, «dass
unter pauschaler Berufung auf schutzbedürftige private oder
öffentliche Interessen der strafrechtliche Rechtsgüterschutz
ausgehöhlt und unterlaufen werden könnte».[56]
Voraussetzung für den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung
berechtigter Interessen ist daher grundsätzlich, dass zuvor der
Rechtsweg mit legalen Mitteln beschritten und ausgeschöpft worden ist.[57]
Im Übrigen wird - in Angleichung an die Erfordernisse des
rechtfertigenden Notstands - verlangt, dass «die Tat ein notwendiges
und angemessenes Mittel ist, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen, sie
insoweit den einzig möglichen Weg darstellt und offenkundig weniger
schwer wiegt als die Interessen, welche der Täter zu wahren
sucht».[58]
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind strenge Massstäbe
anzulegen:[59]
«Essa deve essere interpretata restrittivamente con esigenze
particolarmente severe per quanto concerne la valutazione della
sussidiarietà e della proporzionalità.»[60]
Endlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Berufung auf
die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht möglich, wenn das
geltende Recht einen Konflikt schon abschliessend entschieden hat.[61]
Unklar bleibt nach der bundesgerichtlichen Definition, was ein berechtigtes
Ziel darstellt. Im Schrifttum hat man versucht, die Fälle, in denen
das Bundesgericht die Wahrnehmung berechtigter Interessen immerhin erwog,
auf einen
gemeinsamen Nenner zu bringen. Demnach geht es bei der Wahrnehmung
berechtigter Interessen um die Ausübung verfassungsmässig
garantierter Freiheitsrechte sowie die Herstellung sozial erwünschter
und gebilligter Zustände auf Kosten der Beeinträchtigung anderer
Interessen.[62]
Mit anderen Worten erscheint ein Ziel jedenfalls dann als berechtigt, wenn
es sozial erwünscht oder grundrechtlich geschützt ist.[63]
Um die Regelung des Art. 17 StGB
nicht zu unterlaufen bzw. eine Abgrenzung zum aussergesetzlichen Notstand
zu verunmöglichen, ist nach Stratenwerth[64]
weiter die Anwendung des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung
berechtigter Interessen auf konkret bedrohte, schon bestehende
Rechtsgüter des Einzelnen oder der Allgemeinheit ausgeschlossen.
Ansonsten könne «wohl jedes schutzwürdige private oder
öffentliche Interesse in Betracht kommen».
Im hier besprochenen Fall ist zunächst fraglich, worin das
wahrgenommene berechtigte Interesse liegen soll. Etwa in der Vermeidung
eines dramatischen Klimawandels? Hier scheitert es jedoch am Kriterium der
Eignung bzw. Notwendigkeit der Tat zur Wahrnehmung des berechtigten Ziels
(vgl. oben II.C.).[65]
Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man das berechtigte Interesse in der
Informierung der Öffentlichkeit über die Problematik des
Klimawandels und Investitionen der Bank in fossile Brennstoffe erblicken
will: Erlaubte Demonstrationen, Zeitungsanzeigen und Medienkampagnen
können diesen Anliegen ebenso Gehör verschaffen; hier gilt es,
die restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichts zu beachten, welche
besonders strenge Anforderungen an die Voraussetzungen der
Subsidiarität und Verhältnismässigkeit stellt. Schliesslich
fällt die Verhinderung klimaschädlicher Investitionen und
Finanzierungen durch die Bank bzw. andere Finanzmarktakteure nicht unter
die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Denn diesbezüglich kann nicht
gesagt werden, die politischen und rechtlichen Möglichkeiten seien
ausgeschöpft worden. Den Klimaaktivisten steht es zusätzlich zu
den genannten Manifestationsmöglichkeiten beispielsweise offen, eine
Volksinitiative zu lancieren, um die Wirtschaftsfreiheit am Schweizer
Finanzmarkt bezüglich solchen Investitionen und Finanzierungen[66]
einzuschränken. Selbst wenn man dem entgegenhalten wollte, dass ein
solches Vorgehen
einige Zeit in Anspruch nehmen würde und der Zeitfaktor vorliegend
eine wesentliche Rolle spielt,[67]
wird eine Rechtfertigung mangels Geeignetheit der Tat zur Erreichung des
besagten Ziels scheitern müssen.
Es bleibt das Interesse der Aktivisten an der Ausübung der Meinungs-
und Versammlungsfreiheit, deren Schutzbereiche im besprochenen Fall
eröffnet sind. Zwar könnte dies im Hinblick auf Art. 22 BV mit der Begründung
bestritten werden, dass gegen Straftatbestände verstossende
Versammlungen nicht friedlich seien und deshalb aus dem Schutzbereich der
Bestimmung von vornherein herausfielen. Doch ist Unfriedlichkeit nicht mit
Rechtswidrigkeit gleichzusetzen, sondern nur dann anzunehmen, wenn die
Veranstalter oder die Teilnehmer Gewaltakte gegen Leib, Leben, Freiheit
oder Eigentum Dritter beabsichtigen,[68]
was vorliegend nicht der Fall war.
