I. Sachverhalt
Am 2. Juni 2017 ersuchte die Beschwerdeführerin das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt darum, ihren Sohn (geboren 2009) während des Schuljahrs 2017/18 zuhause unterrichten (lassen) zu dürfen. Mit Verfügung vom 10. August 2017 lehnte die Volksschulleitung das Gesuch ab, woraufhin die Beschwerdeführerin zuerst erfolglos ans Erziehungsdepartement und hernach mit Rekurs ans Verwaltungsgericht gelangte. Mit Urteil vom 25. September 2018 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht den Rekurs ab, was die Beschwerdeführerin dazu bewog, beim Bundesgericht mit dem Antrag Beschwerde zu erheben, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und ihrem Sohn für das Schuljahr 2017/18 privaten Heimunterricht zu bewilligen.
Begründet wurde die Notwendigkeit des Heimunterrichts seitens der Beschwerdeführerin mit den negativen Erfahrungen, welche sie und ihr Sohn in den ersten beiden Schuljahren (2015/16 und 2016/17) gemacht hätten. Obschon ihr Sohn hochbegabt und im zweiten Schuljahr gemobbt worden sei, habe die Schule seiner Hochbegabung nicht genug Rechnung getragen und gegen das Mobbing nicht genug unternommen.[1]
II. Erwägungen
Aufgrund der Tatsache, dass das Schuljahr 2017/18, für welches die Beschwerdeführerin «Homeschooling» beantragt hatte, im Entscheidzeitpunkt schon (längst) vorbei war, galt es vor Bundesgericht - wie bereits vor der Vorinstanz -[2] zunächst, auf die Prozessvoraussetzung der materiellen Beschwer (vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG) einzugehen. Das Bundesgericht entschied hierzu, dass sich die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage nach der Vereinbarkeit von § 135 des basel-städtischen Schulgesetzes vom 4. April 1929 (SchulG; SG 410.100) mit dem höherrangigen Recht ohne weiteres wieder stellen könnte, ohne dass eine rechtzeitige Überprüfung möglich wäre, und dass eine Klärung im öffentlichen Interesse liegt, weshalb auf das Erfordernis des aktuell-praktischen Rechtsschutzinteresses nach Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG ausnahmsweise zu verzichten und auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten einzutreten sei (E. 1).
In materieller Hinsicht prüfte die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle sodann, ob sich Art. 19 (i. V. m.Art. 62 Abs. 2) und/oder Art. 13 Abs. 1 BV ein Anspruch auf «Homeschooling» entnehmen lässt (vgl. die E. 4 und 5). Mit Blick auf das in Art. 19 BV verankerte Recht auf ausreichenden Grundschulunterricht verneinte sie dies unter (knappem) Hinweis auf ihre eigene Praxis, zwei Lehrmeinungen und die vorinstanzlichen Ausführungen (E. 4.3).[3] In Bezug auf das als Teilgehalt von Art. 13 Abs. 1 BV (und Art. 8 EMRK) anerkannte elterliche Erziehungsrecht fiel die Prüfung etwas ausführlicher aus, zumal das Bundesgericht bisher noch keine Gelegenheit hatte, zur Frage nach einem allfälligen auf demselben beruhenden Anspruch auf «Homeschooling» Stellung zu nehmen (vgl. die E. 5.1): Nach vertiefter Auseinandersetzung mit dem besagten Erziehungsrecht, namentlich der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR (vgl. die E. 5.2-5.4), kam die II. öffentlichrechtliche Abteilung in der E. 5.5 indessen zum Ergebnis, dass auch aus Art. 8 EMRK (i. V. m. Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK) kein Recht auf häusliche Privatbeschulung fliesse und dass derzeit - entgegen einer «vereinzelten Lehrmeinung»[4] - keine Veranlassung dazu gegeben sei, ein solches Recht gestützt auf Art. 13 Abs. 1 BV zu bejahen; ob bzw. inwieweit «Homeschooling» zulässig ist, liege im Ermessen der Kantone.
Zu klären blieb damit einzig noch, ob das «Homeschooling»-Gesuch der Beschwerdeführerin in Anwendung von § 135 SchulG/BS seinerzeit abgelehnt werden durfte (vgl. die E. 6.1-6.3), wobei das Bundesgericht dies - vor dem Hintergrund des seiner Ansicht nach fehlenden verfassungsmässigen Anspruchs auf «Homeschooling» - lediglich auf Willkür hin prüfen musste (vgl. die E. 2.1 und 6). Es hielt fest, die Vorinstanz habe willkürfrei erwogen, dass das Vorliegen eines besonderen Grunds i. S. v. § 135 Abs. 2 lit. a SchulG/BS nicht erstellt sei (E. 6.3),[5] und wies die Beschwerde ab (E. 7).
