Feuer und Flamme für Brandschutzvorschriften

Strafrechtliche Sorgfaltspflichten im Umgang mit Feuergefahren

Marc Thommen / Martina Farag-Jaussi *

Selbstentzündliche Putzmittel, eingeschaltete Herdplatten, Holzofenheizungen mit Funkenaustritt - Brandgefahren sind ein ständiger Begleiter unseres Alltags. Kommt es in Privathaushalten zu einem ungewollten Brand mit Sach- oder Perso­nenschaden, stellt sich die Frage, ob der Tatbestand der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst erfüllt ist. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Voraussetzungen von Art. 222 StGB und beleuchtet kritisch die Herkunft von und Mindestanforderungen an besondere Sorgfaltsnormen.

Zitiervorschlag: Marc Thommen/Martina Farag-Jaussi, Feuer und Flamme für Brandschutzvorschriften, in: sui-generis 2020, S. 132

URL: sui-generis.ch/126

DOI: https://doi.org/10.21257/sg.126

* Marc Thommen (marc.thommen@uzh.ch), Prof. Dr. iur. LL.M. (Cantab), ist Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich. Martina Farag-Jaussi, MLaw, Rechtsanwältin, ist Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Thommen an der Universität Zürich.


I. Einleitung[1]

Möbelpolitur-Fall: X. poliert ihre Möbel zuhause mit einem starken Putzmittel. Die darin getränkten Lappen sowie benutztes Haushaltspapier sammelt sie in einem Plastikeimer ohne Deckel, welchen sie auf dem Holzboden platziert. Das unbeaufsichtigte Material im Eimer entzündet sich von selbst und verursacht einen Brand mit erheblichen Schäden. X. wird in zwei Instanzen wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuers­brunst (Art. 222 StGB) verurteilt. Sie habe § 2 des Brandschutzgesetzes des Kantons Aargau[2] verletzt, wonach jedermann im Umgang mit Wärme, Licht und anderen Energiearten die notwendige Vorsicht walten zu lassen hat, um Brände und Ex­plosionen zu vermeiden. In einer sum­marischen Prüfung stuft das Bundesge­richt das Verhalten von X. mangels Vor­hersehbarkeit der Selbstentzündung als nicht fahrlässig ein.[3]

Herdplatten-Fall: In der Wohnung von Y. ist während ihrer Abwesenheit der Schalter der Herdplatte aus ungeklärten Gründen auf Stufe sechs gedreht. Es kommt zu einem Brand mit massivem Sachschaden. Auf den Herdplatten sind die Überreste einer Fritteuse sowie von Textilien zu erkennen. Y. wird vom Bezirksgericht Laufenburg wegen fahr­lässiger Verursachung einer Feuers­brunst verurteilt, weil sie Art. 3.2 Ziff. 1 der Brandschutzrichtlinie 12-15 der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (VKF)[4] verletzt habe. Diese Bestimmung hält fest, dass Behälter mit brennbaren Gasen sowie andere brennbare Materia­lien von Kochherden so weit entfernt sein müssen, dass keine Brand- oder Explo­sionsgefahr entstehen kann.[5]

Heizungs-Fall: Familie Z. bewohnt ein ehemaliges Bauernhaus mit Holzofenheizung. Infolge eines Überdrucks treten eines Abends Funken oder Flammen aus der (dafür vorgesehenen) Explosionsklappe aus, welche die um die Ecke gelagerten Zeitungen und damit den Heizungsraum in Brand setzen. Der Vater der Familie Z. wird mit Strafbefehl wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst verurteilt.[6] Die Lagerung der brennbaren Materialen verletze Ziff. 7.3 Abs. 3 der (damals geltenden) Brandschutzrichtlinie betreffend wärmetech­nische Anlagen[7], welche festhielt, dass leicht entzündbare Stoffe wie Holzwolle, Stroh oder Papier nicht im Heizraum gelagert werden dürfen.[8]

Brandgefahren sind ein realer Bestandteil unseres Alltags. Wir begegnen ihnen beim Kochen, beim Heizen und sogar bei der Möbelpolitur. Mit der Verwirklichung einer Brandgefahr drohen nicht nur grosse Schäden, sondern auch erhebliche rechtliche Konsequenzen für die Betroffenen. Anhand der eingangs geschilderten Fälle gibt der vorliegende Beitrag zunächst eine Übersicht über die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 222 StGB (II.). Anschliessend ist zu klären, ob die üblicherweise herangezogenen Brandschutzbestimmungen als strafrechtliche Sorgfaltsnormen taugen und welche Anforderungen an die Sorgfaltspflichten im privaten Bereich[9] zu stellen sind (III.). Der Beitrag schliesst mit einer Zusammenfassung (IV.).

II. Verursachung

1. Tathandlung

Den Tatbestand von Art. 222 StGB erfüllt, wer fahrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer Gemein­gefahr eine Feuersbrunst verursacht (Abs. 1). Bringt der Täter fahrlässig Leib und Leben von Menschen in Gefahr, sind die Voraussetzungen des qualifizierten Tatbestandes gemäss Abs. 2 erfüllt. Das Verhalten des Täters muss Ursache für den Erfolgseintritt sein und kann sowohl in einem Tun als auch - bei Vorliegen einer Garantenpflicht - in einer Unterlassung bestehen.[10]

Im Politur-Fall lag die Tathandlung (wohl) darin, dass die Beschuldigte X. das selbstentzündliche Material unbeauf­sichtigt in einem Eimer ohne Deckel auf dem Holzboden hat stehen lassen.[11] Im Kochherd-Fall bestand das aktive Tun nach Ansicht des Gerichts darin, dass eine Fritteuse und Textilien auf dem Herd abgestellt wurden.[12] Im Heizungs-Fall wurde die Strafbarkeit am Lagern von Zeitungspapier in der Nähe der Explosionsklappe der Heizung angeknüpft.[13]

2. Taterfolg

Art. 222 StGB setzt zur Vollendung - gleich wie die vorsätzliche Brandstiftung nach Art. 221 StGB - zwei verschiedene Erfolgseintritte voraus: Das Verursachen einer Feuersbrunst sowie entweder den Schaden eines anderen oder eine Ge­mein­gefahr. Eine Feuersbrunst ist ein Feuer, welches ein solches Ausmass angenom­men hat, dass es vom Urheber nicht mehr beherrscht werden kann.[14] Ein Schaden eines andern gemäss Art. 222 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn eine fremde, d.h. nicht dem Täter gehörende Sache beschädigt wird.[15] Die Versicherung als mittelbar Be­troffene gilt nicht als geschädigt, wenn sie für einen Sachschaden im Eigentum des Täters aufkommen muss.[16] Alternativ zum Erfordernis des Sachschadens kann der Tatbestand auch durch Herbeiführen einer Gemeingefahr für Sachen (Art. 222 Abs. 1 StGB) oder für Personen (Art. 222 Abs. 2 StGB) vollendet werden. Das Bun­desgericht definiert die Gemeingefahr als Zustand, der die Verletzung von Rechts­gütern (Leib, Leben, Eigentum) in einem nicht zum Voraus bestimmten und abge­grenzten Umfang wahrscheinlich macht.[17]

Bei den in der Einleitung geschilderten drei Fällen waren die Erfolgsvorausset­zungen nicht oder nur am Rande Gegen­stand der Erwägungen. Im Möbelpolitur- sowie im Herdplatten-Fall war ein Einsatz der Feuerwehr notwendig, was jeweils das Vorliegen einer Feuersbrunst indiziert.[18] Im Heizungs-Fall platzte «wie durch ein Wunder»[19] eine unter Druck stehende Wasserleitung im Heizungsraum und löschte so das Feuer bis zu seiner Entdeckung am nächsten Morgen vollständig. Ob der Brand für den Urheber unbeherrschbar gewesen wäre, kann an dieser Stelle nicht abschliessend beurteilt werden.

