«Wenn ein Patient den Einsatz oder die Weiterführung von
lebenserhaltenden Massnahmen ablehnt und das Sterben in Kauf nimmt, muss
die vom urteilsfähigen Patienten getroffene Entscheidung respektiert
werden. Dies gilt auch, wenn ein urteilsfähiger Patient das Abschalten
oder die Entfernung eines Geräts verlangt, welches für die
Erhaltung seiner Lebensfunktionen unerlässlich ist (z. B.
Beatmungsgerät oder Herzschrittmacher). Vom Arzt wird nicht verlangt,
dass er die Intention des Patienten, seinen Tod herbeizuführen,
unterstützt, sondern nur, dass er eine medizinische Massnahme beendet,
in die der urteilsfähige Patient nicht länger einwilligt.»[7]
Richtig ist zunächst, dass eine ärztliche Behandlung gegen den
Willen eines urteilsfähigen Patienten nach ganz herrschender
Auffassung auch dann eine Körperverletzung darstellt, wenn die
Behandlung medizinisch indiziert ist, um etwa das Leben des Patienten zu
retten. «Ärztliche Eingriffe», so das Bundesgericht,
«erfüllen, auch wenn sie medizinisch indiziert und kunstgerecht
durchgeführt worden sind, jedenfalls insoweit den objektiven
Tatbestand der Körperverletzung, als sie entweder in die
Körpersubstanz eingreifen (z. B. bei Amputationen) oder mindestens
vorübergehend die körperliche Leistungsfähigkeit oder das
körperliche Wohlbefinden des Patienten nicht nur unerheblich
beeinträchtigen oder verschlechtern.»[8]
Deshalb ist es auch folgerichtig, dass es der Einwilligung des Patienten
nicht nur für die Aufnahme einer Behandlung bedarf, sondern
auch für deren Fortsetzung.[9]
Der naheliegende Schluss scheint daher zu sein, dass der urteilsfähige
Patient vom behandelnden Arzt verlangen kann, eine Ernährungssonde,
einen Beatmungsschlauch oder auch einen Herzschrittmacher selbst dann aus
seinem Körper zu entfernen, wenn es sich bei diesen körperlichen
Eingriffen um notwendige Behandlungen handelt, um das Leben des nicht
sterbenden Patienten zu erhalten.[10]
Am Beispiel der Deaktivierung eines Herzschrittmachers soll im Folgenden
erörtert werden, warum diese Folgerung in ihrer Allgemeinheit
nicht haltbar ist. Wie sich zeigen wird, ist dies jedoch nicht
davon abhängig, ob der Schrittmacher ohne Eingriff in den Körper
deaktiviert oder im Ganzen aus dem Körper entfernt wird. Bevor ich
darauf zurückkomme, soll ein kurzer Blick auf die Hintergründe
der Debatte um ein selbstbestimmtes Lebensende den ursprünglichen
Kontext von Behandlungsabbrüchen verstehen helfen.
War der Behandlungsabbruch zunächst nur zulässig in Fällen,
in denen Intensivmediziner zwar einen Sterbeprozess durch einen
Herz-Kreislauf-Stillstand abgewendet hatten, ohne aber die Lebensgefahr
für einen schwerstkranken Patienten zu bannen,[11]
wurde der Behandlungsabbruch bald auch in dem Masse für schwerstkranke
Patienten diskutiert, wie diese immer häufiger von den
Intensivstationen entlassen werden konnten, weil sie nach anfänglicher
Beatmung zu selbstständiger Atmung fähig waren. Allerdings
verblieben diese Patienten oft im (Dauer-)Zustand vollständiger
Pflegebedürftigkeit, wenn sie ihr Bewusstsein nicht wiedererlangten.
Während ein Teil der Strafrechtsliteratur für diese Fälle
die ursprünglich für Sterbende und Intensivpatienten entwickelte
Argumentation übernahm, man halte den Tod nur nicht weiter auf,
weshalb es sich auch beim Beenden lebenserhaltender Behandlung um ein
Unterlassen handele,[12]
folgte ein anderer Teil dieser Auffassung nicht.[13]
Da sich der Behandlungsabbruch bei diesen Langzeitpatienten nicht mehr nur
mit Verweis auf die «Aussichtslosigkeit» der Behandlung oder die
Todesnähe begründen liess, bedurfte es jedenfalls einer
gänzlich anderen Erklärung, um die Pflicht des Arztes zur
weiteren Lebensrettung zu verneinen. So kam - auch im Zuge der Diskussion
um Patientenrechte[14]
- der mutmassliche Patientenwille ins Spiel, der auch dann den Ausschlag
geben sollte, wenn ein Sterbeprozess bei einem unheilbar erkrankten
Patienten nicht absehbar ist.[15]
III. Verbot der Tötung auf Verlangen
In dieser Situation könnte man einfach akzeptieren, dass
Behandlungsabbrüche mit einem zumindest mutmasslichen Willen des
Patienten erlaubt sind, während Behandlungsabbrüche ohne
Patientenwillen weiterhin Tötungen sind. Wenn ein Behandlungsabbruch
ohne Patientenwillen aber eine strafbare Tötung darstellt, dann
müsste ein Behandlungsabbruch mit Patientenwillen im Regelfall eine
strafbare Tötung auf Verlangen sein: «Wer aus achtenswerten
Beweggründen, namentlich aus Mitleid, einen Menschen auf dessen
ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» Es ist
daher alles andere als normlogisch konsistent, ausgerechnet nicht mehr
urteilsfähige Patienten vom Lebensschutz auszuschliessen.
Dies ist umso misslicher, als es nicht um irgendein strafbewehrtes Verbot
geht, sondern um eine Fundamentalnorm des Rechts, bei der jegliche
Unklarheit möglichst vermieden werden sollte. Zwar weisen Fälle
eines rechtmässigen Behandlungsabbruchs in aller Regel dieselben
Kriterien auf: schwerste oder lebensbedrohliche Krankheit mit erheblichen
physischen Beeinträchtigungen (wie etwa bei einer Multiplen Sklerose
oder einer Amyotrophen Lateralsklerose), länger anhaltende und
wahrscheinlich irreversible Bewusstlosigkeit des Patienten (wie beim
Wachkoma oder einer Demenz im fortgeschrittenen Stadium) oder ein
beginnender Sterbeprozess.
Da das ZGB keines der genannten
Kriterien jedoch als Voraussetzung für einen Behandlungsabbruch nennt,
kann nach seinem Wortlaut auch das Deaktivieren eines Herzschrittmachers
bei einem ansonsten gesunden Patienten als zulässiger und sogar
verpflichtender Behandlungsabbruch erfasst sein. Man stelle sich dazu vor,
dass ein Mann mittleren Alters mit einem wegen einer Herzschwäche
implantierten Herzschrittmachers, aber ansonsten kerngesund, gerade seine
Frau durch einen Unfall verloren hat. Weil ihm nun sein Leben nicht mehr
lebenswert erscheint, bittet er seinen Arzt um Deaktivierung des
Schrittmachers, um zu sterben.