III. Bemerkungen
Vergleicht man vorab die Argumentation des Bundesgerichts mit derjenigen der Vorinstanz, fällt auf, dass die II. öffentlichrechtliche Abteilung in ihrem Entscheid in einem ganz wesentlichen Punkt eine methodische Korrektur vornahm: Während das basel-städtische Appellationsgericht - der «vereinzelten Lehrmeinung» von Reich[6] folgend - von einem durch § 135 SchulG/BS bewirkten Eingriff in den Schutzbereich des durch Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK gewährleisteten elterlichen Erziehungsrechts ausging und folgerichtig zur «BV 36-Prüfung» schritt,[7] erachtete das Bundesgericht das Recht auf Privat- und Familienleben als durch § 135 SchulG/BS nicht tangiert (vgl. vor allem die E. 5.5).[8] Damit konnte es das Bundesgericht dann im Wesentlichen sein Bewenden haben lassen - und sich in der E. 6, wie gesehen, auf eine Willkürkontrolle beschränken.
Um es vorwegzunehmen: Der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts ist mit Blick auf das vorliegend interessierende Leiturteil m. E. bloss insoweit zuzustimmen, als sie zum Ergebnis gelangt, dass weder Art. 19 (i. V. m. Art. 62 Abs. 2) BV noch Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK der Beschwerdeführerin ein verfassungsmässiges Recht auf privaten Heimunterricht für ihren Sohn im Schuljahr 2017/18 verschaffte. Im Übrigen ist, wie mir scheint, Kritik angezeigt, und zwar insbesondere daran, dass sich das Bundesgericht im Entscheid 2C_1005/2018 mit (fast) keinem Wort zur Tragweite des zwar nicht als verletzt gerügten (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), aber dennoch in hohem Mass entscheidrelevanten Art. 11 BV äusserte. Erstens ging es - wegen des dahingefallenen Rechtsschutzinteresses - ohnehin nicht mehr um den konkreten Einzelfall (vgl. die E. 1.2); zweitens (und vor allem) umfasst der Individualschutzbereich von Art. 11 Abs. 1 BV nach der hier vertretenen Auffassung den gesuchten grundrechtlich geschützten «Homeschooling»-Anspruch. Falls also das Bundesgericht im Urteil 2C_1005/2018 eigentlich sagen wollte, dass es (derzeit) überhaupt kein subjektives Verfassungsrecht auf Heimunterricht gibt, wäre eine entsprechende Klarstellung - wenn auch, wie sogleich näher darzulegen sein wird, unzutreffend - hilfreich gewesen. Falls es dies hingegen nicht sagen wollte, d. h. die Möglichkeit eines Grundrechtsanspruchs auf «Homeschooling» nach wie vor in Betracht zieht, hätte es das Recht von Amtes wegen anwenden (vgl. Art. 106 Abs. 1 BGG) und eine Art. 11 BV berücksichtigende Normenkontrolle vornehmen sollen. Wäre es dabei zum Schluss gekommen, dass der besagte Anspruch (doch) existiert, hätte dies freilich eine «freie» Einzelaktkontrolle nötig gemacht.