Allerdings unterliegen die Grundrechte der Meinungs- wie der
Versammlungsfreiheit der Beschränkung durch Gesetze (Art. 36 BV), also auch durch
Strafgesetze. Will man trotzdem zu einer Wahrnehmung berechtigter
Interessen, gestützt auf die Ausübung verfassungsmässig
garantierter Freiheitsrechte kommen, so muss man auf das Prinzip
zurückgreifen, wonach die beschränkenden Gesetze im Lichte der
Grundrechte auszulegen sind, sodass eine Abwägung zwischen Grundrecht
und Strafgesetz stattzufinden hat.[69]
Das Ergebnis der Abwägung wird im vorliegenden Fall freilich gegen
eine Rechtfertigung ausfallen müssen. Denn die Freiheit des Einzelnen
endet dort, wo das Recht des anderen beginnt.[70]
Dem Interesse der Aktivisten an der Ausübung der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit stehen nebst öffentlichen Interessen das
Interesse der Bank am ungestörten Geschäftsbetrieb und die
(strafrechtlich geschützte) Freiheit, selbst zu bestimmen, wer sich in
den Filialräumlichkeiten aufhalten darf (sog. Hausrecht),
gegenüber. Im Übrigen muss der Schutz der Rechte der Bank auch
vor dem Hintergrund der staatlichen Schutzpflichten gesehen werden.
Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass bewusste Normverletzungen
als Mittel einer Minderheit, auf den öffentlichen
Willensbildungsprozess einzuwirken, mit den Grundprinzipien des
demokratischen Rechtsstaates schlechterdings unvereinbar sind.[71]
Andernfalls wäre ja nicht einmal das Wegtragen der Aktivisten durch
die Polizei zulässig, sondern würde als rechtswidriger Angriff
deren Notwehrrecht begründen; denn auch der Widerstand
gegen polizeiliche Anordnungen müsste dadurch neutralisiert werden.[72]
Darin läge eine Selbstaufgabe der Demokratie, ein Verzicht auf die
Durchsetzung der Mehrheitsregel, der rechtlich unmöglich ist.[73]
Somit vermag auch der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter
Interessen - ungeachtet seiner fraglichen Legitimation und Tragweite
überhaupt[74]
- in diesem und ähnlichen Fällen keine Rechtfertigung
herbeizuführen.
V. Zur Möglichkeit des Absehens von der Strafe
Mit der Erkenntnis, dass in Fällen der vorliegenden Art weder
strafgesetzliche Notstandsinstitute noch aussergesetzliche,
notstandsähnliche Rechtfertigungsgründe die
Unrechtmässigkeit der verübten Straftaten auszuschliessen
vermögen, ist die strafrechtliche Problematik aber noch nicht
gelöst. Denn es ist eine Frage, ob man im Rahmen von Klimaprotesten
begangene Straftaten für rechtmässig erklärt, und eine
andere, ob man sie in jedem Fall bestrafen muss.
Der schweizerische Gesetzgeber hat, um Fälle relativ unbedeutender
Verhaltensweisen, welche die Schwere und Härte einer Strafe nicht
verdienen, den Strafbefreiungsgrund des fehlenden Strafbedürfnisses (Art. 52 StGB) geschaffen.[75]
Dessen Anwendung setzt zunächst geringfügige Schuld und Tatfolgen
voraus. Ausserdem ist erforderlich, dass spezial- oder
generalpräventive Strafzwecke eine Bestrafung nicht notwendig machen.[76]
Die erste Voraussetzung des Art. 52 StGB, das Vorliegen
geringfügiger Schuld, ist in Fällen wie im besprochenen
zweifellos erfüllt. Denn die Schuld ist in zweifacher Weise
gegenüber dem Regelfall der Straftat drastisch reduziert. Erstens ist
schon objektiv das Unrecht und damit die seiner vorsätzlichen
Verwirklichung entsprechende Schuld gering. Zweitens ist auch subjektiv die
schuldrelevante Motivation der Täter gemeinwohlorientiert, so dass der
gleichwohl zu missbilligende Gesetzesverstoss nur eine sehr geringe
«Vorwerfbarkeit» übrig lässt.
Des Weiteren kann auch die Geringfügigkeit der Tatfolgen als gegeben
betrachtet werden, nämlich unter dem Aspekt der
«Wertungskongruenz». Denn die vorliegenden Auswirkungen der Tat
divergieren beträchtlich von denjenigen, die der Gesetzgeber als
schwere Tatfolgen vor Augen hatte (Tod und schwere Körperverletzung).[77]
Schliesslich ist in Fällen der vorliegenden Art eine Bestrafung weder
spezial- noch generalpräventiv erforderlich. Spezialpräventiv
nicht, weil die Klimaaktivisten um das Gemeinwohl besorgte Bürger und
keine «Verbrecher» sind,[78]
und weil
sozialpolitisch die Missbilligung des Regelverstosses durch Beharren auf
seine Rechtswidrigkeit (mit der Folge einer
etwaigen Schadenersatzpflicht) genügt. Eine weitere Missbilligung
durch die Verhängung einer Strafe (mit der
Konsequenz eines Strafregistereintrags, Art. 366 Abs. 2 lit. a StGB) ist
spezialpräventiv kontraindiziert, weil sie geeignet ist, die
Täter in eine Radikalisierung zu treiben, die sie dazu führen
könnte, von symbolischen Regelverstössen zu wirklich kriminellen
Verhaltensweisen überzugehen. Eine Bestrafung ist ferner unter dem
Gesichtspunkt der Generalprävention nicht erforderlich, weil es in
ihrer heute herrschenden Form nicht um Abschreckung, sondern vor allem um
soziale Konfliktbereinigung geht,[79]
die in geringfügigen Fällen wie vorliegend besser durch einen
Strafverzicht als durch eine Bestrafung zu erreichen ist.
