I. Einleitung
Gemäss Art. 8 Abs. 3 BV sind «Mann und Frau (…) gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.» Hierbei handelt sich um die Nachfolgebestimmung des Art. 4 Abs. 2 aBV. Dieser wurde als direkter Gegenvorschlag zu einer im «Internationalen Jahr der Frau» (1975) lancierten Verfassungsinitiative zur Verbesserung der Stellung der Frau in die Verfassung aufgenommen.[1] Der Gegenvorschlag war derselben Idee verpflichtet.[2] Gleichwohl geht das Bundesgericht davon aus, dass Art. 8 Abs. 3 BV die Gleichstellung der Geschlechter bezweckt: Die Bestimmung «verbietet nicht nur die Benachteiligung von Frauen, sondern jede nicht durch zwingende biologische oder funktionale Unterschiede gerechtfertigte geschlechtsbezogene Regelung, unabhängig davon, ob dadurch Frauen oder Männer benachteiligt werden; das Recht muss geschlechtsneutral sein».[3]
Die «Geschlechtsneutralität des Rechts» ist ein Ideal. Die Bundesgesetzgebung hat sich diesem in gewissen Bereichen angenähert. Beispielsweise ist das eheliche Namensrecht heute geschlechtsneutral ausgestaltet (Art. 160 ZGB). In diversen Bestimmungen der Bundesgesetzgebung wird das Geschlecht jedoch noch heute als Kriterium für eine Ungleichbehandlung herangezogen. Beispielhaft erwähnt seien die Militärdienstpflicht (Art. 2 ff. MG), die Regelungen über die Anspruchsberechtigung für die AHV-Rente (Art. 21 AHVG) sowie die Witwen- und Witwer-renten (Art. 23 f. AHVG) und der Vergewaltigungstatbestand (Art. 190 StGB).[4]
Eine direkte Geschlechterdiskriminierung liegt vor, «wenn sich eine Ungleichbehandlung ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich nicht sachlich rechtfertigen lässt».[5] In den vorerwähnten Bestimmungen der Bundesgesetzgebung waren oder sind Männer gegenüber Frauen benachteiligt. Nachfolgend wird darauf eingegangen, ob die Ungleichbehandlung durch zwingende biologische Unterschiede gerechtfertigt ist oder einer solchen Rechtfertigung entbehrt.
II. Die überwundene Diskriminierung im ehelichen Namensrecht
Die deutsch-schweizerische Doppelbürgerin Susanna Burghartz und der Schweizer Bürger Albert Schnyder, beide seit 1975 in Basel wohnhaft, heirateten 1984 in Deutschland. Sie bestimmten den Namen Burghartz nach deutschem Recht als Familiennamen und der Bräutigam machte von seinem Recht Gebrauch, seinen bisherigen Namen voranzustellen. Er führte somit den Namen «Schnyder Burghartz». Die Schweizer Behörden trugen den Namen «Schnyder» als gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten im Zivilstandsregister ein. Deshalb stellten die Ehegatten ein Namensänderungsgesuch mit den Anträgen, es sei ihnen die Führung des Namens «Burghartz» als Familienname und jene des Namens «Schnyder Burghartz» als Name des Ehegatten zu gestatten. Das Gesuch wurde am 6. November 1984 abgewiesen.[6]
In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre wurden die Bestimmungen über die Wirkungen der Ehe revidiert. Art. 160 Abs. 1 ZGB sah vor, dass der Name des Ehemannes der Familienname der Ehegatten ist. Abs. 2 dieses Artikels hielt fest, dass die Braut ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen kann. Art. 30 ZGB («Namensänderung») legte in Abs. 2 zudem fest, dass «das Gesuch der Brautleute, von der Trauung an den Namen der Braut als Familiennamen zu führen, […] zu bewilligen [ist], wenn achtenswerte Gründe vorliegen». Das seit dem 1. Januar 1988 in Kraft stehende Namensrecht gestattete es dem Ehemann nicht, seinen bisherigen Namen dem Namen der Frau voranzustellen, wenn dieser gemäss Art. 30 Abs. 2 ZGB von den Brautleuten als Familienname gewählt wurde.[7] Art. 30 Abs. 1 ZGB war von der Revision nicht betroffen. Die Bestimmung lautete unverändert wie folgt: «Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn wichtige Gründe vorliegen.»[8]