Betreffend das zweite Erfolgserfordernis des Sachschadens bzw. der Gemeingefahr wurde im Möbelpolitur-Fall das Re­staurant des Partners der Beschuldigten zerstört,[20] womit ein Schaden eines anderen vorliegt. Gleiches gilt für den Heizungs-Fall, in welchem Z. und seine Familie das beschädigte Gebäude zur Miete bewohnt haben.[21] Im Herdplatten-Fall ist unklar, ob es sich bei der zerstörten Wohnung um Eigentum der Beschuldigten handelt oder nicht. Da die Wohnung jedoch Teil eines Sechsfamilienhauses war,[22] ist davon auszugehen, dass zumindest eine Gemeingefahr für Sachen vorlag.

3. Kausalität

Beim fahrlässigen Erfolgsdelikt muss der Erfolg natürlich kausal durch das Ver­hal­ten des Täters verursacht worden sein, wobei als Ursache jede Handlung gilt, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg entfiele.[23] Der Nach­weis der Kausalität kann bei Art. 222 StGB in der Praxis vor allem dann Schwie­rigkeiten bereiten, wenn die Brand­ur­sache nicht vollständig geklärt werden kann.[24]

Oft lassen sich die Strafverfolgungsbe­hörden davon jedoch nicht beirren und bejahen die natürliche Kausalität mit pauschalen Behauptungen. Im Heizungs-Fall, wo der Untersuchungsrichter es im Strafbefehl für möglich hielt, dass 1) eine Kartonschachtel durch noch nicht erkaltete Asche oder 2) durch Funkenwurf aus der Explosionsklappe oder dass 3) die um die Ecke gelagerten Zeitungen durch Funkenwurf aus der Explosionsklappe in Brand gesetzt wurden,[25] vermag dies noch halbwegs zu überzeugen. Immerhin entsprechen alle drei möglichen Abläufe dem vorgeworfenen Verhalten, dass brennbares Material im Heizraum gelagert worden ist. Im Herdplatten-Fall demgegenüber hat das zuständige Bezirksgericht festgehalten, dass sowohl offenbleiben könne, wer den Drehschalter des Kochherdes betätigt habe (die Beschuldigte selbst mit Jacke oder Tasche oder deren Hunde) als auch wo und in welcher Entfernung zur Herdplatte sich die gefundenen Gegenstände genau befunden hätten. Damit blieben wesentliche Elemente des Sachverhaltes ungeklärt. Der Verteidiger der Beschuldigten zweifelte den Kausalzusammenhang mit dem berechtigten Einwand an, dass ein Lappen doch ganz verbrannt wäre, wenn er das Feuer ausgelöst hätte.[26] Im Möbelpolitur-Fall demgegenüber war die Brandursache unbestritten und der natürliche Kausalzusammenhang wohl erstellt: Hätte die Beschuldigte nicht das selbstentzündliche Material unbe­aufsichtigt in einen Eimer ohne Deckel auf den Holzboden gestellt, wäre es nicht zum Erfolgseintritt i.S.v. Art. 222 StGB gekommen.[27]

4. Ungewollte Verursachung

Gemäss Art. 12 Abs. 3 Satz 1 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen fahrlässig, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht be­denkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Fahrlässiges Verursachen einer Feuersbrunst bedeutet, dass bereits das Entfachen des Feuers oder spätestens aber die Taterfolge (Feuersbrunst, Gemeingefahr, Schaden) ungewollt sind, d.h. auch nicht in Kauf genommen wurden. Mit dem Wegfallen des voluntativen Elements entfällt der Vorsatz. Ein Vorsatzdelikt stand bei keinem der drei Beispielfälle zur Diskussion.

Auf der kognitiven Seite (Wissen) wird beim Fahrlässigkeitsdelikt danach unter­schieden, ob der Täter den Erfolgseintritt für möglich gehalten, aber auf dessen Ausbleiben vertraut hat (bewusste Fahr­lässigkeit) oder ob er den Erfolgseintritt überhaupt nicht bedacht hat (unbewusste Fahrlässigkeit).[28] Die Frage nach der Voraussicht ist tatsächlicher Natur (Wis­sen) und klar von der normativ zu beur­teilenden Vorherseh barkeit zu trennen (Wissenmüssen), welche erst auf der Ebene der Sorgfaltspflichtverletzung relevant wird (III.2.).

Im Politur-Fall ging es um unbewusste Fahrlässigkeit. Der Betroffenen war (wohl)[29] nicht klar, dass sich Putzmittel spontan entzünden können.[30]

Das Urteil zum Heizungs-Fall äussert sich nicht bezüglich der Klassifizierung der Fahrlässigkeit: Bewusste Fahrlässigkeit läge vor, wenn der Mieter die Gefahr für möglich hielt, dass Funken aus der Explosionsklappe die um die Ecke ge­lagerten Zeitungen und damit den Heizungsraum in Brand setzen konnten, er aber darauf vertraute, dass dies nicht eintreten werde. Unbewusste Fahrlässig­keit läge vor, wenn Z. die Möglichkeit eines so verursachten Brandes nicht bedachte.

Auch im Herdplatten-Fall wurde die Fra­ge nach der Art der Fahrlässigkeit nicht beantwortet. Erkannte die Beschuldigte, dass durch das Lagern von Gegenständen in der Nähe der Herdplatten ein Brand entstehen kann, läge bewusste Fahrlässigkeit vor, bedachte sie diese Möglichkeit nicht, unbewusste Fahrlässigkeit. Daran schliesst unweigerlich die Frage an, woraus sich ergibt, dass die Verkennung der Feuergefahr bzw. das Vertrauen auf deren Ausbleiben pflichtwidrig war.

III. Sorgfaltspflichtverletzung

Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB definiert eine Unvorsichtigkeit (imprévoyance, impre­videnza) als pflichtwidrig (coupable, col­pevole), wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhält­nissen verpflichtet ist. In den Worten des Bundesgerichts ist die Unvorsichtigkeit pflichtwidrig, «wenn der Täter zum Zeitpunkt der Handlung auf­grund seiner Kenntnisse und Fähig­keiten die damit bewirkte Gefährdung […] hätte erkennen können und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risi­kos überschritten hat. Der bewusst fahr­lässig handelnde Täter weiss um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung, vertraut aber aus pflichtwidriger Un­vorsichtigkeit darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten werde»[31].

