I. Handelsbeziehungen Schweiz - EU im Kontext
Über den Entwurf des «Abkommens zur Erleichterung der bilateralen
Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft in den Bereichen des Binnenmarkts, an denen die Schweiz
teilnimmt» (InstA)[1]
zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) wird seit
Dezember 2018 schweizweit intensiv diskutiert. In die politische Diskussion
über die Vor- und Nachteile des Vertragsentwurfs fliessen
Stellungnahmen der öffentlichen Konsultation[2]
sowie Ergebnisse diverser Rechtsgutachten[3]
und -expertisen[4]
mit ein. Im Fokus der Diskussion steht dabei insbesondere die Bedeutung des
Abkommens für die staatlichen Beihilfen, die flankierenden Massnahmen
und die Unionsbürgerrichtlinie.
Der regulatorische und politische Kontext des Abkommens stand bisher
weniger im Fokus der Diskussionen. Dabei deutet vieles darauf hin, dass
insbesondere die InstA-Bestimmungen betreffend das Freihandelsabkommen von
1972 mit der EU (FHA)[5]
von zu grosser Dringlichkeit sind, als dass ein zuletzt vorgeschlagenes
Interimsabkommen - ein sog. «Memorandum of Understanding»,
welches den status quo der bilateralen Beziehungen einfrieren
würde, bis die Verhandlungen über Brexit konkretere Gestalt
angenommen haben[6]
- als gangbarer Ausweg erschiene.
1. Herausforderungen allgemein
Die EU sieht sich gegenwärtig mit einer «Polykrise»
konfrontiert, in welcher die verschiedenen Herausforderungen nicht nur
gleichzeitig auftreten, sondern sich auch gegenseitig befeuern.[7]
So droht nach deren zwischenzeitlicher Bewältigung eine neuerliche
Verschärfung der globalen Finanz- und Flüchtlingskrisen.[8]
Aber auch die Auswirkungen der Klimaerwärmung[9]
und der Digitalisierung[10]
sind spürbar, hinzu kommen Spannungen im Bereich der globalen
Sicherheit.[11]
Zusätzlich stellt der Brexit eine immense politische, wirtschaftliche,
aber auch regulatorische Herausforderung dar - nicht nur für die EU
und das Vereinigte Königreich Grossbritannien und Nordirland
(nachfolgend: Vereinigtes Königreich), sondern für ganz Europa,
die Schweiz inbegriffen. Die EU selbst befindet sich in einer
Verfassungskrise, seit sich einzelne Mitgliedstaaten über fundamentale
Prinzipien des EU-Rechts hinwegsetzen.[12]
Gleichzeitig ist die EU aber spätestens seit den letzten
Parlamentswahlen politisch gespalten, was notwendige Reformen erschwert.[13]
Stabile politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen der EU und
ihren europäischen Nachbarstaaten sind für die Bewältigung
dieser Herausforderungen von grundlegender Bedeutung und liegen somit im
vitalen Interesse des gesamten Kontinents Europa. Nichtsdestotrotz gelingt
es seit Jahren nicht, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen der EU und der Schweiz auf ein neues rechtliches Fundament zu
stellen und damit für Rechtssicherheit und politische Stabilität
zu sorgen. Dies soll sich nun mit dem InstA ändern.
2. Handelspolitische
Herausforderungen
Wie nachfolgend erläutert wird, ist das drohende Auseinanderbrechen
des regelbasierten globalen Handelssystems für die Einordnung des
InstA in den globalen Kontext von besonderer Bedeutung.[14]
In diesem Zusammenhang ist die Schweiz zusammen mit anderen
europäischen Drittstaaten direkt davon betroffen, dass die EU die
Interessen ihrer
Mitgliedstaaten vor diejenigen des Kontinents stellt. Dabei zeigt sich,
dass die EU bisher die Option nicht vorsieht, europäische Drittstaaten
ohne implizite Voraussetzung einer (zukünftigen) EU- oder
EWR-Mitgliedschaft weitreichend in den EU-Rechtsraum zu integrieren.[15]
Sie tut dies mit guten Gründen, denn eine Spaltung Europas in
EU-Mitglieder und -Nichtmitglieder würde sich langfristig sowohl auf
den Wohlstand, wie auch auf das politische Gewicht Europas negativ
auswirken.[16]
Stabile Wirtschafts- und Rechtsbeziehungen zwischen der EU und deren
europäischen Nachbarstaaten stellen aber gleichzeitig auch ohne die
implizite Voraussetzung einer zukünftigen EU- oder EWR-Mitgliedschaft
eine Chance dar: Über die Wirtschaftsintegration in den EU-Rechtsraum
können die wirtschaftlichen Nachteile der Nichtmitgliedschaft
gemindert und kann die gemeinsame europäische Stimme gegen aussen
gestärkt werden.
Der im InstA kodifizierte Ansatz zur Teilintegration in den EU-Rechtsraum
kommt ohne implizite Voraussetzung einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft
aus und unterscheidet sich damit deutlich vom Verhandlungskontext der
Bilateralen Abkommen I und II. Sofern dieser Ansatz auch langfristig und
gegenüber globalen handelspolitischen Herausforderungen Bestand hat,
birgt er damit das Potenzial, Europa insgesamt zu stärken, indem er
europäischen Drittstaaten eine stabile und zeitlich unbefristete
Teilintegration in den EU-Rechtsraum ermöglicht.
II. Die WTO, der Handelskrieg und die Schweiz
Aus strukturellen Gründen wirken sich sowohl die politischen
Entwicklungen innerhalb der WTO wie auch der sog. Handelskrieg zwischen den
USA und China auf die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU
aus. Beides trägt dazu bei, dass sich die Dringlichkeit einer
Modernisierung des FHA zusätzlich erhöht.