Nach dem Inkrafttreten der neuen Regelungen zu den Wirkungen der Ehe stellten die Ehegatten erneut ein Gesuch. Die kantonalen Behörden lehnten auch dieses Gesuch ab und begründeten dies damit, dass den Eheleuten kein ernsthafter Nachteil aus der Führung des Familiennamens «Schnyder» erwachse (vgl. Art. 30 Abs. 1 ZGB). Der neue Art. 30 Abs. 2 ZGB werde zudem nicht rückwirkend auf Ehepaare angewendet, deren Ehe vor dem 1. Januar 1988 geschlossen worden sei, und der neue Art. 160 Abs. 2 ZGB gelte nur für die Ehegattin.[9]
Das Bundesgericht hiess die Berufung der Ehegatten teilweise gut: Die Anwendung von Art. 30 Abs. 2 ZGB komme zwar nicht infrage, doch lägen in diesem Fall wichtige Gründe für die Anwendung des Abs. 1 dieses Artikels vor, insbesondere das Alter und das berufliche Wirkungsfeld der Eheleute sowie die Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz in der einschlägigen Gesetzgebung, welche durch die Nähe der Grenzstadt Basel zu Deutschland noch stärker ins Gewicht fallen. Deshalb soll den Ehegatten erlaubt werden, Burghartz als Familiennamen zu führen. Das Bundesgericht lehnte hingegen das Gesuch des Ehemannes ab, den Namen «Schnyder Burghartz» tragen zu dürfen. Das Schweizer Parlament, das an der Einheit des Namens in der Familie festhalten und einen radikalen Bruch mit der Tradition vermeiden wolle, habe sich nie für die absolute Gleichstellung der Ehegatten bei der Namenswahl ausgesprochen und somit bewusst nur der Frau erlaubt, ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranzustellen.[10]
Danach hatten die Europäische Kommission für Menschenrechte und schliesslich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über die Beschwerde der Eheleute zu befinden. Letzterer verkündete sein Urteil am 22. Februar 1994. Er hatte den Fall in Bezug auf die Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der EMRK geprüft und dabei dem Vorbehalt betreffend Namensrecht, den die Schweiz im Zusammenhang mit dem Protokoll Nr. 7 angebracht hatte, die Wirkung versagt. Art. 5 dieses Protokolls («Gleichberechtigung der Ehegatten») sieht vor, dass die Ehegatten «hinsichtlich der Eheschliessung, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe […] untereinander und in ihren Beziehungen zu den Kindern gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art» haben. Der Gerichtshof erinnerte daran, dass die Entwicklung hin zur vollständigen Gleichstellung der Geschlechter eines der Hauptziele der Mitgliedstaaten des Europarates ist und deshalb eine einzig durch das Geschlecht begründete Ungleichbehandlung nur aus überaus gewichtigen Gründen als mit der Konvention vereinbar erachtet werden kann. Da in den Augen des Gerichtshofs keine objektiven und vernünftigen Gründe für die Ungleichbehandlung der Ehegatten ersichtlich sind, kam er zum Schluss, dass eine Verletzung der Art. 8 und 14 EMRK vorliegt.[11]