Dabei ist es rechtlich zunächst unerheblich, ob das Leben des
Patienten von einer permanenten Funktion des Schrittmachers abhängig
ist oder nur von dessen defibrillatorischer Funktion.[16]
Die defibrillatorische Behandlungsfunktion eines Herzschrittmachers gibt
erst dann automatisch elektrische Impulse ab, wenn der Herzrhythmus zu
schnell wird (sog. tachykarde Rhythmusstörung). Man spricht auch von
einem implantierten Defibrillator, bei dem eine Deaktivierung nicht zum Tod
führen muss, sondern lediglich das Sterberisiko erhöht.[17]
Allerdings wirkt diese Funktion auch einem Kammerflimmern des Herzens beim
Sterben automatisch entgegen, indem der Herzschlag mit Stromstössen
wieder reguliert wird.[18]
Es verwundert daher nicht, dass das Deaktivieren dieser Funktion bei
Patienten am Lebensende weitgehend akzeptiert wird und entsprechende
Patentenverfügungen empfohlen werden.[19]
Anders ist es hingegen, wenn der Patient verlangt, die permanente Funktion
zu beenden, wenn hiervon sein Leben abhängt. Bei der permanenten
Funktion wird der Herzmuskel durch regelmässige Stimulation zur
Kontraktion angeregt. Nach der Deaktivierung wird der vital hiervon
abhängige Patient daher in kurzer Zeit sicher versterben.[20]
Allerdings kann man an einer Herzinsuffizienz auch mit aktiviertem
Schrittmacher versterben.[21]
Patienten mit einer tachykarden Rhythmusstörung versterben ebenfalls
häufig an einer Herzschwäche oder auch an einer anderen,
nicht-kardialen Erkrankung.[22]
Obwohl bei der Deaktivierung des Schrittmachers bzw. seiner
Defibrillationsfunktion in einem Fall der Tod unmittelbar oder jedenfalls
zeitnah und sicher eintritt, während er im anderen Fall erst bei der
nächsten Rhythmusstörung eintritt, die unbehandelt zum Tod
führt, sind diese Umstände rechtlich nicht relevant. Denn
objektiv zugerechnet werden tatbestandsmässige Erfolge immer dann,
wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung, sei es auch nicht als
regelmässige, so doch als nicht ungewöhnliche Folge erwartet
werden konnten. Das trifft auf den Todeseintritt in beiden
Herzschrittmacher-Varianten zu. An der Zurechnung des Todeserfolgs
ändert dessen (fehlende) Unmittelbarkeit also nichts, solange er
kausal verursacht wurde. Auch der Umstand, dass der Patient seine
Gefährdung ausdrücklich will, spielt für die
Zurechnung des Todeserfolgs keine Rolle, wie Art. 114 StGB eindeutig belegt.[23]
Lediglich aus Gründen der Zuspitzung soll daher der Patient im
Beispielsfall auf das permanente Funktionieren des Schrittmachers
angewiesen sein.
Fälle, in denen Patienten die Deaktivierung ihres Herzschrittmachers
(und nicht bloss der Defribrillatorfunktion) verlangt haben, hat es bereits
gegeben, und sie wurden in Fachzeitschriften zum Teil diskutiert.
Allerdings kommen in diesen Fällen weitere Umstände wie hohes
Alter sowie andauernde Schmerzen im OP-Bereich[24]
oder schwere Erkrankung bei geringer Lebenserwartung[25]
hinzu, die hier ebenfalls zunächst keine Rolle spielen sollen. Erst
auf den Patientenwillen als einzigen Grund für den
Behandlungsabbruch reduziert, eignet sich das Beispiel dazu, normative
Fragen heute praktizierter «Sterbehilfe» exemplarisch
herauszuarbeiten, die alles andere als geklärt sind. Denn dieses
Fallbeispiel ist offensichtlich nicht vergleichbar mit den genannten
besonderen Situationen, in denen sich Patienten normalerweise befinden,
für die ein medizinischer Behandlungsabbruch in Betracht gezogen wird.
Es gehört daher nicht zu den Fällen, für die über
mehrere Jahrzehnte mit guten Gründen um eine patientengerechte
Lösung gerungen wurde. Es ist denn auch anzunehmen, dass sich kein
Arzt bereit erklären würde, dem Ansinnen des Patienten
nachzukommen.
Dem Arzt muss sich aber nicht nur intuitiv, sondern aus dem Gesetz heraus
erschliessen, ob sein Tun strafbar wäre. Andernfalls genügte das
Strafgesetz nicht dem Bestimmtheitsgebot. Zwar steht dem Arzt in
Fällen urteilsunfähiger Patienten Art. 14 StGB zur Seite, der
bestimmt: «Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt,
verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder
einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.» Im Gegensatz zur Regelung
medizinischer Massnahmen bei urteilsunfähigen Patienten findet sich
indes keine Vorschrift im ZGB, die
einen Behandlungsabbruch bei urteilsfähigen Patienten umfasste.
Ersichtlich stellte es auch keine «Lösung» dar, wenn der
Arzt seinen Patienten wegen des plötzlichen Unfalltods seiner Frau
für urteilsunfähig erklärte, um auf seinen mutmasslichen
Willen zurückgreifen zu können.
Mit der von der SAMW vertretenen Auffassung könnte sich der Arzt aber
auf Art. 123 Ziff. 1 StGB berufen,
der die vorsätzliche Schädigung eines Menschen an Körper
oder Gesundheit mit Strafe bedroht. Denn, wie ausgeführt,
schädigte der Arzt seinen Patienten mit dieser Ansicht immer dann,
wenn er eine medizinische Behandlung ohne Einwilligung seines Patienten
vorsätzlich fortsetzte. Ist der Patient also nicht mehr einverstanden
damit, einen Herzschrittmacher zu tragen, müsste der Arzt diesen
folglich zumindest deaktivieren, unter Umständen aber auch ganz
entfernen. Andererseits würde er seinen Patienten damit aber auch
vorsätzlich töten. Von gesetzlicher Bestimmtheit kann also
solange keine Rede sein, wie sich dieser Widerspruch nicht aus dem Gesetz
heraus auflösen lässt. Was dieser Fall demonstriert, ist daher
vor allem auch, dass man eine Tötung auf Verlangen nicht am Vorgehen
des Täters erkennen kann (im medizinischen Bereich typischerweise das
Injizieren eines Medikaments in tödlicher Dosierung).
Ein misslicher Umstand bei der dogmatischen Einordnung des
Behandlungsabbruchs besteht darin, dass er sich in das traditionelle
Konzept der Abgrenzung von Selbsttötung und Fremdtötung nicht
ohne Weiteres einfügt. Unterschieden wird danach, wer die
Tatherrschaft im normativen Sinne innehat, die bei Fehlen besonderer
Umstände nach einhelliger Ansicht bislang immer derjenige innehatte,
der die letzte, zum Tod führende Handlung vornimmt.[26]
Im Fall eines Behandlungsabbruchs ist dies regelmässig der Arzt. Dann
tötet er aber nach der herkömmlichen Dogmatik und hilft nicht nur
dem Patienten bei einer Selbsttötung. Dies lässt sich allerdings
auch anders sehen, wenn man die normativen Aspekte der
Tatherrschaft genauer analysiert, die es erfordern, den Blick vom
«natürlichen» Geschehen weg auf das hinzulenken, was
für eine normative Zurechnung relevant ist.
Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe,[27]
lässt sich bei einer gesetzlichen Pflicht zum
Behandlungsabbruch der Rechtsgedanke der mittelbaren Täterschaft
fruchtbar machen - mit dem Unterschied, dass nun der Arzt als eine Art
«Werkzeug» des Patienten fungiert, weil dieser den Arzt rechtlich
zwingen kann, einen Behandlungsabbruch auszuführen. Im
Herzschrittmacherfall hilft dieser Hinweis dem Arzt allerdings nicht
weiter, weil er ja gerade nicht weiss, ob er zum Behandlungsabbruch
gesetzlich verpflichtet ist oder nicht: Da er ihn selbst ausführen
würde, spricht zunächst mehr dafür, dass er sich strafbar
machen könnte. Es bedarf daher einer etwas tiefergehenden
Beschäftigung mit dem Verbot der Tötung auf Verlangen, um diese
Situation normativ aufzulösen.
3. Regelungsbedarf
Der im Jahr 1994 von der Motion Ruffy verfolgte Weg, die Straflosigkeit
einer Tötung auf Verlangen für schwerstkranke Patienten zu
erreichen, wie sie heute in den Beneluxstaaten praktiziert wird, blieb in
der Schweiz bekanntlich ohne Erfolg.[28]
Dies dürfte weniger daran gelegen haben, dass man keinen
Handlungsbedarf sah, sondern hing wohl eher
damit zusammen, dass ein politischer Konsens in Anbetracht des ethisch
äusserst heiklen Themas als ausgeschlossen galt. Rechtlicher
Handlungsbedarf besteht schon deshalb, weil es Fälle schwerstkranker
Patienten gibt, die sich nicht mehr selbst suizidieren können.[29]
Ihnen nahezulegen, sich bei Fortschreiten ihrer Krankheit an eine
Beatmungsmaschine anschliessen zu lassen, um im Anschluss einen
Behandlungsabbruch durchführen zu können, wäre nicht nur
zynisch, sondern löste auch das Rechtsproblem nicht: Da man Patienten
bei vollem Bewusstsein nicht einfach die Sauerstoffzufuhr abschneiden kann,
muss man sie vorher nolens volens narkotisieren. Diese als
«Sedierung» bezeichnete Massnahme ist aber häufig selber
schon geeignet, den Tod des Patienten herbeizuführen.[30]
Wie eine Erhebung zwischen den Jahren 2000 und 2003 zeigt, wird in der
Schweiz, verglichen mit den Niederlanden, Dänemark, Belgien, Schweden
und Italien, mit 41% der höchste Anteil an therapiebegrenzenden
Massnahmen (Verzicht auf oder Abbruch von lebenserhaltenden Massnahmen) bei
vorangegangener Behandlung in Relation zu allen Todesfällen erreicht.[31]
Allerdings führten die Mediziner nur in rund 28% aller Todesfälle
den Todeseintritt auf die Therapiebegrenzung zurück.[32]
Es bleiben also rund 13%, in denen zwar eine Therapiebegrenzung
durchgeführt wurde, der Todeseintritt aber auf eine andere Ursache
zurückgeführt wird wie etwa den Einsatz von Sedativa. Insgesamt
werden Schmerzmittel und Sedativa mit möglicherweise
todesbeschleunigender Wirkung in 22% aller Todesfälle als Hauptursache
für den Eintritt des Todes angesehen.[33]
Von einer «indirekten aktiven Sterbehilfe» kann zum einen aber
kaum die Rede sein, wenn das Sterben eines Patienten aufgrund der
zugeführten Medikamente in Kauf genommen,[34]
also vorsätzlich herbeigeführt wird. Zum anderen dürfte die
tödliche Sedierung im Kontext mit einem Behandlungsabbruch oftmals
auch einen schnelleren und schonenderen Sterbeprozess bewirken und dann
zweifelsfrei auch der ethisch richtige Weg sein. Man darf sich nur nicht
darüber hinwegtäuschen, dass hier bereits der Rubikon zur
strafbewehrten Tötung auf Verlangen überschritten wird.
4. Grund und Grenze - eine verfassungsfreundliche Interpretation
Damit ist nicht zugleich gesagt, dass man die Tötung auf Verlangen
für alle diese Fälle straffrei stellen müsste. Indes
formuliert Wettstein eine Ausnahme von Art. 111 StGB für den
Behandlungsabbruch wie folgt: «Nicht rechtswidrig handelt, wer eine
lebenserhaltende Massnahme abbricht oder unterlässt (…), wenn
die betroffene Person urteilsfähig ist und dies nach
vollständiger Information ausdrücklich verlangt (…).»[35]
Richtig wäre dies zunächst in denjenigen Fällen, in denen
ein Patient sich nicht selbst das Leben nehmen kann, weil seine Muskelkraft
hierzu nicht ausreicht. Alles andere ist in Anbetracht der für
Härtefälle grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines
ärztlich assistierten Suizids eine unzulässige Diskriminierung
wegen einer Behinderung, auch wenn die Schweiz aus Gründen der
Zurückhaltung des EGMR in dieser ethisch heiklen Frage[36]
keine Verurteilung zu befürchten hätte. Fraglich ist aber, ob man
diese Option auch auf Fälle ausdehnen sollte, in denen die
Möglichkeit zum (assistierten) Suizid prinzipiell besteht, weil der
Patient handlungs- und auch urteilsfähig ist.
a) Massstab der Urteilsfähigkeit
Urteilsfähig gemäss Art. 16 ZGB ist «jede Person,
der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung,
psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die
Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln». Problematisch
ist hier insbesondere das Kriterium «vernunftsgemässer»
Handlung.[37]
Immerhin darf es vor dem Hintergrund einer freiheitlichen Rechtsordnung
nicht dazu verleiten, paternalistisch Menschen vor sich selbst zu
schützen. «Vernunftgemäss» ist daher nicht, was
allgemeinen moralischen Wertmassstäben genügt (sofern es diese
gibt), sondern was als nachvollziehbares Ergebnis einer selbstbestimmten
Abwägung erscheint[38]
- selbst dann, wenn die individuellen Präferenzen höchst
unmoralisch oder geradezu absurd erscheinen mögen. So war dem
«Opfer» im sog. Kannibalenfall von Rothenburg so sehr daran
gelegen, sich den Penis abschneiden zu lassen, dass es dafür bereit
war, sich töten zu lassen (tatsächlich untersagte es nach der
Amputation sogar ausdrücklich seine Rettung).[39]
Das mag «einem extremen Masochismus und
Selbstvernichtungsphantasien» geschuldet gewesen sein.[40]
Diese Persönlichkeitszüge ändern aber nichts daran, dass das
Opfer in seine Tötung im Rechtssinne eingewilligt hat.