Der zweite Satz bedarf der Präzisierung: Bei der bewussten Fahrlässigkeit wird der Erfolgseintritt als möglich antizipiert. Es liegt somit nicht Unvorsicht im Wort­sinne vor. Dem Täter wird hier vorge­worfen, dass er nicht auf das Ausbleiben des (vorhergesehenen) Erfolgs vertrauen durfte. Er hat sich zu wenig Sorgen um die Rechtsgutsverletzung gemacht. Sein Verhalten ist insoweit sorglos oder eben unsorgfältig. Nur bei der unbewussten Fahrlässigkeit handelt der Täter sprich­wörtlich unvorsichtig. Er sieht die drohende Rechtsgutsverletzung nicht und diese Unvorsicht wird ihm vorgeworfen. In der Sache besteht aber Einigkeit, dass sowohl die Unsorgfalt als auch die Unvorsicht pflichtwidrig sein müssen.

In der Schweiz[32] bislang nicht vertieft diskutiert ist die Frage, inwiefern die inhaltsleere Umschreibung der Sorgfaltspflichtverletzung in Art. 12 Abs. 3 StGB mit dem Legalitätsprinzip, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot, in Einklang zu bringen ist.[33] Einerseits verlangt die Rechtsprechung, dass Strafnormen so präzise formuliert sind, dass der Bürger sein Verhalten danach richten kann. Andererseits könne der Gesetzgeber aber auch nicht darauf verzichten, vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung der Praxis überlassen werden müsse.[34] Möglicherweise ist die Rechtsprechung bei den Fahrlässigkeitsdelikten mit dem Bestimmtheitsgebot deshalb etwas kulanter, weil in aller Regel weniger gravierende Rechtsfolgen drohen.[35]

Ausgangspunkt der nach den Umständen zu beachtenden Vorsicht/Sorgfalt ist in der Regel eine Sorgfaltsnorm (1.) Sorgfaltspflichtwidrig ist nur die Verursachung vorhersehbarer (2.) und vermeidbarer (3.) Erfolge, und dies auch nur, wenn das Verhalten jenseits des erlaubten Risikos liegt (4.).

1. Sorgfaltsnorm

Sorgfaltsnormen sind aus leidvoller Er­fahrung geronnene Handlungsanleitun­gen. «Wo besondere, der Unfall­verhütung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften […].»[36] Der Vorwurf der Fahrlässigkeit kann gemäss Bundes­gericht aber auch auf allgemeine Rechts­grundsätze wie etwa den Gefahrensatz gestützt werden. Danach hat jeder, der eine Gefahr schafft, alles Zumutbare vorzukehren, um zu verhindern, dass die Gefahr sich realisiert. Andernfalls hat er die Tätigkeit ganz zu unterlassen.[37]

a) Quelle

Besondere Sorgfaltsnormen können aus unterschiedlichen Quellen stammen: Von eidgenössischen oder kantonalen Geset­zen und Verordnungen über Empfehlun­gen staatlicher Stellen bis hin zu privaten Regelwerken.[38] Für die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst im privaten Bereich[39] können als Quellen von Sorgfaltsnormen kantonale Feuer- und Brandschutzgesetze, die Brandschutzvorschriften der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (VKF) sowie Herstellerangaben zu brand­gefährlichen Produkten diskutiert werden.

Aufgrund ihrer demokratischen Legiti­mation eignen sich Bestimmungen der kantonalen Feuerpolizei- und Brand­schutzgesetzgebung grundsätzlich am besten als Rechtsquellen von Sorgfalts­normen. Soweit es um Brände ausserhalb des beruflichen Bereichs geht, ist jedoch darauf zu achten, dass sich die Vorschriften an Privatpersonen richten (z.B.: «Jedermann ist verpflichtet, alles ihm Zumutbare vorzukehren, um Brand- und Explosionsschäden zu verhindern»[40]).

Nach der Rechtsprechung sollen auch die Brandschutzvorschriften der Vereini­gung kantonaler Feuerversicherungen (VKF) als Sorgfaltsnormen im privaten Bereich dienen können.[41] Diese bestehen aus einer Brandschutznorm 1-15 und den Brandschutzrichtlinien 10-15 bis 28-15.[42] Das Interkantonale Organ Technischer Handelshemmnisse (IOTH) hat die VKF im Jahr 2010 mit der Ausarbeitung der Brandschutzvorschriften beauftragt und per 1. Januar 2015 in Kraft gesetzt. Sie sind seither in der ganzen Schweiz verbindlich.[43] Bezüglich der Eignung von Brandschutzvorschriften der VKF als Quellen strafrechtlicher Sorgfaltsnormen sind zwei allgemeine Vorbehalte anzu­bringen. Erstens weisen sie im Vergleich zu den Brandschutzgesetzen eine deutlich geringere demokratische Legitimation auf.[44] Zweitens gibt es ein Befangenheitsproblem: Nach eigener Darstellung besteht die Aufgabe der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) darin, ihre Mitglieder im Bereich Prävention zu unterstützen: «Generell richtet die VKF ihren Fokus auf die Verminderung von Personen- und Gebäudeschäden. Demzufolge entwickelt die VKF im Auftrag der Kantonalen Gebäudeversicherungen Instrumente zur Minimierung derartiger Schäden.»[45] Die VKF ist mit anderen Worten eine Vereinigung, deren primäre Aufgabe darin besteht, die ihr angeschlossenen Versicherungen vor Schadenszahlungen zu bewahren. Die Brandschutzvorschriften wurden somit von einer Organisation ausgearbeitet, welche ebenso wie ihre Mitglieder ein manifestes wirtschaftliches Interesse an der Vermeidung von Bränden hat. Diese einseitige Interessenlage vermag auch dadurch nicht beseitigt zu werden, dass die Richtlinien formell durch das IOTH in Kraft gesetzt wurden.[46] Nun könnte man argu­men­tieren, dass ein wirtschaftliches Interesse der beste Garant für effektiven Brand­schutz ist. Wegen der Brand­schutz­vor­schriften verzeich­ne die Schweiz - nach Singapur - weltweit am wenigsten Brand­tote.[47] Dass die Vorschriften geeignet sind, Polizeigüter zu schützen und Haf­tungs­risiken einzudämmen, wird nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil, das tun sie höchst effizient. Sie führen jedoch zu einer sehr unilateralen Schadens­al­lo­kation zu Gunsten der Versicherer und zu Lasten der Privaten. Man könnte deshalb be­reits für die zivilrechtliche, mit Si­cher­heit aber für die strafrechtliche Haftung kritisch hinterfragen, ob diese Schadens­verteilung gerecht ist und ob Brand­schutzvorschriften der VKF als Quellen von Sorgfaltsnormen in Frage kommen sollen.