Aufgrund des Urteils des EGMR änderte der Bundesrat die Zivilstandsverordnung per 1. Juli 1994. Dem Mann wurde gestattet, seinen Namen dem Familiennamen voranzustellen, wenn die Brautleute beantragt haben, den Namen der Frau als Familiennamen zu führen. Im Rahmen der Totalrevision der Zivilstandsverordnung wurde diese Bestimmung zu Art. 12 Abs. 1 zweiter Satz.[12] Das ZGB stand nun im Widerspruch zur Verordnung und zum Völkerrecht. Schliesslich wurde der Widerspruch behoben. Die Bundesversammlung beschloss nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 27. August 2009[13] und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Oktober 2009 [14], das ZGB so anzupassen, dass Doppelnamen für Ehefrauen und Ehemänner möglich sind.[15] Das Namensrecht wurde später nochmals revidiert. Art. 160 ZGB in der aktuellen Fassung erlaubt Doppelnamen nicht mehr.[16]
Im Sinne eines Zwischenfazits kann festgehalten werden, dass die Geschlechterdiskriminierung im Namensrecht behoben ist. Bezüglich Doppelnamen sind heute beide Geschlechter - pointiert gesagt - gleich schlecht gestellt. Nicht zuletzt deshalb ist im Namensrecht keine Ruhe eingekehrt. Am 15. Dezember 2017 wurde im Nationalrat eine parlamentarische Initiative eingereicht: Heiratswilligen sei durch eine entsprechende Gesetzesänderung zu ermöglichen, nach der Eheschliessung künftig auch Doppelnamen tragen zu dürfen. Die Rechtskommission des Nationalrates hat der Initiative am 14. Januar 2019 Folge gegeben.[17]
III. Diskriminierung im geltenden Recht
1. Witwerrente
Rita K. stand als Primarlehrerin im Dienst des Kantons St. Gallen und war als solche seit anfangs Mai 1971 bei der Kantonalen Lehrerversicherungskasse (KLVK) versichert. Während ihrer Mitgliedschaft hatte sie Beiträge in der Höhe von Fr. 35'842.70 geleistet. Rita K. verstarb am 1. Februar 1986 und hinterliess als einzigen Erben ihren Ehemann, Heinz K. Am 2. April 1986 ersuchte Heinz K. die KLVK um Zusprechung einer Abfindung in der Höhe der Austrittsentschädigung (Freizügigkeitsleistung), die er auf Fr. 49'312.30 bezifferte. Er machte geltend, von seiner Ehefrau während der Ehedauer namhaft unterstützt worden zu sein, sei doch aus ihrem Einkommen der wesentliche Teil des gemeinsamen Lebensunterhalts bestritten, sein eigenes Einkommen hingegen vor allem für Anschaffungen verwendet worden. Nachdem die KLVK die wirtschaftlichen Verhältnisse durch Beizug verschiedener Unterlagen abgeklärt hatte, wies sie mit Verfügung vom 21. April 1986 das Gesuch um Abfindung ab, weil das in Art. 47 Abs. 1 der Verordnung über die kantonale Lehrerversicherungskasse vom 21. Januar 1964 (KLVK-V; sGS 213.55) aufgestellte Erfordernis der namhaften Unterstützung des hinterlassenen Ehemannes durch die verstorbene Ehefrau nicht erfüllt sei. Heinz K. beschwerte sich erfolglos bei der Erziehungsdirektion und dem kantonalen Versicherungsgericht. Das Bundesgericht hiess seine Beschwerde dagegen gut. Es stellte in BGE 116 V 198 fest: «Eine kantonalrechtliche Ordnung, wonach einerseits der Anspruch auf Witwerrente nur besteht, wenn der Witwer während der Ehe auf den Verdienst der Ehefrau angewiesen war und er nachher nicht voll erwerbsfähig ist, währenddem anderseits der Anspruch auf Witwenrente allein durch den Tod des Ehemannes begründet wird, stellt eine geschlechtsspezifische Unterscheidung dar, die sich weder mit biologischen noch mit funktionalen Verschiedenheiten der Geschlechter rechtfertigen lässt und welche daher gegen Art. 4 Abs. 2 BV verstösst (Erw. II/2).» Die entsprechenden kantonalen Anspruchsvoraussetzungen durften im konkreten Fall nicht angewendet werden (Erw. II/3).