Das Bundesgericht hat sich bisher beharrlich geweigert, Art. 11 (Abs. 1) BV «positiv» zu konkretisieren - und dies mit Zustimmung (oder jedenfalls ohne grosse Gegenwehr) aus dem Schrifttum.[9] Im ersten zum damals noch völlig neuen Grundrecht der Kinder und Jugendlichen auf besonderen Integritätsschutz und auf Entwicklungsförderung ergangenen Leitentscheid vom September 2000 stellte die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts fest, es sei «fraglich», ob Art. 11 Abs. 1 BV in seiner Ausprägung als Schutzanspruch neben der persönlichen Freiheit eine «weitergehende Tragweite» zukommt; um aus ihm einen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung abzuleiten, erweise sich dieses Grundrecht jedenfalls als «zu unbestimmt». Im Übrigen werde mit dem in Art. 11 Abs. 1 BV verankerten Förderungsanspruch einzig der Gesetzgeber in die Pflicht genommen, weshalb jenem lediglich programmatischer Charakter eigne sowie «keine zusätzlichen klagbaren subjektiven Rechte» zu entnehmen seien.[10] - Einmal abgesehen davon, dass sich aus (sehr) unbestimmt abgefassten Verfassungs- bzw. Völkerrechtsnormen durchaus Ansprüche auf fremdenpolizeiliche Bewilligungen ergeben können,[11] verlieh diese höchstrichterliche Erwägung Art. 11 BV den (unberechtigten) Ruf, nicht justiziabel bzw. kein eigenständiges Grundrecht zu sein.[12] Dabei ist es ein intendiertes Wesensmerkmal sämtlicher Grundrechtssätze, (entwicklungs-)offen formuliert zu sein, und ist es die wohl wichtigste Aufgabe des Bundesgerichts als Verfassungsgericht, den seitens des Bundes- und der kantonalen Verfassungsgeber in die Grundrechtskataloge aufgenommenen Individualrechten in schöpferischer Verfassungsrechtsprechung Konturen zu verleihen - und zwar allen.[13]
Ein Grundrecht zu konkretisieren heisst, seinen (Individual-)Schutzbereich abzustecken, was wiederum gleichbedeutend ist mit dem Sichtbarmachen der in ihm enthaltenen spezifischen Anspruchspositionen der jeweiligen Grundrechtsträgerinnen und -träger gegenüber dem Staat (und allenfalls Privaten; vgl. Art. 35 Abs. 3 BV). Dieses Sichtbarmachen obliegt nicht allein der Verfassungsjustiz, sondern auch dem Gesetzgeber und der Verwaltung (vgl. Art. 35 Abs. 1 und 2 BV), wiewohl gesetzliche und behördliche Grundrechtskonkretisierungen häufig in der Form von Grundrechtseinschränkungen i. S. v. Art. 36 BV daherkommen - und noch häufiger als solche empfunden werden.[14]
Mit dem Schutzbereich des Anspruchs von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz zum ersten Mal näher auseinandergesetzt hat sich das Bundesgericht in BGE 144 II 233, und zwar mit dem Resultat, dass die «LOVE LIFE - bereue nichts»-Präventionskampagne des BAG gegen HIV und andere Geschlechtskrankheiten diesen nicht tangiere (vgl. die E. 8), weshalb die Voraussetzung des Berührtseins der Beschwerdeführenden in ihren Rechten gemäss Art. 25a Abs. 1 VwVG nicht erfüllt sei und gegen die besagte Kampagne kein Rechtsschutz erlangt werden könne. Klargestellt hat das Bundesgericht damit, dass Kinder nicht nur keinen aus Art. 11 BV fliessenden verfassungsrechtlichen Anspruch darauf haben, von der «LOVE LIFE»-Kampagne verschont zu bleiben, sondern dass dieselbe nicht einmal einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 11 BV bewirkt.
Dass das Bundesgericht in BGE 144 II 233 faktisch eine Zumutbarkeitsprüfung vornahm und die Beschwerdeführenden faktisch durchaus Rechtsschutz erhielten, sei hier nur am Rand erwähnt. Interessant ist in vorliegendem Zusammenhang vielmehr, dass das Bundesgericht bei der Eruierung des Geltungsbereichs des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Kindesschutz in Bezug auf staatliche Informationskampagnen mit sexuellem Inhalt auf das strafbewehrte Verbot abgestellt hat, Personen unter 16 Jahren pornografische Aufnahmen und Abbildungen zu zeigen (vgl. Art. 197 Abs. 1 StGB), und dasselbe ausdrücklich als «Konkretisierung von Art. 11 BV» bezeichnete (vgl. die E. 8.2.2 f.). Insofern, als es e contrario strafrechtlich - und demnach laut Bundesgericht auch verfassungsrechtlich - zulässig ist, Kinder im öffentlichen Raum mit bloss «sexualisierten» Darstellungen zu konfrontieren, könnte man Art. 197 Abs. 1 StGB allerdings zugleich eine (zumindest leicht) grundrechtseinschränkende Wirkung zusprechen, woraus erhellt, dass für die «LOVE LIFE»-Kampagne letztlich dasselbe gilt: Wäre diese pornografischer Natur, würde sie Art. 11 Abs. 1 BV nämlich verletzen; hätte das BAG auf die strittigen «Sexszenen» verzichtet, läge dagegen gar keine Grundrechtseinschränkung vor.