Somit ist Fällen wie dem vorliegenden gestützt auf Art. 52 StGB von einer Bestrafung
abzusehen. Es erscheint allerdings notwendig, die vorstehenden
Ausführungen noch zu präzisieren und einen Verzicht auf Strafe
bei solchen Klima-Protestaktionen nur zuzulassen, wenn:
[1]
Vgl. nachfolgend Fn. 2-5. Zu beachten ist, dass die verschiedenen
Rechtsordnungen den Notstand an unterschiedliche Voraussetzungen
knüpfen und diesem eine andere dogmatische Stellung
einräumen können als dies im hiesigen Strafbarkeitsaufbau
der Fall ist (vgl. etwa zum Notstand im US-amerikanischen Recht
Jochen Etzel, Notstand und Pflichtenkollision im amerikanischen
Strafrecht, Diss. Freiburg i.Br. 1993, S. 41 ff., 95 ff., 120 ff.;
Sybille Marti, Rechtsvergleichendes über den rechtfertigenden
Notstand - Die Schweiz, Deutschland und die U.S.A. im Vergleich,
in: Martino Mona/Kurt Seelmann (Hrsg.), Grenzen des
rechtfertigenden Notstands, Zürich 2006, S. 41 ff., 52 ff.;
Niklaus Schmid, Strafverfahren und Strafrecht in den Vereinigten
Staaten: eine Einführung, 2. Aufl., Heidelberg 1993, S. 216
ff.).
[2]
Urteil des Columbia County District Court (Oregon, USA) 77-246 ff.
vom 16. Dezember 1977 (State v. Mouer); Robert
Aldridge/Virginia Stark, Nuclear War, Citizen Intervention, and the
Necessity Defense, Santa Clara Law Review 1986, S. 299 ff., 310 f.;
Lance N. Long/Ted Hamilton, Case Comment - Washington v. Brockway:
One Small Step Closer to Climate Necessity, McGill Journal of
Sustainable Development Law, 2017, S. 151 ff., 159; dies., The
Climate Necessity Defense: Proof and Judicial Error in Climate
Protest Cases, Stanford Environmental Law Journal 2019, S. 57 ff.,
74 f.
[3]
Urteil des Northampton County District Court (Massachusetts, USA)
vom 15. April 1987, zit. in: Matthew L. Wald, «Amy Carter Is
Acquitted Over Protest», The New York Times Nr. 47,111 vom 16.
April 1987, S. 17.
[4]
Urteil der Sala Penal de Apelaciones Transitoria y Liquidadora de
Bagua (Bagua, Peru) 00194-2009 (0163-2013) vom 22. September 2016;
Urteil des Juzgado Mixto de la provincia de Datém del
Marañón (Loreto, Peru) 2008-00109-0-1903-SP-PE-2 vom 10.
Dezember 2009.
[5]
Urteil des Criminal Court of the City of New York (New York, USA)
571 N.Y.S.2d 851 ff. vom 14. März 1991 (People v. Gray); John Alan Cohan, Civil Disobedience and
the Necessity Defense, The University of New Hampshire Law Review,
S. 111 ff., 121; Long/Hamilton, Standford Environmental Law Journal
2019 (Fn. 2), S. 75 f.
[6]
Vgl. Urteil des Washington Supreme Court (Washington, USA) No.
97182-0 vom 4. September 2019 (State v. Ward); Urteil des
Washington Court of Appeals (Washington, USA) No. 77044-6-I vom 4.
August 2019 (State v. Ward); ferner das derzeit
in Washington, USA, laufende Verfahren gegen den Klimaaktivisten
George E. Taylor, den 122 Rechtsprofessoren mit
Eingabe ans Appellationsgericht vom 14. Januar 2020
unterstützt
haben.