Nachdem das Bundesgericht einem Witwer eine Rente der 2. Säule gestützt auf Art. 4 Abs. 2 aBV zugesprochen hatte, wurde der Bundesgesetzgeber tätig. Er hat im Rahmen der 10. AHV-Revision die Witwerrente ins AHVG (1. Säule) aufgenommen. Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben (Art. 23 Abs. 1 AHVG). In dieser Bestimmung sind Frauen und Männer gleichgestellt. Es existieren jedoch auch besondere Bestimmungen. Nach Art. 24 Abs. 1 AHVG haben Witwen überdies Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung keine Kinder oder Pflegekinder, jedoch das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind. War die Witwe mehrmals verheiratet, so wird auf die Gesamtdauer der Ehen abgestellt. In Absatz 2 wird festgehalten: Zusätzlich zu den in Artikel 23 Absatz 4 aufgezählten Beendigungsgründen (Tod oder Wiederverheiratung) erlischt der Anspruch auf die Witwerrente, wenn das letzte Kind des Witwers das 18. Altersjahr vollendet hat.[18]
Im BVG wurde die Witwerrente später verankert. In der Botschaft zur 1. BVG-Revision finden sich folgende Ausführungen: «Das BVG sieht in Artikel 19 nur die Gewährung einer Witwenrente vor. Diese Bestimmung steht im Widerspruch zum Gleichberechtigungsartikel der Bundesverfassung (Art. 4 Abs. 2 aBV; Art. 8 Abs. 3 nBV). (…) Anders als die AHV wird die berufliche Vorsorge eine Witwerrente ausrichten, welche den Bedingungen der Witwenrente voll entspricht.»[19]
Im Sozialversicherungsrecht nähert sich der Gesetzgeber der verfassungsmässigen Ordnung bzw. dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (Art. 8 Abs. 3 BV) demnach an. Wieso die Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen im Bereich der 1. Säule gerechtfertigt sein soll, bleibt freilich offen. Erklärt werden kann die verbleibende Ungleichbehandlung mit der traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau bzw. dem Leitbild der Versorgerehe.[20]
2. AHV-Rentenalter
Anton Achermann vollendete am 22. August 1976 das 62. Altersjahr. Am 17. Januar 1977 ersuchte er die Ausgleichskasse des Kantons Luzern um Befreiung von der Beitragspflicht sowie um Ausrichtung einer Altersrente, beides rückwirkend auf den 22. August 1976. Nach Art. 21 Abs. 1 AHVG hatten Männer einen Rentenanspruch, nachdem Sie das 65. Altersjahr zurückgelegt haben. Frauen waren dagegen bereits im Alter von 62 anspruchsberechtigt. Herr Achermann berief sich dabei auf Art. 4 BV und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Mit Verfügung vom 21. Januar 1977 lehnte die Ausgleichskasse beide Begehren ab, wobei sie darauf hinwies, dass sie an Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 AHVG, welche Beitragspflicht und Rentenanspruch altersmässig umschreiben, gebunden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde des Herrn Achermann wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ab. Vor Bundesgericht rügte der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau (Art. 4 Abs. 2 aBV; Art. 8 Abs. 3 nBV) sowie des völkerrechtlichen Diskriminierungsverbotes (Art. 14 EMRK). Betreffend Art. 4 Abs. 2 aBV; Art. 8 Abs. 3 nBV stellte das Bundesgericht fest, dass «die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze (…) vom Richter nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüft werden können (Art. 113 Abs. 3 und Art. 114 bis Abs. 3 BV).»[21] Zur EMRK-Rüge stellte das Bundesgericht fest: «Die EMRK und die - von der Schweiz nur zum Teil ratifizierten - Zusatzprotokolle enthalten weder eine allgemeine Vorschrift über die rechtsgleiche Behandlung von Mann und Frau noch eine im vorliegenden Fall anwendbare Bestimmung über die Altersgrenzen beim Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen bzw. bei der Verpflichtung zu entsprechenden Beiträgen. Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 AHVG stehen demnach nicht in einem Widerspruch zur EMRK, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch in diesem Punkt unbegründet ist.»[22] Anton Achermanns Beschwerde wurde abgewiesen.[23]