1. Die Handelsbeziehungen der Schweiz und die WTO
In Ergänzung zum FHA und den Bilateralen Abkommen[17]
mit der EU verfügt die Schweiz über Freihandelsabkommen mit fast
allen für die Schweiz wichtigen Export- und Importmärkten[18]
sowie über den minimalen Marktzugang weltweit, welchen die
WTO-Abkommen[19]
sicherstellen. Die bi- und plurilateralen Freihandelsabkommen der Schweiz
orientieren sich in Struktur und Umfang am multilateralen Rahmen der
WTO-Abkommen.[20]
Die Durchsetzung der in den bi- und plurilateralen Freihandelsabkommen
vereinbarten Handelsregeln ist bisher wesentlich vom
Streitbeilegungsverfahren der WTO geprägt. Der
Streitbeilegungsmechanismus der WTO ist ein zweistufiges Verfahren, welches
im Anschluss an den Bericht eines ad-hoc eingesetzten Panels den
Parteien die Möglichkeit gibt, den Entscheid an eine zweite Instanz,
den Appellate Body, weiterzuziehen. Dessen Entscheidung ist
letztinstanzlich und für beide Parteien bindend.[21]
Das Fallrecht in Streitfragen betreffend das internationale Handelsrecht
ist umfangreich und reicht mittlerweile über siebzig Jahre
zurück,[22]
wodurch eine solide Grundlage für die Rechtsdurchsetzung in
internationalen Handelsstreitigkeiten entstanden ist.[23]
Während sich die Schweiz bei der
Anrufung der WTO-Streitbeilegungs-institutionen bisher sehr
zurückhaltend gezeigt hat,[24]
nutzen viele der übrigen Mitglieder der WTO das
Streitbeilegungsverfahren rege.[25]
Von dieser regen Nutzung der Streitbeilegungsverfahren und dem zugrunde
liegenden Konsens, dass die Urteile der WTO-Streitbeilegungsinstanzen
grundsätzlich zu respektieren sind, profitiert die Schweiz: Das
Verfahren der WTO stellt bisher sicher, dass Handelsstreitigkeiten
über den Rechtsweg gelöst werden und nicht über
Machtpolitik.[26]
Allerdings steht der WTO Appellate Body bereits seit längerer Zeit in
der Kritik. Beanstandet wird insbesondere, dass das Gericht seine
Kompetenzen überschreite, indem es 1) nationales Recht auslege, 2)
über die Auslegung der bestehenden Abkommen hinaus neue
Verpflichtungen schaffe, und 3) die Tatsachenfeststellungen in den
erstinstanzlichen Urteilen ignoriere.[27]
Versuche, das Streitbeilegungsverfahren entsprechend anzupassen,
scheiterten bisher am Einstimmigkeitsprinzip der WTO.[28]
Der Umstand, dass die USA bereits seit 2011 ihr Veto-Recht bei der
Ernennung von Richterinnen und Richtern des Appellate Body einsetzt,
verdeutlicht die Dringlichkeit einer Revision des
WTO-Streitbeilegungsverfahrens.[29]
Spätestens seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald J. Trump
2017 verhindern die USA konsequent die Ernennung von neuen Richterinnen und
Richtern.[30]
Dies hat dazu geführt, dass der Appellate Body ab dem 11. Dezember
2019 nur noch über einen - von eigentlich sieben - amtierenden Richter
verfügt. Die zweite Instanz im WTO-Streitbeilegungsverfahren wurde
somit (wenigstens temporär) ab Dezember 2019 aufgehoben.[31]
Weil sich aber gleichzeitig an der Rechtsgrundlage für das
WTO-Streitbeilegungsverfahren nichts ändert, steht der unterliegenden
Partei in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren weiterhin das Recht zu, den
Entscheid der Erstinstanz an den Appellate Body weiterzuziehen.[32]
Da dieser aber nicht mehr urteilen kann, kann die unterliegende Partei
damit das Inkrafttreten des erstinstanzlichen Entscheids auf unbestimmte
Zeit verhindern.[33]
Dies würde sich auch auf die Rechtsmittel auswirken, welche zur
Verfügung stehen, um dem WTO-Recht im Streitfall zur Durchsetzung zu
verhelfen: Ist ein WTO-Mitglied nicht bereit, die im
Streitbeilegungsverfahren festgestellte Verletzung seiner Verpflichtungen
im WTO-Recht innert angemessener Frist zu
beseitigen, steht es der obsiegenden Partei zu, Retorsionsmassnahmen zu
ergreifen.[34]
Solche Massnahmen umfassen
typischerweise die Aussetzung von Zugeständnissen und anderen
Verpflichtungen, sowie Strafzölle. Die vorgesehenen Massnahmen der
obsiegenden Partei können wiederum über ein entsprechendes
WTO-Verfahren auf ihre Eignung und Verhältnismässigkeit
geprüft werden.[35]
Allerdings steht den Mitgliedern die Möglichkeit zur Ergreifung und
Überprüfung von Retorsionsmassnahmen nur offen, wenn zuvor ein
Entscheid - entweder des Panels oder des Appellate Bodys - formell
angenommen worden ist.[36]
Solang der Appellate Body funktionsunfähig ist, steht deshalb der
klagenden Partei mangels rechtskräftigem Entscheid kein Rechtsmittel
zur Verfügung, um gegen rechtswidrige Massnahmen vorzugehen.