[7]
Allein in der NZZ sind in den ersten Wochen nach der Publikation
des Urteils eine ganze Reihe von Beiträgen erschienen, in
denen die durch das Urteil BGL ausgesprochene Anwendbarkeit des
rechtfertigenden Notstands auf den Klimaprotest kontrovers
erörtert wurde, vgl. Antonio Fumagalli, «Ein historisches
Urteil», NZZ Nr. 10 vom 14. Januar 2020, S. 11; dens.,
«Überraschender Sieg für Klimaaktivisten», NZZ
Nr. 10 vom 14. Januar 2020, S. 13; Lucien Scherrer, «Richter
im Aktivistenmodus», NZZ Nr. 11 vom 15. Januar 2020, S. 11;
Hansueli Schöchli, «Das würde zu Chaos
führen», NZZ Nr. 11 vom 15. Januar 2020, S. 13; Daniel
Gerny/Claudia Baer, «Rechtfertigt politischer Protest
Straftaten?», NZZ Nr. 11 vom 15. Januar 2020, S. 13; Antonio
Fumagalli, «Der Richter, der die Klimaaktivisten
freisprach», NZZ Nr. 13 vom 17. Januar 2020, S. 13; Andrea
Kučera, «Der Richter, der alle überrascht»,
NZZaS Nr. 3 vom 19. Januar 2020, S. 9; Martin Rhonheimer, «Der
Aufrechte rechnet mit Strafe», NZZ Nr. 19 vom 24. Januar 2020,
S. 37. Das Urteil hat darüber hinaus international hohe Wellen
geworfen, vgl. stellvertretend Christopher Borucki, Rechter ziet
klimaatverstoring als rechtvaardiging voor burgerlijke
ongehoorzaamheid (Tribunal de police Lausanne 13 januari 2020,
PE19.000742/PCL/LLB), De Juristenkrant 2020, S. 6 f.
[8]
Vgl. die Presseerklärung der
hinter der Protestaktion stehenden «Lausanne Action
Climat» sowie Urteil BGL, S. 25, 27, 31, 34.
[9]
Urteil des Polizeigerichts Genf P/24123/2018 vom 20. Januar 2020.
[10]
Nicht behandelt werden Irrtumskonstellationen wie z.B. der
Putativnotstand oder der indirekte Verbotsirrtum.
Diesbezüglich sei auf die einschlägige Literatur
verwiesen, vgl. stellvertretend Günter Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4.
Aufl., Bern 2011, § 10 N 112 ff.
[11]
Vgl. Ioanna Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver
Rechtsgüter, Diss. München 2005, S. 28; Roland Hefendehl,
Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, Habil. München,
Köln et al. 2002, S. 19.
[12]
Vgl. Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen,
Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des
Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das
Jugendstrafrecht, BBl 1999 1979 ff., S.
2006; Carl Stooss, Bericht über den Vorentwurf zu einem
Schweizerischen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen der
Expertenkommission, Bern 1899, S. 45 f.; ders., Motive zu dem
Vorentwurf eines Schweizerischen Strafgesetzbuches, Basel/Genf
1893, S. 32 ff.; vgl. ferner zum StGB vor der AT-Revision 2002
Philipp Thormann/Alfred v. Overbeck, Das Schweizerische
Strafgesetzbuch, Bd. I, Zürich 1940, Art. 34 N 5 ff.; zur
Entwicklung des ersten StGB von 1937 Ernst Brägger, Der
Notstand im Schweizerischen Strafrecht, Diss. Bern, Aarburg 1937,
S. 93 ff.; Ernst Hafter, Lehrbuch des Schweizerischen Strafrechts,
Allgemeiner Teil, Berlin 1926, S. 147 f.
[13]
Gunther Arzt, Kleiner Notstand bei kleiner Kriminalität?, in:
Andreas Donatsch/Niklaus Schmid (Hrsg), Strafrecht und
Öffentlichkeit, Festschrift für Jörg Rehberg zum 65.
Geburtstag, Zürich 1996, S. 25 ff., 29 ff.; Helmut Frister,
Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl., München 2018, 16. Kap.
N 6, 17. Kap. N 2; anders Walter Perron, in: Albin Eser et al.
(Hrsg.), Strafgesetzbuch, Schönke/Schröder Kommentar, 30.
Aufl., München 2019, § 34 N 10 (zit. S/S-K dStGB-Autor).
[14]
BGE 94 IV 68
E. 2; Arzt (Fn. 13), S. 29 ff.; Anna Coninx, Das
Solidaritätsprinzip im Lebensnotstand, Diss. Bern 2012, S.
249; Andreas Donatsch, in: Andreas Donatsch (Hrsg.), StGB - JStG -
Kommentar, 20. Aufl., Zürich 2018, Art. 17 N 2 (zit. OFK
StGB-Autor); ders./Brigitte Tag, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 9.
Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, S. 239 f.; Michel Dupuis et
al., CP, Code pénal, Petit commentaire, 2. Aufl., Basel 2017,
Art. 17 N 13; Philippe Graven/Bernhard Sträuli, L'infraction
pénale punissable, 2. Aufl., Bern 1995, N 93; José
Hurtado Pozo/Thierry Godel, Droit pénal général, 3.
