I. Einleitung
Drohnen[1] sind auf dem Vormarsch. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) schätzt, dass in der Schweiz über 20'000 zivil, d.h. nicht militärisch, genutzte Drohnen in Betrieb sind.[2] Die Mehrheit davon verfügt über ein Startgewicht von 0,5 kg bis 8 kg.[3] Zentrales Element einer Drohne ist die Steuereinheit.[4] Diese kontrolliert mit Hilfe eines Algorithmus den Flug.[5] Je nach Entwicklungsstufe übernimmt sie die Kontrolle bei der Stabilisierung oder auch bei ganzen Flugmanövern.[6] Ohne direkte Steuerung durch einen Piloten sind dadurch beispielsweise Schweben an Ort, Start und Landung, selbständiges Fliegen, das Ausweichen von Hindernissen, oder das Aufgreifen von Paketen möglich.[7] Dadurch eröffnet sich ein breites kommerzielles Anwendungsfeld im Bereich von Logistik, Überwachung und Inspektionen, Landwirtschaft, Medien und Unterhaltung, humanitärer Hilfe, Schutz und Rettung, sowie Bau und Ingenieurwesen.[8]
Der zivile Einsatz von Drohnen verspricht grosses wirtschaftliches Potential.[9] Die Europäische Kommission erwartet im Bereich der Drohnentechnologie in den nächsten 10 Jahren einen Umsatz von rund EUR 15 Milliarden pro Jahr sowie bis zu 150'000 neue Arbeitsplätze.[10] In den USA rechnet eine Branchenstudie mit einem Umsatzwachstum von USD 82,1 Milliarden und geht zudem von rund 104'000 neuen Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2025 aus.[11]
II. Regulierungsbestrebungen in den USA und der EU
Zum heutigen Zeitpunkt existiert auf supranationaler Ebene kein umfassendes Regelwerk für die zivile unbemannte Luftfahrt.[12] Die International Civil Aviation Organization (ICAO) hat eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema eingesetzt, welche ein Handbuch für durch Piloten ferngesteuerte Luftfahrtsysteme erarbeitet hat.[13] Darin wird im Kern die Gleichstellung der unbemannten mit der bemannten Luftfahrt gefordert.[14] Allerdings enthält dieses Handbuch lediglich Empfehlungen.[15]
1. Liberalisierung ziviler Drohnen in den USA
Das US-amerikanische Recht unterscheidet bei den zivilen Drohnen zwischen Freizeitdrohnen und kommerziell genutzten Drohnen. Für Letztere galten bislang grundsätzlich die Zulassungsbestimmungen der bemannten Luftfahrt.[16] Ausnahmen von diesen strikten Vorgaben waren seit dem Jahr 2012 zwar möglich.[17] Allerdings musste nach wie vor jede kommerzielle Nutzung durch die US-amerikanische Luftfahrtbehörde (Federal Aviation Administration, FAA) bewilligt werden.[18] Nach den bisher in den USA geltenden Gesetzen wäre es kaum möglich gewesen, die hohen wirtschaftlichen Erwartungen (oben I.) zu erfüllen. Per 29.8.2016 traten nun gelockerte Bestimmungen in Kraft.[19] Neu sind kommerzielle Flüge mit Drohnen bis 55 Pfund (ca. 25 kg) ohne spezielle Bewilligung möglich. Eine Voraussetzung dafür ist, dass der Pilot einen «Drohnen-Pilotenschein» erworben hat. Die neuen US-Regelungen beinhalten aber noch weitere Einschränkungen: Zum Beispiel die Pflicht des Piloten, direkten Sichtkontakt zur Drohne zu halten (visual-line-of-sight, VLOS), ein Nachtflugverbot, ein Verbot über (nicht am Drohnenflug beteiligte) Menschen zu fliegen, sowie die Pflicht, eine maximale Flughöhe von 400 Fuss (ca. 122 m) einzuhalten.[20]