Möglich ist deshalb, dass WTO-Mitglieder in einem solchen Fall
entweder auf die Streitbeilegungsverfahren in Freihandelsabkommen
ausweichen, oder - und angesichts der derzeit vorherrschenden
handelskriegsähnlichen Zustände wahrscheinlicher - in Missachtung
ihrer DSU-Verpflichtungen dennoch Retorsionsmassnahmen ergreifen.[37]
2. Der Handelskrieg und die Schweiz
Um einen Wechsel hin zu einer zunehmend von Machtpolitik geprägten
Rechtsauslegung und -durchsetzung im WTO-Recht zu verhindern, bemühen
sich die WTO-Mitglieder um eine temporäre Zwischenlösung. So wird
beispielsweise Art. 25 DSU
herbeigezogen, welcher die Möglichkeit vorsieht, Handelsstreitigkeiten
über ein Schiedsverfahren zu klären.[38]
Andere Vorschläge gehen in Richtung eines plurilateralen (also nicht
für alle WTO-Mitglieder bindenden) Abkommens über die
WTO-Streitbeilegung[39], oder in Richtung eines temporären Verzichts auf die
Berufungsinstanz.[40]
Allen vorgebrachten Vorschlägen mangelt es allerdings an einem
Mechanismus, welcher dezidiert machtpolitisch agierende Mitglieder in die
Schranken zu weisen vermag. Die USA haben sich bisher keiner der
verschiedenen Initiativen angeschlossen.[41]
Auch die Schweiz beteiligt sich an den Bemühungen um eine Revision des
WTO-Streitbeilegungsverfahrens.[42]
Der von der EU und Kanada beschlossenen Interimslösung[43]
hat sie sich bisher aber noch nicht angeschlossen. Somit bleibt unklar,
welche Rechtsmittel der Schweiz ab Januar 2020 auf multilateraler Ebene
offenstehen werden, um ihre Wirtschaft vor diskriminierenden Massnahmen zu
schützen.
Dies betrifft auch das von der Schweiz initiierte
WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen die von den USA seit März 2018
erhobenen zusätzlichen Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte.[44]
Seit Februar 2019 berät das dafür eingesetzte Panel den Fall.[45]
Ein für frühestens Mitte 2020 erwartetes erstinstanzliches Urteil
könnte rechtlich weiterhin an den voraussichtlich
funktionsunfähigen Appellate Body weitergezogen werden.
Sowieso ist fraglich, inwiefern Retorsions- oder Schutzmassnahmen
überhaupt der Durchsetzung der schweizerischen Wirtschaftsinteressen
dienen:
Zusammenfassend ist folglich festzuhalten, dass selbst unter der Annahme,
dass WTO-rechtliche Massnahmen zur Verfügung stehen, um die
schweizerischen Wirtschaftsinteressen im Alleingang durchzusetzen, diese
aus Gründen der Exportabhängigkeit entweder nur beschränkte
Wirkung entfalten oder der einheimischen Wirtschaft sogar schaden
können. Für eine verhältnismässig kleine, nicht in
einen Staatenverbund à la EU integrierte Volkswirtschaft wie die
Schweiz bleibt somit ein auf festen Regeln beruhendes WTO-System
Grundvoraussetzung für die Gewährleistung der
Wirtschaftsinteressen. Fehlt der dafür notwendige globale Konsens,
gewinnen Rechtsbeziehungen zwischen Gleichgesinnten, z.B. in
Freihandelsabkommen, an Bedeutung.
3. Auswirkungen des Handelskriegs auf die Beziehung Schweiz - EU
Dass die gegenwärtige Krise im regelgebundenen Handelssystem
weitreichende Auswirkungen für die Schweiz hat, zeigte sich auch
Anfang 2019, als die EU in Reaktion auf die zusätzlichen Zölle
auf Stahl- und Aluminiumprodukte der USA unilaterale Schutzmassnahmen in
Kraft setzte. Die Schweiz bemühte sich erfolglos darum, von den
EU-Schutzmassnahmen ausgenommen zu werden:[50]
Ausgenommen sind einzig die Mitgliedstaaten des EWR und
Entwicklungsländer.[51]
Während die Schutzmassnahmen der EU mutmasslich im Einklang mit
WTO-Recht erlassen worden sind,[52]
sind sich die EU und die Schweiz uneinig darüber, ob die Massnahmen
auch mit Art. 26 i.V.m. Art. 27 FHA vereinbar sind.[53]
Die Frage wird weiterhin im Gemischten Ausschuss behandelt; weil das FHA
bisher kein Streitbeilegungsverfahren vorsieht, kann die Schweiz allerdings
kein Rechtsmittel ergreifen, um die Vereinbarkeit der EU-Schutzmassnahmen
mit dem FHA zu klären.[54]
Die Frage bleibt aktuell, denn weitere Schutzmassnahmen der EU als Reaktion
auf die Handelspolitik der USA sind absehbar.[55]
III. Das InstA und die
Handelsbeziehungen Schweiz - EU
Generell ist mit der eingeschränkten - oder temporär aufgehobenen
- Streitbeilegung in Handelsfragen durch die WTO absehbar, dass sich der
Fokus von der multilateralen Ebene auf die bi- und plurilaterale Ebene
verschiebt. Damit gewinnen die Streitbeilegungsmechanismen in
Freihandelsabkommen an Wichtigkeit. Auch die Schweiz sieht in ihren
Freihandelsabkommen Streitbeilegungsverfahren vor. Wie sich zeigt, ist das
FHA heute das einzige Handelsabkommen der Schweiz,[56]
das für die Streitbeilegung keine Schiedsgerichtsbarkeit vorsieht:
Während die Schweiz mit dem möglichen Wegfall der
WTO-Streitbeilegungsverfahren in Bezug auf schätzungsweise 24% des
Handels mit Gütern auf ein Schiedsverfahren in einem
Freihandelsabkommen zurückgreifen kann, steht diese Absicherung
für die übrigen 60% des Schweizer Güterhandels mit der EU,
wie auch für die 12% mit den USA nicht zur Verfügung.[57]
Illustrativ dafür, was das fehlende Streitbeilegungsverfahren im FHA
für die Schweiz bedeuten kann, ist der sog. Steuerstreit: Die EU
erachtete 2007 bestimmte kantonale Steuererleichterungen für Holding-
und verwandte Gesellschaften in der Schweiz als Verstoss gegen das FHA. Ob
sich die EU-Auslegung des FHAs in einem Streitbeilegungsverfahren
durchgesetzt hätte, bleibt bis heute höchst fraglich.[58]
Dennoch hatte sich die Schweiz letztendlich aus politischen und
wirtschaftlichen Gründen mit der EU darauf geeinigt, die fraglichen
Steuererleichterungen abzuschaffen.[59]
Letztere wurden in einem über mehrere Jahre dauernden Prozess schliesslich mit
der vom Volk im Mai 2019 angenommenen STAF-Vorlage abgeschafft.[60]
Ein Streitbeilegungsverfahren hätte der Schweiz 2007 die
Möglichkeit eröffnet, sich auf dem Rechtsweg gegen die
fragwürdige EU-Auslegung des FHAs zur Wehr zu setzen, womit die
rechtliche Seite des sog. Steuerstreits somit innerhalb weniger Monate
hätte geklärt werden können.