Aufl., Zürich/Basel/Genf 2019, N 714; Nikolai Iwangoff, Die
Duldungspflichten im rechtfertigenden Notstand, Diss. Basel,
Basel/Genf/München 2009, S. 13 f., 131 ff.; Gilles Monnier,
in: Robert Roth/Laurent Moreillon (Hrsg.), Code pénal I,
Commentaire romand, Basel 2009, Art. 17 N 13 (zit. CR CP I-Autor);
Marcel Alexander Niggli/Carola Göhlich, in: Marcel Alexander
Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht, Basler
Kommentar, Bd. I, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 17 N 5 (zit. BSK StGB
I-Autor); Umberto Pajarola, Gewalt im Verhör zur Rettung von
Menschen, Diss. Zürich, Bern et al. 2007, S. 297; Franz
Riklin, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I,
Verbrechenslehre, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2007, § 14
N 45; Grace Schild Trappe, Verkehrsregelverletzungen und
Notstandslage, in: Assista TCS SA (Hrsg.), Collezione Assista, Genf
1998, S. 640 ff., 644 ff.; dies./Felix Schöbi, Not kennt kein
Gebot beim Hausfriedensbruch?, Jusletter 11. Mai 2020, N 16; Hans
Schultz, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts,
Bd. I, 4. Aufl., Bern 1982, S. 164; Kurt Seelmann/Christopher Geth,
Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Basel 2016, N 162;
Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 41; Stefan Trechsel/Christopher
Geth, in: Stefan Trechsel/Mark Pieth (Hrsg.), Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen
2018, Art. 17 N 4 (zit. PK StGB-Autor); Stefan Trechsel/Peter
Noll/Mark Pieth, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, 7.
Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017, S. 116; Wolfgang Wohlers, in:
Wolfgang Wohlers/Gunhild Godenzi/Stephan Schlegel (Hrsg.),
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl., Bern
2020, Art. 17 N 3 (zit. HK StGB-Autor); anders O.A. Germann, Das
Verbrechen im neuen Strafrecht, Zürich 1942, Art. 34 N 1/5;
sowie offenbar (laut Donatsch/Tag [Fn. 14], S. 239, wohl
unbeabsichtigt) BGE 106 IV 65 E. 4.
[15]
Urteil BGL, S. 49, E22. 4.1, S. 55, E. 4.2, im Anschluss an CR CP
I-Monnier (Fn. 14), Art. 17 N 13. Die Aussage findet sich zudem bei
Dupuis et al. (Fn. 14), Art. 17 N 13.
[16]
Vgl. Frister (Fn. 13), 17. Kap. N 2; Arnaud Nussbaumer,
L'aquittement des activistes du climat à Lausanne, in: lawinside; Max Waiblinger,
SJK 1958, Nr. 1205, Ziff. 7. Das hängt damit zusammen, dass
die Güter des Individuums stets auch mittelbar der
Allgemeinheit, und die Güter der Allgemeinheit stets mittelbar
dem Einzelnen dienen (Knut Amelung, Rechtsgüterschutz und
Schutz der Gesellschaft, Diss. Göttingen, Frankfurt a.M. 1972,
S. 207 ff., 388 ff.; Anastasopoulou [Fn. 11], S. 40; Winfried
Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, Habil. Frankfurt
a.M. 1973, S. 231 ff.; Hefendehl [Fn. 11], S. 60 ff.).
[17]
Urteil BGL, S. 54 f., E. 4.2.
[18]
Vgl. zur im Schrifttum um das Rechtsgut «Umwelt»
geführte Kontroverse die Nachweise bei Jürg-Beat
Ackermann/Kerstin Schröder Bläuer, in: Marcel Alexander
Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht, Basler
Kommentar, Bd. II, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 230bis N 3
(zit. BSK StGB II-Autor). Eine selbstständige Erörterung
dieser Frage muss hier ausgespart blieben, um den angemessenen
Rahmen nicht zu sprengen.
[21]
Vgl. Ove Hoegh-Guldberg et al., Chapter 3, Impacts of 1.5°C
Global Warming on Natural and Human Systems, in: Valérie
Masson-Delmotte et al. (Hrsg.), Global Warming of 1.5°C, An
IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C
above pre-industrial levels and related global greenhouse gas
emission pathways, in the context of strengthening the global
response to the threat of climate change, sustainable development,
and efforts to eradicate poverty, Genf 2018, S. 175 ff., 240 ff.,
263 m.w.N.
[22]
Vgl. Urteil des Obergerichts Obwalden vom 12. März 2002, in: AbR 2002/03 Nr. 25 E.
2.a/c/aa/aaa; Dupuis et al. (Fn. 14), Art. 17 N 6;
Graven/Sträuli (Fn. 14), N 90; Hurtado Pozo/Godel (Fn. 14), N
708; CR CP I-Monnier (Fn. 14), Art. 17 N 6; PK StGB-Trechsel/Geth
(Fn. 14), Art. 17 N 3.
[23]
Vgl. Günther Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl.,
Berlin/New York 1991, 13. Abschn. N 12; Kristian Kühl,
Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., München 2017, § 8
N 40; Florian Richter, Rechtfertigender Notstand zur Erhaltung von
Arbeitsplätzen?, Diss. München, Berlin et al. 2019, S.
288.
[24]
Donatsch/Tag (Fn. 14), S. 241; Dupuis et al. (Fn. 14), Art. 17 N 6;
Graven/Sträuli (Fn. 14), N 91; Iwangoff (Fn. 14), S. 12; CR CP
I-Monnier (Fn. 14), Art. 17 N 6; Seelmann/Geth (Fn. 14), N 162;
Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 42; PK StGB-Trechsel/Geth (Fn.
14), Art. 17 N 3; Trechsel/
Noll/Pieth (Fn. 14), S. 115.