Offensichtlich nicht als Quellen von Sorg­faltsnormen eignen sich Hersteller­an­ga­ben zu brandgefährlichen Produkten wie aufgedruckte Warnhinweise oder Bedie­nungs­anleitungen. Sie dienen typi­scher­weise dem Haftungsausschluss der Her­stel­ler und kommen als Grundlage für die strafrechtlichen Sorgfaltspflichten im pri­vaten Bereich nicht in Betracht.[48] Ist erstellt, dass eine Person Kenntnis von den Herstellerangaben hatte, wirkt sich dies auf die Art der Fahrlässigkeit (be­wusst oder unbewusst) sowie allenfalls auf die subjektive Konkretisierung der Sorgfaltspflicht (besondere Kenntnisse) aus.

b) Mindestanforderungen

Die Sorgfaltsnorm ist bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung lediglich der Ausgangspunkt.[49] Sie ist sozusagen das «Rohmaterial»[50], aus dem die kon­krete Sorgfaltspflicht gewonnen wird. Als Mindestanforderung muss eine Be­stimmung über eine reine Erfolgs- oder Gefahrenverhinderungspflicht hinaus­ge­hen, um als Sorgfaltsnorm gelten zu kön­nen.[51] Die pauschal formulierten Be­stim­mungen in den kantonalen Feuer- und Brandschutzgesetzen sowie in den Brand­schutzvorschriften der VKF, welche sich an Privatpersonen richten, erfüllen oft be­reits diese Mindestanforderung an straf­rechtliche Sorgfaltsnormen nicht.[52]

Im Möbelpolitur-Fall etwa stufte das Bun­des­gericht § 2 Abs. 1 des aargauischen Brand­schutzgesetzes[53] deshalb zu Un­recht als genügende Grund­lage für die Sorgfaltspflicht­verletzung ein.[54] Danach hat «[j]edermann […] im Umgang mit Wärme, Licht und anderen Energiearten die notwendige Vorsicht walten zu las­sen, um Brände und Explosionen zu ver­meiden […].» Die­se Bestimmung stellt eine reine Er­folgsverhinderungspflicht dar, indem sie verlangt, dass Brände und Explosionen zu vermeiden sind. Sie ist als Hand­lungs­anleitung unbrauchbar, weil offenbleibt, wie das Feuer verhindert werden könnte.

Im Herdplatten-Fall hat die Beschuldigte nach Ansicht des Bezirksgerichts Art. 3.2 Ziff. 1 der Brandschutzrichtlinie 12-15 ver­letzt, wonach brennbare Materialien von Kochherden so weit entfernt sein müssen, dass keine Brand- oder Explosionsgefahr entstehen kann. Das Bezirksgericht ver­kennt dabei, dass die Bestimmung keinen Hinweis darauf enthält, wie weit Fritt­eusen von Kochherden entfernt sein müs­sen und - mit Blick auf den Luftabzug - sein dürfen. Auch sie statuiert somit eine blosse und deshalb unbrauchbare Ge­fah­ren­verhinderungs-pflicht.[55]

Im Heizungs-Fall demgegenüber kam eine konkrete, verständliche Sorgfaltsnorm zur Anwendung. Das Gericht ging davon aus, dass die Lagerung der brennbaren Materialien Ziff. 7.3 Abs. 3 der (damals geltenden) Brandschutzrichtlinie betreffend wärme­tech­nische Anlagen[56] verletzte, welche festhielt, dass leicht entzündbare Stoffe wie Holz­wol­le, Stroh oder Papier nicht im Heiz­raum gelagert werden dürfen.[57]

c) Anpassung an den Einzelfall

Selbst wenn im Einzelfall eine konkrete Sorgfaltsnorm vorliegt, die keine blosse Er­folgsvermeidung postuliert, kann von deren Verletzung nicht automatisch auf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht ge­schlossen werden. Wie das Bundesgericht festhält, «begründet nicht jeder Verstoss gegen eine […] Verhaltensnorm den Vor­wurf der Fahrlässigkeit [...]. Die Vor­sicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Um­stände und seine persönlichen Ver­hält­nisse bestimmt.»[58] Dabei muss gelten, dass die Anforderungen im Einzelfall um­so höher sind, je offener und allge­mei­ner die Sorg­falts­norm formuliert ist. In dieser Kon­kre­ti­sie­rung der Sorgfaltspflicht kommt die Konzeption des Fahr­lässig­keits­unrechts zum Aus­druck, welche Art. 12 Abs. 3 StGB zu­grunde liegt. Nach wohl herrschendem schwei­ze­ri­schen Ver­ständnis gilt ein situationsbezogener, in­di­vi­du­ali­sierter Sorg­­falts­­mass­stab.[59] Es kommt auf alle relevanten Umstände sowie die individuellen Fähigkeiten der beschuldigten Person an.[60] Situationsbezogen sind diejenigen Faktoren zu berücksichtigten, welche sich auf die Höhe der Brandgefahr auswirken (z.B. das Wetter).[61] Zu den individuellen Fähigkeiten gehören unter anderem die «geistigen Anlagen, die Bildung und die berufliche Erfahrung».[62] Die Pflichtwidrigkeit kann jedoch auch darin liegen, dass die Aufgabe überhaupt übernommen wurde, ohne über die erforderlichen Fähigkeiten zu verfügen (Übernahmefahrlässigkeit).[63] Umgekehrt können besondere Kenntnisse und Fähigkeiten zu einem strengeren Sorgfaltsmassstab führen.[64]

Klar abzulehnen ist daher das Urteil im Herdplatten-Fall, in welchem das Be­zirks­gericht im Einklang mit der Staats­anwaltschaft alleine vom Verstoss gegen Art. 3.2 Ziff. 1 der Brandschutzrichtlinie 12-15[65] auf eine Sorgfaltspflichtwidrigkeit geschlossen hat.[66] Auch im Heizungs-Fall wurde, soweit ersichtlich, darauf ver­zich­tet, nach der Feststellung der Ver­let­zung der Brandschutzrichtlinie eine weitere Konkretisierung der Sorgfaltspflicht vor­zu­nehmen.[67] Hier hätte festgelegt werden müssen, welche Brennmaterialien in welchem Abstand zum Ofen wie gelagert werden dürfen. Im Möbelpolitur-Fall hat das Bundesgericht demgegenüber eine Konkretisierung vorgenommen und die Sorgfaltspflichtverletzung am Erfordernis der Vorhersehbarkeit scheitern lassen.

2. Vorhersehbarkeit

Von einer pflichtwidrigen (coupable, col­pevole) Unvorsicht bzw. Unsorgfalt kann nur die Rede sein, wenn der Erfolgs­ein­tritt für den Täter vorhersehbar war. Jen­seits des Vorhersehbaren kann kein Vor­wurf erhoben werden.[68] Die normativ zu bestimmende Vor­her­seh­barkeit sollte nicht mit der tatsächlichen Voraussicht verwechselt werden:[69] Die Vorherseh­bar­keit ist aus einer ex-ante-Perspektive zu beurteilen, d.h. es ist da­nach zu fragen, was der Täter zum Zeit­punkt der Tat auf­grund der Umstände sowie seiner Kennt­nisse und Fähigkeiten hätte er­ken­nen müs­sen.[70] Diese Be­trach­tungsweise funk­tio­niert jedoch in der The­orie besser als in der Praxis. Im Rückblick wird die Vor­her­sehbarkeit näm­lich oftmals über­schätzt, da im Zeitpunkt der gerichtlichen Be­ur­tei­lung zwangsläufig bereits etwas pas­siert ist (sog. Rückschaufehler oder «hind­­sight bias»).[71] Bei der Vorher­sehbarkeit wendet das Bundesgericht im Normalfall den Massstab der Adäquanz an, d.h. es ist danach zu fragen, ob nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung mit einem Erfolg der eingetretenen Art zu rechnen war.[72] Verfügt die beschuldigte Person jedoch über besondere Fähig­keiten oder fehlen ihr solche, beurteilt es die Vorhersehbarkeit nach einem individualisierten Sorgfalts­massstab,[73] der auch sonst für die Beurteilung der Sorgfaltspflicht­verletzung Anwendung findet.[74]