1. InstA: Bedingte
Schiedsgerichtsbarkeit in den Handelsbeziehungen Schweiz - EU
Das InstA kommt damit grundsätzlich zur richtigen Zeit, denn es soll
mit einem Streitbeilegungsverfahren zu einer höheren Rechtssicherheit
in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen. Das FHA (und damit der
Güterhandel) wurde allerdings auf Wunsch der Schweiz
grundsätzlich vom Anwendungsbereich des InstA ausgenommen.[61]
Der Bundesrat ist sich aber der Nachteile des im FHA fehlenden
Streitbeilegungsverfahrens bewusst:[62]
Für die Interimsphase ab Inkrafttreten des InstA bis zur
Inkraftsetzung eines allfälligen modernisierten FHA sieht die
Erklärung die Möglichkeit vor, den Streitbeilegungsmechanismus
des InstA auch im Bereich des FHA [...]
zu nutzen [...]. Voraussetzung ist, dass beide Parteien im konkreten
Streitfall damit einverstanden sind. Die Nutzung des
InstA-Streitbeilegungsmechanismus unter dem bestehenden FHA wäre
grundsätzlich auch im Interesse der Schweiz.
Mit der Ratifikation des InstA bestünde folglich die Option, z.B. ein
Streitbeilegungsverfahren über die Vereinbarkeit der
EU-Schutzmassnahmen mit dem FHA zu initiieren, unter der Voraussetzung,
dass die EU ihr Einverständnis dazu gibt. Ob ein solches Verfahren im
Interesse der EU wäre, ist bisher unklar.
Ebenso bleibt fraglich, ob sich die Schweizer Auslegung des FHAs in Bezug
auf die EU-Schutzmassnahmen durchsetzen würde. Dass die
EU-Schutz-massnahmen grundsätzlich mit dem WTO-Recht vereinbar sein
dürften, deutet jedenfalls darauf hin, dass sie grundsätzlich
auch mit ihren neueren Freihandelsabkommen vereinbar sind, sofern diese in
Bezug auf Schutzmassnahmen weitgehend mit dem WTO-Recht
übereinstimmen.[63]
Die Besonderheit des FHAs liegt darin, dass das Abkommen 1972 abgeschlossen
worden ist, und damit mehr als 20 Jahre vor Inkrafttreten des WTO-Abkommens
über Schutzmassnahmen.[64]
Demnach war es den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Verhandlungen
unmöglich, die entsprechenden Bestimmungen des WTO-Rechts in das FHA
zu inkorporieren.[65]
Die Schweiz beruft sich in dieser Frage also auf eine gewissermassen
veraltete Bestimmung, welche es in dieser Form heute so in anderen
Freihandelsabkommen nicht mehr gibt. Somit ist vorliegend strittig, ob die
EU die im FHA für den Erlass von Schutzmassnahmen vorgesehenen
Verfahrensbestimmungen eingehalten hat - und nicht, ob Schutzmassnahmen per se zulässig sind.[66]
Weil es sich beim FHA um ein Freihandels- und nicht um ein
Marktintegrationsabkommen handelt, erscheint die im InstA vorgesehene
Möglichkeit zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
unnötig. Die Zuständigkeit des EuGH entspricht auch nicht dem
üblichen Streitbeilegungsverfahren in anderen Freihandelsabkommen der
EU.[67]
Unter diesem Gesichtspunkt ist nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat
verlangt hat, dass das FHA vom InstA ausgenommen bleibt.
Dennoch bleibt offen, weshalb der
Bundesrat nicht im Interesse der Rechtssicherheit in die - zumindest
vorübergehende - Anwendbarkeit des InstA-Streitschlichtungsverfahrens
für das FHA eingewilligt hat: Der EuGH wird grundsätzlich vom
InstA-Schiedsgericht nur beigezogen in Auslegungsfragen zu Rechtsbegriffen
des EU-Rechts.[68]
Da das FHA - anders als etwa das Luftverkehrsabkommen von 1999 -bekanntlich
keine Rechtsübernahme von EU-Recht umfasst,[69]
entspräche das InstA-Schiedsgericht in Bezug auf das FHA de facto
einem gewöhnlichen Schiedsgericht, wie es die Schweiz auch in ihren
anderen Freihandelsabkommen vorgesehen hat.