[25]
Brägger (Fn. 12), S. 142; Coninx (Fn. 14), S. 264 ff.; Anton
Eberle, Die Bedeutung der Selbsthilfe im Strafrecht, Diss. Bern
1951, S. 51; Iwangoff (Fn. 14), S. 13 ff.; Martino Mona/
Nicolas Leu, Tücken der Notwehr - Abirrungen, Irrtümer
und allerlei Gefahren für unbeteiligte Dritte bei
Notwehrhandlungen, recht 2011, S. 175 ff., 186; BSK StGB
I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), Art. 17 N 11; Seelmann/Geth (Fn.
14), N 163; PK StGB-Trechsel/Geth (Fn. 14), Art. 17 N 3.
[26]
Vgl. BGE 125 IV 49 E. 2; BGE 122 IV 1 E. 3; BGE 98 IV 5; BGE 75 IV 49; Iwangoff
(Fn. 14), S. 16; BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), Art. 17 N
14; Seelmann/Geth (Fn. 14), N 164; Stratenwerth (Fn. 10), § 10
N 42; PK StGB-Trechsel/
Geth (Fn. 14), Art. 17 N 5.
[27]
Michael Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, Berlin/New York 2002,
S. 177; S/S-K dStGB-Perron (Fn. 13), § 34 N 17; Richter (Fn.
23), S. 289 f.
[28]
Urteil BGL, S. 50, E. 4.2.
[29]
Vgl. die Nachweise in Fn. 21; ferner Myles R. Allen et al., Chapter
1, Framing and Context, in: Masson-Delmotte et al. (Fn. 21), S. 49
ff., 51, 66; Heleen de Coninck et al., Chapter 4, Strengthening and
Implementing the Global response, in: Masson-Delmotte et al. (Fn.
21), S. 313 ff., 319; Ove Hoegh-Guldberg et al. (Fn. 21), S. 177,
276 f.; Joeri Rogerlj et al., Chapter 2, Mitigation Pathways
Compatible with 1.5°C in the Context of Sustainable
Development, in: Masson-Delmotte et al. (Fn. 21), S. 93 ff., 142, 146; je m.w.N.
[30]
Vgl. die Nachweise in Fn. 21 und 29.
[32]
Linda Koponen/Larissa Rhyn, Die Gefahr lauert im Berg, NZZ Nr. 264
vom 13. November 2019, S. 14 f.
[33]
Vgl. die Nachweise in Fn. 21 und 29.
[34]
Urteil BGL, S. 7 ff.
[35]
Urteil BGL, S. 51 f., 54.
[36]
Dass die Schäden - namentlich klimabedingte
Beeinträchtigungen der Gesundheit bis hin zum Tode, die
Zerstörung von Fahrnis- und Immobilieneigentum usw. - erst in
der (näheren oder ferneren Zukunft) eintreten, steht der
Unmittelbarkeit der Gefahr nicht entgegen, geht es doch nur darum,
ob ein sofortiges Handeln erforderlich ist, um den zukünftig
drohenden Schaden abzuwenden.
[37]
Vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_495/2016 vom 16.
Februar 2017 E. 2.2.2; Donatsch/Tag (Fn. 14), S. 242 f.; Dupuis et al. (Fn.
14), Art. 17 N 8; CR CP I-Monnier (Fn. 14), Art. 17 N 10; BSK StGB
I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), Art. 17 N 16; zum deutschen Recht
S/S-K dStGB-Perron (Fn. 13), § 34 N 18 ff.; Claus Roxin,
Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl., München 2006,
§ 16 N 23.
[38]
Jakobs (Fn. 23), 13. Abschn. N 16; Mona/Leu (Fn. 25), 186 f.;
Seelmann/Geth (Fn. 14), N 166; ähnlich Donatsch/Tag (Fn. 14),
S. 243.
[39]
Frister (Fn. 13), 17. Kap. N 7; Kühl (Fn. 23), § 8 N 80;
Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil (Fn. 37), § 16 N 23; anders
Nussbaumer (Fn. 16).
[40]
Volker Erb, in: Wolfgang Joecks/Klaus Miebach (Hrsg.),
Strafgesetzbuch, Münchener Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl.,
München 2017, § 34 N 91 (zit. MK dStGB-Autor); Kühl
(Fn. 23), § 8 N 81; Mona/Leu (Fn. 25), S. 187; S/S-K
dStGB-Perron (Fn. 13), § 34 N 19;
Richter (Fn. 23), S. 128; Seelmann/Geth (Fn. 14), N 166; Frank
Zieschang, in: Gabriele Cirener et al. (Hrsg.), Strafgesetzbuch,
Leipziger Kommentar, Bd. III, 13. Aufl., Berlin 2019, § 34 N
91 (zit. LK dStGB-Autor); allerdings ist ein Mittel nicht schon
deshalb ungeeignet, weil es den Schaden nicht mit Sicherheit oder
mit hoher Wahrscheinlichkeit abwenden kann (Trechsel/Noll/Pieth
[Fn. 14], S. 116 f.).
[41]
Urteil BGL, S. 52 ff., E. 4.2.
[42]
Vgl. die Stellungnahmen
einiger Beschuldigten anlässlich der Pressekonferenz vom 28.