Im Herdplatten-Fall haben sich die Strafbehörden - soweit ersichtlich - nicht mit der Vorhersehbarkeit auseinander­gesetzt, sondern diese einfach implizit mit dem Schuldspruch bejaht. Im Heizungs-Fall hat sich immerhin das Zivilgericht summarisch zur adäquaten Kausalität geäussert.[75] Nicht vorhergesehen werden musste die Brandgefahr im Möbelpolitur-Fall, weil die Selbstentzündlichkeit vom Bun­des­gericht z.R. als unvorhersehbar eingestuft wurde. Als Serviceangestellte habe die Beschwerdeführerin über kein besonderes Wissen um chemische Zu­sam­menhänge verfügt und deshalb nicht mit einer Selbstentzündung der mit der Politur getränkten Lappen rechnen müs­sen.[76]

Die Vorhersehbarkeit ist sowohl bei der bewussten als auch bei der unbewussten Fahrlässigkeit zu prüfen. Bei der un­be­wussten Fahrlässigkeit stellt sich die Fra­ge, ob der in concreto nicht vor­her­ge­seh­ene Erfolg hätte vorhergesehen werden müssen. Bei der bewussten Fahrlässig­keit, also wenn die Gefahr gesehen, aber darauf ver­traut wurde, dass sie sich nicht ver­wirk­licht, liegt in aller Regel auch Vorher­sehbarkeit vor. Wer bei trockenem Hoch­sommerwetter vorher­sieht, dass er mit Feuerwerks­körpern eine Feuers­brunst ent­fachen könnte und nur darauf ver­traut, dass nichts passieren werde, dem wird man die Vorhersehbarkeit der Fol­gen angesichts der klimatischen Um­stände problemlos nachweisen können. Dennoch darf nicht unbesehen von der tatsächlichen Voraus­sicht auf die nor­mativ zu bestimmende Vorhersehbarkeit geschlossen werden. Hätte eine extrem gewissenhafte Person im Möbelpolitur-Fall die Brandgefahr tatsächlich voraus­gesehen, hätte das nichts an der ge­ne­rel­len Unvorherseh­barkeit geändert. An­dern­falls könnten sich gewissenhafte Men­schen selbst in die Strafbarkeit hinein komplementieren.

3. Vermeidbarkeit

Das Bundesgericht setzt für die Fahr­lässigkeitshaftung weiter voraus, dass der Erfolg vermeidbar war. «Dabei wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei pflicht­gemässem Verhalten des Täters aus­ge­blieben wäre. Für die Zurechnung des Erfolgs genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete[77] In der Sache geht es hier um das sorg­falts­pflichtgemässe Al­ter­nativ­ver­hal­ten[78] resp. den Pflicht­wid­rig­keits­zu­sam­men­­hang[79], der teilweise als Problem der objektiven Zurechnung betrachtet wird. Es muss dem Täter somit eine Hand­lungs­alternative aufgezeigt wer­den, wel­che den Erfolg abgewendet hätte. Dieser Prüfschritt ist trivial bei sinnlosen Tat­handlungen, wie etwa dem wieder­holten Überfahren eines zur Vernichtung in Brand gesetzten Müllhaufens mit einem Fahrzeug, welches nicht nur den Tank mit Benzin, sondern auch den Kof­fer­raum mit Munition gefüllt hatte.[80] Hier besteht die Vermeidealternative nicht darin, den ei­ge­nen Müll vorsichtiger zu verbrennen oder anschliessend sorg­fäl­ti­ger mit dem Fahrzeug darüberzufahren, sondern das Verhalten komplett zu un­terlassen. Schwie­riger zu beurteilen ist die Vermeidbarkeit bei risikoträchtigen, aber sozial erwünschten oder zumindest ge­duldeten Tätigkeiten wie dem Autofahren oder Entzünden von Feuerwerk. Hier ist dem Täter eine Vermeidealternative in­ner­halb des erlaubten Risikos (dazu so­gleich unten 4.) aufzuzeigen.[81]

Im Herdplatten-Fall und im Heizungs-Fall kann das erfolgsvermeidende Ver­hal­ten somit nicht darin bestehen, auf die Benutzung der Herdplatten bzw. der Hei­zung ganz zu verzichten. Ebenso wenig kann verlangt werden, dass in der Küche bzw. im Keller überhaupt keine brenn­baren Materialien gelagert werden. Viel­mehr wäre den Tätern aufzuzeigen, wel­che Vorsichtsmassnahmen bei der La­ge­rung der fraglichen Gegenstände sowie der Anschaltung des Herds bzw. der Hei­zung zu ergreifen gewesen wären.

4. Erlaubtes Risiko

Viele sozial nützliche Tätigkeiten sind vor­­hersehbar mit Ge­fahren verbunden, die sich auch bei Einhaltung von Si­cher­heits- und Sorg­faltsstandards nicht ganz bannen lassen. Das gilt etwa für den Stras­senverkehr, riskante Sportarten, den Betrieb von Küchenherden oder den Ein­satz von Li­thium-Akkus.[82] Wollte man die Risiken ausschalten, müsste man die Tätigkeit verbieten. Gemäss Bundes­ge­richt tritt deshalb beim erlaubten Risiko «an die Stelle des Verbots jeglicher Ge­fährdung das Gebot, die Gefahr auf das­jenige Mi­ni­mum einzuschränken, das gar nicht oder nur mit un­ver­hält­nis­mässigem Aufwand ausgeschlossen wer­den kann, wenn man die entsprechende Tätigkeit überhaupt zulassen will».[83]

Im Umgang mit Brandgefahren kommt dem erlaubten Risiko eine grosse Be­deu­tung zu, weil von vielen nützlichen (Smart­phones, E-Bikes, Cheminée) oder sogar lebensnotwendigen Gegenständen (Heizung, Kochherd) Brandgefahren aus­gehen. Dennoch wird dem erlaubten Risiko bei der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst im privaten Bereich oft zu wenig Beachtung geschenkt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verletzung einer Sorgfaltspflicht mit der Verletzung einer ausserstrafrechtlichen Sorgfaltsnorm begründet wird.[84] Sowohl bei den kantonalen Feuer- und Brand­schutzbestimmungen als auch bei den Brandschutzvorschriften der VKF handelt es sich um präventive Vor­schrif­ten, welche ihr Ziel von maximalem Schutz nur auf Kosten der Praktikabilität erreichen können. Sie stellen in der Regel überhöhte, teilweise unrealistische An­for­derungen an das Verhalten von Privat­personen. Das Strafrecht demgegenüber muss einen Interessenausgleich inkor­po­rieren. Nur die Verletzung elemen­tarster Sorgfaltsregeln kann zugleich auch die Grundlage für ein strafrechtliches Un­recht darstellen.[85] Handlungen innerhalb des erlaubten Risikos können kein Unrecht darstellen.[86]