2. InstA: Modernisierung des FHA
Geht es nach dem vorliegenden Entwurf des InstA, so werden innerhalb von
sechs Monaten nach Unterzeichnung des
InstA Verhandlungen über die Modernisierung des FHAs aufgenommen.[70]
Diese Absichtserklärung findet sich auch in der Präambel des
InstA, in welcher der gemeinsamen Überzeugung Ausdruck verliehen wird,
dass die Modernisierung des FHA erforderlich sei.[71]
In der das InstA ergänzenden «Gemeinsamen Erklärung
EU-Schweiz zu den Handelsabkommen» (Gemeinsame Erklärung) wird
die in der Präambel erwähnte Absichtserklärung weiter
ausgeführt.
So präzisiert Absatz 6 konkret, welche Bereiche die angestrebte
Modernisierung des FHAs betrifft[72]
Der damit skizzierte Umfang eines modernisierten FHAs entspricht demjenigen
von modernen Handelsabkommen der EU, aber auch der Schweiz und der EFTA. Er
geht allerdings auch in allen erwähnten Bereichen über den
bestehenden Umfang des FHA hinaus. Eine Modernisierung des FHA käme
somit - je nach Verhandlungsverlauf - einem Abkommen im Umfang von CETA
oder EFTA-Ecuador nahe, was nicht zuletzt auch dem gegenwärtig
diskutierten Entwurf für die künftigen Beziehungen zwischen der
EU und dem Vereinigten Königreich entspricht.[73]
Neben der Modernisierung des FHAs wird auch die Anwendbarkeit der
InstA-Streitbeilegung für Handelsstreitigkeiten basierend auf dem
bestehenden und dem modernisierten FHA sowohl in der Präambel des
InstA, wie auch in der gemeinsamen Erklärung über Handelsabkommen
explizit genannt.[74]
Demnach würden, je nach Umfang der Marktintegration, welche aus einem
modernisierten FHA resultiert, die Mehrzahl der Bereiche des modernisierten
FHAs vollumfänglich dem InstA unterstellt werden.
Weder das InstA noch die Gemeinsame Erklärung oder die
Erläuterungen des Bundesrats schaffen Klarheit darüber, welche
Teile des modernisierten FHAs dies betreffen dürfte und welcher
Streitbeilegungsmechanismus - falls überhaupt - vorgesehen würde
für die nicht dem InstA unterstellten Bereiche des modernisierten
FHAs.
Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, weshalb der EuGH beigezogen
werden müsste in Streitfragen basierend auf einem Abkommen nach dem
Vorbild von CETA oder von EFTA-Ecuador. Der entsprechende Hinweis sowohl in
der Präambel des InstA, wie auch in der Gemeinsamen Erklärung
deutet folglich darauf hin, dass der anvisierte Umfang der Modernisierung
wahrscheinlich über den Rahmen von CETA oder EFTA-Ecuador hinausgehen
und neben zwischenstaatlichen Verpflichtungen auch Rechtsharmonisierung
umfassen würde. Andernfalls würde die Bereitschaft der Schweiz,
die Zuständigkeit des EuGH in einem modernisierten FHA anzuerkennen,
im Widerspruch zur bisherigen Politik stehen.
Der Bundesrat bezeichnet die Gemeinsame Erklärung allerdings insgesamt
als «rechtlich nicht verbindlich».[75]
Die Rechtsnatur eines internationalen Akts wird durch den Willen der
Parteien bestimmt und geht aus dem Text hervor.[76]
Neben den Erläuterungen des Bundesrats ist deshalb zu beachten, dass
Teile der Gemeinsamen Erklärung so formuliert sind, dass sie einen
gemeinsamen Willen zur Verbindlichkeit nahelegen und der Präzisierung
von einzelnen Bestimmungen im - rechtlich verbindlichen - InstA dienen.[77]
Vergleichbar ist die Gemeinsame Erklärung somit mit der
«Political Declaration», welche in den Verhandlungen über
den Brexit dem Entwurf des Withdrawal Agreement angehängt ist. Die
Political Declaration legt dar, wie die zukünftigen Beziehungen
zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgestaltet sein
dürften. Es ist damit ein per se nur politisch verbindliches
Dokument. Da aber Art. 184 des Withdrawal Agreement
(Stand: November 2019) die Parteien zu Verhandlungen über die
künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten
Königreich nach Treu und Glauben («in good faith»)
verpflichtet,[78]
erhält die zunächst nur politisch verbindliche Political
Declaration indirekt auch rechtliche Verbindlichkeit.[79]
Einen identischen Verweis auf Treu und Glauben fehlt im InstA. Hingegen
tritt mit Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung diese an die Stelle
eines begründeten Antrags über den Ausbau der durch das FHA
geschaffenen Beziehungen nach Art. 32 FHA. Demnach würde
der Gemischte Ausschuss des FHA beauftragt, den Antrag zu prüfen und
Empfehlungen zur Einleitung von Verhandlungen auszuarbeiten.[80]
Während sich der Gemischte Ausschuss folglich immer noch auf ein
konkretes Verhandlungsmandat einigen müsste, so würde er sich
aber wenigstens von den verbindlich formulierten Teilen der Gemeinsamen
Erklärung («… les signataires conviennent …» in
Ziff. 9 und Ziff. 10) nicht mehr vollständig lösen können.[81]
Über die Präambel im InstA und die Verwendung der Gemeinsamen
Erklärung als begründeten Antrag gemäss Art. 32 FHA ist der in der
Gemeinsamen Erklärung abgesteckte zeitliche und inhaltliche Rahmen von
Verhandlungen über eine Modernisierung des FHA für beide Parteien
mindestens politisch verpflichtend. Die Ratifikation des InstA müsste
folglich zu Verhandlungen über die Modernisierung des FHA führen;
und diese Verhandlungen müssten sich damit befassen, welche Teile des
modernisierten FHAs dem Streitschlichtungsverfahren des InstA unterstellt
werden. Über die Zeit würde das InstA somit dafür sorgen,
dass die Schweiz auch in Bezug auf den Handel mit Waren und
Dienstleistungen über einen (unbedingten) Rechtsweg verfügt, um
ihre Interessen gegenüber der EU durchzusetzen.