b) Ernsthaft: nicht im Scherz und beständig
Ähnlich ist es auch im hier gebildeten Beispiel des
Herzschrittmachers: Zwar hat der Patient gerade seine Frau verloren und
hält sein Weiterleben vor diesem Hintergrund für nicht mehr
erstrebenswert. Dies ist aber grundsätzlich auch dann eine in
Anbetracht der Situation nachvollziehbare und selbstbestimmte Entscheidung,
wenn anzunehmen ist, dass der Lebenssinn nach einiger Zeit wieder
zurückkehren wird. Gleichwohl fände sich unter diesen
Umständen (hoffentlich) kein Arzt, der dem Patienten ein Medikament in
tödlicher Dosierung zur Verfügung stellte. Denn in Phasen
wahrscheinlich vorübergehender Lebensmüdigkeit ist einem
Patienten auf lange Sicht mit einer psychologischen Unterstützung mehr
geholfen als mit dem Entsprechen seiner unmittelbaren Wünsche. Auch
wenn die Verweigerung einer Ablebenshilfe in diesem Fall paternalistisch
anmutet, ist sie doch das genaue Gegenteil: Berücksichtigt wird dabei
lediglich, dass sich auch geistig reife und gesunde Menschen in psychischen
Ausnahmesituationen befinden können. Eine vorübergehende
Blockade der Handlungsfreiheit stellt daher nur sicher, dass besonders
gravierende Entscheidungen nicht in psychisch belastenden
Ausnahmesituationen getroffen werden, um eine möglichst autonome, also
der Persönlichkeit des Menschen und nicht einem Augenblick
entsprechende Entscheidung zu ermöglichen.[41]
Art. 114 StGB
setzt deshalb nicht nur ein vernunftgemässes, sondern auch ein ernsthaftes Verlangen der Tötung voraus. Ernsthaft ist das
Tötungsverlangen insbesondere dann nicht, wenn «es aus einer
vorübergehenden depressiven Stimmung heraus geäussert wird»,[42]
obwohl die unbedingte Entschlossenheit des Sterbewilligen gerade in
Ausnahmesituationen etwas anderes nahelegen mag. Dass daneben auch nur
scherzhaft geäusserte Todeswünsche nicht «ernsthaft»
sind, legt der Wortlaut bereits überdeutlich nahe. Es ist schwer zu
sehen, warum bei einer so gravierenden Entscheidung wie der Deaktivierung
eines Herzschrittmachers etwas anderes gelten sollte. In dieser Hinsicht
wäre der von Wettstein formulierte Regelungsvorschlag[43]
also jedenfalls ergänzungsbedürftig. Es fehlt aber noch eine
weitere Voraussetzung, die sich erst offenbart, wenn der Frage nachgegangen
wird, warum die Umsetzung des Sterbewunsches eines ernsthaft Sterbewilligen
durch einen Dritten überhaupt nach Art. 114 StGB verboten werden
darf.
5. Lebensschutz als Autonomieschutz
Um nicht paternalistisch-bevormundend zu sein, muss das Verbot der
Tötung auf Verlangen seine Legitimation aus dem Schutz der Autonomie
ableiten. Dies freilich nicht im Kantischen Sinne verstanden, wonach der
Suizident sein Leben nicht als Mittel zu einem Zweck wie der Beendigung
unerträglichen Leids einsetzen dürfe, weil er damit seine
Autonomie zerstörte.[44]
Denn der Suizid ist zweifelsfrei kein Unrecht,[45]
weshalb es allein
darum kann, den autonomierelevanten Unterschied zur Tötung auf
Verlangen herauszufiltern.
a) Entschlossenheit des Patienten
Hier liefert die von Art. 114 StGB
vorausgesetzte Ernsthaftigkeit den entscheidenden Anhaltspunkt. Denn wie
ernsthaft ein Todeswunsch ist, kann auch durch die Entschlossenheit der
Umsetzung zum Ausdruck kommen (muss aber nicht, siehe soeben). Anders
gewendet: Ob jemand wirklich entschlossen ist zu sterben, zeigt sich
manchmal nur daran, dass er sich selbst tötet, diese schwere
Aufgabe also nicht anderen überlässt. Es ist daher möglich,
dass ein Todeswunsch zwar ernsthaft ist, aber der Mut zur Umsetzung fehlt.
Dann fehlte es zwar nicht an der Ernsthaftigkeit eines Todesverlangens im
Sinne eines beständigen Sterbewunsches, aber an der letzten
Entschlossenheit, diesen auch umzusetzen, obwohl es möglich wäre.
Diese Problematik wird bereits seit mehreren Jahrzehnten mit
unterschiedlichen Begrifflichkeiten diskutiert.[46]
Im Zusammenhang mit den neueren Fragestellungen zum Behandlungsabbruch
erlebt sie allerdings eine ungeahnte Aktualität, weil sie zur
Klärung der Grenze zur verbotenen Tötung auf Verlangen wesentlich
beizutragen vermag.
Zunächst lässt sich das Merkmal der letzten
Ausführungshandlung genau in diesem Sinne normativ verstehen:
Wer einem anderen bei der Selbsttötung hilft, bleibt
grundsätzlich straffrei, weil auf diese Weise die Entschlossenheit und
damit Autonomie im Sinne einer Letztverantwortung des Sterbewilligen
sichergestellt werden kann.[47]
Wer hingegen
einen anderen tötet, der riskiert die fehlende Entschlossenheit des
Sterbewilligen und wird daher bestraft. Straffrei muss er dann allerdings
bleiben, wenn der Sterbewillige einen Suizid nicht umsetzen kann
und seine Entschlossenheit auf andere Weise sichergestellt wurde wie bspw.
durch ein spezielles Verfahren. Denn in diesem Fall muss ihm zur
Gewährleistung seines Selbstbestimmungsrechts die Umsetzung
zwangsläufig abgenommen werden. Mit dieser Deutung stellt man für
die Verfassungskonformität der Tötung auf Verlangen mithin allein
auf die Garantie grösstmöglicher Autonomie ab.
Gleichzeitig läuft diese Interpretation aber auch dem Anliegen des
Gesetzgebers nicht zuwider, lebensbeendende Behandlungsabbrüche
grundsätzlich nicht zu bestrafen, denn wer künstlich ernährt
oder beatmet wird, der vermag es in aller Regel nicht mehr, ein Medikament
in tödlicher Dosierung selbständig zu sich zu nehmen. Auch wenn
die Urteilsfähigkeit dauernd verloren ist, bedarf es noch eines
Schutzes der Persönlichkeit, der Behandlungsabbrüche notwendig
machen kann.[48]
Vor allem aber wird durch dieses «Primat der Selbsttötung»
(im Falle des Vermögens hierzu) verdeutlicht, dass es bei einem
lebensbeendenden Behandlungsabbruch nicht bloss um reines
Körperverletzungsunrecht geht, sondern um eine zentrale Frage der
Ausgestaltung des Lebensschutzes im Verhältnis zur Garantie des
Selbstbestimmungsrechts.
Lebensschutz kann vor dem Hintergrund einer freiheitlichen Verfassung nicht
«absolut» im Sinne von ausnahmslos auch gegen den Wunsch eines
Sterbewilligen geltend verstanden werden, wie die Fälle
bewegungsunfähiger Patienten zeigen. Das Leben ist aber auch nicht nur
absolut gegen lebensverachtende Übergriffe Fremder geschützt.
Vielmehr kann es auch gegen Übergriffe seines «Inhabers»
selber geschützt sein, sofern dessen Entscheidung einen Mangel an
Urteilsfähigkeit, Ernsthaftigkeit oder Entschlossenheit aufweist.