Als konkretes Beispiel kann die im Hei­zungs-Fall herangezogene Regelung die­nen: Ziff. 7.3 Abs. 3 Brand­schutz-richtlinie betreffend wärme­tech­nische Angaben be­stimmte, dass leicht entzündbare Stoffe nicht im Heizraum gelagert werden dür­fen.[87] Dass mit der Einhaltung dieser Vor­schrift Brände verhindert werden können, liegt auf der Hand. Allerdings stellt sich die Frage, wie ein Holzofen im Winter ver­nünftig betrieben werden soll, wenn kein brennbares Material in der Nähe ge­lagert werden darf. Das Be­heizen der Familienwohnung als ele­men­tares und alltägliches Bedürfnis muss auf eine praktikable Art und Weise ausgeübt werden können. Eine derart praxis­ferne Ver­haltensnorm kann nicht als Grund­lage für einen strafrechtlichen Schuldvorwurf die­nen.[88]

Im Herdplatten-Fall wurde der Be­schul­digten vorgeworfen, eine Fritteuse sowie Textilien auf dem bzw. in der Nähe des Herdes gelagert zu haben. Das Ab­stellen einer Fritteuse auf oder un­mit­tel­bar ne­ben einer Herdplatte liegt nor­ma­ler­weise im Bereich des er­laubten Risikos, muss für eine sinnvolle Nutzung doch möglich sein, diese direkt unter dem Dampf­abzug zu platzieren. Auch das kurz­fristige La­gern von Textilien wie Putz­lappen oder Handtüchern in der Nähe der Herd­plat­ten fällt unter das er­laubte Risiko, da der Kochherd in aller Re­gel in die Küchen­kombination, welche u.a. als Ablage ge­braucht wird, integriert ist.

Im Möbelpolitur-Fall musste sich das Bundesgericht nicht mit dem erlaubten Risiko beschäftigen, weil es bereits die Vorhersehbarkeit verneint hatte. Doch wären auch hier die Verwendung und unbeaufsichtigte Lagerung eines uneingeschränkt auf dem Mark zugelassenen Putzmittels im Rahmen des erlaubten Risikos gewesen.[89]

IV. Fazit

Die drei Fallbeispiele - der Möbelpolitur‑, der Herdplatten- und der Heizungs-Fall - zeigen, dass Brandgefahren ein fester Be­standteil unseres Alltags sind. Kommt es im privaten Bereich zu einem ungewollten Brand mit Sach- oder Personenschaden, stellt sich im Einzelfall die Frage, ob die Schwelle für die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 StGB) über­schritten ist, oder mit anderen Worten: Ob ein strafrechtlich relevantes Unrecht oder ein hinzunehmendes Unglück vor­liegt.

Kern jedes Fahrlässigkeitsdelikts ist die Sorgfaltspflichtverletzung. Als Ausgangs­punkt wird, wo solche vorhanden sind, auf besondere Sorgfaltsnormen ab­ge­stellt, was durchaus sinnvoll sein kann. Besondere Sorgfaltsnormen sind erfahrungsbasiert und auf die Verhinderung typischer, regelmässig auftretender Gefahren zugeschnitten. Werden für die Bestimmung der Sorgfaltspflicht von Privatpersonen im Umgang mit Feuergefahren kantonale Brand- und Feuerschutzgesetze oder die Brand­schutzvorschriften der VKF berücksichtigt, vermag dies der Einzel­fallgerechtigkeit aus drei Gründen jedoch oft nicht zu genügen: Erstens han­delt sich dabei um ausserstrafrechtliche Vorschriften für den prä­ventiven Brandschutz, welche Maxi­malanforderungen an das Verhalten von Pri­vat­personen stellen. Das straf­rechtlich erlaubte Risiko stimmt oft nicht mit dem zulässigen Risiko von ausser­straf­recht­lichen Normen überein und muss von den Gerichten deshalb stets im Einzelfall festgelegt werden. Nur die Ver­let­zung elementarster Sorgfaltsregeln kann zu­gleich auch die Grundlage für ein straf­rechtliches Un­recht darstellen. Zwei­tens muss eine Vor­schrift gewisse inhalt­liche Min­dest-anforderungen erfüllen, um als strafrechtliche Sorgfaltsnorm zu gel­ten. Die oft als reine Erfolgs­ver­hin­de­rungs­pflichten gefassten Brand­schutz­vor­schrif­ten der Kantone und der VKF erfüllen diese Mindestanforderung in der Regel nicht. Erfolgt eine Verurteilung alleine gestützt auf so eine Vorschrift, wird die Sorgfaltspflicht in unzulässiger Weise mit dem allgemeinen Gefahrensatz gleichgesetzt. Stattdessen ist es Aufgabe des Gerichts, der beschuldigten Person unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aufzeigen, welches Verhalten in concreto vorsichtig bzw. sorgfältig gewesen wäre. Drittens ist es auch fragwürdig, zur Begründung eines straf­recht­lichen Fahr­läs­sig­keits­vor­wurfs auf Nor­men einer Vereinigung wie der VKF abzustellen, wel­che ein ma­ni­fes­tes wirtschaftliches Interesse an der Ver­hin­derung von Feuerschäden hat.



[1] Zu Akku-Brandfällen siehe Martina Farag-Jaussi, Strafrechtliche Folgen von brennenden Akkus, in: Nadine Zurkinden/Lukas Staffler/Julia Meier (Hrsg.), recht. innovativ, Analysen und Perspektiven von Assistierenden des RWI (APARIUZ), Band 21, zur Publikation vorgesehen im Mai 2020, S. 131 ff.

[2] Gesetz über den vorbeugenden Brandschutz des Kantons Aargau (Brandschutzgesetz) vom 21. Februar 1989 (SAR 585.100).

[3] Da X. nach Anhängigmachen der Beschwerde in Strafsachen verstorben ist, hat das Bundesgericht das Verfahren eingestellt und sich zu den Erfolgsaussichten lediglich in Zusammenhang mit den Entschädigungsansprüchen des Rechtsvertreters von X. geäussert: Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 E. 1 und 2.

[4] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF), Brandschutzrichtlinie 12-15, Brandverhütung und organisatorischer Brandschutz, vom 1. Januar 2017.

[5] Urteil des Bezirksgerichts Laufenburg ST.2016.31 vom 16. Juni 2016, welches lediglich mündlich begründet wurde und in der Zwischenzeit in Rechtskraft erwachsen ist. Im vorliegenden Beitrag wird mangels schriftlicher Begründung des Urteils auf den summarisch begründeten Strafbefehl vom 11. April 2016 sowie auf die mediale Berichterstattung in der Aargauer Online-Zeitung verwiesen (Marc Fischer, Fahrlässig Brand verursacht: Gericht reduziert Strafe für Hausbewohnerin, aargauerzeitung.ch vom 18. Juni 2016).

[6] Der Strafbefehl vom 7. April 2003 konnte nicht erhältlich gemacht werden. Stattdessen wird im vorliegenden Beitrag auf den zivilrechtlichen Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, verwiesen, welcher immer wieder auf den Strafbefehl Bezug nimmt.

[7] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF), Brandschutzrichtlinie 25-03, Wärmetechnische Anlagen, vom 26. März 2003 (nicht mehr in Kraft; vgl. nunmehr die Richtlinie vom 1. Januar 2017).

[8] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, Ziff. 21.