IV. InstA und die Zukunft
europäischer Drittstaaten
im EU-Binnenmarkt
Parallelen bestehen zwischen den skizzierten zukünftigen
Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bzw.
der Schweiz. So sehen sowohl die Gemeinsame Erklärung, wie auch die
Political Declaration vor, dass die EU künftig je über ein
umfassendes Freihandelsabkommen mit der Schweiz und mit dem Vereinigten
Königreich verfügt, welches neben dem klassischen Marktzugang
auch eine Teilintegration in den EU-Binnenmarkt inkl. Rechtsharmonisierung
umfasst.
In Bezug auf die Rechtsharmonisierung bleibt der EuGH zuständig
für die Auslegung von EU-Rechtsbegriffen und es wird
grundsätzlich die Übernahme von EU-Beihilferecht und die
Abschaffung der flankierenden Massnahmen verlangt in den von der
Rechtsharmonisierung erfassten Bereichen.[82]
Basierend auf dem gegenwärtigen Entwurf des InstA und dem aktuellen
Entwurf des Withdrawl Agreement (bzw. der Political Declaration) würde
die Schweiz aber insbesondere wegen dem Abkommen über die
Personenfreizügigkeit letztendlich umfassender in den EU-Binnenmarkt
integriert sein, als dies für das Vereinigte Königreich der Fall
wäre.[83]
Die Behauptung, dass die Schweiz im InstA weiterhin wie ein
Beitrittskandidat behandelt werde,[84]
erscheint dennoch nicht zutreffend: Während sich die statische Natur
der Mehrzahl der Bilateralen Abkommen I und II mutmasslich damit
erklären lässt, dass die Verhandlungsführung damals von
einer zeitlich begrenzten Anwendung der Abkommen ausgegangen ist,[85]
wird diese Fehleinschätzung mit dem vorliegenden Entwurf des InstA
korrigiert. Das InstA erlaubt eine dynamische Anpassung an das EU-Recht in
denjenigen Rechtsbereichen, in welchen sich die Parteien über eine
Teilintegration in den EU-Rechtsraum einig werden.[86]
Das langfristige Funktionieren der Rechtsbeziehungen zwischen der EU und
der Schweiz ist somit nicht mehr länger abhängig von einer
zukünftigen Mitgliedschaft der Schweiz in der EU.
Der politische Preis für die damit greifbare Rechtssicherheit in den
Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU ist allerdings hoch: Aus
wirtschaftlichen und - infolge des Handelskriegs und der Schwächung
der WTO - aus rechtlichen Gründen ist die Schweiz grundsätzlich
auf die Absicherung ihrer Wirtschaftsinteressen gegenüber der EU
über den Rechtsweg angewiesen. Wegen ihrer ungleich grösseren
Handelsmacht gilt dies aber nicht in gleichem Masse für die
Handelsinteressen der EU gegenüber der Schweiz. Die EU kann somit ihre
Vorstellungen einer sinnvollen Handelspartnerschaft gegenüber der
Schweiz weitgehend durchsetzen, insbesondere solange kein Rechtsweg
offensteht, welcher es der Schweiz erlauben würde, gegen
Übertretungen der EU vorzugehen. Der Preis für Marktzugang,
Rechtssicherheit und Teilintegration ist der teilweise Beitritt zum
EU-Rechtsraum ohne entsprechende Mitentscheidungsrechte.[87]
Während dies aus Sicht der EU den logischen Weg darstellen mag,
europäische Drittstaaten im gegenseitigen wirtschaftlichen Interesse
teilweise in den EU-Binnenmarkt zu integrieren, bleibt gegenwärtig
offen, ob die EU damit im
aktuellen politischen Umfeld den Preis nicht zu hoch ansetzt.[88]
Nichtsdestotrotz skizziert das InstA - zusammen mit einem noch zu
verhandelnden modernisierten FHA - eine dynamische und langfristige
Rechtsbasis für die Handelsbeziehungen der EU mit europäischen
Drittstaaten.
V. Schlussfolgerungen
Als globalisierte Volkswirtschaft, welche bisher nicht in eine
Staatengemeinschaft integriert ist, ist die Schweiz auf die Durchsetzung
ihrer Handelsinteressen über den Rechtsweg angewiesen. Die Politik der
USA führte aber Ende 2019 dazu, dass die WTO-Streitbeilegung nicht
mehr vollumfänglich funktionsfähig ist, wodurch diese wenigstens
temporär mit den in Handelsabkommen vorgesehenen
Streitbeilegungsverfahren ersetzt werden muss. Die Schweiz verfügt
über keine solchen Streitschlichtungsverfahren in ihren
Handelsbeziehungen mit der EU, der mit Abstand wichtigsten Handelspartnerin
der Schweiz.