(Zwischen-)Fazit: Weil es der herrschenden Dogmatik zufolge zwischen der Nichttangierung und der Verletzung eines Grundrechts zwingend Raum für gerechtfertigte Einschränkungen geben muss, stellt die in BGE 144 II 233 beurteilte Präventionskampagne eine zulässige Verkürzung des durch Art. 11 BV gewährleisteten Schutzanspruchs dar. Das Bundesgericht hätte die betreffende Beschwerde gutheissen (und aus Gründen der Prozessökonomie gleich selber die Rechtmässigkeit der Kampagne feststellen) müssen.[15]
Mit Blick auf den vom Bundesgericht im Urteil 2C_1005/2018 (mehr oder weniger umfassend) verneinten verfassungsmässigen Anspruch auf Heimunterricht ist die Ausgangslage ähnlich. Im Raum stand hier allerdings nicht die «Grundrechtsirrelevanz» eines Verwaltungsrealakts, sondern primär diejenige einer Gesetzesbestimmung, genauer: der in § 135 Abs. 2 SchulG/BS aufgestellten Voraussetzungen des Erhalts einer Bewilligung für die Erteilung von «Privatunterricht». Festzuhalten ist diesbezüglich zunächst, dass Art. 11 - zusammen mit Art. 67 - BV das Kindeswohl zur Verfassungsmaxime erhebt,[16] in der sowohl das in Art. 13 Abs. 1 BV enthaltene elterliche Erziehungsrecht wie auch der staatliche Bildungsauftrag gemäss Art. 62 Abs. 2 BV ihre Rechtfertigung und Begrenzung finden.[17] Während Art. 67 Abs. 1 BV dessen objektivrechtlich-programmatische Dimension kodifiziert (vgl. auch Art. 41 Abs. 1 lit. f und g BV),[18] handelt es sich bei Art. 11 Abs. 1 BV um die subjektivverfassungsrechtliche Verbürgung des Kindeswohlprinzips. Angestrebt wird mit ihm «eine altersgerechte Entfaltungsmöglichkeit des Kindes in geistig-psychischer, körperlicher und sozialer Hinsicht, wobei in Beachtung aller konkreten Umstände nach der für das Kind bestmöglichen Lösung zu suchen ist».[19]
Des Weiteren ist bedeutsam, dass sich die Tragweite der anspruchsbegründenden Teilgehalte von Art. 11 Abs. 1 BV (und Art. 3 KRK) angesichts von Art. 19 BV und der zahlreichen einfachgesetzlichen Vorgaben, die das Kindeswohlprinzip konkretisieren - zu denen ganz unbestreitbar auch § 135 SchulG/BS gehört (vgl. insbesondere dessen Abs. 2 lit. b) -, rechtspraktisch weitgehend darin erschöpft, im infrakonstitutionellen Bereich bestehende Schutzlücken zu füllen.[20] Womit wir beim Kern des Problems angelangt wären: Geht man davon aus, dass häuslicher Privatunterricht zu einer Verwirklichung des Kindeswohls führen kann (andernfalls wäre er von vornherein verfassungswidrig), dann darf «Homeschooling» nicht vollständig untersagt sein.[21] Woraus folgt: Gäbe es in einem Kanton keine gesetzliche Grundlage für die Erteilung des Grundschulunterrichts durch die Eltern, müsste «Homeschooling» dort zumindest insoweit, als es das Kindeswohl in besonders gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise[22] gebietet, dennoch zugelassen werden, und zwar direkt gestützt auf Art. 11 Abs. 1 (i. V. m. Art. 13 Abs. 1 und Art. 19) BV.[23] Solange solche - gleichsam «einschränkend-grundrechtskonkretisierenden» - Normen wie §135 SchulG/BS bestehen,[24] wird diese verfassungsrechtliche Minimalgarantie aber allemal auf Gesetzesstufe «konsumiert».
Zusammenfassend: Ein (kantonal-)gesetzliches Verbot häuslichen Privatunterrichts wäre mit Art. 11 BV genauso unvereinbar wie dessen voraussetzungslose Zulässigkeit. Wer einen (bundes-)verfassungsmässigen Individualanspruch der Kinder und Jugendlichen auf «Homeschooling» hingegen kategorisch verneint, bringt damit indirekt nichts anderes zum Ausdruck, als dass es für ein Kind unter keinerlei Umständen auch nur vorübergehend besser sein kann, zuhause beschult zu werden. Und das ginge dann wohl doch etwas zu weit. Es bleibt zu hoffen, dass die Kantone ihre jeweiligen «Homeschooling»-Regelungen grundrechtskonform handhaben und dass das Bundesgericht Art. 11 BV (nicht nur) in künftigen die Zulässigkeit privaten Heimunterrichts betreffenden Fällen mehr Beachtung schenkt.