[9] Der berufliche Umgang mit Brandgefahren - z.B. auf einer Baustelle - wird im vorliegenden Beitrag nicht berücksichtigt.

[10] Bruno Roelli in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar Strafgesetzbuch (StGB), Strafrecht II, Art. 137-392 StGB, Jugendstrafgesetz, 4. Auflage, Basel 2018 (fortan zit.: BSK StGB II-Bearbeiter/in), Art. 222 N 6 mit Verweis auf Art. 221 N 9.

[11] Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017, Sachverhalt und E. 3.2.3.

[12] Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg vom 11. April 2016, S. 2. Siehe auch Fischer (Fn. 5).

[13] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, Ziff. 19.

[14] BGE 117 IV 285 (Pra 1992, Nr. 210, 790) E. 2.a m.w.H.; ausführlich BSK StGB II-Roelli, Art. 222 N 6 mit Verweis auf Art. 221 N 7.

[15] Nach h.L. wird nur der Sachschaden, nicht aber der Personenschaden von Abs. 1 erfasst: BSK StGB II-Roelli, Art. 222 N 6 mit Verweis auf Art. 221 N 11 m.w.H.

[16] BSK StGB II-Roelli, Art. 222 N 6 mit Verweis auf Art. 221 N 11 m.w.H.

[17] Zur Kritik an dieser Definition in der Lehre siehe Günter Stratenwerth/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Auflage, Bern 2013, vor § 28 N 4; siehe auch BSK StGB II-Roelli, vor Art. 221 N 11 f. m.w.H.

[18] Für den Möbelpolitur-Fall siehe die mediale Berichterstattung zum erstinstanzlichen Verfahren: Fritz Thut, «Burestobe»-Brand: Schuld waren selbstentzündbare Putzlappen, in: aargauerzeitung.ch vom 13. März 2015; für den Herdplatten-Fall siehe Strafbefehl vom 11. April 2016, S. 2 und Fischer (Fn. 5).

[19] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589 Ziff. 11.

[20] Thut (Fn. 18).

[21] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589.

[22] Fischer (Fn. 5).

[23] Ausführlich zur natürlichen Kausalität siehe Marcel Alexander Niggli/Stefan Maeder in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar Strafgesetzbuch (StGB), Strafrecht I, Art. 1-392 StGB, Jugendstrafgesetz, 4. Auflage, Basel 2019 (fortan zit.: BSK StGB I-Bearbeiter/in), Art. 12 N 90 ff.

[24] So etwa in einem Urteil des Kreisgerichts Wil ST.2019.25 vom 16. Juli 2019; über das rechtskräftige Urteil, welches unbegründet geblieben ist, wurde in der Republik online vom 7. August 2019 berichtet: Sina Bühler, Brandgefährlicher Akku.

[25] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589 Ziff. 11 mit einer Zusammenfassung der Ausführungen im Strafbefehl.

[26] Fischer (Fn. 5). Mangels schriftlicher Urteilsbegründung bleibt Spekulation, ob der Kausalzusammenhang erstellt war.

[27] Dem Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 sind keine Erwägungen zum Kausalzusammenhang zu entnehmen.

[28] BGE 136 IV 76 E. 2.3.1.

[29] Eine explizite Tatsachenfeststellung zum tatsächlichen Wissen der Betroffen findet sich im Bundesgerichtsurteil nicht, es wird lediglich festgehalten, dass «die Beschwerdeführerin nicht mit einer Selbstentzündung des Mittels rechnen musste», mithin, was sie hätte wissen müssen oder nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.3). Für unbewusste Fahrlässigkeit spricht die Berichterstattung zum erstinstanzlichen Verfahren, siehe Thut (Fn. 18).

[30] Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.3; siehe auch III.2.

[31] BGE 136 IV 79 E. 2.3.1. m.w.H.

[32] Für Deutschland siehe Gunnar Duttge, Zur Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, Habil. Bochum 1999, Tübingen 2001, passim.

[33] Die Zweitautorin geht dieser Grundsatzfrage im Rahmen ihres Dissertationsprojekts nach. Sie untersucht dabei ebenfalls, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Beizug von Sorgfaltsnormen zur Bestimmung der Sorgfaltspflichtverletzung möglich sein soll.

[35] Für praktisch gewichtige Ausnahmen im Nebenstrafrecht vgl. Marc Thommen, Art. 333 Abs. 7 StGB, Grenzenlose Fahrlässigkeit im Nebenstrafrecht?, recht 2013, Heft 6, 276 ff., 287.

[37] Urteil des Bundesgerichts 6B_1411/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.1.

[38] BSK StGB I-Niggli/Mäder, Art. 12 N 111.

[39] Für den beruflichen Umgang mit Brandgefahren - z.B. auf einer Baustelle - gelten erstens detailliertere Brandschutzvorschriften der VKF; zweitens gibt es zahlreiche berufsspezifische Vorschriften, welche wir in diesem Beitrag nicht berücksichtigen (z.B. EKAS Richtlinie Nr. 1825, Brennbare Flüssigkeiten, Lagern und Umgang, Ausgabe Mai 2005).

[40] § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Feuerpolizei und das Feuerwehrwesen des Kantons Zürich vom 24. September 1978 (LS 861.1), unter der Marginalie «Pflichten Privater».

[41] Urteil des Bundesgerichts 6B_948/2010 vom 12. Mai 2011 E. 3.1.2.; in der mündlichen Urteilsbegründung im Herdplatten-Fall hat das Bezirksgericht Laufenburg festgehalten, dass die einschlägige Brandschutzrichtlinie sinngemäss auch auf Private angewandt werden könne, zumal sie auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhe, siehe Fischer (Fn. 5). Die Brandschutzvorschriften stellen in erster Linie Anforderungen an den Brandschutz in Betrieben und Gebäuden und richten sich nur sehr beschränkt an Privatpersonen. Allgemeine Sorgfaltspflichten finden sich in der Brandschutznorm 1-15, Bst. B Art. 17 ff. sowie in der Brandschutzrichtlinie 12-15, Ziff. 3.

[42] Die Brandschutzvorschriften der VKF sind online.

[43] Beschluss des Interkantonalen Organs Technische Handelshemnisse (IOTH) vom 18. September 2014, z.B. in der Gesetzessammlung des Kantons Aargau (SAR 585.115).

[44] Dies gilt a fortiori für rein private Regelwerke, wie etwa die vom Bundesgericht ebenfalls herbeigezogenen FIS-Regeln, welche im Gegensatz zu den Brandschutzrichtlinien nicht durch ein interkantonales Organ, sondern durch einen privatrechtlichen Verein erlassen wurden (vgl. BGE 106 IV 350 E. 3a).

[45] Homepage der Vereinigung kantonaler Gebäudeversicherungen in der Rubrik Organisationen, VKF - Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen.

[46] So das Argument eines Tagungsteilnehmers (vgl. Titelfussnote oben).

[48] Vgl. die (divergierenden) Hinweise zum Aufladen für die Hoverboards «City Blitz®», S. 12 ff. und «Denver DBO-6550 MK2», Kapitel 6 sowie «Rusta», S. 46 ff.; zur Brandgefahr von Akkus in Hoverboards siehe (mündlich begründetes) Urteil des Kreisgerichts Wil ST.2019.25 vom 16. Juli 2019, über welches online berichtet wurde (Bühler, Fn. 1); siehe auch Farag-Jaussi (Fn. 1), S. 136.