Das InstA schafft immerhin mittelfristig und nur in Verbindung mit einem
umfassend modernisierten und erweiterten FHA die Grundlage für eine
stabile, dynamische und damit langfristige Rechtsgrundlage für die
Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Der politische Preis
für Rechtssicherheit und Marktzugang ist jedoch der teilweise
Beitritt zum EU-Rechtsraum ohne entsprechende Mitentscheidungsrechte. Es
bleibt gegenwärtig offen, ob die EU damit den Preis nicht zu hoch
ansetzt.
[5]
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 1972 (FHA; SR 0.632.401).
[10]
Siehe z.B. Bitten Thorgaard Sørensen, Digitalisation: An
Opportunity or A Risk?, Journal of European Competition Law & Practice, 2018,
S. 349-350.
[12]
Siehe z.B. von Armin Bogdandy/Michael Ioannidis, Das systemische
Defizit. Merkmale, Instrumente und Probleme am Beispiel der
Rechtsstaatlichkeit und des neuen
Rechtsstaatlichkeitsaufsichtsverfahrens,
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht
und Völkerrecht, 2014, S. 283-328.
[15]
Benjamin Leruth/Stefan Gänzle/Jarle Trondal, Exploring
Differentiated Disintegration in a Post-Brexit European Union, Journal of Common Market Studies, 2019, S 1013-1030.
Während Assoziationsabkommen der EU teilweise über den
Rahmen eines einfachen Freihandelsabkommens hinausgehen, so bleiben
sie doch im Umfang deutlich hinter dem EWR/den Bilateralen Abkommen
zurück.
[17]
Die Bilateralen Abkommen I (Personenfreizügigkeit, Technische
Handelshemmnisse, Öffentliches Beschaffungswesen,
Landwirtschaft, Forschung, Luftverkehr und Landverkehr) traten 2002
in Kraft. Die Bilateralen Abkommen II (Schengen/Dublin,
Automatischer Informationsaustausch AIA, Betrugsbekämpfung,
landw. Verarbeitungsprodukte, MEDIA, Umwelt, Statistik,
Ruhegehälter und Bildung) traten 2005, 2006 und 2008 in Kraft.
Siehe auch Matthias Oesch, Die Europäisierung des schweizerischen Rechts, NCCR
Trade Regulation, Working Paper No 2011/05, 2012.
[19]
Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April
1994 (SR 0.632.20).
[20]
Siehe Charlotte Sieber-Gasser, Democratic Legitimation of Trade
Policy Tomorrow, Jusletter, 9. November 2015.
[21]
Siehe z.B. Werner Schroeder/Pascal Schonard, Die Effektivität
des WTO-Streitbeilegungssystems, RIW 9/2001, S. 658 ff.
[23]
Nicolas Diebold/Matthias Oesch, Die Durchsetzung von WTO-Recht
durch Schweizer Unternehmen, AJP, S. 1525 ff.
[24]
Matthias Oesch, Handelspolitische Schutzmassnahmen der EU und der
Schweiz: Grundlagen, Praxis, Abhängigkeiten, Swiss Review of International and European Law, 2019a, S.
151 ff.
[26]
Oesch, 2019a (Fn. 21).
[35]
Siehe z.B. Diebold/Oesch, 2008 (Fn. 23); Robert Hennicke,
Die Überwachung der Durchführung von Urteilen und
Entscheidungen im Völkerrecht am Beispiel der EMRK und des
DSU der WTO, MenschenRechtsMagazin, 2016, S. 56 ff. Zu den
Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Rechtsdurchsetzung
über das WTO Streitbeilegungsverfahren und
Retorsionsmassnahmen, siehe z.B. Bernhard Zangl,
Bringing Courts Back In: Normdurchsetzung im GATT, in der WTO
und der EG, Swiss Political Science Review, 2001, S. 49 ff.
[37]
Siehe auch Lamp, 2019 (Fn. 33).
[41]
Deepak, 2019 (Fn. 40).
[44]
Bundesrat,
US-Importzölle auf Stahl und Aluminium: Schweiz leitet
WTO-Streitbeilegungsverfahren
ein, Medienmitteilung, 10 Juli 2018;
United States - Certain Measures on Steel and Aluminium
Products, DS556.
[45]
Siehe auch Matthew Kennedy, Why Are WTO Panels Taking Longer? And
What Can Be Done about It?, Journal of World Trade, 2011,
S. 221 ff.
[46]
Ausführlicher Diebold/Oesch, 2008 (Fn. 23), S. 1532.
[47]
So verfügt die Schweiz beispielsweise über einen
Handelsüberschuss auf Gütern von 25.37 Mrd. CHF im Jahr
2018 mit den USA, aber über ein Handelsdefizit auf
Dienstleistungen von 5.6 Mrd. CHF im Jahr 2018: Die Schweiz
importiert 9% des US-amerikanischen Exports an Computer- und
Datenverarbeitungs-Dienstleistungen, siehe United States,
International Trade Commission,
Recent Trends in U.S. Services Trade: 2018 Annual Report, 2018. Weil Retorsionsmassnahmen aber grundsätzlich im
betroffenen Sektor ergriffen werden müssen, ist somit unklar,
mit welchen konkreten Massnahmen die Schweiz den Schaden der
zusätzlichen Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukten der
USA kompensieren könnte. Siehe auch Direktion für
europäische Angelegenheiten DEA,
Schweiz - EU in Zahlen: Statistiken zu Handel,
Bevölkerung und Verkehr, Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten, 2019.
[48]
Oesch, 2019a (Fn. 21), S. 163 ff.; Diebold/Oesch, 2008 (Fn. 23), S.
1532 ff.