November 2019; sowie Urteil BGL, S. 25 ff.
[43]
So auch Schild Trappe/Schöbi (Fn. 14), N 17 und 20.
[44]
Vgl. die Nachweise in Fn. 39 f. sowie Jakobs (Fn. 23), 13. Abschn.
N 17: «Ein der Art nach brauchbares, der Menge nach jedoch zu
schwaches Mittel ist ungeeignet; die Gefahr ist so nicht abwendbar;
Beispiel: Ein Handfeuerlöscher ist zur Bekämpfung eines
Großbrands ungeeignet.»
[45]
Vgl. Art. 18 Abs. 1 StGB;
Anna Coninx, Der entschuldigende Notstand zwischen Unrecht und
Schuld, ZStrR 2013, S. 113 ff., 118 f., 122.
[46]
Krit. zu dieser Terminologie BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn.
14), Art. 17 N 6; Schultz (Fn. 14), S. 149 f., 175; vgl. auch
Graven/Sträuli (Fn. 14), N 102.
[47]
Vgl. BGE 94 IV 68 E. 2;
Germann (Fn. 14), vor Art. 32 N 8; Graven/Sträuli (Fn. 14), N
102;
Iwangoff (Fn. 14), S. 144 f.; Horst Schröder, Die Not als
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrund im deutschen und
schweizerischen Strafrecht, ZStrR 1960, S. 1 ff., 12 ff.;
Seelmann/Geth (Fn. 14), N 182; Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N
57 f.; ablehnend BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), Art. 17 N
6.
[48]
Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 58,
m.Verw. auf Reichsgericht in Strafsachen 63, 215, S. 220; vgl. auch
Iwangoff (Fn. 14), S. 144; Waiblinger (Fn. 16), Ziff. 7.
[49]
Seelmann/Geth (Fn. 14), N 182, m.H. auf BGE 94 IV 68 E. 2;
Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 58.
[50]
Eine solche Befugnis kann sich hingegen aus dem Gesetz ergeben, wie
etwa beim strafprozessualen Festnahmerecht Privater gemäss Art. 218 StPO (so auch
Arzt [Fn. 13], S. 29).
[51]
Vgl. Arzt (Fn. 13), S. 29; Iwangoff (Fn. 14), S. 144; BSK StGB I 3-Kurt Seelmann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans
Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht I, Basler Kommentar, 3.
Aufl., Basel 2013, Art. 17 N 15 (zit. BSK StGB I3
-Autor); dens./Geth (Fn. 14), N 182; Waiblinger (Fn. 16), Ziff. 7;
vgl. auch BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), vor Art. 14 N
68, 71.
[52]
Vgl. BSK StGB I3-Seelmann (Fn. 51), Art. 17 N 15;
ders./Geth (Fn. 14), N 182; Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 58;
vgl. auch BGE 129 IV 6 E.
3.1; Waiblinger (Fn. 16), Ziff. 7; vgl. zum deutschen Recht
Hans-Heinrich Jescheck/Thomas Weigend, Lehrbuch des Strafrechts,
Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Berlin 1996, S. 340 f.; Johannes
Wessels/Werner Beulke/
Helmut Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 48. Aufl., Heidelberg
2018, N 459.
[53]
Vgl. zur Kontroverse Fn. 18.
[54]
Vgl. Urteil BGL, S. 54.
[56]
BGE 129 IV 6
E. 3.3; in diesem Sinne auch Arzt (Fn. 13), S. 31; Donatsch/Tag
(Fn. 14), S. 264; Franz Riklin, Zum Rechtfertigungsgrund der
Wahrung (Wahrnehmung) berechtigter Interessen, in: Andreas
Donatsch/Marc Forster/Christian Schwarzenegger (Hrsg.), Strafrecht,
Strafprozessrecht und Menschenwürde, Festschrift für
Stefan Trechsel, Zürich 2002, S. 537 ff., 546.
[62]
Vgl. Donatsch/Tag (Fn. 14), S. 264 ff.; Dupuis et al. (Fn. 14),
Art. 14 N 36; Germann (Fn. 14), vor Art. 32 N 9; CR CP I-Monnier
(Fn. 14), Art. 14 N 55; BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn. 14),
vor Art. 14 N 66; Peter Noll, Die Rechtfertigungsgründe im
Gesetz und in der Rechtsprechung, ZStrR 1964, S. 160 ff., 188;
dens., Tatbestand und Rechtswidrigkeit: Die Wertabwägung als
Prinzip der Rechtfertigung, ZStW 1965, S. 1 ff., 32; Riklin (Fn.
14), § 14 N 70; Seelmann/Geth (Fn. 14), N 183; Stratenwerth
(Fn. 10), § 10 N 59 ff.; PK StGB-Trechsel/Geth (Fn. 14), Art.
14 N 13; Trechsel/Noll/Pieth (Fn. 14), S. 134.
[63]
In diesem Sinne auch Albin Eser, Wahrnehmung berechtigter
Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, Bad Homburg
v.d.H./Berlin/Zürich 1969, S. 44 f.; enger (beides
kumulativ verlangt) Noll, ZStrR (Fn. 62), S. 188.