Im Rahmen der 10. AHV-Revision hat die Bundesversammlung die Voraussetzungen für die Altersrente angepasst. Das Rentenalter der Frau wurde auf 64 erhöht, das des Mannes ist gleichgeblieben (Art. 21 Abs. 1 AHVG). Zwingende biologische und funktionale Unterschiede für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Geschlechter sind hier nicht auszumachen. Ursache - nicht Rechtfertigung - der Ungleichbehandlung ist vielmehr die Tradition.[24] Die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja - aber fair)»[25] sowie die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)»[26] versuchen, das Rücktrittsalter von Frau und Mann zu vereinheitlichen. Beide Volksbegehren befinden sich im Sammelstadium.[27]
3. Wehrpflicht und Ersatzabgaben
A. wurde am 20. Dezember 2005 aus der Rekrutenschule entlassen, nachdem er am 19. Januar 2005 für dienstuntauglich befunden worden war. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2015 legte die Wehrpflichtersatzverwaltung des Kantons Zug den Wehrpflichtersatz von A. für das Ersatzjahr 2014, ausgehend von einem taxpflichtigen Einkommen von Fr. 55'400.-, auf Fr. 1'662.- fest, wovon ein bereits bezahlter Betrag von Fr. 600.- in Abzug gebracht wurde. Die dagegen gerichtete Einsprache wurde am 19. November 2015 abgewiesen. A. erhob Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, welches das Rechtsmittel mit Urteil vom 27. September 2016 abwies. Mit Eingabe vom 16. November 2016 erhob A. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (eventuell Verfassungsbeschwerde) mit dem Antrag, er sei in Aufhebung des angefochtenen Entscheids von der Wehrpflicht bzw. der Wehrpflichtersatzabgabe zu befreien. A. rügte die Verletzung des verfassungsrechtlichen und des völkerrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 2 und 3 BV, Art. 14 EMRK). Das Bundesgericht pflichtete dem Beschwerdeführer grundsätzlich bei, dass die auf Männer beschränkte Wehrpflicht im Widerspruch zu Art. 8 Abs. 2 und 3 BV steht. Dass biologische und funktionale Unterschiede Frauen grundsätzlich für den Militärdienst untauglich erscheinen lassen, werde dadurch widerlegt, «dass Frauen freiwillig Militärdienst leisten können (Art. 59 Abs. 2 BV; Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung [MG; SR 510.10]), dass sie in der Armee grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten haben wie die männlichen Angehörigen der Armee (Art. 3 Abs. 3 MG) und ihnen alle Funktionen offenstehen. Auch in den meisten ausländischen Armeen werden Frauen in mehr oder weniger grossem Umfang eingesetzt. In einigen Staaten besteht auch eine Wehrpflicht für Frauen.»[28] Das Bundesgericht stellte jedoch weiter fest, dass Art. 59 Abs. 2 BV die Wehrpflicht bewusst und gewollt auf Männer beschränke. Art. 59 Abs. 2 BV gehe dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot als «lex specialis» vor.[29] Ferner statuiere die EMRK kein allgemeines Diskriminierungsverbot. Art. 14 komme nur auf die in der Konvention anerkannten Rechte zur Anwendung. Solche Rechte würden durch die Wehrpflicht nicht betroffen. Die Wehrpflicht sei insbesondere vom Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit ausgenommen (Art. 4 Ziff. 3 lit. b EMRK).[30] Die Beschwerde erweise sich damit als unbegründet.[31]