[50] Andreas Donatsch, Sorgfaltsbemessung und Erfolg beim Fahrlässigkeitsdelikt, Habil. Zürich 1987, S. 114.

[51] Z.R. weist Günter Stratenwerth darauf hin, dass strafrechtlich sanktionierte Sorgfaltspflichten nicht gebieten können, bestimmte Erfolge als solche zu verhindern, sondern nur, die zu ihnen führenden Geschehensabläufe (Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Auflage, Bern 2011, § 16 N 9).

[52] In allgemeiner Weise zweifelnd mit Bezug auf das aus nullum crimen sine lege abgeleitete Gebot der Tatbestandsbestimmtheit Magdalena Rutz, der objektive Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts, ZStrR 89/1973, S. 358, 360.

[53] Gesetz über den vorbeugenden Brandschutz des Kantons Aargau (Brandschutzgesetz) vom 21. Februar 1989 (SAR 585.100).

[54] Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.2.

[55] Allzu weit kann die Entfernung nicht sein, weil gerade offene Fritteusen ebenfalls unter der Entlüftungsanlage, welche oberhalb des Herdes ist, stehen müssen.

[56] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF), Brandschutzrichtlinie 25-03, Wärmetechnische Anlagen, vom 26. März 2003 (nicht mehr in Kraft).

[57] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, Ziff. 21.

[58] BGE 135 IV 56 E. 2.1.; Donatsch (Fn. 50), S. 124 f.

[59] Anders z.B. in Deutschland, wonach gemäss h.L. eine gewissenhafte Durchschnittsperson des Amts-, Berufs- oder Gewerbekreises des Täters massgebend ist, siehe Detlev Sternberg-Lieben/ Frank Schuster, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar, 29. Auflage, München 2014, § 15, N 135 m.N.

[60] BGE 97 IV 169 E. 2; anders noch BGE 86 IV 153 E. 1, wo ein rein objektiver Massstab relevant war. In der Lehre variiert jedoch der Grad der Individualisierung: Teilweise wird verlangt, die tatsächlichen individuellen Verhältnisse umfassend zu berücksichtigen (siehe etwa Kurt Seelmann/ Christopher Geth, Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage, Basel 2016, N 467 f.; BSK StGB I-Niggli/Maeder, Art. 12 N 99 ff.; 111 ff.; Marc Jean-Richard-dit-Bressel/Stefan Trechsel, in: Stefan Trechsel/Mark Pieth(Hrsg.), Praxiskommentar Schweizerisches Strafgesetzbuch, 3. Auflage, Zürich 2017 (fortan zit. PK StGB-Bearbeiter/in), Art. 12 N 31, 35); teilweise werden die persönlichen Verhältnisse nur in verallgemeinerter Form berücksichtigt, indem z.B. für verschiedene Alters-, Bildungs- und Berufsgruppen verschiedene Massstäbe angelegt werden, letztlich aber gleich wie in der deutschen Lehre eine Durchschnittsperson massgebend sein soll (siehe etwa Hans Walder, Probleme bei Fahrlässigkeitsdelikten, in: ZBJV 104/1968, S. 161-189, 170; Martin Killias et al., Grundriss des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, 2. Auflage, Bern 2017, N 330; Bernard Corboz in: Alain Macaluso et al. (Hrsg.), Commentaire Romand, Code pénal I, Art. 1-110 StGB, Basel 2017, Art. 12 N 151 f.).

[61] PK StGB-Jean-Richard-dit-Bressel/Trechsel, Art. 12 N 31.

[63] Urteil des Bundesgerichts 6B_174/2013 vom 20. Juni 2013 E. 3.3.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_1049/2015 vom 6. September 2016 E. 2.5.

[65] Was aus verschiedenen Gründen schon gar nicht als strafrechtliche Sorgfaltsnorm taugt, siehe III.1. a)-b).

[66] Urteilsdispositiv des Bezirksgerichts Laufenburg vom 16. Juni 2016 mit Verweis auf den Strafbefehl vom 11. April 2016; siehe auch Fischer (Fn. 5).

[67] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589 Ziff. 21.

[68] Siehe auch Stratenwerth (Fn. 51), AT I4, § 16 N 8.

[69] Bei der Voraussicht geht es um die Frage, was ein Täter tatsächlich vorausgesehen hat. Sie legt nur fest, ob bewusste oder unbewusste Fahrlässigkeit vorliegt (siehe dazu auch III.).

[71] Zum Ganzen siehe Roman Elsener, «Das hätte man wissen müssen!», in: sui-generis 2015, S. 117, 118.

[72] Statt vieler BGE 135 IV 56 E. 2.1. Kritisch dazu BSK StGB I-Niggli/Maeder, Art. 12 N 97.

[74] Siehe dazu soeben III.1.c).

[75] Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, Ziff. 19.

[76] Urteil des Bundesgerichts 6B_1091/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.3.

[78] Vgl. etwa Seelmann/Geth (Fn. 60), N 483.

[79] Statt vieler Bernd Heinrich, Strafrecht Allge­mei­ner Teil, 3. Auflage, Stuttgart 2012, N 1042 ff.

[80] Vgl. Man drives van carrying ammunition over Missouri field fire, Los Angeles Times vom 14. Oktober 2015.

[81] Plastisch Rutz (Fn. 52), S. 258, 365 f.

[82] Farag-Jaussi (Fn. 1), S. 144 f.

[84] Donatsch (Fn. 50), S. 127; siehe auch Christof Riedo/Franz Riklin, Die strafrechtliche Verantwortung des Planers, in: Hubert Stöckli/Thomas Siegenthaler (Hrsg.), Planerverträge, Verträge mit Architekten und Ingenieuren, 2. Auflage, Zürich 2019, S. 941-966, N 21.78 f.

[85] Vgl. Stratenwerth (Fn. 51), N 30 ff.; siehe auch BSK StGB I-Niggli/Mäder, Art. 12 N 86 m.W.H.

[86] Urteil des Bundesgerichts 6S.728/1999 vom 6. März 2001 E. 3, wo das erlaubte Risiko als Grenze der objektiv geforderten Sorgfalt bezeichnet wird.

[87] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF), Brandschutzrichtlinie 25-03, Wärmetechnische Anlagen, vom 26. März 2003 (nicht mehr in Kraft); Entscheid des Kreisgerichts Bern-Laupen vom 10. Juni 2005, Sammelstelle Gerichtsentscheide (SG) 2006 Nr. 1589, Ziff. 21.

[88] Gleiches gilt etwa für Art. 3.2. Ziff. 13 letzter Satz der Brandschutzrichtlinie 12-15, welcher zum Umgang mit elektrischen Energieverbrauchern festhält: «Die Herstellerangaben sind einzuhalten.»

[89] In concreto enthielt die spezielle Möbelpolitur brandgefährliches Leinöl und darf mittlerweile in der Schweiz so nicht mehr verkauft werden: Fritz Thut, «Burestobe»-Brand: Schuld waren selbstentzündbare Putzlappen, in: aargauerzeitung.ch vom 13. März 2015.