Grund hierfür ist jedoch nicht, dass das (menschliche) Leben generell
aufgrund seiner biologischen Existenz schutzwürdig wäre[49]
- diese Annahme wäre in einer freiheitlichen Rechtsordnung abwegig[50]
-, sondern weil es bei einer solch existenziellen Entscheidung primär
darum geht, sicherzustellen, dass sie ein Ausdruck der Persönlichkeit
des Sterbewilligen ist und nicht seiner Angehörigen oder etwa der
medizinischen Abwägung eines Arztes oder derjenigen einer
Ethikkommission.
Dies kann bei urteilsfähigen, aber handlungsunfähigen Patienten
durch ein Verfahren weitgehend sichergestellt werden. Bei
handlungsfähigen Patienten sollte hingegen - wie bisher auch - die
Autonomie ihres Entschlusses vor allem dadurch sichergestellt werden, dass
die Verantwortung für den existenziellen Schritt vom Leben zum Tod in
der Verantwortung des Sterbewilligen verbleibt. Denn der Gesetzgeber hat
eine wesentliche Entscheidung immerhin getroffen: Während eine
Tötung auf Verlangen verboten ist, ist die Teilnahme an einer
Selbsttötung grundsätzlich erlaubt. Wer seinen Herzschrittmacher
deaktiviert haben will, um zu sterben, hat daher im
Regelfall keinen Anspruch hierauf. Das Recht zu sterben wird ihm
dadurch ersichtlich nicht genommen.
b) Notwendige Klärungen
Gerade in der Schweiz stellt sich indes die Frage, wann Patienten konkret ein Recht auf medikamentenunterstützten Suizid haben.
Im behandelten Fallbeispiel derzeit jedenfalls nicht. Aber gilt dies auch
für die 92-jährige Herzpatientin, die ihren Schrittmacher
deaktiviert haben möchte, damit sie endlich sterben und «zu ihren
Lieben nach oben» kann? Dieser in der Zeitschrift für Ethik in
der Medizin diskutierte Fall[51]
verdeutlicht die hier besprochene Problematik deshalb, weil die Patientin
gleichzeitig weitere Schrittmacherkontrollen wünscht, um sich auf das
Ende besser vorbereiten zu können. Denn manche Tage empfinde sie auch
weiterhin als ganz gut. Vor allem, wenn sie unter Schwindel leide und im
Bett liegen müsse, möchte sie jedoch nicht mehr leben.
Schon wegen dieser Ambivalenzen dürfen, nach hier vertretener Ansicht,
Dritte diese Entscheidung nicht übernehmen. Ob die Patientin ein Recht
auf ein Medikament in tödlicher Dosierung hat, ist demgegenüber
keine juristisch zu klärende Frage, sondern eine, der sich eine
Gesellschaft, die Suizidhilfe grundsätzlich erlaubt, im Ganzen stellen
muss. In dem Masse jedoch, in dem ein Recht auf den Abbruch
lebenserhaltender Massnahmen bei suizidfähigen Patienten angenommen
wird, haben diese Patienten auch einen Anspruch, möglichst schnell und
schmerzfrei, d. h. alternativ auch mittels eines Medikaments in
tödlicher Dosierung zu sterben.
IV. Zur fehlenden Einwilligung in
die Fortsetzung einer
Körperverletzung
Am Ende dieser Ausführungen sei das zentrale Argument aufgegriffen,
das die SAMW für die straffreie Entfernung eines Herzschrittmachers
stark macht: Der Patient sei körperlich verletzt, wenn der
Herzschrittmacher gegen seinen Willen nicht entfernt werde. Richtig daran
ist, dass ein Herzschrittmacher, der erhebliche physische oder psychische
Beeinträchtigungen wie starke Schmerzen im OP-Bereich hervorruft, von
dem behandelnden Arzt nicht nur deaktiviert, sondern sogar auch entfernt
werden muss (dazu oben unter I). Denn der körperliche Eingriff dauert
so lange an, wie sich die Apparatur im Körper befindet. Wer also auf
die Körperverletzung abstellt, der darf, genau genommen, nicht nur vom
«Abschalten» oder «Deaktivieren» sprechen, sondern
sollte auch benennen, dass es sich - je nach Patientenwillen und
Beeinträchtigung - auch um das Entfernen einer Apparatur aus dem
Körper des Patienten handeln kann.[52]
Gleiches gilt, so abenteuerlich dies anmuten mag, auch für das frisch
implantierte lebensrettende Organ.[53]
Dass der Patient dann unmittelbar infolge des körperlichen Eingriffs
verstirbt, ist, wie ausgeführt, rechtlich nicht entscheidend. Der Arzt
ist in diesen Fällen vielmehr deshalb zur Handlung verpflichtet, weil
sein Verhalten unabhängig von der zugrunde gelegten Sorgfalt eine
typische Gefahr für den Patienten begründet hat (sog. Haftung aus
Ingerenz).[54]
Man kann deshalb für den Fall der Verweigerung der Entnahme jedenfalls
von einer Notstandssituation für den Patienten sprechen. Einige
würden auch einen «Angriff durch Unterlassen» bejahen.[55]
Wodurch eine Körperverletzung bei einem erfolgreich abgeschlossenen
ärztlichen Eingriff verursacht sein soll, ist demgegenüber
keineswegs so eindeutig zu beantworten: Kann ein Arzt verpflichtet sein,
einwandfrei eingepasste Inlays oder ein künstliches Hüftgelenk
wieder zu entfernen, nur weil der Patient es sich anders überlegt hat?
Wird also ein Patient körperlich verletzt, nur weil er dies will und nicht etwa, weil ihm etwas angetan wird, das sein
körperliches Wohlbefinden verschlechtert? Diese Annahme hätte in
ihrer Allgemeinheit offensichtlich weitreichende und kaum vertretbare
Implikationen. In den «traditionellen» Fällen eines
Behandlungsabbruchs verschlechtert sich demgegenüber der
körperliche Zustand des Patienten trotz
Behandlung, denn die lebenserhaltende Behandlung wird zu dem Zweck
angewendet, das Sterben hinauszuschieben, ohne dass aber eine Verbesserung
der Grunderkrankung eintritt. Wenn diese Patienten sterben wollen, dann
instrumentalisieren sie den Arzt nicht zur Umgehung des Art. 114 StGB (in dem Sinne: was
ich selbst nicht über mich bringe, soll ein anderer tun), sondern sie
überlassen ihm notwendig den letzten Akt.
Ein Patient mit künstlichem Hüftgelenk, Inlays oder auch mit
einem Herzschrittmacher kann hingegen jahrzehntelang beschwerdefrei leben.
Das Herzschrittmacherbeispiel des ansonsten gesunden Mannes mittleren
Alters demonstriert daher exemplarisch, dass es auch Fälle geben kann,
in denen nicht die Behandlung bzw. ihre Folgen oder die Krankheit des
Patienten den Anlass gibt, den Schrittmacher zu entfernen oder zu
deaktivieren, sondern allein der davon unabhängige Wunsch des
Patienten, aus
einem anderen Grund zu sterben. Der Patient nutzt dabei lediglich aus, dass
er zuvor (erfolgreich) operiert wurde. Seine Entscheidung ist damit zwar
behandlungsbezogen, aber nicht krankheitsbezogen in dem Sinne, dass sie
gerade wegen der Schwere seiner Erkrankung nachvollziehbar wäre. Die
Plausibilität ergibt sich vielmehr aus sonstigen Umständen, die
zwar geeignet sein mögen, eine Suizidverhinderung durch Dritte
auszuschliessen, nicht aber, einem Dritten die tödliche Handlung zu übertragen. In diesen Fällen aus dem
Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine Pflicht des Arztes abzuleiten,
dem Patienten die Selbsttötung abzunehmen, wäre vielmehr, gelinde
gesagt, eine Zumutung für jeden Arzt und findet auch rechtlich keine
Stütze.