Die Auffassung des Bundesgerichts, dass Art. 59 Abs. 2 BV dem Diskriminierungsverbot vorgeht, ist nicht unbestritten.[32] Waldmann ist der Ansicht, dass die Geschlechtergleichheit eine Kerngehaltsbestimmung darstelle, die auch den Verfassungsgeber selber binde.[33] Bondolfi geht in die gleiche Richtung. Sie weist sogar darauf hin, dass Art. 190 BV der Korrektur eines verfassungswidrigen Bundesgesetzes nicht entgegenstehe, sofern das Bundesgesetz den Kerngehalt der Grundrechte nicht wahre.[34] Nach der hier vertretenen Ansicht stellt die Wehrpflicht bzw. jede Form von Zwangsarbeit einen Eingriff in den Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) dar, unabhängig davon, ob die Wehrpflicht sich bloss auf Männer oder auf beide Geschlechter erstreckt.[35] Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das Bundesgericht seine Rechtsprechung ändern wird. Es wäre Sache des Volkes, die Grundrechte im Bereich des Militärwesens zur Geltung zu bringen.[36] Von der Wehrpflicht ist allerdings nur ein kleiner Teil des Volkes betroffen. Jener Teil des Souveräns, der der Pflicht nicht unterliegt, scheint ein grosses Interesse an den Diensten der Pflichtigen zu haben. Die Abschaffung der Dienstpflicht ist entsprechend unpopulär: Die eidgenössische Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wurde am 22. September 2013 von 73,2 Prozent der Stimmenden und allen Kantonen abgelehnt.[37]
Um dem Gleichbehandlungsgebot Genüge zu tun, könnte die Wehrpflicht auch auf Frauen ausgedehnt werden. Da die Wehrpflicht - wie jede Dienstpflicht - jedoch eine Form von Zwangsarbeit darstellt und damit den Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit verletzt, würde die Ausdehnung der Wehrpflicht auf Frauen mit Blick auf die Verwirklichung der Grundrechte (Art. 35 Abs. 1 BV) keine Verbesserung des Zustandes bedeuten. Gleichbehandlung alleine ist kein Mass für eine gute Behandlung.
IV. Ein Grenzfall: Der Vergewaltigungstatbestand (Art. 190 StGB)
Angriffe auf die sexuelle Freiheit und Ehre von Männern werden im geltenden Recht von Art. 189 Abs. 1 StGB erfasst. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Der erzwungene Beischlaf mit Frauen fällt dagegen unter Art. 190 StGB. Nach dieser Norm wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht.
Das StGB befindet sich aktuell in der Revision. Nach der Revisionsvorlage lautet Art. 189 Abs. 1 StGB wie folgt: «Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.» Art. 190 Abs. 1 StGB soll neu folgenden Wortlaut haben: «Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer beischlafsähnlichen Handlung, insbesondere einer solchen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren bestraft.»[38] Gemäss der Botschaft des Bundesrates sollen auch Männer als Opfer einer Vergewaltigung in Frage kommen und ihr Trauma rechtlich anerkannt werden.[39]
Gebietet die Verfassung bzw. Art. 8 Abs. 3 BV die gleiche Beurteilung von Straftaten gegenüber männlichen und weiblichen Opfern sexueller Handlungen bzw. ist in deren ungleichen Behandlung eine Diskriminierung zu erblicken? Niggli/Maeder weisen darauf hin, dass Frauen aufgrund einer Vergewaltigung schwanger werden können.