[49]
Unilaterale Kontingente oder Ausgleichszölle als
Schutzmassnahmen gegen die zusätzlichen Zölle auf Stahl-
und Aluminiumprodukte der USA würden beispielsweise die
Produktion von Stahl- und Aluminiumprodukten in der Schweiz
verteuern und damit der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen
schweizerischen Industrien schaden. Unilaterale Schutzmassnahmen
stehen grundsätzlich aus wirtschaftlichen Gründen nur
dann sinnvollerweise zur Verfügung, wenn die einheimische
Produktion nicht auf den Import aus dem Ausland angewiesen ist.
[51]
Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission
vom 31. Januar 2019 zur Einführung endgültiger
Schutzmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter
Stahlerzeugnisse.
[52]
Vereinzelt wird auch innerhalb der WTO infrage gestellt, ob die
Voraussetzungen für den Erlass von Schutzmassnahmen
erfüllt sind, siehe WTO,
Members Review Long List of Safeguard Actions at Committee
Meeting, 29. April 2019.
[53]
Art. 26 FHA
besagt: «Bei ernsten Störungen in einem Wirtschaftszweig
oder bei Schwierigkeiten, die regional zu einer schwerwiegenden
Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage führen können,
kann die betroffene Vertragspartei gemäss den in Artikel 27
festgelegten Voraussetzungen und Verfahren geeignete Massnahmen
treffen.» Siehe auch SECO (Fn. 50) und
Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 (Fn. 51), E. 196.
[54]
Ausführlicher dazu Oesch, 2019a (Fn. 21), S. 168 ff.; Art. 27 FHA sieht die
Möglichkeit vor, Schutzmassnahmen zu ergreifen, wenn sich der
Gemischte Ausschuss nicht innerhalb von drei Monaten auf ein
Vorgehen einigen kann. Aus den obengenannten wirtschaftlichen
Gründen bietet diese Rechtsoption der Schweiz allerdings keine
Abhilfe.
[56]
Ganz ohne Verweis auf Streitbeilegung: Schweiz - Färöer, Art. 8.
[58]
Philipp Roth, Der Steuerstreit zwischen der Schweiz und der
Europäischen Union, Der Treuhänder 2010, S 721
ff.
[59]
Insgesamt dauerte der Steuerstreit über 10 Jahre, siehe z.B.
Simon Hirsbrunner, Könnte die Schweiz ein Verbot staatlicher
Beihilfen verkraften?, Zeitschrift für Europarecht,
2017, S. 60 ff; Thomas Linder/Cyrill Diefenbacher, Darstellung der
EU-Regionalbeihilferegelungen und Schlussfolgerungen für
Steuererleichterungen in der Schweiz, Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, 2014/15, S.
565 ff.
[65]
Auch die Schweiz inkorporiert in neueren Abkommen
üblicherweise die Bestimmungen über Schutzmassnahmen der
WTO-Abkommen, siehe z.B. Art. 18 Ziff. 3, EFTA-Chile; oder Art. 20, Schweiz-Japan.
[66]
Der Bundesrat antwortete auf die Frage, wie die Ungleichbehandlung
der Schweizer Stahlindustrie gegenüber den EWR-Staaten mit den
Bilateralen Abkommen vereinbar sei, wie folgt: «Der
Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU wird durch das
Freihandelsabkommen von 1972 geregelt. Dieses Abkommen verbietet
(im Gegensatz zum EWR-Abkommen) die Anwendung von
handelspolitischen Schutzmassnahmen nicht und enthält auch
keine Sonderbestimmungen über den Handel mit Stahlprodukten.
Massnahmen, welche Einfuhren beeinträchtigen, müssen
gemäss dem Abkommen allerdings gewisse Voraussetzungen
erfüllen (u.a. Schutz überwiegender öffentlicher
Interessen, Verhältnismässigkeit).» Antwort des
Bundesrats vom 17. August 2016, Interpellation Sauter (IP 16.3508).
[67]
Siehe auch Christopher Vajda, The EU and Beyond: Dispute Resolution
in International Economic Agreements, The European Journal of International Law, 2018, S. 205 ff.
[70]
InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen,
Ziff. 11.
[71]
InstA, Präambel, para. 4:
«In der Überzeugung, dass der kontinuierliche und
ausgewogene Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen
den Parteien auch eine Modernisierung der Instrumente erfordert,
die der wirtschaftlichen Beziehung zwischen der Europäischen
Union und der Schweiz zugrunde liegen, darunter das 1972
unterzeichnete Freihandelsabkommen (FHA 1972) […]».
[72]
InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen,
Ziff. 6.
[74]
InstA, Präambel,
para. 4; InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den
Handelsabkommen, Ziff. 9.
[76]
Exemplarisch dazu Claude Schenker, Praxisleitfaden Völkerrechtliche Verträge,
Direktion für Völkerrecht, EDA, Ausgabe 2015, Bern, S. 4.
[77]
So beispielsweise zur Erforderlichkeit der Modernisierung des FHA
in InstA, Präambel,
para. 4 i.V.m. InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den
Handelsabkommen Ziff. 6; zur Unterstellung des modernisierten FHA
unter das InstA in InstA, Präambel, para. 4
i.V.m. InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den
Handelsabkommen Ziff. 9.
[80]
InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen
Ziff. 11 i.V.m. Art. 32 FHA.
[81]
InstA, Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen
Ziff. 9 und Ziff. 10.
[84]
Zurkinden, 2019 (Fn. 3), para. 24. Vgl. wiederum auch Baudenbacher,
NZKart 2019 (Fn. 3), 29.
[85]
Siehe auch Tobler/Beglinger, 2018 (Fn. 4), S. 7; Matthias Oesch,
Die bilateralen Abkommen Schweiz - EU und die Übernahme von
EU-Recht, AJP, 2017, S. 638.
[87]
Siehe auch Oesch, 2019b (Fn. 86).