Dagegen ist in Fällen eines krankheitsbedingten Patientenwunsches auf
einen Behandlungsabbruch, etwa wenn sich das Leben aufgrund schwerer
Erkrankung dem Ende zuneigt, aber auch wenn dem Patienten absehbar keine
Kommunikation (und damit Ausübung seiner Autonomie) mehr möglich
sein wird, wie dies in Fällen fortschreitender Erkrankungen der
Motoneuronen vorkommen kann, der Behandlungsabbruch nicht nur erlaubt,
sondern auch verpflichtend, sofern nur so ein selbstbestimmtes Sterben
möglich ist. Der Arzt tötet dann nicht, sondern führt die
tödliche Handlung als eine Art Werkzeug für den Patienten aus.[56]
Eine solche Situation kann auch im Fall eines Herzschrittmacher-Patienten
eintreten, etwa wenn die defibrillatorische Funktion eines Schrittmachers
das Sterben erschwert. Die Deaktivierung der permanent lebenserhaltenden
Funktion des Schrittmachers dürfte dagegen nur in seltenen Fällen
leidvoller und unheilbarer Krankheit diskussionsbedürftig sein. Dann
wäre insbesondere zu prüfen, ob der Entschluss des Patienten
beständig ist. Kann der Patient sich noch selbst suizidieren, ist dies
nach hier vertretener Ansicht zudem immer vorzuziehen, um die
Entschlossenheit des Patienten sicherzustellen. Gegebenenfalls kann er
einen Herzschrittmacher auch selbstständig deaktivieren. Kann er dies
nicht, darf er unter Umständen von einem Arzt den Abbruch der
Behandlung verlangen. Dafür muss allerdings ein gesellschaftlicher
Konsens existieren, dass schweres, therapierefraktäres Leid einen
Anspruch auf Suizidhilfe begründen kann. Da es hier jedenfalls
zwischen der SAMW und der schweizerischen Ärztevertretung FMH einen
Dissens gibt,[57]
kann von einem solchen Anspruch derzeit nicht ausgegangen werden.
V. Schluss
Die stetige Entfernung vom Krankheitsbild als zentralem
Anknüpfungspunkt für einen Behandlungsabbruch hat zwar zu einem
Mehr an Patientenautonomie geführt, damit zugleich aber auch den Blick
versperrt auf den ebenfalls notwendigen Schutz dieser Autonomie. Ein Staat,
der die freie Entscheidung eines Menschen über sein Sterben
schützen möchte, der darf den Sterbewilligen um seiner selbst
willen indes nicht nur von übereilten tödlichen Schritten
abhalten; er darf und sollte auch den Vollzug der Entscheidung in der
Verantwortung des Sterbewilligen belassen, sofern er dem
Handlungsunfähigen Alternativen eröffnet.
[2]
Zu den weiterhin verbleibenden Problemfeldern bei dementen
Patienten s. die Stellungnahme Nr. 17/2011 der Nationalen
Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE):
Patientenverfügung, Ethische Erwägungen zum neuen
Erwachsenenschutzrecht unter besonderer Berücksichtigung der
Demenz, Bern 2011, S. 22 ff.
[3]
Christian Schwarzenegger/Jasmine Stössel in BSK StGB, 4. Aufl.
2019, vor Art. 111, Rz. 53 f.
[4]
Sog. passive Sterbehilfe im engeren Sinne, vgl. die
Ausführungen von Schwarzenegger/Stössel (Fn. 3), vor Art.
111, Rz. 45, unter Verweis auf eine frühere Richtlinie der
SAMW zum Lebensende, die nur sterbende Patienten umfasste.
[5]
Vgl. zur Diskussion Schwarzenegger/Stössel (Fn. 3).
[6]
Vgl. dazu die Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches, BBl 2006 7001
(Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht).
[9]
Vgl. etwa Gunther Arzt, Für Sterbehilfe relevante
standesärztliche Bestimmungen im Lichte der
Gesamtrechtsordnung, in: Frank Th. Petermann (Hrsg.), Sterbehilfe.
Grundsätzliche und praktische Fragen. Ein
interdisziplinärer Diskurs, St. Gallen 2006, S. 69 ff., 72;
Christopher Geth in: Stefan Trechsel und Mark Pieth (Hrsg.),
Schweizerisches Strafgesetzbuch. Praxiskommentar, 3. Aufl.,
Zürich/St. Gallen 2018, vor Art. 111, Rz. 6.
[10]
So etwa Schwarzenegger/Stössel (Fn. 3), vor Art. 111, Rz. 49.
Andrea Büchler/Margot Michel, Medizin/Mensch/Recht - Eine
Einführung in das Medizinrecht der Schweiz, 3. Auflage,
Zürich 2014, S. 170
; Christopher Geth, Passive Sterbehilfe, Basel 2010, S. 43 ff., 52,
und
Stefanie Haussener, Selbstbestimmung am Lebensende:
Realität oder Illusion? Eine kritische Analyse von
Rechtslage und medizinischer Praxis, Zürich 2017, S. 23.
[11]
Günter Stratenwerth, Sterbehilfe, in: ZStrR (95) 1978, S.
60 ff., 67. Im Wesentlichen stellte man dabei darauf ab, dass es rechtlich
wie ethisch keinen Unterschied machen könne, ob man eine
Mund-zu-Mund-Beatmung beende oder eine Beatmungsmaschine wegen
Aussichtslosigkeit ausschalte, s.
Pierre-André Gunzinger, Sterbehilfe und Strafgesetz,
Zürich 1978, S. 142 f. m.w.N. Andreas Donatsch, Die strafrechtlichen Grenzen der
Sterbehilfe, Recht 3/2000, S. 141 ff., 143, spricht davon, die
Behandlung sei nicht mehr «sinnvoll», meint damit aber
dasselbe.
[12]
So Andreas Donatsch/Brigitte Tag, Strafrecht I, Verbrechenslehre 9.
Aufl., 2013, S. 301; Stefan Trechsel/Peter Noll, Schweizerisches
Strafrecht Allgemeiner Teil I, 6. Aufl., 2004, S. 249; Geth (Fn.
10), S. 29 ff.; Aline Lüthi, Lebensverkürzung im
medizinischen Kontext. Behandlungsbegrenzungen und
Leidenslinderung. Ein strafrechtlicher Regelungsvorschlag, Diss.
Zürich 2014, S. 149; weitere Nachweise bei
Schwarzenegger/Stössel (Fn. 3), vor Art. 111, Rz. 59.