[40] Entsprechend votieren die Autoren für die Beibehaltung der ungleichen Beurteilung von Straftaten gegenüber männlichen und weiblichen Opfern: «Für eine Revision des Vergewaltigungstatbestandes (Art. 190 StGB) bzw. des Tatbestandes der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) im diskutierten politischen Sinne besteht kein ersichtlicher Bedarf. Die Unterscheidung in Beischlaf/beischlafsähnlich stellt (…) nicht auf das Geschlecht ab, sondern auf die Möglichkeit einer Schwangerschaft bzw. der Fortpflanzung. Die Unterscheidung ist weder veraltet noch obsolet. Dies zeigt die aktuelle Rechtslage, die z.B. Ehe und eingetragene Partnerschaft unterscheidet. Abgesehen von der Bezeichnung würden die Vorschläge weder Umfang noch Anwendungsbereich noch Mass der heute geltenden Strafbarkeit verändern. Eine Revision aber, die einzig eine Änderung der Bezeichnung anstrebt und deren Motiv zudem auf fundamentalen Missverständnissen des geltenden Rechts beruht, ist weder sinnvoll noch nötig, angesichts des medientauglichen Gegenstandes aber hoch gefährlich.»[41]
Nach der hier vertretenen Auffassung stellt die Unterscheidung Beischlaf/ beischlafsähnlich in den Art. 189 f. StGB nicht einzig auf die Möglichkeit einer Schwangerschaft ab, da auch der erzwungene Beischlaf mit Frauen ausserhalb des gebärfähigen Alters unter Art. 190 StGB fällt. Die ungleiche Beurteilung von Straftaten gegenüber gebärfähigen Frauen und den restlichen Menschen liesse sich mit biologischen Unterschieden rechtfertigen. Wenn im Anwendungsbereich von Art. 189 f. StGB tatsächlich opferbezogene Differenzierungen angezeigt sein sollten, müsste ein spezieller Tatbestand für den Schutz gebärfähiger Frauen vor sexuellen Übergriffen geschaffen werden. Geradezu geboten erscheint eine solche Differenzierung auf der Tatbestandsebene jedoch nicht. Wenn der Übergriff für ein Opfer besonders gravierende Folgen hat (z.B. eine ungewollte Schwangerschaft), kann dem im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden (Art. 47 Abs. 2 StGB). Mit Blick auf Art. 8 Abs. 3 BV ist die geplante Revision des Strafrechts jedenfalls zu begrüssen.
V. Schlussfolgerungen
«Die gesellschaftlich eingespielte Rollenverteilung und die damit verbundenen Stereotypen sind (immer noch) eine wichtige Ursache abwertender Differenzierungen zu Lasten der Frauen (...). Dazu kommen verschiedenste weitere Ursachen einer tatsächlichen Schlechterstellung von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.»[42] - Frauen mögen in verschiedenen Bereichen de facto schlechter gestellt sein. Offensichtlich ist jedoch, dass Männer in verschiedenen Bundesgesetzen benachteiligt bzw. Frauen privilegiert werden. Eine Ungleichbehandlung der Geschlechter kann im Sexualstrafrecht gerechtfertigt sein (vorstehend IV). Im Sozialversicherungsrecht (vorstehend III 1 und 2) ist die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, sondern lediglich durch die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau erklärbar. Im Militärwesen gilt das Gleiche (vorstehend III 3).
Die Möglichkeiten der Verwaltungsbehörden und Gerichte zur Korrektur grundrechtswidriger Bundesgesetze sind eingeschränkt: Nach Art. 190 BV sind Bundesgesetze - auch verfassungswidrige - für die rechtsanwendenden Behörden verbindlich. Es bleibt daher Sache des Gesetzgebers, mittels Gesetzesrevisionen darauf hinzuwirken, dass die Grundrechte in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen (Art. 35 Abs. 1 BV). Mit Blick auf Art. 8 Abs. 3 BV sollte der Gesetzgeber darauf achten, beide Geschlechter gleich gut und nicht gleich schlecht zu stellen. Das zeigt die Entwicklung im Namensrecht: Durch die Streichung der Doppelnamen bei Ehegatten ist die Geschlechterdiskriminierung im Namensrecht zwar beseitigt, gleichzeitig werden jedoch die Möglichkeiten der Brautleute bei der Namenswahl beschnitten. Jüngst ist wieder der Ruf nach der Einführung der Doppelnamen laut geworden (oben II).