In der Drohnenindustrie und bei möglichen kommerziellen Anwendern in den USA wird die Gesetzesanpassung als erster Schritt in die richtige Richtung begrüsst.[21] Allerdings wird kritisiert, dass zum Beispiel aufgrund des VLOS-Erfordernisses kommerzielle Anwendungen mit grossem wirtschaftlichem Potential, wie Paketlieferdienste, nicht möglich seien.[22] Daneben seien Flüge in urbanen Gebieten wegen des Überflugverbots von Menschen nahezu ausgeschlossen.[23] Kritiker der FAA-Regulierung befürchten zudem, dass die USA mit dieser strikten Drohnenregulierung in wirtschaftlicher Hinsicht gegenüber Europa ins Hintertreffen geraten könnte.[24]
2. Harmonisierungsbestrebungen in der EU
In der Europäischen Union fallen unbemannte Luftfahrzeugsysteme bis 150 kg in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.[25] Deshalb existieren heute in diesem Bereich grosse gesetzliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern.[26] Allerdings sind Bestrebungen zu einer einheitlichen Regelung für den gesamten EU-Binnenmarkt im Gang.[27] Diesbezüglich arbeitet die Expertengruppe JARUS (Joint Authorities for Rulemaking on Unmanned Systems) innerhalb der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) an harmonisierten Bestimmungen für zivile Drohnen.[28] Über den Stand dieser Arbeiten wurde im Juni 2016 in einem nicht verbindlichen Papier (Non-Paper: Roadmap for drone operations in the European Union)[29] berichtet.[30] Demnach sollen zum Beispiel Kleindrohnen (bis 25 kg)[31] getrennt von der bemannten Luftfahrt fliegen, d.h. bis maximal 150 m Höhe[32] und nicht im Umkreis von Flugplätzen und Flughäfen[33]. Flüge ausserhalb der Sichtweite des Piloten sollen möglich sein (beyond-line-of-sight, BLOS).[34] Dafür wird allerdings ein «sense and avoid»-System vorausgesetzt.[35] Dazu müssen Drohnen mit Sensoren ausgerüstet sein, welche andere Luftverkehrsteilnehmer erkennen können. Ein Steuercomputer an Bord der Drohne wertet die Sensordaten aus und leitet bei Kollisionsgefahr ein Ausweichmanöver ein.[36] Zurzeit existieren allerdings noch keine marktreifen «sense and avoid»-Systeme.[37] Der definitive Entwurf für ein Betriebskonzept von unbemannten Luftfahrzeugen in der EU wird in den nächsten Monaten erwartet und soll ab dem Jahr 2018 in Kraft treten.[38]
III. Regulierung ziviler Drohnen in der Schweiz
Im Rahmen des Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der EU[39] sind europäische Erlasse im Bereich des zivilen Luftrechts auch für die Schweiz von Bedeutung.[40] Deshalb sind Vertreter des BAZL aktiv beim Projekt JARUS beteiligt.[41]
In der Schweiz können Drohnen bis 30 kg unabhängig ihres Einsatzzweckes grundsätzlich ohne Bewilligung betrieben werden (Art. 14 Abs. 1 VLK[42] e contrario). Zwar gelten auch hier Einschränkungen für Drohnen zwischen 0,5 kg und 30 kg wie die VLOS-Pflicht (Art. 17 Abs. 1 VLK), das Verbot von Flügen über Menschenansammlungen (Art. 17 Abs. 2 lit. c VLK) und eine Versicherungspflicht (Art. 20 Abs. 1 VLK).[43] Von Einschränkungen wie der VLOS-Pflicht erteilt das BAZL Ausnahmenbewilligungen (Art. 18 VLK). Neben weiteren Auflagen muss dafür eine umfassende Risikoanalyse einen genügenden Schutz von Bevölkerung und Umwelt feststellen (Art. 18 Abs. 2 VLK).[44] Somit sind - wie in den USA (oben II.A) - beispielsweise Drohnen-Paketlieferdienste, wie sie durch Matternet, Swiss Cargo und die Schweizerische Post im letzten Jahr getestet wurden,[45] nur mit einer Ausnahmebewilligung möglich.