[64]
Stratenwerth (Fn. 10), § 10 N 57 ff., 60 f.; vgl. auch
Iwangoff (Fn. 14), S. 143; HK StGB-Wohlers (Fn. 14), Art. 17 N 11.
[65]
Zudem müssten, damit nach Stratenwerth überhaupt ein
berechtigtes Ziel vorliegt, der Klima- und Umweltschutz nicht
bereits (konkret bedrohte, schon existierende) Rechtsgüter
darstellen, da ansonsten einzig der (aussergesetzliche) Notstand
einschlägig wäre.
[66]
Gegenwärtig setzt der Bundesrat bei der Zielerreichung, die
Finanzflüsse klimaverträglich auszugestalten, in einem
ersten Schritt auf freiwillige Massnahmen der
Finanzmarktakteure. Sollten freiwillige Massnahmen und gesteigerte
Transparenz jedoch ungenügende Wirkung zeigen, wird der
Bundesrat weitere Massnahmen zur Zielerreichung in Betracht ziehen
(vgl. Botschaft vom 1. Dezember 2017 zur Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020, BBl 2018 247 ff., S. 249,
260, 269 f.; Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Mai 2019 zur
Interpellation von Beat Vonlanthen
19.3230; vgl. ferner Mirjam Eggen, Klimaverträgliche
Finanzflüsse, Jusletter 16. März 2020, N 6; Rolf H.
Weber/Andreas Hösli, Der Klimawandel und die
Finanzmärkte, GesKR 2019, S. 574 ff., 580 f.). Im Zusammenhang
mit Regulierungsbemühungen, vgl. Geschäft des Bundesrates
17.071, Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020.
[68]
Vgl. BGE 132 I 256 E. 3;
Christoph Errass, in: Bernhard Ehrenzeller et al. (Hrsg.), Die
schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl.,
Zürich et al. 2014, Art. 22 N 19 ff. (zit. SGK BV-Autor); Maya
Hertig, in: Bernhard Waldmann/Eva Maria Belser/Astrid Epiney
(Hrsg.), Bundesverfassung, Basler Kommentar, Basel 2015, Art. 22 N
8 m.w.H. (zit. BSK BV-Autor); vgl. auch Urteil des EGMR 29225/95 vom 2. Oktober
2001 (Stankov and the United Macedonian Organisation Ilinden v.
Bulgaria); Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts 73, 206, S. 248 f.
[69]
Vgl. BGE 134 IV 216 E.
5.2.2 und 5.3; BGE 127 IV 166 E. 2g; BGE 118 IV 153 E. 4c; BGE 116 IV 31 E. 5a/bb; BGE 106 Ia 33 E. 2 und 3;
Patricia Egli, Drittwirkung von Grundrechten, Diss. Zürich
2002, S. 193; BSK BV-Epiney (Fn. 68), Art. 190 N 22; BSK BV-Hertig
(Fn. 68), Art. 22 N 34; Regina Kiener/Walter Kälin,
Grundrechte, 2. Aufl., Bern 2013, S. 44; in Deutschland (vgl.
Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts 7, 198) als
«Wechselwirkungstheorie» bezeichnet.
[70]
Vgl. Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, Königsberg
1797, passim.; § 83 Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794, Einleitung; Art. 4
Déclaration des droits de l'homme et du citoyen vom 26. August
1789.
[71]
S/S-K dStGB-Perron (Fn. 13), § 34 N 41a; in diesem Sinne auch BGE 129 IV 6 E. 3.1;
Ulrich Karpen, «Ziviler Ungehorsam» im demokratischen
Rechtsstaat, JZ 1984, S. 249 ff., 259, 262; ähnlich Claus
Roxin, Strafrechtliche Bemerkungen zum zivilen Ungehorsam, in:
Peter-Alexis Albrecht et al. (Hrsg.), Festschrift für Horst
Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag, Köln et al. 1993,
S. 441 ff., 446, 448.
[72]
So auch Schild Trappe/Schöbi (Fn. 14), N 10 f.
[73]
Vgl. Roxin, Strafrechtliche Bemerkungen (Fn. 71), S. 448.
[74]
Vgl. BSK StGB I-Niggli/Göhlich (Fn. 14), vor Art. 14 N 67 ff.
[76]
Vgl. BSK StGB I-Riklin (Fn. 14), Art. 52 N 26; Günter
Stratenwerth/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner
Teil II: Strafen und Massnahmen, 3. Aufl., Bern 2020, § 6 N 5;
PK StGB-Trechsel/Keller (Fn. 14), Art. 52 N 2b.
[78]
In Anlehnung an Horst Schüler, Strafrechtliche Aspekte zivilen
Ungehorsams, in: Peter Glotz (Hrsg.), Ziviler Ungehorsam im
Rechtsstaat, Frankfurt a.M. 1983, S. 76 ff., 82.
[79]
Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil (Fn. 37), § 3 N 27;
Stratenwerth (Fn. 10), § 2 N 23.
[80]
Ähnlich Roxin, Strafrechtliche Bemerkungen (Fn. 71), S. 456;
ders. (Fn. 37), § 22 N 133.