[13]
Schwarzenegger/Stössel (Fn. 3), vor Art. 111, Rz. 61; wohl
auch Franz Riklin, Die strafrechtliche Regulierung der Sterbehilfe:
Zum Stand der Reformdiskussion in der Sterbehilfe, in: Adrian
Holderegger (Hrsg.), Das medizinisch assistierte Sterben. Zur
Sterbehilfe aus medizinischer, ethischer, juristischer und
theologischer Sicht, 2. Aufl. Freiburg 2000, S. 322 ff., 343; Gian
Ege, Der Behandlungsabbruch bei zerebral schwerst geschädigten
Langzeitpatienten - eine rechtfertigbare Form der aktiven
Sterbehilfe?, in: Andorno Roberto/Thier Markus (Hrsg.),
Menschenwürde und Selbstbestimmung, Analysen und Perspektiven
von Assistierenden des Rechtswissenschaftlichen Instituts der
Universität Zürich, Zürich/St. Gallen 2014, S. 289
ff., 306 ff.; Günter Stratenwerth, Zum Behandlungsabbruch bei
zerebral schwerst geschädigten Langzeitpatienten, in: Knut
Amelung (Hrsg.), Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie:
Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag am
10. Mai 2003, Heidelberg 2003, S. 893 ff., 900; Kurt Seelmann in
BSK StGB, 3. Aufl. 2013, Art. 11, Rz. 22.
[15]
Donatsch (Fn. 11), S. 145;
Christopher Geth/
Martino Mona, Widersprüche bei der Regelung der
Patientenverfügung im neuen Erwachsenenschutzrecht:
Verbindlichkeit, mutmasslicher Wille oder objektive
Interessen?, in ZSR 2009, S. 157 ff., 160 ff.
m.w.N.
[19]
Insgesamt scheint es unter klinischem Personal in den USA eine
grosse Akzeptanz zu geben, die Defibrillatorfunktion bei sterbenden
oder aufgrund ihrer Herzerkrankung schwerstkranken Patienten zu
deaktivieren, aber eine sehr geringe Akzeptanz, den Tod unmittelbar
herbeizuführen, indem die permanente Funktion des
Schrittmachers deaktiviert wird, zu dieser Diskussion etwa Sandra
N. Whitlock/Ilan P. Goldberg/Jagmeet P. Singh, Is Pacemaker
Deactivation at the End of Life Unique? A Case Study and Ethical
Analysis, in: Journal of Palliative Medicine (14) 2011, 1184 ff.,
1185 m.w.N.; G. Neal Kay/Gregory T. Bittner, Deactivating
Implantable Cardioverter-Defibrillators and Permanent Pacemakers in
Patients With Terminal Illness. An ethical distinction, in: Circ
Arrhythmya Electrophysiology 2009, 336 ff., 336; Richard A.
Zellner/Mark P. Aulisio/William R. Lewis, Should implantable
cardioverter-defibrillators and permanentpacemakers in patients
with terminal illness be deactivated? Patient autonomy is
paramount, in: Circ Arrhythmia Electrophysiology 2009, 340 ff., 340
f.; Thomas S. Huddle/F. Amos Bailey, Pacemaker deactivation:
withdrawal of support or active ending of life?, in: Theor Med
Bioeth 2012, S. 421 ff., 424 f.
[20]
Schweizerische Herzstiftung (Fn. 16).
[21]
Carlsson et al. (Fn. 17), S. 535.
[22]
Carlsson et al. (Fn. 17), S. 536.
[23]
Nur in Fahrlässigkeitsvarianten wird die sog.
einverständliche Fremdgefährdung als
Zurechnungsausschluss diskutiert, einen Überblick dazu bietet
Maximilian Lasson, Eigenverantwortliche Selbstgefährdung und
einverständliche Fremdgefährdung. Überblick
über einen nach wie vor aktuellen Streit in der
Strafrechtsdogmatik, in: ZJS 2009, S. 359 ff., 363 ff.
[24]
Zu einem solchen Fall s. «Einmal Schrittmacher - immer
Schrittmacher», in: Ethik Med 2016, 327 ff. mit Diskussionen
von Matthias Damm/
Anna Mandera (Pro Deaktivierung) und Sonja Indefrey/Gerald Neitzke
(Pro Deaktivierung).
[25]
Zu einem solchen Fall s. Michael B. Bevins, The ethics of pacemaker
deactivation in terminally ill patients, in: Journal of Pain and
Symptom Management (41) 2011, S. 1106 ff., sowie Whitlock et al.
(Fn. 19), S. 1184 f.
[26]
Vgl. BGE 133 I 58 E.
6.3.4; sowie Schwarzenegger in BSK StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 115
Rz. 11; ders.: Selbstsüchtige Beweggründe bei der
Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115 StGB), in: Frank
Th. Petermann (Hrsg.), Sicherheitsfragen der Sterbehilfe, St.
Gallen 2008, S. 81 ff., 90; Frank Th. Petermann, Sterbehilfe: Eine
terminologische Einführung. Klärung der sprachlichen
Differenzierungen, in: Frank Th. Petermann (Hrsg.), Sterbehilfe.
Grundsätzliche und praktische Fragen. Ein
interdisziplinärer Diskurs, St. Gallen 2006, S. 21 ff., 38;
Gunther Arzt, Für Sterbehilfe relevante standesärztliche
Bestimmungen im Lichte der Gesamtrechtsordnung, in: Frank Th.
Petermann (Hrsg.), Sterbehilfe. Grundsätzliche und praktische
Fragen. Ein interdisziplinärer Diskurs, St. Gallen 2006, S. 69
ff., 74 f.; Martin Schubarth, Kommentar zum schweizerischen
Strafrecht, Besonderer Teil, 1. Bd.: Delikte gegen Leib und Leben,
Bern 1982, Art. 115, Rz. 14; Günter Stratenwerth/Guido
Jenny/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil 1:
Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl., Bern 2010, §
1 Rz. 51; Mark Pieth, Strafrecht Besonderer Teil, Basel 2014, S.
20.
[27]
Grischa Merkel, Patientenautonomie und Tatherrschaft bei
lebensbeendenden Handlungen. Orientierungshilfen auf dem schmalen
Grat zwischen gebotener, erlaubter und verbotener Sterbehilfe, in:
ZSR 137(2)/2018, S. 303 ff., 340 ff.
[28]
Martin Schubarth, Assistierter Suizid und Tötung auf
Verlangen, in: ZStrR 2009, S. 3 ff., 10 m.w.N.
[29]
In Deutschland wurde ein solcher Fall im Jahr 2003 vom
Bundesgerichtshof verhandelt: Ein Zivildienstleistender war von
einem fast vollständig gelähmten Pflegepatienten
überredet worden, ihn in Müllsäcke verpackt in einen
Müllcontainer zu legen, wo der Patient, wie von ihm geplant,
verstarb. Dem Zivildienstleistenden hatte er allerdings
vorgetäuscht, dass dies seiner sexuellen Befriedigung diene
und dass er aus dieser Situation befreit werden würde. Der
Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil aus: «Der Senat
verkennt nicht, dass die bestehende Rechtslage es einem
vollständig bewegungsunfähigen, aber bewusstseinsklaren
moribunden Schwerstbehinderten - wie hier - weitgehend verwehrt,
ohne strafrechtliche Verstrickung Dritter aus dem Leben zu
scheiden, und für ihn dadurch das Lebensrecht zur schwer
erträglichen Lebenspflicht werden kann. Dieser Umstand kann
aber nicht ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes Recht auf ein
Sterben unter menschenwürdigen Bedingungen begründen
(…). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen einer
indirekten Sterbehilfe (…) sind vorliegend nicht gegeben. Ein
verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch auf aktive
Sterbehilfe, der eine Straflosigkeit des die Tötung
Ausführenden zur Folge haben könnte, ist dagegen nicht
anerkannt», Urteil des Bundesgerichtshofs 5 StR 66/03 vom 20. Mai
2003 - («Zivildienstfall»), Rn. 12 f. (juris), abgedr.
u.a. in NJW 2003, 2326-2328.