Neben luftrechtlichen Regulierungen schränken weitere Bestimmungen die Nutzung von Drohnen ein. Werden zum Beispiel mittels Drohnenkameras Personen aufgenommen, können diese Bilder als Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a DSG[46] gelten. In diesem Fall kommen die Einschränkungen des Datenschutzgesetzes zur Anwendung.[47] Das Eindringen mit einer Drohne in den Privatbereich einer Person kann zudem eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Art. 28 ZGB[48] darstellen.[49] Ebenso können beim Drohnenüberflug privater Grundstücke sachenrechtliche Abwehransprüche bestehen.[50] In diesem Zusammenhang wird auch das gerichtliche (Überflug-)Verbot als Abwehrinstrument ins Feld geführt,[51] auch wenn die Praktikabilität dieses Lösungsansatzes anzuzweifeln ist. Gleichzeitig müssen Normen des Umweltschutzrechts wie die Lärmschutz-Verordnung[52] oder Regelungen zum Schutz von Wildtieren und Vögeln[53] eingehalten werden. Schliesslich sind auch zoll- und steuerrechtliche Bestimmungen relevant, wenn zum Beispiel ausländische Drohnenbetreiber Dienstleistungen über Grenzen hinweg in der Schweiz anbieten.[54]
Allerdings sind Drohnenpiloten oft schwierig zu eruieren, gerade wenn Modelle zum Einsatz kommen, die mittels Videoübertragung ausserhalb des Sichtbereichs des Betreibers fliegen können (BLOS). Deshalb stehen den vorgenannten Bestimmungen zurzeit grosse Durchsetzungsprobleme gegenüber.
Aktuell wird beim BAZL nach Lösungen gesucht, wie illegal fliegende Drohnen ihrem Piloten zugeordnet werden können. Laut Urs Holdegger vom BAZL sollen Drohnen künftig mit einem Chip versehen werden, der geortet werden kann.[55] Damit soll die Identifikation des Betreibers der Drohne möglich sein. In dieser Hinsicht scheint eine Registrierungspflicht für im Freien fliegende Drohnen in der Schweiz eine Frage der Zeit. Für Freizeitdrohnenpiloten in den USA ist eine Registrierungspflicht bereits Realität. Sie sind seit dem 19.2.2016 verpflichtet, ihre Drohne ab einem Gewicht von 0,55 Pfund (ca. 250 g) in einem nationalen Register einzutragen.[56]
Ein solches Register kann ein erster Schritt für die Zulassung von (teil-) autonomen Flügen ausserhalb der Sichtweite des Piloten (BLOS) sein. Allerdings sind dazu weitere technische Entwicklungen notwendig. Es fehlen zum Beispiel marktreife «sense and avoid»-Systeme (oben II.B). Für die Entwicklung solcher neuen Technologien sind Tests unter realen Bedingungen unabdingbar. Diese sind mittels Ausnahmebewilligungen in der Schweiz möglich, sofern dadurch Bevölkerung und Umwelt nicht gefährdet werden.
IV. Fazit
Bei der Regulierung von neuen Technologien ist es wichtig, gut zwischen wirtschaftlichen Interessen sowie Schutzinteressen von Bevölkerung und Umwelt abzuwägen. In unseren Augen hält die Schweizer Lösung im Moment mit den technischen Möglichkeiten Schritt und lässt Spielraum für Ausnahmebewilligungen. Daran würde auch eine Registrierungspflicht nichts ändern. Durch die Rückverfolgbarkeit von fehlbaren Drohnenpiloten würde das Vertrauen der Bevölkerung in die Drohnentechnologie gestärkt, was sich letztlich positiv auf die Akzeptanz von Drohneneinsätzen auswirken würde. Der Bundesrat hat erst kürzlich beantragt, eine Motion abzulehnen,[57] welche eine weitergehende Regulierung von Drohnen verlangte.[58] Im Sinne eines starken Forschungs- und Technologie-Standortes Schweiz ist diese Haltung zu befürworten.