[30]
Nina Zahn, Medizinische, juristische und ethische Aspekte der
terminalen Sedierung, Berlin 2012, S. 111 m. w. N.;
näher dazu auch Merkel (Fn. 27), S. 362.
[31]
Georg Bossard/Susanne Fischer/Karin Faisst, Behandlungsabbruch und
Behandlungsverzicht in sechs europäischen Ländern:
Resultate der Eureld/Mels-Studie, in: PrimaryCare 2005, S. 799 ff.,
800.
[32]
Agnes Van Der Heide/Luc Deliens/Karin Faisst/Tore Nilstun/Michael Norup/Eugenio Paci/Gerrit Van Der Wal/Paul J. Van Der Maas, End-of-life
decision-making in six European countries: descriptive study, in:
The Lancet 362/2003, S. 345 ff., 347.
[34]
Vgl. auch Georg Bossard/Noémi De Stoutz/
Walter Bär, Eine gesetzliche Regulierung des Umgangs mit
Opiaten und Sedativa bei medizinischen Entscheidungen am
Lebensende?, in: Ethik Med 18/2006, S. 120 ff., 121.
[35]
Albert Wettstein, Gesetzliche Regelung der passiven Sterbehilfe.
Ein Vorschlag aus geriatrischer Sicht, in: Schweizerische
Ärztezeitung 2001, S. 716 ff., 716.
[36]
Urteil des EGMR 46043/14
vom 5. Juni 2015 (Lambert and Others v. France), Rz. 163 ff.
[37]
Zu weiteren Diskussionspunkten s. Merkel (Fn. 27), S. 317 ff.
[38]
Roland Fankhauser in BSK ZGB I 2018, Art. 16, Rz. 3 u. 7.
[39]
Urteil des Bundesgerichtshofs 2 StR 310/04 vom 22. April
2005, Rz. 5 ff. (juris), abgedr. u.a. in BGHSt 50, 80-93.
[41]
Vgl. dazu Stephan Kirste, Harter und weicher Rechtspaternalismus:
Unter besonderer Berücksichtigung der Medizinethik, in: JZ
2011, S. 805 ff.
[42]
Vgl. Schwarzenegger (Fn. 36), Art. 114, Rz. 9.
[43]
Siehe bei und in Fn. 35.
[44]
Kant, Immanuel, Die Metaphysik der Sitten., in: ders., «Werke
in zwölf Bänden», Bd. 8, hrsgg. von Wilhelm
Weischedel, Frankfurt am Main 1968, S. 555; in diesem Sinne auch
Michael Kahlo, Tun oder Unterlassen?, in: Franz-Josef Bormann
(Hrsg.), Lebensbeendende Handlungen. Ethik, Medizin und Recht zur
Grenze von «Töten» und «Sterbenlassen»,
Berlin 2017, S. 385 ff., 388; Michael Köhler, Die
Rechtspflicht gegen sich selbst, in: Jahrbuch für Recht und
Ethik 2006, S. 425 ff.
[45]
Dies ist schon dadurch belegt, dass der Suizidversuch nicht
sanktioniert wird und auch Teilnahmehandlungen am Suizid
grundsätzlich nicht verboten sind.
[46]
Vgl. Claus Roxin, Tötung auf Verlangen und Suizidteilnahme,
in: GA 2013, S. 313 ff., 318 f.; vgl. bereits ders., Die
Sterbehilfe im Spannungsfeld von Suizidteilnahme, erlaubtem
Behandlungsabbruch und Tötung auf Verlangen, in: NStZ 1987, S.
345 ff., 348; Günther Jacobs, Tötung auf Verlangen,
Euthanasie und Strafrechtssystem, München 1998, S. 21 f.
[47]
Zur Förderung eines Affektsuizids und deren Strafbarkeit nach Art. 115 StGB s. Merkel
(Fn. 27), S. 349 f.
[48]
Ausführlich dazu Grischa Merkel, Behandlungsabbruch und
Lebensschutz. Strafrechtliche und rechtsethische Grundlagen
medizinischer Lebensbeendigung unter besonderer
Berücksichtigung des apallischen Syndroms (Wachkoma), Teil 2
mit eigenem Regelungsvorschlag (unveröffentlichte
Habilitationsschrift).
[49]
Aus biologischen Kriterien lassen sich schon keine
Sollenssätze ableiten. Ein solcher Versuch wird als
«naturalistischer Fehlschluss» bezeichnet. Dass sich
umgekehrt vor dem Hintergrund von Sollenssätzen gerade in der
Medizin eine an biologischen Kriterien orientierte Kasuistik
herausbildet, ist unvermeidlich, darf aber den Blick auf die
normativen Argumente nicht versperren.
[50]
So wäre es widersprüchlich, in einer freiheitlichen
Grundordnung das Leben gegen den Willen seines Inhabers etwa durch
ein allgemeines Verbot des Suizidversuchs zu schützen.
[52]
Beim Recht zu sterben kommt es dagegen auf die Entnahme neben der
Deaktivierung nicht mehr an.
[53]
Siehe Merkel (Fn. 27), S. 353.
[54]
Wer mangels Pflichtverstosses Bedenken hat, ein unechtes
Unterlassungsdelikt anzunehmen, müsste alternativ auf Art. 128 StGB
(Unterlassung der Nothilfe) abstellen.
[55]
Gunnar Duttge, Anmerkungen zum Urteil des BGH vom 25.06.2010 - 2
StR 454/09. Zulässigkeit der Sterbehilfe durch
Behandlungsabbruch, in: MedR 2011, S. 36 ff., 38; Franz Streng,
Straflose «aktive Sterbehilfe» und die Reichweite des
§ 216 StGB. Zugleich ein Beitrag zum System der
Handlungsformen, in: Freund/Murmann/Bloy/
Perron (Hrsg.), Grundlagen und Dogmatik des gesamten
Strafrechtssystems. Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70.
Geburtstag, Berlin 2013, S. 739 ff., 752. Allgemein zum Angriff
durch Unterlassen auch Gunther Arzt, Notwehr, Selbsthilfe,
Bürgerwehr. Zum Vorrang der Verteidigung der Rechtsordnung
durch den Staat, in: Grünwald/Miehe/Rudolphi/Schreiber
(Hrsg.), Festschrift für Friedrich Schaffstein zum 70.
Geburtstag am 28. Juli 1975, Göttingen 1975, S. 77, 81 ff.
[56]
Siehe oben, bei und in Fn. 27.
[57]
Vgl. Dorothee Vögeli, Die Ärztekammer erteilt den neuen
Suizidhilfe-Regeln eine Abfuhr. Gemäss neuen Richtlinien ist
in der Schweiz Suizidhilfe auch bei Patienten erlaubt, deren Tod
nicht unmittelbar bevorsteht.
Die Ärztekammer der FMH stellt sich quer, in: NZZ vom 25. Oktober 2018.